Der Markt für Lebensmittel gilt in Österreich (Ö) und Deutschland (D) als weitestgehend gesättigt und von einer stagnierenden oder nur wenig steigenden Nachfrage, einem hohen Konkurrenzdruck sowie einem aggressiven Preiskampf gekennzeichnet. Dies wird ebenfalls für die Milchwirtschaft berichtet: Einem vielfältigen und vielzähligen Angebot an Milch- und Molkereierzeugnissen stehen in Österreich eine insgesamt nur gering steigende Nachfrage (BMLFUW, 2016) und in Deutschland ein nahezu stagnierender Pro-Kopf-Konsum von Frischmilcherzeugnissen (MIV, 2017) gegenüber. Gleichzeitig wachsen Anforderungen an die Produktqualität und Warensicherheit seitens des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) sowie der Konsumenten und Konsumentinnen (Schmid et al., 2011; BMLFUW, 2017; MIV, 2017). Insbesondere ökologische und soziale Aspekte im Sinne des Leitbilds einer nachhaltigen Entwicklung gewinnen an Bedeutung (Albersmeier et al., 2008; Böhm et al., 2009).
Strukturelle Herausforderungen sowie sinkende Umsatzrenditen und damit ein geringerer finanzieller Spielraum für Investitionen, Innovationen oder Werbung führen zur Notwendigkeit in der Unternehmensführung, Strategien zu entwickeln, um erfolgreich am Markt (weiter) bestehen zu können (Porter, 1985; Collins, 2001; Schmidpeter, 2016; Kuckertz et al., 2019). „Die Besten sein“ (Collins, 2001: 95) und eine solche herausragende Leistung oder Position gegenüber den Anspruchsgruppen deutlich sichtbar herauszustellen, können hierbei Ansätze sein, die unter dem Begriff „Exzellenz“ beschrieben werden (Dahlgaard-Park und Dahlgaard, 2006; Brunner und Wagner, 2011; Huck-Sandhu, 2011; Wunder und Bausch, 2015). Exzellenz meint dabei Großartigkeit oder gar Brillanz und Spitzenleistung (Peters und Watermann, 1982). Dies umfasst eine exzellente Unternehmenstätigkeit (Wunder und Bausch, 2015) und gleichermaßen deren Darstellung (Mast, 2013). Gebhardt et al. (2019) unterscheiden demnach in „Exzellenzperformance“ und „Exzellenzkommunikation“. Exzellenz steht in engem Zusammenhang mit der Anwendung von Qualitätsmanagementsystemen und der Betrachtung von Erfolgsfaktoren. Dalluege et al. (2012) beschreiben, dass exzellente Organisationen dauerhaft herausragende Leistungen erzielen, die die Erwartungen aller ihrer Interessensgruppen erfüllen oder übertreffen. Um Nachfrage zu generieren, reichen auch aus Sicht der Marketingforschung „gute“ Produkte alleine oft nicht mehr aus, vielmehr müssen diese deutlich besser sein als die von der Konkurrenz angebotenen (Voeth und Herbst, 2013). Für Unternehmen der Molkereibranche gewinnt aus den genannten Gründen eine klare Positionierung als innovatives und erfolgreiches Unternehmen verstärkt an Bedeutung: Nach Weindlmaier (2004), Friedrich (2010) und Steffens (2013) betrifft diese Positionierung neben der Entscheidung über bestimmte Absatz- und Nischenmärkte auch die klare Abgrenzung von Konkurrenzprodukten in Form von Alleinstellungsmerkmalen (engl.
Was Unternehmen unter Exzellenz verstehen, wie sie dabei Nachhaltigkeit einordnen und Exzellenz kommunizieren, wird in diesem Beitrag für die Molkereibranche in Österreich und in Deutschland betrachtet. Eine entsprechende Untersuchung in der Ernährungswirtschaft und der Molkereibranche fehlt bisher.
Die Vergleichsstudie hat zum Ziel, die Bedeutung von Exzellenzperformance und Exzellenzkommunikation aus Sicht der österreichischen (Ö) und der deutschen (D) Molkereibranche zu erfassen und gegenüberzustellen. Im weiteren Beitrag werden dazu folgende Forschungsfragen betrachtet:
Welche Faktoren umfasst Exzellenz aus Sicht von Unternehmen der Molkereibranche und inwieweit ordnet sich hierbei Nachhaltigkeit ein? Welche unterschiedlichen Stellenwerte nehmen Selbstberichte und Drittberichte, wie Prämierungen und Zertifizierungen, in der Kommunikation über Exzellenz von Molkereien ein? Worin unterscheiden sich die Sichtweisen und Darstellung von Exzellenz in der österreichischen und der deutschen Molkereibranche?
Expertenbefragungen sowie eine Website-Analyse von Molkereien in beiden Ländern wurden zur Beantwortung dieser Fragen durchgeführt. Für einen Ländervergleich prädestinieren die geografische Nähe und gemeinsame Sprache der beiden Nachbarländer Österreich und Deutschland. Dies verbindet deren Märkte und erhöht die Konkurrenz „vor der Haustür“. Mit Produktinnovationen und Qualitätsstandards, wie zertifiziert gentechnikfreie Milch (ARGE Gentechnik-frei, 2015) und Heumilch (VÖM, 2016), entwickelt sich die österreichische Molkereibranche seit einigen Jahren als Vorreiter, die Aufmerksamkeit und entsprechende Anpassungsstrategien in Deutschland nach sich ziehen. Die Ergebnisse können im Weiteren für Molkereivertretungen beider Länder handlungsleitend in der inländischen und internationalen Positionierung sein.
Die Analyse der Molkereibranche in Österreich und Deutschland zeigt, dass sich die beiden Länder hinsichtlich ihrer bevorstehenden Aufgaben und den zu erwartenden Entwicklungen in dieser Branche durchaus ähneln:
Mit der zunehmenden Konzentration der Molkereien sowie gesteigerten Milchmengen, bei zeitgleichem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe (Österreich: minus 3 Prozent von 166.317 (2013) auf 161.150 (2016); Deutschland: minus 1,5 Prozent von 285.200 (2013) auf 280.800 (2015), befindet sich die Molkereibranche beider Länder in einem wettbewerbsintensiven und globalisierten Absatzmarkt. Die Inlandsmärkte sind gesättigt, Auslandsmärkte sind wichtige Absatzkanäle für Milch und Milcherzeugnisse. Die Hälfte der deutschen Milchproduktion im Wert von 8,43 Mrd. Euro im Jahr 2016 ist für den Export bestimmt. Österreich exportierte 2016 Milch- und Milchprodukte im Wert von 1,17 Mrd. Euro (Schlickau et al., 2008; LEL, 2016; BMLFUW, 2017; MIV, 2017; Statistisches Bundesamt, 2017). Der Branchendruck wächst und wird durch die zunehmende Globalisierung für Milch und Milchprodukte (z. B. Ende der Milchquote 2015 und Wegfall der nationalen Marktordnung durch den EU-Beitritt Österreich im Jahr 1995) sowie weiteren strukturellen Entwicklungen (z. B. zunehmende Schnelllebigkeit von Innovationen, steigende Qualitäts- und Produktionsstandards, steigende Verhandlungsmacht des LEH und wachsende Konsumentenansprüche) verschärft (Schmid et al., 2011; Tribl und Salhofer, 2013; MIV, 2017).
Insbesondere in ihren Größenverhältnissen zeigen die Molkereisektoren beider Nachbarländer deutliche Unterschiede:
Die Milchproduktion ist in Österreich kleinstrukturierter als in Deutschland und erfolgt zum Großteil in Berg- oder benachteiligten Gebieten. Im Gegensatz zu Österreich (17 Milchkühe pro Betrieb), werden in Deutschland durchschnittlich rund 64 Tiere pro Betrieb gehalten. In beiden Ländern wird ein deutliches Größenwachstum der Viehbestände beobachtet (VÖM, 2016; BMLFUW, 2017; MIV, 2017; Statistisches Bundesamt, 2018). Mit 31,3 Mio. Tonnen wurde 2016 in deutschen Molkereien etwa zehnmal mehr Milch verarbeitet als in Österreich (3,2 Mio. Tonnen). Deutschland nimmt damit europaweit den Spitzenplatz ein (BMLFUW, 2016; BMEL, 2017). Auch beim Umsatz liegt die deutsche Molkereibranche 2016 mit 21,9 Mrd. Euro etwa zehnmal höher als Österreich (2,45 Mrd. Euro). So erwirtschaftete die größte Molkerei Deutschlands 2016 einen Umsatz von 4,6 Mrd. Euro, wobei alleine der Umsatz der siebt größten Molkerei in Deutschland (Zott mit 902 Mio. Euro) weit über dem der größten österreichischen Molkerei (Berglandmilch mit 810 Mio. Euro) lag (MIV, 2016; BMLFUW, 2017). Eine Besonderheit in Österreich und Deutschland stellt die überwiegend genossenschaftliche Struktur vieler milchverarbeitenden Unternehmen dar, die Landwirte sind hier auch Inhaber der Molkereien (Tribl und Salhofer, 2013). In Österreich liegt der Anteil der Genossenschaftsmolkereien bei 95 Prozent; in Deutschland bei 65 Prozent (BMi, 2014). Die mengenbezogenen Hauptprodukte in deutschen und österreichischen Molkereien sind das Segment „wei-ße Produkte“ mit Trinkmilch und Joghurt oder Sahneerzeugnisse sowie Käse. Den höchsten Wertanteil erzielen beide Länder mit Käse (MIV, 2017; AMA, 2019).
Österreicher konsumieren pro Kopf durchschnittlich 76,6 Kilogramm Konsummilch und 20,6 Kilogramm Käse (BMLFUW, 2016). In Deutschland lag der durchschnittliche Konsum von Konsummilch im Jahr 2017 bei insgesamt 51,5 kg und jener von Käse bei 24,1 kg pro Person. Beide Länder weisen im Vergleich zu den Vorjahren eine kontinuierliche Steigerung bei Käse auf, wohingegen ein Rückgang bei Kondensmilch, Sahneerzeugnissen und Butter zu beobachten ist (BMLFUW, 2016; BMEL, 2017). Das hohe Ansehen der Molkereibranche (Albersmeier und Spiller, 2009) ist nicht zuletzt auf das positiv besetzte Image von Milch zurückzuführen; Milch wird von der Mehrheit der Verbraucher mit Gesundheit und Vitalität in Verbindung gebracht. Darüber hinaus gelten Milch und Milchprodukte als wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung (Wienert, 2007). Dem gegenüber rücken kritische Stimmen zu Tierhaltung, Produktionsbedingungen und Gesundheitswerten der Produkte ebenso in das öffentliche Bewusstsein, wie ökonomische Themen, insbesondere die „Milchpreisentwicklung“ (Wienert, 2007; Nieberg und Schleenbecker, 2014; Forsa, 2017; MIV, 2017).
Die Herausforderungen des Marktes, den qualitätsbezogenen Wünschen des Handels sowie der Konsumenten begegnet die Milchbranche in beiden Ländern mit entsprechenden Produktinnovationen bzw. -qualitäten. Die österreichischen Molkereien verarbeiten bereits seit 2010 ausschließlich zertifiziert gentechnikfreie Milch und nehmen somit international eine Vorreiterrolle ein (ARGE Gentechnik-frei, 2015). Davon wurden im Jahr 2016 17 Prozent biologische Milch und 13 Prozent Heumilch an die Molkereien geliefert (BMLFUW, 2017). Letztere wurde im Jahr 2016 von der Europäischen Union (EU) mit dem g.t.S.-Siegel (garantiert traditionelle Spezialität) ausgezeichnet (VÖM, 2016). Beide Milcharten werden unter dem Begriff „Spezialmilch“ – ein Schwerpunkt der österreichischen Milchverarbeitung – zusammengefasst (BMLFUW, 2017). Deutschland produziert mit zwei Prozent biologischer Milch im Jahr 2015 nur einen geringen Teil an Spezialmilch (MIV, 2017). Demgegenüber wächst der Anteil an gentechnikfreier Milch in Deutschland dynamisch: Waren es im Jahr 2011 noch 3 Prozent, meldete die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) im Jahr 2017 bereits einen Anteil von 40 Prozent (Keunecke, 2017). Darüber hinaus fordert das BMEL (2017), eine insgesamt noch stärkere strategische Ausrichtung der deutschen Milchwirtschaft auf Qualitätsführerschaft bei Milcherzeugnissen und damit eine deutlichere Ausrichtung auf Verbraucherwünsche.
Das grundlegende Konzept der Exzellenz in Unternehmen und dessen Parameter wird im folgenden Teilkapitel 4.1. beschrieben und darin die Themenfelder „Prämierungen“ (Kapitelteil 4.2.), „Zertifizierungen“ (Kapitelteil 4.3.) sowie „Nachhaltigkeitskommunikation“ (Kapitelteil 4.3.) verortet. Dieser Zugang dient als Basis für die weitere Beurteilung von Exzellenzperformance und Exzellenzkommunikation in der Milchwirtschaft in Österreich und Deutschland sowie den darauf aufbauenden Ländervergleich.
Exzellenz kennzeichnet sich durch eine herausragende Position oder hervorragende Leistungen, die besser – im Sinn von erfolgreicher – als im Mitwettbewerb realisiert werden. Demnach ist Exzellenz in zweifacher Hinsicht relativ: zum einen da Ansprüche, die das Exzellenzniveau bestimmen, sich nach ihrem Zielhorizont unterscheiden bzw. im Zeitverlauf ändern können; zum anderen, da sich die Abgrenzung immer auf das Bessersein im Vergleich zu anderen, den „bloß Simplen“ (Imhof, 2009) bezieht. Der Bezug auf ein Referenzniveau oder auf die Leistung bzw. Nicht-Leistung anderer ist notwendig, um Exzellenz sichtbar zu machen (Cronin und Gudim, 1987; Woywode, 2004; Johnson, 2006; Gebhardt, 2016). Dies bedeutet, exzellente Unternehmenstätigkeit, die Performance, alleine genügt nicht: Um sich als innovatives und erfolgreiches Unternehmen abzuheben, ist die Kommunikation einer solchen Exzellenz unerlässlich (Brunner und Wagner, 2011; Mast, 2013). Diese beiden Ebenen „Exzellenz-Performance“ und „Exzellenz-Kommunikation“ (Gebhardt et al., 2019), sind in Abbildung 1 zusammengefasst und werden in den folgenden Ausführungen nacheinander beschrieben.
Von externen Stellen vergebene Prämierungen (engl.
Zertifizierungen – sowie hierauf basierende Labels – stellen eine weitere Form der Auszeichnung besonderer Leistungen dar (Gebhardt, 2016), bei denen jedoch die quantitative Dimension grundsätzlich unbeschränkt bleibt und die Auswahl alleine von der Erfüllung vorgegebener Standards abhängt. Deren Überschreiten ist meist grundlegend, um in den Zirkel der Ausgewählten aufgenommen zu werden und damit eine vergleichsweise exklusive Stellung einzunehmen. Demgegenüber führt das Nicht-Erfüllen bzw. Unterschreiten zur vollständigen Nicht-Akkreditierung des Akteurs; dieser bleibt vom Kreis der Ausgezeichneten ausgeschlossen (Gebhardt, 2016). Weiters betreffen die gesetzlich vorgeschriebenen oder freiwilligen Zertifikate verschiedene Unternehmensbereiche. Zander (2016) kategorisiert Zertifikate nach ihren Zielgruppen. Zertifikate im Bereich „Business to Business“ (B2B) ermöglichen den Marktzugang und erleichtern Kooperationen. Solche Zertifikate betreffend Qualitätsmanagement (beispielsweise aus der ISO-Normenfamilie) oder den LEH (beispielsweise International Featured Standard Food – IFS) bleiben für Konsumenten meist verborgen. Demgegenüber stehen Zertifikate im Bereich „Business to Consumer“ (B2C), welche sich für die Verbraucherkommunikation eignen. Sie stehen für Informationen bezüglich Qualität, Produktionsweise oder Verarbeitung. Dazu zählen Zertifikate zur biologischen oder gentechnikfreien Produktionsweise sowie Nachhaltigkeit (Pöchtrager, 2011; Meyer-Höfer und Spiller, 2016; Zander, 2016). Zertifikate bestätigen zudem die Einhaltung bestimmter Standards (Meyer-Höfer und Spiller, 2016), deren Benchmarks auch für verschiedene Qualitätsstufen festgelegt sein können (z. B. Tierschutz-Labels in Deutschland). Bei anderen Zertifikaten reicht es aus, dass bestimmte als unkritisch bezeichnete Standards teilweise oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt sind (z. B. Rainforest Alliance) oder alleine eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben wird, vorgegebene Leitsätze einhalten zu wollen (Gebhardt, 2016). Töpfer (2006) kritisiert außerdem, dass für Zertifikate im Qualitätsmanagement (z. B. ISO 9000) Abläufe primär dokumentiert werden – dabei fehle neben der Optimierung auch der Bezug zu Kundenanforderungen.
Gemäß dem Drei-Säulen-Modell umfasst Nachhaltigkeit ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen (Pufé, 2014). Als strategischer Erfolgsfaktor kann ein langfristig ausgerichtetes, wertegenerierendes Nachhaltigkeits-engagement auch zur Differenzierung von Mitbewerbern beitragen (Kirchhoff, 2006; Hutton und Mayer, 2010). Als erfolgsentscheidend gelten dabei neben einer nach innen und außen gerichteten Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auf Führungsebene (CSR) (Lendle, 2012) auch eine transparente und vertrauensgenerierende Nachhaltigkeitskommunikation gegenüber internen und externen Stakeholdern (Brugger, 2010; Friedrich et al., 2013; Kurz und Wild, 2015). Obwohl die Kommunikation über Nachhaltigkeit in der Ernährungswirtschaft für Unternehmen aller Größen eine hohe Relevanz besitzt, weist sie eine nur geringe Vielfalt hinsichtlich Inhaltes und Form auf. Die Milchwirtschaft in Deutschland ordnet sich hier im Vergleich zu anderen Lebensmittelbranchen im Mittelfeld ein (ZNU, 2013; Rottwild und Theuvsen, 2016). Gefolgt von Geschäftsberichten, Pressemitteilungen sowie Produktkennzeichnungen stellt der eigene Internetauftritt für Unternehmen der Ernährungswirtschaft das wichtigste Instrument dar, um wirkungsvoll ihre Zielgruppen mit Nachhaltigkeitsthemen zu erreichen (Gebhardt, 2016). Besondere Nachhaltigkeitsleistungen können zudem durch die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten kommuniziert werden, die zunehmend das, primär auf ökologische Belange ausgerichtete Instrument der Umweltberichterstattung ablösen. In Deutschland gilt seit 2018 eine nichtfinanzielle Berichtspflicht (Nachhaltigkeitsbericht) für große Unternehmen (RNE, 2014). Die Global Reporting Initiative (GRI, 2015) gibt internationale Richtlinien für die Erstellung von ganzheitlichen Nachhaltigkeitsberichten vor, die für mehr Transparenz und Vertrauen sorgen sollen. Zudem können herausragende Nachhaltigkeitsleistungen mit Prämierungen hervorgehoben oder mit Zertifizierungen bestätigt werden (Europäische Kommission, 2011; Friedrich et al., 2013; Gebhardt, 2016).
Insofern können, die in der Inhaltsanalyse in Kapitel 5 und 6 berücksichtigten Formen der Exzellenzkommunikation in unterschiedlich hohem Maße Exzellenz bezeugen: Prämierungen vor Zertifizierungen, Zertifizierungen vor Selbstberichten (Gebhardt, 2016).
Zur Darstellung von Exzellenz in der Molkereibranche orientiert sich die vorliegende Studie an einem zweistufigen Ansatz von Gebhardt et al. (2019), welcher die Ebene der Unternehmensführung, hier die Exzellenzenz-Performance (EP), und die Ebene der Unternehmenskommunikation, hier die Exzellenzkommunikation (EK), umfasst. Diese beiden Ebenen werden in einem Ländervergleich Österreich und Deutschland gegenübergestellt. Dafür wurden länderbezogene Einzelstudien durchgeführt, die jeweils zweistufig aufgebaut sind: Einer Expertenbefragung folgte die Analyse der Internetdarstellung (Website) ausgewählter Unternehmen. Insgesamt 22 Experteninterviews und 197 Datensätze aus der Website-Analyse stehen der Analyse zur Verfügung (vgl. Tabelle 1). Die Kategorisierung der Molkereien folgt der Empfehlung der Europäischen Kommission (2003), wonach Klein- sowie Kleinstunternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern („klein“) und mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern („mittel“) kennzeichnen. Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern werden den Großunternehmen („groß“) zugeordnet. Zudem erfolgte eine weitere Kategorisierung zur Produktionsausrichtung hinsichtlich Biolebensmittel.
Übersicht der befragten Experten und Stichprobe der Website-Analyse
Table 1. Overview of the surveyed experts and the sample of the website analysis
Anzahl | Prozent | Anzahl | Prozent | Anzahl | Prozent | |
---|---|---|---|---|---|---|
gesamt | 22 | 100 | 9 | 100 | 13 | 100 |
mit Molkereivertretern | 21 | 95 | 9 | 100 | 12 | 92 |
mit Unternehmensberatern | 1 | 5 | 0 | 0 | 1 | 8 |
gesamt | 197 | 100 | 63 | 100 | 134 | 100 |
nach Unternehmensgröße | ||||||
klein | 118 | 60 | 50 | 79 | 68 | 51 |
mittel | 45 | 23 | 7 | 11 | 38 | 28 |
groß | 34 | 17 | 6 | 10 | 28 | 21 |
nach Produktionsausrichtung | ||||||
nur konventionell | 58 | 29 | 25 | 41 | 33 | 25 |
gemischt (bio + konventionell) | 87 | 44 | 20 | 32 | 78 | 58 |
nur bio | 40 | 20 | 17 | 27 | 23 | 17 |
In Österreich wurden im Frühjahr 2017 insgesamt neun Face-to-Face-Interviews mit Vertretern von je drei großen, mittleren und kleinen Molkereien geführt. Bei der Fallaus-wahl wurden primär die Unternehmensgröße und sekundär unterschiedliche Rechtsformen und Produktionsausrichtungen hinsichtlich Bio-Lebensmittel berücksichtigt. Die Interviewdauer betrug 45 bis 60 Minuten. Die Auswertung der Transkripte erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) auf Basis eines Kategoriensystems, das sich an den fünf Themenfeldern des Gesprächsleitfadens (Verständnis von Exzellenz; Darstellung von Exzellenz; Bedeutung von Nachhaltigkeit; Bedeutung von Prämierungen; Bedeutung von Zertifizierungen) anknüpft. Um die länderübergreifende Vergleichbarkeit sicherzustellen, orientierte sich der Aufbau des Interviewleitfadens an der deutschen Expertenbefragung, bei der im Frühjahr 2016 insgesamt 13 Telefoninterviews, davon 12 mit Vertretern der Milchwirtschaft unterschiedlicher Größe (zwei große, je fünf mittlere und kleine Unternehmen) und eines mit einem Unternehmensberater geführt wurde. Die Auswertung erfolgte ebenfalls mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) auf Kategorienebene.
Ergänzend erfolgte in beiden Ländern eine inhaltsanalytische Untersuchung von Molkerei-Internetpräsenzen hinsichtlich der Kommunikation über Nachhaltigkeit sowie über Prämierungen und Zertifizierungen, wobei die erhobenen Parameter in beiden Studien weitgehend deckungsgleich waren. Generell wurden ausschließlich Unternehmen analysiert, welche vorab definierte Kriterien (z. B. eigene Website) erfüllten. Tabelle 1 zeigt eine Kategorisierung der untersuchten Molkereien hinsichtlich ihrer Größe und Produktionsausrichtung.
Basierend auf einer Branchenabfrage bei der Unternehmensdatenbank AURELIA zu „Milchverarbeitung (ohne Herstellung von Speiseeis)“ wurden am 2. Mai 2017 in Österreich 63 Molkereien erfasst. Die Erhebung schloss die Parameter Unternehmensbezeichnung, Rechtsform, Bundesland, Adresse sowie Anzahl der Mitarbeiter mit ein. Molkereien mit mehreren Betriebsstätten wurden dabei zusammengefasst. Die Internetseiten der 63 Molkereien wurden außerdem anhand von zehn Kriterien zur Nachhaltigkeitskommunikation (Informationen über zumindest eine Säule der Nachhaltigkeit auf der Internetseite, Nachhaltigkeitsbericht), zu Prämierungen (Produkt-Awards, Nachhaltigkeits-Awards oder sonstige betriebliche Prämierungen) sowie zu Zertifizierungen (ISO 9001, ISO 50001, ISO 14001, EMAS, Bio) untersucht und deskriptiv ausgewertet.
In Deutschland wurden im Mai 2016 in gleicher Weise Internetseiten von 134 milchverarbeitenden Betrieben aus den fünf Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Brandenburg sowie Schleswig-Holstein untersucht. Sofern die betrachteten Unternehmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 „Verordnung über Meldepflichten über Marktordnungswaren“ (MarktOW MeldV) als ein für den Handel mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs in Deutschland zugelassener Betrieb in der Unterliste IX „Rohmilch und Molkereiprodukte“ veröffentlicht wurden, wurden sie in Anlehnung an den Strukturbericht (BMELV, 2008) und die Klassifikation der Wirtschaftszweige (Statistisches Bundesamt, 2008) ausgewählt. Unternehmen, die alleine Rohmilch oder Milchprodukte zum Direktverzehr bzw. zur Selbstvermarktung erzeugen, wurden dabei nicht berücksichtigt.
Für den Ländervergleich wurden die qualitativen Ergebnisse der Experteninterviews aus den beiden Einzelstudien in Österreich und Deutschland erneut hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschiede betrachtet. Dies erfolgte auf Kategorienebene sowie auf Basis der für diese Studie definierten Forschungsfragen. Die Ergebnisse der Website-Analysen für Österreich und Deutschland wurden in einer Frequenzanalyse in prozentualen Angaben einander gegenübergestellt.
Auf Basis der Literatur und den forschungsleitenden Fragestellungen analysiert die vorliegende Studie Exzellenz in der österreichischen und deutschen Molkereibranche in vier Kategorien, die die nachfolgenden Abschnitte 6.1 bis 6.4 betiteln. Die Ergebnisse der länderbezogenen Studien werden hierzu aus den Experteninterviews präsentiert und mit beispielgebenden Statements unterlegt. Zur Identifizierung der Experten wurde ihrer laufenden Nummerierung ein Ländercode (Ö für Österreich; D für Deutschland) vorangestellt. Zusammenfassend werden im Kapitelteil 6.5. die Ergebnisse der Website-Analyse im Ländervergleich gegenübergestellt.
Exzellenz hat für die milchverarbeitende Wirtschaft eine hohe und auch weiter zunehmende Bedeutung, so die gleichlautenden Ergebnisse der Expertenbefragungen in Österreich und Deutschland. Globalisierung, Strukturwandel und Wegfall der Milchquote sowie die steigende Marktsättigung werden in beiden Ländern als die starken Treiber für die Notwendigkeit von Exzellenz in der Milchwirtschaft benannt. Die österreichischen Experten beobachten insbesondere seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 Veränderungen am Markt, weswegen das Thema „Exzellenz“ für sie verstärkt an Bedeutung gewinnt.
Exzellenz wird in beiden Ländern als ein „Bessersein“ oder „Herausstechen“ im Vergleich zur Konkurrenz beschrieben. Dies bezieht sich vor allem auf hervorragende Produkte und Leistungen, die besser, im Sinne von erfolgreicher oder einzigartiger, als von den Mitwettbewerbern in der Milchbranche realisiert werden. Die Berücksichtigung von Kundenwünschen und gesellschaftlichen Erwartungen seien hierbei essenziell. Was unter Exzellenz zu verstehen ist, fasst ein/e österreichische/r Expert/in wie folgt zusammen: „
Exzellenz wird als vielschichtig beschrieben: Sie bezieht sich auf die funktionelle, technische, ästhetische und ethische Produktgestaltung, den Rohstoffen sowie auf das Unternehmen selbst, dem „
Übersicht der Kernbereiche von Exzellenz in der Molkereibranche in Österreich und Deutschland
Table 2. Overview of the areas of excellence in the dairy industry in Austria and Germany
Herausragende, bestmögliche Qualität & Rezeptur | Innovative Produkte | Naturnahe & natürliche Produkte | |
Einzigartige Produkte | Produkthygiene | Aus schonenden Verfahren Verpackung | |
Produktvielfalt & -abwechslung | |||
Produktsicherheit | |||
Authentische Produkte | |||
Markenbildung & starke Marken | |||
Bestmögliche Qualität der Zutaten & des Futters | Herkunft des Futters | Artgerechte Tierhaltung | |
Herkunft der Zutaten | |||
Tiergesundheit & Tierwohl | |||
Langfristigkeit & Dauerhaftigkeit | Etabliertheit | Neue Märkte | |
Innovationsfähigkeit & neue Technologien | Standort | ||
Anpassungsbereitschaft & -fähigkeit | Vorbildrolle | ||
Spezialisierung & Differenzierung | |||
Erfolgsorientierung & Wachstum | |||
Ausstattung & Gebäude | |||
Kompetenz & Erfahrung | Partizipation | Gute Bezahlung | |
Engagement & Motivation | |||
Mitarbeiterschulungen | |||
Unternehmenskultur & Arbeitsklima | |||
Nähe zum Kunden (B2B/B2C) | Schnelle Erfüllung von Kundenwünschen | Kundenakzeptanz | |
Sichtbarkeit | |||
Vollständige Erfüllung von Kundenwünschen | Hoher Servicegrad | ||
Reklamationsmanagement | |||
Nähe zu Erzeuger/innen | Nähe zu Inhaber-Genossen | ||
Faire Partnerschaften mit Landwirten und Landwirtinnen | |||
Vertrauen & Offenheit & Respekt | |||
Gesellschaftliche Verantwortung Nachhaltigkeit |
Ebenso spielen der partnerschaftliche Umgang mit den Milchproduzenten. sowie ein fairer Milchpreis eine wichtige Rolle. Im Fall von kleinen und mittleren Genossenschaften – wie sie vor allem in Österreich anzutreffen sind – findet diese vertrauensvolle Nähe zu den genossenschaftlichen Inhabern, den Landwirten eine besondere Bedeutung. Die Experten beider Länder betonen außerdem, dass für die Herstellung exzellenter Produkte kompetente und motivierte Mitarbeiter unverzichtbar sind. Die Aus- und kontinuierliche Weiterbildung von Mitarbeitern sowie eine entsprechende Unternehmenskultur und ein gutes Arbeitsklima, um diese ans Unternehmen zu binden, sehen die Experten beider Länder als wesentlich für Exzellenz an. Aus österreichischer Sicht wird zudem die Partizipation der Mitarbeiter betont, aus deutscher Sicht eine gute Bezahlung. Darüber hinaus bilden die enge Zusammenarbeit mit den Geschäftskunden, den Endverbrauchern (vorausgesetzt diese gelten als Zielgruppe) sowie eine entsprechende Produkt- und Unternehmensdifferenzierung ein Kernstück von Exzellenzstrategien.
Exzellenz ist für Unternehmen kein finales Ergebnis, sondern Teil eines kontinuierlichen und demnach nie endenden Verbesserungsprozesses. Exzellenz ist eine veränderliche Größe, die vom permanenten Verbesserungsprozess in den Unternehmen und von den Gegebenheiten am Markt oder den Ansprüchen der Gesellschaft im Wandel der Zeit aufgehoben werden können: „
Das Verständnis von Exzellenz in der österreichischen als auch in der deutschen Molkereibranche ist untrennbar mit Nachhaltigkeit verbunden. Ein/e Vertreter/in einer österreichischen Großmolkerei sagt dazu:
Obwohl der Begriff „Nachhaltigkeit“ ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen verbindet, fehlt ein einheitliches Verständnis in der Branche. So steht primär die ökologische Dimension (z. B. Ressourceneinsparung, Umweltaspekt bei Bewirtschaftungsformen) im Vordergrund und wird teilweise synonym für die anderen Bereiche, insbesondere die soziale Nachhaltigkeit, verwendet. Soziale Nachhaltigkeit umfasst dabei beispielsweise den Umgang mit den Mitarbeitern oder die Partnerschaft mit den Produzenten. In diesen Zusammenhang wird Nachhaltigkeit vor allem für kleine Molkereien als Chance zur Differenzierung gegenüber dem steigenden Kosten- und Konkurrenzdruck der Branche gesehen.
Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit sowie Transparenz und Offenheit gelten laut den Experten als Erfolgsfaktoren der Kommunikation über ein entsprechendes Nachhaltigkeitsengagement. Diesen Anforderungen entsprechen am ehesten Nachhaltigkeitsberichte, welche standardisiert aufgebaut sind und somit vergleichbarere Informationen enthalten. Das Vertrauen der Kunden könne auch im Falle einer herausragenden Beurteilung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten durch externe Institutionen steigen, berichten die befragten Molkereien. Aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen stellt eine systematische Nachhaltigkeitskommunikation, insbesondere mittels Nachhaltigkeitsberichten, vor allem kleine Molkereien in beiden Ländern vor Herausforderungen. Dies zeigen im Kapitelteil 6.5. auch die Ergebnisse der Website-Analyse.
Nachhaltigkeit setzen vor allem große Molkereien in Deutschland gezielt für ihre Positionierung ein. Die befragten kleineren deutschen Molkereien sehen im Bio- bzw. Demeter-Aspekt positive Wirkungen einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitskommunikation nach außen. Auch die österreichischen Experten berichten über das Bemühen österreichischer Molkereien, das Thema „Nachhaltigkeit“ für sich zu nutzen. Allerdings fehlt sowohl zwischen den Unternehmen als auch zwischen den Jahren die Vergleichbarkeit der Leistungen im Nachhaltigkeitsbereich. Die lückenhafte und unregelmäßige Kommunikation, als auch die allgemeine Informationsflut tragen dazu bei, dass die Leistungen von der Öffentlichkeit nur geringfügig wahrgenommen werden. Erfolge können hier mittels zielgruppenadäquater Informationsaufbereitung erreicht werden: Der Einsatz von E-Autos in der Molkerei oder die Offenlegung von Produktionsbedingungen und Herkunft der Milch (z. B. Heumilch g.t.S.) werden als Beispiele für Österreich angeführt. Experten aus Deutschland betonen außerdem die Kommunikation von Exzellenz und Nachhaltigkeit nach innen, um diese „
Um exzellent zu sein, gehört zwingend die Kommunikation darüber dazu. Es ist den befragten Unternehmen der Milchwirtschaft beider Länder ein Anliegen, ihre Exzellenz darzustellen und am Markt zu kommunizieren; manchmal vor der Maßgabe: „
Die Expertenbefragung beider Länder verdeutlicht außerdem, dass gerade kleinere und mittlere Molkereien mit meist geringem Werbebudget (Ö-E1; Ö-E2) Prämierungen als Chance für ihre Kommunikation – vor allem auf ihrer Homepage oder über Social Media – sehen. Die Kosten einer Wettbewerbsteilnahme werden als eher gering eingestuft. Die Teilnahme erfolgt letztlich in Abhängigkeit individueller Zeit- und Budgetressourcen der Molkereien oder den Themen:
Sowohl in Österreich als auch Deutschland gelten Produkt-, Unternehmens- sowie Nachhaltigkeitsprämierungen grundsätzlich als sichtbarer Beweis für eine überdurchschnittliche Leistungsqualität und damit als exzellentes Kommunikationsmittel. Speziell deutsche Molkereien priorisieren eine hohe Exklusivität bei Prämierungen. Einen positiven Effekt von Prämierungen auf das Image attestiert die deutsche Molkereibranche so letztlich in Abhängigkeit von Art und hoher Reputation der Vergabeinstitution, des Bewerbungsaufwandes und der Transparenz. Die Bedeutung von Prämierungen für Nachhaltigkeit und damit auch ihr Kommunikationswert steigen, wenn nicht nur einzelne Produkte, sondern dem holistischen Ansatz entsprechend, ganze Unternehmen ausgezeichnet werden. Die Wirkung von Prämierungen auf den Kaufentscheid bleibt indes generell ungeklärt.
Die aktuelle Entwicklung und – weiterhin erwartete – starke Zunahme von Wettbewerben werden in beiden Ländern kritisch betrachtet. Zur „
Neben Prämierungen bieten auch Zertifikate für Unternehmen die Chance, ihre besonderen Leistungen zu zeigen. Da der LEH und die gewerblichen Kunden einen Großteil der mit Zertifikaten belegten Qualitätsansprüche vorgeben, erachten die befragten Experten in Österreich und Deutschland Zertifikate jedoch nur eingeschränkt als Zeichen für Exzellenz eines Unternehmens. Insbesondere bezieht sich dies auf Zertifikate wie der europäische IFS-Food Standard, der zum Großteil vom LEH vorgeschrieben wird, sowie die eigenen Zertifizierungskataloge des LEH. Diese Zertifikate gelten als Grundstock und Voraussetzung für Exzellenz, ebenso wie weitere Zertifikate aus dem Qualitätsmanagement,
Hingegen entsprechen spezielle Produktionsweisen, wie biologisch, Heumilch oder gentechnikfrei, besonderen Verbraucherwünschen; sie werden als mögliche Themen gesehen, sich im Sinne von Exzellenz kommunikativ hervorzuheben und damit die Kundschaft zu erreichen. Die in Österreich seit 2010 flächendeckend als Standard angebotene gentechnikfreie Milch nimmt eine internationale Vorbildrolle ein. Daraus ergibt sich die Chance zur qualitativen Differenzierung österreichischer Molkereien in internationalen Märkten: Gentechnikfreie Produkte und Heumilch liegen vor allem im Ausland im Trend (siehe Kapitelteil 3.1.). Im österreichischen Inland hingegen
Herausforderungen von Zertifizierungen werden in beiden Ländern im hohen Zeit- und Kostenaufwand, beispielsweise für Audits, festgehalten. Die Aufmerksamkeit der potenziellen Käufer müsse außerdem durch weitere Kommunikationsinstrumente und Werbemaßnahmen gewonnen werden; ein erhaltenes Zertifikat alleine reiche dafür nicht aus. Anders als erhaltene Prämierungen lassen sich Zertifizierungen beispielsweise kaum in Pressemitteilungen darstellen (D-E13). Zertifizierungen verdeutlichen außerdem den permanenten Druck im Verbesserungsprozess und der Exzellenzkommunikation, „
Die Kommunikation der Molkereibranche beider Länder über Nachhaltigkeit, Prämierungen und Zertifizierungen wurde in der Website-Analyse für zehn Elemente festgehalten und in Tabelle 2 gegenübergestellt. Die zentralen Aussagen aus den Experteninterviews und die länderbezogenen Unterschiede der dabei beschriebenen Exzellenzkommunikation werden dabei bestätigt.
Deskriptive Ergebnisse der Website-Analyse der Molkereibranche im Ländervergleich
Table 2. Descriptive results of the website analysis in the dairy industry in Austria and Germany
Ö | |||||||
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Anzahl | % | Anzahl | % | Anzahl | % | ||
Internetseite | 110 | 56 | 43 | 68 | 67 | 50 | |
Nachhaltigkeitsberichte | 13 | 7 | 2 | 3 | 11 | 8 | |
Produktpreise | 80 | 41 | 33 | 52 | 47 | 35 | |
Sonstige betriebliche Preise | 30 | 15 | 13 | 21 | 17 | 13 | |
Nachhaltigkeitspreise | 15 | 8 | 8 | 13 | 7 | 5 | |
ISO 9001 & andere (Qualitätsmanagement) | 71 | 36 | 19 | 30 | 52 | 39 | |
ISO 50001 (Energiemanagement) | 18 | 9 | 0 | 0 | 18 | 13 | |
ISO 14001 (Umweltmanagement) | 12 | 6 | 1 | 2 | 11 | 8 | |
EMAS | 9 | 5 | 1 | 2 | 8 | 6 | |
Bio | 92 | 47 | 37 | 59 | 55 | 41 |
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage,
Die in anderen Studien in den Vordergrund gestellte Produktqualität von Milch und Milcherzeugnissen (z. B. in Winkelmann, 2004) ist zentral für den Unternehmenserfolg, reicht für dauerhaft herausragende Leistungen alleine jedoch nicht aus. Vielmehr handelt es sich bei Exzellenz in der Molkereibranche um einen ganzheitlichen Ansatz, welcher neben der Herstellung von besonderen Produkten, auch beste Rohstoffe, die faire Partnerschaft mit den Milchproduzenten, die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, die flexible und schnelle Umsetzung von Kundenwünschen sowie die gesellschaftliche Verantwortung umfasst. Dies korrespondiert in Teilen mit den Ergebnissen von Winkelmann (2004); ihm zu Folge gelten Produktinnovationen, der organisatorische Aufbau des Unternehmens, dessen Produktionstechnologie, die Qualifikation der Mitarbeiter sowie Werbung als die fünf zentralen Erfolgsfaktoren in deutschen Molkereien. Gegenüber den Elementen allgemeiner Exzellenz-Modelle (siehe Kapitel 3) sind für Molkereien a) Rohstoffe für Molkereiprodukte, b) Lieferantenbeziehungen sowie c) die gesellschaftliche Verantwortungsübernahme weitere herauszustellende Bereiche. Die Einhaltung strenger Hygienerichtlinien ist dabei kein eigener Faktor von Exzellenz, sondern gilt als Selbstverständlichkeit.
Nach Dalluege et al. (2012) zeigt sich die Exzellenz von Organisationen in dauerhaft herausragenden Leistungen, die außerdem die Erwartungen aller Stakeholder erfüllen oder übertreffen. Produktattribute wie nachhaltig, regional oder biologisch fördern aus Sicht der Molkereivertretung in diesem Zusammenhang die Vermittlung von „emotionaler Qualität“ von Milch und Milcherzeugnissen gegenüber den Konsumenten. Die befragten Experten der Molkereibranche berichten im Einzelnen von Wiesenmilch, Weidemilch, laktosefreier Milch oder weiteren Clean-Labeln; natürliche Produkte, schonende Verfahren, umweltfreundliche Verpackungen zählen als weitere kundenorientierte Themen exzellenter Molkereien. Mit Blick auf die Trendforschung oder in Fachmagazine stehen künstliche Milch aus dem Labor, vegetarisch-vegane Milchalternativen, koschere Produktionsverfahren oder Innovationen zur Lebensmittelverschwendung ebenfalls auf der Agenda der Branche, die im Interview – möglicherweise aus Gründen des Betriebsgeheimnisses – als weitere Ideen unbenannt blieben. Mit steigenden Produktanforderungen der Konsumenten (siehe Kapitel 3) sowie zunehmenden Möglichkeiten der digitalen Informationsbeschaffung wird es für exzellente Molkereien unumgänglich, sich durch hervorragende Leistungen und eine klare Positionierung am konkurrierenden Markt zu differenzieren oder Nischen zu belegen. Die Herausforderung hierin besteht a) in der permanenten Suche nach Neuem, b) in der Identifizierung von Kundenwünschen, die als weitere Attribute verlangt werden und Mehrwert versprechen, sowie c) deren kohärenten Verknüpfung mit bereits Bestehenden. Flexibilität, Innovationsfreudigkeit und der Wille zur kontinuierlichen Verbesserung sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren am Weg in eine exzellente Zukunft von Molkereien.
Bezüglich der zweiten Forschungsfrage,
Im Einzelnen sind es zuvorderst Selbstberichte, insbesondere mittels Internetpräsenzen, die in der Markt- und Unternehmenskommunikation der Ernährungswirtschaft eingesetzt werden (siehe Kapitel 4). Das Thema „Nachhaltigkeit“, das in dieser Studie beispielhaft ausgewählt wurde, spielt aus Sicht der befragten Experten eine wesentliche Rolle in der Exzellenz von Molkereien. Dies korrespondiert mit der beobachteten Unternehmenskommunikation auf der Website: Über 68 Prozent der Molkereien in Österreich bzw. 50 Prozent in Deutschland berichten auf ihrer Internetseite über Nachhaltigkeit. Wie Studien für die deutsche Ernährungswirtschaft festhalten (Friedrich et al., 2013; ZNU, 2013), stellen Unternehmen der Molkereibranche hier teilweise nur oberflächliche Informationen oder zu nur einer Säule der Nachhaltigkeit zur Verfügung. Da sich hinter dem Begriff der Nachhaltigkeit nicht zwingend tatsächliches Engagement in Bezug auf alle drei Säulen der Nachhaltigkeit verbirgt, können vor allem in diesem Bereich entsprechende Prämierungen oder Zertifizierungen eine, wenn auch nur schwache Orientierungshilfe für die Konsumenten und Konsumentinnen bieten (Gebhardt, 2016) – auch da eine systematische Nachhaltigkeitskommunikation, beispielsweise in Form von Nachhaltigkeitsberichten, von weniger als einem Zehntel aller Molkereien in beiden Ländern veröffentlicht wird.
Branchen- oder themenspezifische Prämierungen bieten den Molkereien eine Möglichkeit, sich mit den Mitbewerbern in künstlichen Wettbewerben zu messen und von dritter Seite beurteilt, als „Bester“ zu präsentieren. Prämierungen gelten als aufmerksamkeitsfördernd, teils auch als kostengünstig. Auf ihren Websites berichten 54 Prozent der österreichischen und 42 Prozent der deutschen Molkereien über gewonnene Prämierungen, vor allem über Produktprämierungen. Produktprämierungen heben oftmals das den Verbrauchern wichtigste Attribut im Lebensmitteleinkauf, den Geschmack (MRI, 2008), hervor. Prämierungen haben eine herausragenden Stellenwert für österreichische Konsumenten: Nach Gruber et al. (2015) sind Awards die am glaubwürdigsten bewerten Instrumente der CSR-Kommunikation; für deutsche Konsumenten ordnet sich die Glaubwürdigkeit von Prämierungen in einem mittleren Bereich ein (Gebhardt, 2018). Eine zu hohe Zahl an Prämierungen – gleiches gilt auch für Zertifizierungen – führt auf der anderen Seite tendenziell zum Bedeutungsverlust und zur Überforderung der Konsumenten angesichts der „Siegelflut“. Teilweise fehlt auch Molkereien das Wissen über geeignete und glaubwürdige Wettbewerbe (Gebhardt, 2018) oder Zertifizierungsmöglichkeiten. Daher gilt deren Transparenz und eine zielgruppenadäquate Wissensvermittlung gegenüber allen Stakeholdern sowohl bei Prämierungen als auch bei Zertifizierungen als essenziell.
Zertifizierungen gelten nur eingeschränkt als Zeichen für Exzellenz, Zertifikate stellen aus Sicht der Experten in vielen Fällen einen Standard dar (mit Ausnahme von Bio, Heumilch oder Gentechnik-frei) oder werden vom LEH (IFS, BRC) sowie den Kunden vorausgesetzt. Sie sind für die Molkereibranche dennoch sehr wichtig und bilden die Grundlage für exzellente Unternehmen. Demgegenüber sind Zertifizierungen für biologische Produkte in der Molkereibranche zunehmend verbreitet (BMLFUW, 2017; MIV, 2017), vor allem in kleinen Unternehmen, und bedeuten aus Expertensicht dort Exzellenz
Herausfordernd für die vielen kleinen Unternehmen beider Länder bleibt, dass die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit als bisher empfohlene Differenzierungsstrategie nun von den Großen ihrer Branche besetzt wird und diese dafür zunehmend – wie bereits für die Qualität ihrer Produkte – prämiert werden (Gebhardt et al., 2019). Erschwerend kommt hinzu, dass Exzellenz eine veränderliche Größe ist, die vom permanenten Verbesserungsprozess in den Unternehmen, dem Nachziehen der Mitwettbewerber und den Ansprüchen der Gesellschaft im Wandel der Zeit aufgehoben werden kann. Wenn jedoch alle Unternehmen versuchen, sich in die gleiche Richtung zu differenzieren, ist auf lange Sicht kein Abheben von der Konkurrenz möglich.
Die dritte Frage,
Die befragten Experten beider Länder sind sich im Verständnis von Exzellenz in der Molkereibranche und deren Darstellung grundlegend einig. Die Unterschiede in Österreich und in Deutschland scheinen auf den ersten Blick marginal (siehe Kapitelteil 5.1.). Die Verbundenheit mit traditionellen Herstellungsverfahren, die überwiegend genossenschaftliche Struktur der Molkereien sowie die Besonderheiten der kleinteiligen Milchproduktion in benachteiligten Gebieten oder Bergregionen (siehe Kapitel 3) kennzeichnen die Situation der österreichische Molkereien, die in den exklusiv herausgestellten Kernbereichen von Exzellenz – die Herkunft des Futters (u. a. Heumilch) sowie faire Partnerschaften – zum Ausdruck kommen. Darauf fußt die kommunizierte „Authentizität“ der österreichischen Molkereiprodukte. Gleiches kann für die deutlich größere Molkereibranche in Deutschland mit rund zehnmal mehr Molkereien, einem höheren Anteil von großen Unternehmen und durchschnittlich höheren Tierbeständen (siehe Kapitel 3) nicht festgestellt werden, wenn man den Aussagen folgt, die alleine deutsche Experten anführen. Im Kernbereich von Exzellenz finden sich demnach Natur und Natürlichkeit, artgerechte Tierhaltung sowie Wachstumsstrategien. Diese als einzigartig verbleibenden Bereiche sind indes kaum belegbar oder gelten nicht für die gesamte deutsche Molkereibranche. Ein einheitliches Bild, was den einzigartigen Wert von Molkereiprodukten aus Deutschland ausmacht, lässt sich nicht ermitteln. Die Unterschiede liegen damit a) in der unterschiedlichen Struktur der betrachteten Länder mit deutlich mehr kleinen Molkereien in Österreich und einer größeren Heterogenität in Deutschland sowie b) einer für Deutschland länger beobachteten Low-Profile-Strategie (Wienert, 2007; ZNU, 2013; Rottwilm und Theuvsen, 2016).
Das Beispiel von zertifiziert gentechnikfreier Milch in Österreich verdeutlicht, dass Exzellenz über die Ausweitung als Standard auf alle Molkereien, im inländischen Markt nivelliert wird. Um sich als Einzelunternehmen im Inland (weiterhin) abheben zu können, sind zusätzliche Innovationen und Differenzierungen zwingend notwendig. In diesem Sinne kann ein inländischer Standard als Innovationstreiber verstanden werden. Eine solche inländische Standarderhöhung für alle Milcherzeugnisse bedeutet auch, dass sich Molkereien auf internationalen Märkten gegenüber der dortigen Konkurrenz – mit staatlicher Unterstützung als exzellent und einzigartig sichtbar abheben können. Es bleibt dennoch nur eine begrenzte Zeit, sich mit exzellenten Produkten oder Unternehmensaktivitäten zu positionieren bis der Mitwettbewerb nachzieht. Die Innovationsfähigkeit ist daher nicht nur eine zentrale, sondern eine dauerhafte Herausforderung, auch in der Kommunikation.
Die herangezogenen Studien zeigen mittels Experteninter-views die individuelle Sicht der ausgewählten Molkereivertretung auf Exzellenz und die Website-Analyse die externe Kommunikation darüber. Neben einer Quantifizierung der identifizierten Exzellenzfaktoren vonseiten der Molkereibranche und einem repräsentativen Ansatz, müsste für eine ganzheitliche Bewertung von Exzellenz auch geklärt werden, was Konsumenten unter Exzellenz verstehen und wie sie hierbei Molkereien und deren Produkte einordnen. Vertiefende Analysen zur Exzellenzkommunikation, auch weiterer Instrumente, sowie eine europäische Erweiterung der Untersuchungen versprechen außerdem eine differenzierte Basis für Handlungsempfehlungen der Molkereibranche in Österreich und in Deutschland.