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EINLEITUNG

Interprofessionelle Ausbildung bzw. Lehre und Zusammenarbeit gewinnen im Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung. Bei der interprofessionellen Lehre (IPL, engl. Interprofessional Education [IPE]) handelt es sich um das «mit-, von- und übereinander» Lernen verschiedener Professionen oder Studierender dieser (Centre for the Advancement of Interprofessional Education [CAIPE], 2016, S. 1). Ziel der IPL ist, dass die Auszubildenden unter anderem Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der anderen Berufsgruppen kennenlernen und weitere Kompetenzen erwerben, die für die interprofessionelle Zusammenarbeit unabdingbar sind (Barr, 1998).

Bei der Planung von interprofessionellen Ausbildungsprogrammen gibt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die Oandasan und Reeves (2005) in drei Ebenen einteilen. Auf der «Mikroebene» werden der Einfluss vorgefertigter Ansichten und die Entwicklung der Teilnehmenden zu Gesundheitsfachleuten beschrieben. Die «Mesoebene» beinhaltet Organisation und Planung sowie die Unterstützung einflussreicher institutioneller Personen. Auf der «Makroebene» wird der Politik und verschiedenen Institutionen eine wichtige Rolle beigemessen.

IPL kann einen positiven Effekt auf verschiedenen Ebenen bewirken und so das Gesundheitssystem beeinflussen. So zeigten sich in der Studie von Nagge et al. (2017) durch IPL Verbesserungen in der Zusammenarbeit und im Rollenverständnis. Auch kann eine Wertschätzung gegenüber anderen Professionen gefördert werden (Singer et al., 2018). In der Studie von Strasser et al. (2008) konnte durch ihre Intervention ein gewisser positiver Einfluss auf ein Patienten-Outcome gezeigt werden. Im Review von Reeves et al. (2013), welcher letztere Studie inkludiert hat, weisen die Autoren darauf hin, dass die Ergebnisse aufgrund der großen Heterogenität der eingeschlossenen Studien keine allgemeinen Aussagen erlauben.

In der Schweiz gibt es Bestrebungen, die interprofessionelle Zusammenarbeit durch gemeinsame Ausbildungsangebote, darunter die Zürcher InterProfessionelle AusbildungsStation (ZIPAS®; Ulrich et al., 2019), zu verbessern. Solche Angebote sind jedoch oft singulär und (noch) nicht fest in den Curricula verankert. Zudem sind Studierende der Gesundheits- und Medizinalberufe meist institutionell und örtlich voneinander getrennt. Im Kanton Zürich beispielsweise bietet die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Studiengänge «Ergotherapie», «Hebamme», «Pflege» und «Physiotherapie» an. Dagegen studiert man Humanmedizin an der Universität Zürich (UZH) und Pharmazie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH). Die ETH bietet zudem neu Humanmedizin auf Bachelor-Stufe an. Zwischen den Studiengängen der Universitäten und Fachhochschulen gibt es bisher nur wenig gemeinsame Lehrveranstaltungen, da vielfach die entsprechenden Strukturen und Prozesse (z. B. Flexibilität der einzelnen Curricula) fehlen.

Die Institutionen ZHAW und UZH haben am 12. Oktober 2019 erstmalig den Interprofessionellen Ausbildungstag (IPE-Tag) durchgeführt, mit der Zielsetzung, das gegenseitige Rollenverständnis von Studierenden verschiedener Fachrichtungen im Gesundheitswesen zu verbessern und interprofessionelle Kompetenzen zu vermitteln bzw. zu vertiefen. Das Ziel dieser Untersuchung war es, den IPE-Tag inklusive der Erwartungen, positiven Aspekte und Verbesserungsvorschläge seitens der Studierenden zu evaluieren und den Kompetenzerwerb der Studierenden zu messen.

METHODE
Forschungsdesign

Zur Evaluation des IPE-Tages wurde ein Mixed-Methods-Ansatz gewählt; hierbei werden quantitative und qualitative Methoden kombiniert (Leech & Onwuegbuzie, 2009). Gemäß Einteilung und Definition der Autoren folgt diese Studie einem «fully mixed concurrent equal status design», das heißt, der quantitative und qualitative Anteil wurden zeitgleich sowie gleichwertig erfasst bzw. behandelt und bereits beim Forschungsziel gemischt.

Setting und Teilnehmende

Das Grundkonzept des IPE-Tages entstammt einer Sommerakademie der Studienstiftung des Deutschen Volkes, an welcher ein interprofessionelles Team an Studierenden den IPE-Tag entwickelt hatte. Dieses Konzept wurde vom Autorenteam überarbeitet und an die Situation vor Ort angepasst und sah wie folgt aus: Nach einer Einführung in das Thema «Interprofessionalität» wurden die Teilnehmenden in Gruppen eingeteilt, jeweils begleitet von einem interprofessionellen Instruktoren-Team, bestehend aus zwei Dozierenden. Die Studierenden lernten sich zuerst durch ein kurzes Spiel näher kennen. Im Anschluss wurden gegenseitige Stereotypen herausgearbeitet und diskutiert. In kleineren Gruppen folgten dann zwei Fallbeispiele mit Simulationspersonen, in denen jeweils ein interprofessionelles Team von Studierenden eine gemeinsame Anamnese und einen Behandlungsplan erarbeiten mussten. Der erste Fall handelte von einer Mutter, welche nach Radiusfraktur ein Komplexes regionales Schmerzsyndrom entwickelte. Durch die eingeschränkte Beweglichkeit der Hand wurde das Stillen ihres Säuglings, die Haushaltsführung und die Pflege ihrer kranken Mutter erschwert. Im zweiten Fall ging es um eine im achten Monat schwangere Frau mit Problemen beim Wasserlassen und vermehrtem Durstgefühl (Diagnose Gestationsdiabetes). Da sie seit drei Monaten nicht mehr in der Kontrolle bei der Frauenärztin war, hatte sie zudem große Schuldgefühle. Während der Bearbeitung der Fälle wurden die Studierenden durch die anderen beobachtet. In den anschließenden Feedback- und Reflexionsrunden gaben die Studierenden sowie die Simulationspersonen Feedback bzw. wurden unter anderem die Eindrücke besprochen. Die wichtigsten Erkenntnisse wurden herausgearbeitet und in der größeren Gruppe einander vorgestellt. In den Pausen, während des Mittagessens und am abschließenden Grillfest gab es die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen. Der Ablaufplan des Tages und die Lernziele der einzelnen Einheiten finden sich in Tabelle 6 im Anhang.

Die insgesamt 68 Teilnehmenden kamen aus den Universitäten UZH und ETH und der Fachhochschule ZHAW. Teilgenommen haben Studierende aus den Studiengängen Ergotherapie (3. Bachelor-Jahr), Hebamme (2. Bachelor-Jahr), Medizin (1. Bachelor-Jahr sowie 3. Bachelor- bis 3. Master-Jahr), Pflege (2. Bachelor-Jahr), Physiotherapie (2. und 3. Bachelor-Jahr) und Pharmazie (1. Master-Jahr). Daneben waren Doktorierende (n= 8) aus dem Doktoratsprogramm «Care & Rehabilitation Sciences» der UZH mit verschiedenem fachlichem Hintergrund dabei.

Die Teilnahme am IPE-Tag war für die Studierenden freiwillig. Die Studierenden wurden über die Informationsplattformen der jeweiligen Institutionen bzw. Studiengänge auf die Veranstaltung hingewiesen. Für die Doktoranden war die Teilnahme im Rahmen des Moduls «Interprofessionalität» ihres Doktoratsprogramms obligatorisch. Sie wurden direkt durch die Programmleitung informiert.

Datensammlung

Die Teilnehmenden erhielten vor und nach dem IPETag eine E-Mail mit einem Link zur Online-Umfrage, welche die wesentlichen Aspekte des IPE-Tages aufgriff und sich an den Themenbereichen von Singer et al. (2018) orientierte. Die Befragungen erfassten zunächst demografische Daten (Alter, Geschlecht, Studienrichtung) sowie vorgängige Erfahrungen mit Interprofessionalität (mit Angabe von zeitlichem Umfang und Situation), dann wurden fachliche Fragen zum Thema «Interprofessionalität» gestellt. In beiden Umfragen wurden die Teilnehmenden anschließend angewiesen, sich anhand zweier Teilfragebögen für interprofessionelle Kompetenzen selbst einzuschätzen. Der erste Teilfragebogen bestand aus Deskriptoren der ZIPAS®. Dabei wurden sieben von 11 Kompetenzbereichen aus dem Modell «Kompetenzen zur Interprofessionellen Zusammenarbeit» (KIPZ, KIPZModell; Huber et al., 2018, Tabelle 1) entnommen und in persönliche Aussagen umgeformt. Jede Aussage konnte mit einer Likert-Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 6 (trifft vollkommen zu) bewertet werden. Den zweiten Teilfragebogen bildete der validierte Interprofessional Collaborative Competencies Attainment Survey (ICCAS; Archibald et al., 2014; MacDonald et al., 2010) mit einer Skala von 1 (strongly disagree) bis 7 (strongly agree), mit der Möglichkeit des Aussetzens der Bewertung (na = not applicable). Da die Items des ICCAS auf Englisch erfragt wurden, mussten die Studierenden angeben, ob sie sich in ihren Englischkenntnissen sicher genug fühlten für eine korrekte Einschätzung. Am Schluss der Umfragen wurden offene Fragen gestellt. In der ersten Umfrage wurde nach der Motivation und den Erwartungen, in der zweiten nach den Stärken und Schwächen des IPE-Tages sowie zur allgemeinen Stimmung gefragt. Die Online-Umfragen wurden mittels EvaSys erstellt und durchgeführt.

Eigenschaften der teilnehmenden Studierenden an den Online-Umfragen.

Eigenschaften Teilnehmende an der ersten Befragung (n = 57) Teilnehmende an der zweiten Befragung (n = 40)
Weibliches Geschlecht n (%) 46 (80.7) 32 (80)
Mittleres Alter M (SD) 24,5 (± 5,5) 24,5 (± 5,5)
Ergotherapie n (%) 4 (7,0) 2 (5)
Hebamme n (%) 4 (7,0) 4 (10)
Medizin n (%) 15 (26,3) 8 (20)
Pflege n (%) 15 (26,3) 12 (30)
Physiotherapie n (%) 15 (26,3) 11 (27,5)
Weitere Fachgebiete n (%)1 4 (7,0) 3 (7,5)
Erfahrung mit Interprofessionalität n (%)2 48 (84,2) 32 (80)

Pharmakologie, Chiropraktik oder Public Health;

Ja / Nein

Analyse

Die Items des ZIPAS®-Kompetenzrahmens und des ICCAS wurden zur Analyse in die entsprechenden Subskalen (beispielsweise Teamfähigkeit) zusammengefasst, um sie mit den Ergebnissen der qualitativen Analyse zu kombinieren. Die Daten wurden auf die Voraussetzungen für eine Varianzanalyse hin untersucht. Bei nicht erfüllten Voraussetzungen wurden die Daten per Mann-Whitney-U-Test analysiert. Für die statistischen Analysen wurden Prä- und Post-Befragte als unabhängige Stichproben betrachtet, da eine Zuordnung der Teilnehmenden von Prä zu Post nicht möglich war. Die Daten werden demnach im Sinne zweier zeitlich versetzter Querschnitterhebungen angesehen. Es wurde mit zweiseitigen Hypothesentests gerechnet, um der Tatsache zu genügen, dass die Gruppen als unabhängig voneinander angesehen werden. Es ist schwieriger, bei zweiseitigen Tests eine Signifikanz zu erreichen, was die Gefahr einer Verzerrung der Ergebnisse reduziert. Die deskriptiven Daten werden in Mittelwert und Standardabweichung dargestellt. Die Tests waren zweiseitig und der α-Level wurde auf 0,05 gesetzt. Schließlich wurde zur Beurteilung der «Reliabilität» (Tavakol & Dennick, 2011, S. 54) eine Cronbach's-Alpha-Analyse der einzelnen Subskalen durchgeführt. Oftmals wird als Richtwert 0,7 verwendet, dieser unterliegt allerdings Kritik, da sich das Cronbach's Alpha in Abhängigkeit zur Anzahl Items eines Instruments verändert (Schmitt, 1996). Zur Beschreibung und groben Einschätzung der Cronbach's-Alpha-Werte wurde in dieser Untersuchung 0,7 als Richtwert gewählt. Zur statistischen Auswertung wurde das Statistik-Programm SPSS in der Version 26 verwendet. Die Validität insbesondere der ZIPAS-Kompetenzen wurde mittels Spearman-Korrelation überprüft, im Sinne einer Übereinstimmungsvalidität. Es sind über die Subskalen mittlere Korrelationen mit den Subskalen der ICCAS zu erwarten, da beide Instrumente interprofessionelle Kompetenzen überprüfen, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Zur Überprüfung der Reliabilität und Validität auf die Stichprobe bezogen wurden lediglich die Werte der ersten Befragung berücksichtigt.

Zur qualitativen Analyse wurden aus beiden Umfragen die Aussagen der Teilnehmenden auf die offenen Fragen gesamthaft entnommen und gemäß der Thematischen Analyse nach Braun und Clarke (2012) ausgewertet. Zunächst wurden den Aussagen anhand der Inhalte Codes zugeteilt, teils deduktiv aufgrund der gestellten Frage (z. B. nach der Motivation), teils induktiv, um neue Aspekte aufzudecken. Anschließend wurden unter den Codes Gemeinsamkeiten gesucht, um dadurch eine erste Einteilung vorzunehmen und Subthemen zu entwickeln. Dieser Vorgang wurde von zwei Autoren (PO, SG) unabhängig durchgeführt. Im Anschluss wurden in Zusammenarbeit verschiedene Themen generiert. Während bei der Generierung der Codes und Subthemen die beiden Befragungen voneinander getrennt betrachtet und bearbeitet wurden, kam es bei der Erstellung der Themen teilweise zur Integration von Prä- und Post-Subthemen im gleichen Thema. Ausgehend von diesen Themen wurden repräsentative und inhaltlich wichtige Aussagen entnommen. In den einzelnen, iterativen Schritten wurden Anpassungen vorgenommen, darunter die Benennung von Subthemen sowie Themen und die Zuordnungen von Codes, Aussagen sowie eines Subthemas.

RESULTATE
Demografische und studienbezogene Daten der Umfrage-Teilnehmer

Von insgesamt 68 Teilnehmenden füllten 58 die erste und 41 die zweite Umfrage aus, was einer Rücklaufquote von 85,3 % bzw. 60,3 % entspricht. Aufgrund von Zweifeln am korrekten Ausfüllen der Umfragen, welche bei Sichtung der Rohdaten einerseits anhand der Antworten auf die theoretischen Fragen sowie der Selbsteinschätzung und andererseits anhand eines Kommentars entstanden waren, wurde jeweils eine Person von der ersten bzw. zweiten Befragung ausgeschlossen. Somit ergab sich eine abschließende Rücklaufquote von 83,8 % bzw. 58,8 %. In beiden Befragungen waren rund 80 % der Teilnehmenden Frauen, und das mittlere Alter beider Geschlechter betrug 24,5 Jahre. Die Umfragen wurden zum größten Teil von Studierenden der Medizin, Pflege und Physiotherapie ausgefüllt. Erfahrung mit Interprofessionalität gaben 48 bzw. 32 Studierende an. Die Eigenschaften der Teilnehmenden an den Umfragen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Kompetenzerwerb nach ICCAS und ZIPAS-Kompetenzrahmen

Da die Daten die Voraussetzungen für parametrische Tests nicht erfüllten, wurde zur statistischen Auswertung der ICCAS- und ZIPAS®-Fragebögen der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Es zeigte sich in allen Subskalen des ZIPAS®-Kompetenzrahmens ein Anstieg nach dem IPE-Tag. In den Subskalen Respekt, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit und Konfliktfähigkeit liess sich ein statistisch signifikanter Anstieg von der ersten zur zweiten Befragung feststellen. Die größte Verbesserung zeigte sich in der Reflexionsfähigkeit (siehe Tabelle 2).

Ausgewählte Kompetenzbereiche nach ZIPAS® (Zürcher InterProfessionelle AusbildungsStation).1

Item Vor dem IPE2-Tag (n = 57) Nach dem IPE-Tag (n = 40) p-Wert z-Wert df3
M SD M SD
Respekt 4,88 0,55 5,22 0,43 0,002 3,072 95
Teamfähigkeit 4,97 0,54 5,34 0,47 0,001 3,353 95
Wertschätzung 5,55 0,50 5,66 0,36 0,400 0,842 95
Kommunikationsfähigkeit 4,84 0,65 5,18 0,58 0,010 2,591 95
Reflexionsfähigkeit 4,54 0,78 5,06 0,59 0,001 3,199 95
Konfliktfähigkeit 4,42 0,86 4,78 0,63 0,047 1,990 95
Offenheit/Bereitschaft 5,15 0,65 5,4 0,51 0,066 1,835 95

Abgeleitet aus dem Modell «Kompetenzen zur Interprofessionellen Zusammenarbeit» (KIPZ, KIPZ-Modell; Huber, M., Georg, W., Schröder, G., Daneffel, L., Spurek, H. & Kohlbrenner, D., 2018, Tabelle 1)

Interprofessional Education

Anzahl Freiheitsgrade

Im ICCAS präsentierte sich ebenfalls in allen Subskalen ein Anstieg von der ersten zur zweiten Befragung. Statistisch signifikante Verbesserungen wiesen die Subskalen Communication und Roles and Responsibilities auf (siehe Tabelle 3).

Kompetenzbereiche nach ICCAS (International Collaborative Competencies Attainment Survey).1

Item Vor dem IPE2-Tag (n = 57) Nach dem IPE-Tag (n = 40) p-Wert z-Wert df3
M SD M SD
Communication 5,66 0,80 6,04 0,67 0,012 2,512 95
Collaboration 5,67 0,84 5,85 1,04 0,130 1,513 95
Roles and Responsibilities 5,55 0,93 5,89 0,89 0,036 2,102 95
Collaborative Patient/Family-Centred Approach 5,46 1,43 5,87 1,26 0,109 1,604 95
Conflict Management/Resolution 5,91 0,80 6,17 0,76 0,100 1,646 95
Team Functioning 5,17 1,55 5,75 1,18 0,060 1,877 95

MacDonald, C. J., Archibald, D., Trumpower, D., Casimiro, L., Cragg, B. & Jelley, W. (2010)

Interprofessional Education

Anzahl Freiheitsgrade

Der ZIPAS®-Kompetenzrahmen zeigt sich mit einem Cronbach's Alpha von 0,85 (mit 12 Items und n = 57) als intern konsistent. Die ICCAS weist ein Cronbach's Alpha von 0,94 (20 Items, n = 57auf. Die Analysen der Subskalen finden sich in Tabelle 4. Erwartungsgemäß korrelieren die Subskalen beider Messinstrumente (ZIPAS®-Kompetenzrahmen und ICCAS) signifikant im mittleren Bereich miteinander (rS von 0,321 bis 0,733). Es ist demnach davon auszugehen, dass auch die Ergebnisse der Subskalen des ZIPAS®-Kompetenzrahmens reliabel und valide sind, mit Ausnahme der schon oben diskutierten Subskala «Respekt».

Cronbach's-Alpha-Werte der ZIPAS®1- und ICCAS2-Subskalen.

Subskalen α Itemanzahl
ZIPAS®1
  - Respekt 0,45 2
  - Teamfähigkeit 0,70 4
  - Wertschätzung 0,63 2
  - Kommunikationsfähigkeit 0,66 3
  - Reflexionsfähigkeit 0,77 3
  - Konfliktfähigkeit 0,83 3
  - Offenheit/Bereitschaft 0,79 3
ICCAS2
  - Communication 0,84 5
  - Collaboration 0,65 3
  - Roles and Responsibilities 0,79 4
  - Collaborative Patient/Family-Centred Approach 0,89 3
  - Conflict Management/Resolution 0,75 3
  - Team Functioning 0,67 2

Kompetenzbereiche abgeleitet aus dem Modell «Kompetenzen zur Interprofessionellen Zusammenarbeit» (KIPZ, KIPZ-Modell; Huber, M., Georg, W., Schröder, G., Daneffel, L., Spurek, H. & Kohlbrenner, D., 2018, Tabelle 1)

MacDonald, C. J., Archibald, D., Trumpower, D., Casimiro, L., Cragg, B. & Jelley, W. (2010) n=57

Erfahrungen der Studierenden

Mit der Thematischen Analyse (Braun & Clarke, 2012) der offenen Fragen konnten fünf Themen herausgearbeitet werden, die ihrerseits teilweise Subthemen beinhalteten. Diese Themen umfassen unter anderem die vorgängigen Erwartungen der Studierenden, die Effekte des IPE-Tages auf die Studierenden sowie Verbesserungsvorschläge und allgemeine Gedanken zum Thema «Interprofessionalität» seitens der Studierenden (siehe Tabelle 5).

Zitate der an den Online-Umfragen teilnehmenden Studierenden.

Themen und Subthemen Zitat
Motivation, Ziele und Erwartungen der teilnehmenden Studierenden Gespannt, freue mich darauf. Hoffe, dass ich etwas lernen werde.
Relativ neutral. Auch in der Hoffnung, nicht davon endtäuscht [sic] zu werden und meine Zeit sinnvoll zu investieren.
Verschiedene Sicht- und Denkweisen motzubekommen [sic]. Spannende Geapräche [sic] und Diskussionen.
Dass man mehr über die anderen Berufsgruppen lernt und dass man für eine bessere Zusammenarbeit vorbereitet/mit möglichen Strategien ‘ausgerüstet’ wird, um die interprofessionelle Arbeit optimaler zu gestalten.
Ich finde es spannend auch mal mit Medizinern zusammen zu arbeiten.
Stärken und positive Aspekte des IPE-Tages Ich habe es einen spannenden und lehrreichen Tag gefunden und war zwar müde, aber zufrieden am Abend.
–Austausch und Üben im interprofessionellen Team In den Pausen und beim Mittagessen hat man gut Zeit sich mit den anderen Professionen auszutauschen, was auch sehr spannend und lehrreich ist. Auch war es gut, dass die Einführungsveranstaltung sehr kurz gehalten wurde und man mehr im IP [interprofessionellen]-Team arbeiten konnte. (…)
Die gemeinsame Anamnese mit den Beobachtungsrollen und Schauspielpatienten war eine gute Gelegenheit, neue interprofessionelle Umgangsformen/Herangehensweisen auszuprobieren. Die anschliessende Reflexion förderte so einige Spannungsfelder und eigene Barrieren zutage.
(…) Zudem wurde uns Studierenden einen angenehmen Rahmen [sic] gegeben, um miteinander zu diskutieren und auch mal abschweifen zu können. (…)
–Teilnahme der Medizinstudierenden (…) Vor allem die Zusammenarbeit mit Medizinsutenten [sic] war sehr interessant und für beide Seiten lehrreich.
Lerneffekt und Kompetenzerwerb Jede Profession ging ohne Vorurteile in die Fallbeispiele, hörte sich die Sichtweisen und Meinungen der jeweils anderen an und so konnte jeweils ein guter gemeinsamer Weg gefunden werden.
(…) Durch praktische Beispiele und Feedback habe ich viel über die anderen Professionen im Gesundheitswesen und deren Arbeitsweise gelernt.
(…) Ein guter, lernreicher [sic] Tag mit sehr angenehmen Austausch [sic] zwischen den verschiedenen Proffessionen [sic].
Die Kommunikation mit den anderen Professionen war immer sehr respektvoll, man war offen für andere Ansichten und Vorschläge.
Verbesserungsvorschläge und negative Ansichten
–Verbesserungsvorschläge (…) Weniger den Fokus auf die Vorurteile der verschiedenen Professionen gegenüber, sondern vielleicht eher, dass jede Professiongruppe [sic] sich vorstellen kann, wo ihre Expertengebiete sind, wie sie vorgehen etc.
Ich hätte mir gewünscht, dass man noch etwas mehr zu den einzelnen Berufen, z. B. wo deren Stärken und Schwächen liegen, erfährt. Z. B. durch ein kurzer Vortrag [sic] in der Grossgruppe, was diese Profession macht.
–Negative und gemischte Ansichten Die Kombination von Bachelor-Studenten mit PhD-Studenten, die schon viele Jahre Berufserfahrung mitbringen fand ich nicht ganz gelungen. Der Stand der Expertise ist so unterschiedlich. (…)
Bedeutung und Umsetzung der Interprofessionalität in der beruflichen Praxis
–Gedanken zur interprofessionellen Ausbildung und Zusammenarbeit (…) Interprofessionalität spielt heutzutage immer eine [sic] wichtigere Rolle und sie wird auch immer mehr im Gesundheitswesen integriert. Ich denke so werden Patienten bestmöglich umsorgt.
Ich freue mich auf die Zukunft, in welcher ich mich umso mehr für eine IP [Interprofessionalität] bemühen werde
–Herausforderungen in der Zusammenarbeit verschiedener Professionen (…) Ich bin der Meinung das [sic] die interprofessionelle Arbeit sehr wichtig ist und viele Vorteile mit sich bring [sic], wobei sie sich nicht immer einfach gestaltet. (…)
Ich finde es wichtig, mit anderen Personen aus dem Gesundheitsdienst zusammen zu arbeiten und ihre Entscheidungen zu verstehen. Meiner Meinung nach ist das auch für den Patienten am besten, wenn es nicht um Machtkämpfe [sic] sondern um Zusammenarbeit geht.
Interprofessionalität ist sehr wichtig in Gesundheitsberufen und ich hoffe, dass durch gemeinsame Ausbildungen und dem Austausch untereinander eine respektvolle Zusammenarbeit auf gleicher Ebene erreicht werden kann.

Im ersten Thema, Motivation, Ziele und Erwartungen der teilnehmenden Studierenden, wurden aus der ersten Befragung die allgemeine Stimmung und die Erwartungen der Studierenden im Hinblick auf den IPE-Tag erfasst. Viele beschrieben ihre Stimmung als gespannt und freudig, wobei einige Studierende den Zeitpunkt des IPE-Tages (Samstag, teils vor Prüfungen) kritisierten. Als Erwartungen wurde überwiegend der Wunsch nach Zusammenarbeit, Austausch und einem gegenseitigen Kennenlernen genannt. Auffallend war, dass die Teilnahme der Medizinstudierenden von mehreren Studierenden erwähnt wurde, wohingegen die anderen Studiengänge kaum explizit genannt wurden.

Das zweite Thema, Stärken und positive Aspekte des IPE-Tages, ergab sich aus Aussagen aus der zweiten Befragung. Beschrieben wurden die positiven Aspekte im Aufbau und Struktur des IPE-Tages und die gute Stimmung der Teilnehmenden. Viele Studierenden bewerteten ihre Erwartungen als erfüllt oder übertroffen und äußerten sich als zufrieden. Sehr häufig wurden die Fallbeispiele als positiv bewertet. Ebenfalls in dieses Thema eingeschlossen wurden die Ansichten der Teilnehmenden (inklusive Medizinstudierenden) über die Teilnahme der Medizinstudierenden am IPE-Tag, welche als positiv und wichtig gewertet wurde.

Beim dritten Thema, Lerneffekt und Kompetenzerwerb, wurden positive Effekte auf Kompetenzen und andere Aspekte aus Sicht der Studierenden zusammengetragen. Der IPE-Tag wurde vorwiegend als lehrreich beschrieben, spezifischer wurden Austausch und Zusammenarbeit am häufigsten positiv hervorgehoben. Auch lobten hier einige das Kennenlernen der anderen Professionen.

Das vierte Thema, Verbesserungsvorschläge und negative Ansichten, umfasste die Probleme und möglichen Verbesserungen des IPE-Tages, entnommen aus der zweiten Befragung. Nur vereinzelte Aussagen beinhalteten negative oder gemischte Gefühle gegenüber dem IPE-Tag. Die Studierenden machten Vorschläge für ein besseres Kennenlernen der anderen Professionen. Außerdem lag für manche der Fokus zu stark auf den Vorurteilen gegenüber den anderen Professionen. Einige wünschten sich mehr Praxis oder Verbesserungen bei den praktischen Übungen wie realistischere Fallbeispiele. Daneben wurden verschiedene Bemerkungen zur Organisation oder Struktur abgegeben. Zu bemerken ist hierbei, dass ein paar Studierende darauf eingingen, dass sie unterschiedlich weit in ihren Ausbildungen fortgeschritten sind. Eine Person schlug zudem vor, dass auch Studierende der Psychologie zukünftig teilnehmen könnten.

Das fünfte Thema, Bedeutung und Umsetzung der Interprofessionalität in der beruflichen Praxis, umfasste die allgemeineren Gedanken der Studierenden zum Thema «Interprofessionalität» auch im Hinblick auf die berufliche Zukunft, wobei Aussagen aus beiden Umfragen eingeschlossen wurden. Manche Studierenden stützten sich auf eigene Erfahrungen, viele erwähnten auch die Wichtigkeit von Interprofessionalität und beschrieben ihre Ansichten über die Zukunft und die Anwendung in der Realität. In diesem Thema wurden ebenfalls unterschiedliche Herausforderungen bei der Zusammenarbeit verschiedener Professionen eingeschlossen. Explizit wurden unter anderem das gegenseitige Verständnis, Hierarchien und Konflikte genannt.

Zusammenführung der quantitativen und qualitativen Ergebnisse

Im Thema Motivation, Ziele und Erwartungen der teilnehmenden Studierenden zeigte sich sehr häufig der Wunsch nach guter Zusammenarbeit, was ebenso im Thema Lerneffekt und Kompetenzerwerb oftmals positiv auftrat. Dies lässt sich anhand der Subskala des ZIPAS®-Kompetenzrahmens Teamfähigkeit zeigen, wobei sich eine statistisch signifikante Steigerung von 4,97 (SD = 0,54) auf 5,34 (SD = 0,47, z = 3,353, p = 0,001) ergab. Dies wird durch die qualitativen Daten unterstützt:

Jede Profession ging ohne Vorurteile in die Fallbeispiele, hörte sich die Sichtweisen und Meinungen der jeweils anderen an und so konnte jeweils ein guter gemeinsamer Weg gefunden werden.

Ebenfalls trat im Thema Motivation, Ziele und Erwartungen der teilnehmenden Studierenden sehr häufig der Wunsch nach Austausch auf, was sich auch im Thema Lerneffekt und Kompetenzerwerb darstellte. Auch hier lässt sich eine Verbesserung zeigen anhand des ZIPAS®-Kompetenzrahmens und des ICCAS mit den Subskalen Kommunikationsfähigkeit und Communication mit einer jeweils statistisch signifikanten Steigerung von 4,84 (SD = 0,65) auf 5,18 (SD = 0,58, z = 2,591, p = 0,010) bzw. von 5,66 (SD = 0,80) auf 6,04 (SD = 0,67, z = 2,512, p = 0,012).

(…) Ein guter, lernreicher [sic] Tag mit sehr angenehmen Austausch [sic] zwischen den verschiedenen Proffessionen [sic].

Im Thema Verbesserungsvorschläge und negative Ansichten zeigte sich oftmals, dass die Berufsgruppen samt ihren Kompetenzen nicht genügend vorgestellt wurden und teilweise unklar blieben. Dennoch erschien in der Subskala Roles and Responsibilities des ICCAS eine statistisch signifikante Verbesserung von 5,55 (SD = 0,93) auf 5,89 (SD = 0,89, z = 2,102, p = 0,036).

(…) Weniger den Fokus auf die Vorurteile der verschiedenen Professionen gegenüber, sondern vielleicht eher, dass jede Professiongruppe [sic] sich vorstellen kann, wo ihre Expertengebiete sind, wie sie vorgehen etc.

Auch gab es Studierende, die fanden, dass sie die anderen Berufsgruppen durch die Fallbeispiele näher kennengelernt hatten.

(…) Durch praktische Beispiele und Feedback habe ich viel über die anderen Professionen im Gesundheitswesen und deren Arbeitsweise gelernt.

DISKUSSION

Die Ergebnisse der ersten und zweiten Befragung über den IPE-Tag waren überwiegend positiv. Die Studierenden zeigten in allen Subskalen sowohl des ZIPAS®-Kompetenzrahmens als auch des ICCAS eine Verbesserung, wobei sich unter anderem in den Subskalen Teamfähigkeit, Communication und Roles and Responsibilities eine statistisch signifikante Steigerung ergab. Zu erwähnen ist hier allerdings, dass vor allem die Verbesserungen in den Subskalen Respekt und Wertschätzung des ZIPAS®-Kompetenzrahmens mit Vorsicht betrachtet werden sollten, da sich die beiden Subskalen als weniger reliabel erwiesen. Gesamthaft weisen die Subskalen des ZIPAS®-Kompetenzrahmens größtenteils weniger Items auf als die der ICCAS, was ein tieferes Cronbach's Alpha mit sich führt (Schmitt, 1996). Die Stimmung der Teilnehmenden war vorwiegend gut, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Umfrage, wobei die Erwartungen sehr häufig erfüllt oder übertroffen worden sind. Oftmals wurden Zusammenarbeit, Austausch und von einigen Studierenden das Kennenlernen anderer Professionen als positive Aspekte genannt. Dementgegen wünschten sich viele Studierende eine Vorstellung der anderen Professionen und eine deutlichere Klärung ihrer Kompetenzen. Daneben wurden Verbesserungen hinsichtlich der praktischen Beispiele genannt.

Die Verbesserungen der Studierenden sowohl im ZIPAS®-Kompetenzrahmen als auch im ICCAS und die anschließenden Antworten auf die offenen Fragen in der zweiten Umfrage lassen Auswirkungen des IPE-Tages auf die Teilnehmenden in verschiedenen Aspekten vermuten. So haben sich die Studierenden in Kompetenzen wie Communication oder Teamfähigkeit verbessert. Ein positiver Austausch wurde häufig in den Antworten auf die offenen Fragen in der zweiten Befragung genannt. Die Resultate liefern Hinweise, dass Fallbeispiele oder praktische Übungen ein geeignetes Mittel sind, um die Zusammenarbeit zwischen den Studierenden zu fördern. So wurden die Fallbeispiele oftmals gelobt, einige Studierende wünschten sich sogar weniger theoretische zugunsten von praktischen Inhalten. Viele Studierende hätten sich aber eine konkretere Klärung der Kompetenzbereiche anstatt der Diskussion über Vorurteile gegenüber den anderen Professionen gewünscht. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass es für die Studierenden von besonderer Bedeutung ist, die unterschiedlichen Fachbereiche sowie Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der unterschiedlichen Professionen kennenzulernen, um auch die spätere Zusammenarbeit verbessern zu können.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Interesse und Bereitschaft für Interprofessionalität unter den freiwillig teilnehmenden Studierenden, aber auch den Doktorierenden vorhanden sind. Viele Aussagen aus den offenen Fragen lassen darauf schließen, dass die Studierenden sich mehr Kontakt zwischen den Fachgebieten wünschten, insbesondere mit Medizinstudierenden. Im Kanton Zürich gibt es bisher kaum Kontakt zwischen Studierenden verschiedener Fachbereiche der drei Hochschulen, von denen Studierende teilgenommen haben, obwohl sie in der beruflichen Praxis unmittelbar mit den anderen Professionen zusammenarbeiten müssen. Zur Verankerung curricularer Angebote braucht es entsprechende Prozesse und Strukturen. Pilotprojekte wie der IPE-Tag können dabei als gute Praxisbeispiele dienen.

Die Aussagen zum Thema «Interprofessionalität» lassen auch vermuten, dass die Studierenden das Thema für wichtig und wertvoll halten. Viele richteten ihren Blick bereits auf die Zukunft und den Berufsalltag, in welchem sie interprofessionelle Zusammenarbeit integrieren und dadurch insbesondere die Patientenversorgung verbessern möchten. Es ist zu erwähnen, dass durch die vorwiegend freiwillige Teilnahme bereits von einem gewissen Maß an Interesse und Bereitschaft für IPL auszugehen ist. Hinweise darauf liefern nicht zuletzt die relativ hohen Werte (>5), verglichen mit den weiteren Items, in den Subskalen Wertschätzung und Offenheit/Bereitschaft des ZIPAS®-Kompetenzrahmens in der Erstbefragung.

Unsere Resultate im ICCAS sind vergleichbar mit denen anderer Studien. In der kanadischen Studie von Nagge et al. (2017) wurde ein IPL-Programm mit insgesamt 146 Medizin- und Pharmaziestudierenden analysiert, wobei die Effekte mit dem ICCAS untersucht wurden. Dabei zeigte sich insgesamt eine statistisch signifikante Verbesserung in allen 20 Items, beispielsweise innerhalb der Subskalen Collaboration und Roles and Responsibilities. Auch in der amerikanischen Studie von Baker und Durham (2013), die die Items des ICCAS nach Stattfinden eines IPL-Kurses mit 33 Studierenden der Medizin, Pflege und Pharmazie erfragten, verbesserten sich die Studierenden statistisch signifikant. Bei beiden Studien wurden mit Studierenden der Medizin und Pharmazie bzw. zusätzlich Pflegestudierenden weniger Professionen inkludiert als in unserer Untersuchung. In der kanadischen Studie von Singer et al. (2018) zu einem interprofessionellen Ausbildungstag mit gesamthaft 438 Studierenden aus den Gebieten «Medizin», «Optometrie», «Pharmazie» und «Zahnmedizin» zeigte sich ebenfalls in allen Items des ICCAS eine statistisch signifikante Verbesserung. Bei der Untersuchung der Aussagen der Studierenden zeigten sich in gewissen Bereichen Ähnlichkeiten mit den Aussagen der Studierenden aus unserer Untersuchung, darunter die Wichtigkeit von Interprofessionalität für die Gesundheit der Patienten/-innen und positive Aussagen zum Kennenlernen anderer Professionen. Als Verbesserungsvorschlag wurden praktischere und interaktivere Übungseinheiten anstatt der Fallbesprechungen vorgeschlagen. An unserem IPETag waren die Fallbeispiele mit Simulationspatienten/-innen ein wichtiger Bestandteil des Programms und wurden häufig als positiv aufgefasst, teilweise aber auch als ausbaufähig gewertet. Dies liefert einen weiteren Hinweis, dass praxisorientierte Übungen eine gute Methode für IPL darstellen. Allerdings ist zu bemerken, dass in ihrer Studie teilweise andere Professionen eingeschlossen und beispielsweise Studierende der Pflege und Physiotherapie nicht dabei waren.

Limitationen

Diese Untersuchung hat einige Limitationen.

Zuallererst gilt es zu betonen, dass die Teilnahme der Studierenden, mit Ausnahme der Personen aus dem Doktoratsprogramm, freiwillig war und der IPE-Tag an einem Samstag stattfand. Daraus entsteht inhärent ein Selektions-Bias motivierter Studierender. Zudem ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse aufgrund des im Verhältnis zur Grundgesamtheit aller Studierenden der drei Institutionen geringen Mengengerüsts stark limitiert. Die Daten der ersten und zweiten Umfrage konnten nicht miteinander verbunden werden, weil, um anonyme Antworten zu ermöglichen, keine personalisierten Codes generiert wurden. Daher wurden statistische Verfahren für unabhängige Stichproben genutzt. In zukünftigen Untersuchungen sollte ein personalisierter Code erhoben werden, auf dessen Basis ein Verbinden der Befragungen ermöglicht wird.

Besonders bei den Subskalen des ZIPAS®-Kompetenzrahmens sind bereits hohe Ausgangswerte vorhanden. Es ist von einem gewissen Selektionsbias auszugehen, da die Teilnahme mehrheitlich freiwillig war, an einem Samstag stattfand und manche Teilnehmende kurz nach dem IPE-Tag Prüfungen ablegen mussten, sodass womöglich eher motivierte Studierende teilgenommen haben. Es muss allerdings dazu gesagt werden, dass insbesondere alle Studierenden der ZHAW im Vorfeld schon interprofessionelle Lernerfahrungen in mehreren Modulen gemacht haben, was die Höhe der Einstiegswerte anteilig auch erklären könnte.

Ebenfalls ist zu erwähnen, dass die zweite Befragung kurze Zeit nach dem IPE-Tag durchgeführt wurde und danach keine weitere Umfrage stattgefunden hat. Dadurch konnte nicht untersucht werden, ob die Effekte des IPE-Tages von Dauer sind.

KONKLUSION

Der IPE-Tag im Kanton Zürich konnte 2019 zum ersten Mal erfolgreich pilotiert und durch die Zusammenarbeit dreier Bildungsinstitutionen durchgeführt werden. Die teilnehmenden Studierenden schienen Interesse und Bereitschaft an bzw. für IPL zu zeigen, wobei viele ihren Blick auf den Berufsalltag und einige auf den Mehrwert für Patienten/-innen richteten. Durch solche interprofessionelle, innovative Lehrangebote in der Ausbildung kann sich die Möglichkeit ergeben, die Studierenden unterschiedlicher Professionen aus dem Gesundheitssystem früh zusammenzubringen, damit sie einander kennenlernen und interprofessionelle Kompetenzen einüben können. In dieser Untersuchung zeigten sich viele Verbesserungen in Kompetenzbereichen, darunter die Team- und Kommunikationsfähigkeit. Praxisorientierte Fallbeispiele mit Simulationspatienten/-innen und anschließenden Reflexionsrunden könnten ein geeigneter Ansatz sein, um die spätere interprofessionelle Zusammenarbeit zu fördern. In die zukünftige Planung des IPE-Tages können die verschiedenen Verbesserungsvorschläge wie die Klärung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Professionen in die Programmgestaltung aufgenommen werden. Zusätzlich können Studierende weiterer Fachbereiche wie Psychologie oder Soziale Arbeit miteinbezogen werden.

Der IPE-Tag bildet als punktuelle Intervention einen guten Startpunkt für weitere interprofessionelle Lehrangebote. In Zukunft sollten vermehrt interprofessionelle Ausbildungsangebote verpflichtend für alle Studierenden longitudinal in die verschiedenen Curricula verankert werden. Dies bedingt eine gute Abstimmung und Kommunikation zwischen den Bildungsinstitutionen. Zusätzlich braucht es weitere Forschung zu den Gründen bzw. möglichen Lösungsansätzen der fehlenden Verankerung solcher Lehrangebote in der Schweizer Bildungslandschaft, zu den Haltungen, Einstellungen und Bedürfnissen der Studierenden verschiedener Berufsgruppen und Institutionen sowie zur Nachhaltigkeit des Kompetenzerwerbs.

eISSN:
2296-990X
Sprachen:
Englisch, Deutsch
Zeitrahmen der Veröffentlichung:
Volume Open
Fachgebiete der Zeitschrift:
Medizin, Klinische Medizin, andere