Zacytuj

Einleitung

Die österreichische Land- und Forstwirtschaft beschäftigt durch haupt- oder nebenerwerbliche Tätigkeit 3,9 % aller erwerbstätigen Personen (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft Regionen und Wasserwirtschaft [BMLFRW], 2022). Der primäre Sektor, vor- und nachgelagerte Industrien und deren Beschäftigte ausgenommen, erwirtschaftet 1,2 % der österreichischen Bruttowertschöpfung (BMLFRW, 2022). Doch die Anzahl der österreichischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nimmt stetig ab. Laut Agrarstrukturerhebung 2020 (BMLFRW, 2022) reduzierte sich die Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich im Zeitraum 2010 bis 2020 um 11 % auf rund 154.000. Der Rückgang wird unter anderem auf Herausforderungen wie die Abwanderung potentieller Hofübernehmer:innen, Ertragsminderungen durch die Auswirkungen des Klimawandels und die Lieferknappheiten und Preissteigerungen landwirtschaftlicher Inputs zurückgeführt (European Environment Agency, 2022).

Problemstellung

Da die Land- und Forstwirtschaft essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft ist (European Environment Agency, 2022), birgt der fortschreitende Rückgang von Betrieben Risiken, die das gesamte soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Leistungsspektrum der Land- und Forstwirtschaft betreffen (OECD, 2001; ZKL, 2021). Darunter fallen einerseits handelbare materielle Güter (z. B. Lebensmittel und Energierohstoffe), andererseits immaterielle Leistungen (z. B. Bewahrung, Pflege und Aufbereitung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Luft und Boden; Biodiversität; Knowhow) und nicht-handelbare Leistungen (z. B. Landschaftsgestaltung; kulturelles Erbe; Raum für Erholungszwecke) (OECD, 2001). Letztgenannte können insbesondere von einer kleinstrukturierten Land- und Forstwirtschaft bereitgestellt werden (European Environment Agency, 2022). Mit der Schließung von Betrieben sinkt jedoch der Anteil kleinstrukturierter Betriebe, während die durchschnittliche Betriebsfläche sowie die Bewirtschaftungsintensität auf landwirtschaftlichen Flächen zunehmen (BMLFRW, 2022). Weiters schwinden durch die Betriebsschließungen Erwerbsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten (European Environment Agency, 2022). Bei einer gänzlichen Aufgabe oder Extensivierung der Flächen besteht zudem die Tendenz, den Lebensmittelbedarf zunehmend durch Importe zu decken. Allerdings ist eine steigende Importabhängigkeit mit Risiken verknüpft (Wellesley et al., 2017), die zuletzt aufgrund geopolitischer Krisen in den Blickpunkt gerückt sind. Zusätzlich können durch eine Verlagerung der Primärproduktion ins EU-Ausland die von der EU erarbeiteten ökologischen und sozialen Standards, wie die „Farm to Fork“-Strategie, die Biodiversitätsstrategie und das Europäische Klimagesetz nicht durchgesetzt werden (Bremmer et al., 2021; Europäische Kommission, 2021). Eine zunehmende Importrate stünde daher dem Ziel entgegen, land- und forstwirtschaftliche Leistungen durch emissionsarme Produktionsformen innerhalb der EU bereitzustellen (Bremmer et al., 2021; Zechmeister et al., 2021).

Angesichts der beschriebenen Herausforderungen ist es entscheidend, ob und wie die Land- und Forstwirtschaft ihre vielfältigen Funktionen auch in Zukunft erfüllen kann. Einige österreichische Regierungsorgane auf Landesebene haben daher Strategien zum Erhalt der Land- und Forstwirtschaft erarbeitet (siehe Damyanovic et al., 2017; LK NÖ, 2019; Lutz et al., 2019; Tappeiner et al., 2012). Auch vom Land Oberösterreich wurde 2019 ein darauf abzielender Strategieprozess namens „Zukunft Landwirtschaft 2030“ ins Leben gerufen. Die oberösterreichische Landesregierung beauftragte die Universität für Bodenkultur Wien mit der wissenschaftlichen Umsetzung des Projekts. Die Dokumentation jenes Prozesses ist Grundlage des vorliegenden Artikels.

Ziele und Forschungsfragen

Der Projektbeirat, bestehend aus Vertreter:innen der oberösterreichischen Landesregierung, des Büros des oberösterreichischen Agrar-Landesrates und der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, brachte als Anliegen für den Strategieprozess den Erhalt und die Stärkung der oberösterreichischen Land- und Forstwirtschaft inklusive der Ernährungswirtschaft vor. Dieses Anliegen sollte hinsichtlich individueller, struktureller, sozial- und wirtschaftspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten adressiert werden. Durch die Strategie sollten besonders Land- und Forstwirt:innen für den Diskurs mit anderen Stakeholder:innen gestärkt werden. Die entwickelte Strategie sollte zudem durch Formulierung von Handlungsempfehlungen auch Möglichkeiten zur Umsetzung aus Sicht der Land- und Forstwirtschaft aufzeigen.

Das wissenschaftliche Projektteam der Universität für Bodenkultur formulierte daher in Absprache mit dem Projektbeirat folgende drei Ziele: (1) Identifikation von langfristigen Chancen, Visionen und Potenzialen der Wertschöpfungskette Lebensmittel in Oberösterreich; (2) Multiperspektivität durch Kollaboration verschiedener Akteur:innen der Wertschöpfungskette Lebensmittel sowie (3) Stärkung der Position der Land- und Forstwirt:innen in der Wertschöpfungskette Lebensmittel. Als „Wertschöpfungskette Lebensmittel“ wurde im Strategieprozess die oberösterreichische Land- und Forstwirtschaft inklusive Ernährungswirtschaft bezeichnet, diese Bezeichnung wurde für den vorliegenden Artikel übernommen. Die Gesamtheit der Chancen, Visionen und Potenziale wurde im Strategieprozess unter dem Schlagwort „Zukunft Landwirtschaft 2030“ zusammengefasst. Im vorliegenden Artikel wird synonym dazu die Kurzform „Zukunftsvision“ verwendet.

Die vom wissenschaftlichen Projektteam für den Strategieprozess formulierte Forschungsfrage lautete: „Welche Handlungsempfehlungen formulieren Land- und Forstwirt:innen, um bis 2030 eine zukunftsgerechte Entwicklung der Landwirtschaft zu ermöglichen?“ Als „zukunftsgerechte Entwicklung“ wird im Rahmen der Strategie gemäß den Zielen der Vereinten Nationen eine Entwicklung verstanden, „die Wohlstand und wirtschaftliche Möglichkeiten, soziales Wohlbefinden und Umweltschutz fördert“ (Vereinte Nationen, 2023). Die Forschungsfrage ist in drei Unterfragen gegliedert: (a) Welches Selbstverständnis haben Land- und Forstwirt:innen aktuell, und wie sehen sie sich in der „Zukunft Landwirtschaft 2030“? (b) Welche Akteur:innen sind für die Gestaltung der „Zukunft Landwirtschaft 2030“ aus Sicht der Land- und Forstwirt:innen von Relevanz? (c) Wie können die Akteur:innen zur „Zukunft Landwirtschaft 2030“ beitragen?

Material und Methoden

Das wissenschaftliche Projektteam orientierte sich in der Auswahl der Methoden an den drei Zielen des Strategieprozesses. Ziel (1) wurde berücksichtigt, indem ein qualitativer Forschungsansatz gewählt wurde. Um Ziel (2) zu adressieren, wurden, wie bei Knuth et al. (2013) empfohlen, alle relevanten Stakeholder:innen-Gruppen der Wertschöpfungskette Lebensmittel zur Mitwirkung am Prozess eingeladen. Ziel (3) gab vor, die teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen zu ermutigen, als Multiplikator:innen für die eigene Branche einzutreten. Helmfrid (2008) erläutert, dass dies durch Reflexion und Neudefinition der eigenen Positionen innerhalb des sozialen Systems erreicht werden kann. Die aufgrund dessen gewählten partizipativen Methoden forderten die Teilnehmenden zu aktivem Engagement heraus.

Unter diesen Voraussetzungen wurden Dialogplattformen, World Cafés und Fokusgruppen-Diskussionen als Methoden gewählt, um die Forschungsfragen zu beantworten. Insgesamt lässt sich der gewählte Forschungsansatz dem Feld der partizipativen „Transformationsforschung“ (Krainer und Winiwarter, 2016) zuordnen. Dieser erlaubt es, sich der vorliegenden Fragestellung durch ein Zusammenspiel theoretischer, anwendungsorientierter und praxisnaher Erkenntnisse zu nähern (Krainer und Winiwarter, 2016; Lerchster, 2015), und branchenübergreifendes Wissen in größeren Maßstäben zu generieren.

Aufgrund der Auftragslegung durch die oberösterreichische Landesregierung wurde der Strategieprozess für das Bundesland Oberösterreich durchgeführt. Rund 23.000 oberösterreichische landwirtschaftliche Betriebe (Angerer und Preinstorfer, 2020) wurden auf Basis der Einträge im Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) zu den Dialogplattformen, und damit zur Teilnahme am Strategieprozess, eingeladen. Die Ergebnisse sollten daher aus der Perspektive oberösterreichischer Land- und Forstwirt:innen gelesen werden. Wenn hingegen Ergebnisse aus partizipativen Prozessen mit verschiedenen Stakeholder:innen hervorgingen, wird von der „Wertschöpfungskette Lebensmittel“ gesprochen, bzw. werden die betroffenen Akteur:innen explizit genannt.

Datenerhebung

Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Juni 2019 bis Oktober 2020. Die Erhebung der Daten erfolgte durch das Projektteam der Universität für Bodenkultur. Drei methodische Bausteine wurden zur Erhebung der Daten unter Einbindung der Teilnehmer:innen angewandt.

Erster Baustein: Fünf Dialogplattformen

Der methodische Baustein der Dialogplattform, wie von Siebert (2010) beschrieben, bezieht sich durch die Schaffung eines Forums für verschiedene Stakeholder-Gruppen der Wertschöpfungskette Lebensmittel auf die Forschungsziele (1) und (2). Zugleich diente er dazu, die Gäste der Dialogplattform zur Teilnahme an den anderen Methoden (World Cafés und Fokusgruppen) zu ermutigen. Nicht zuletzt konnten durch die Publikumsdiskussionen auch erste Daten gesammelt werden, die der Beantwortung der Forschungsfragen (a) und (b) dienten.

Es fanden fünf Dialogplattformen statt, an denen jeweils rund 150 bis 200 Personen teilnahmen. Das Format wurde durch 20- bis 25-minütige Impulsvorträge von je einem Experten/einer Expertin aus der Wissenschaft oder der fachlichen Praxis eröffnet, gefolgt von einer moderierten Diskussion. Die Expert:innen wurden vom Projektbeirat vorgeschlagen, die Titel ihrer Impulsvorträge sind in Tabelle 1 gelistet.

Themen, Vortragende und Teilnehmende der Dialogplattformen

Table 1. Topics, keynote speakers and participants of dialogue platforms

Thema Teilnehmende und Vortragende Datum und Ort
Auftaktveranstaltung:Landwirt.schaf(f)t Ernährungssicherheit Teilnehmende: ca. 180Vortragende:- Prof. Dr. Ulrich Brand(Universität Wien, Institut für Politikwissenschaften);- Mag. Werner Wutscher(Gründer von New Venture Scouting). 25.06.2019, HBLA Elmberg
(1) Wertschöpfung durch Wertschätzung.Schwerpunkte: Digitalisierung, Obst und Gemüse Teilnehmende: ca. 160Vortragende:- Mag. Hanni Rützler (Foodtrend-Forscherin);- PD DI Dr. Mahshid Sotoudeh (TU Graz, Dozentin für Technikfolgenabschätzung und Nachhaltigkeit) 24.09.2019, LWBFS Altmünster
(2) Landwirtschaft 4.0 – das smarte Ende des traditionellen HandwerkesSchwerpunkte: Milch, Rind, Grünland Teilnehmende: ca. 160Vortragende:- DI Werner Habermann (ARGE Rind);- Dr. Christian Dürnberger(Veterinär- medizinische Universität Wien) 18.11.2019, LWS Burgkirchen
(3) Volatile Erlöse in extremen SituationenSchwerpunkte: Schwein, Ackerbau und Geflügel Teilnehmende: ca. 160Vortragende:- Mandes Verhaagh, MSc (Thünen-Institut Braunschweig);- DI Christian Krumphuber (LK OÖ) 20.01.2020, ABZ Lambach
(4) Gutes bewahren und Neues wagen – (k)ein Widerspruch? Teilnehmende: ca. 80(Covid-19-bedingte Einschränkung).Vortragender: Landesrat Max Hiegelsberger 02.03.2020, LWBFS Kleinraming
(5) Natürliche Grenzen eines natürlichen Wachstums – wie können wir vom Bio-Boom leben bzw. macht uns Bio satt?Schwerpunkt: Biologische Produktion, Forstwirtschaft, Bergbauern Teilnehmende: ca. 80(Covid-19-bedingte Einschränkung).Vortragende:- Dr. Susanne Langmair-Kovács (Österreichische Bundesforste);- Priv.-Doz. Dr. DI Andreas Steinwidder(Bio-Institut HBLFA Raumberg-Gumpenstein) 28.09.2020, Bioschule Schlägl

Die thematischen Schwerpunkte der Dialogplattformen wurden vorab in gemeinsamer Abstimmung vom Projektbeirat und dem wissenschaftlichen Projektteam festgelegt, wobei zugunsten des Ziels (2) thematische Multiperspektivität angestrebt wurde. Die Datenerhebung konzentrierte sich neben der Sammlung der Kernbotschaften aus den Impulsvorträgen auf Themen, Stichworte und Zitate aus den anschließenden Diskussionen. Hieraus ging unter anderem hervor, dass von den Teilnehmenden die Akteurgruppen Politik, Medien und Konsument:innen als zentral wahrgenommen werden.

Zweiter Baustein: Zwei World Cafés

Die festgelegten Themenfelder wurden mittels der Methode des World Café nach Brown (2001) von zwei unterschiedlichen Stakeholdergruppen strukturiert und vertieft. Durch die World Cafés wurde die Forschungsfrage (c) aus Sicht von Nicht-Landwirt:innen bearbeitet sowie zugleich die Ziele (1) und (2) verfolgt. Die Fragestellungen der World Cafés, die vom wissenschaftlichen Projektteam erarbeitet wurden, sind in Tabelle 2 gelistet.

Schwerpunkte und Teilnehmende der World Cafés

Table 2. Topics and participants of World Cafés

Schwerpunkt/Thema Teilnehmende Datum und Ort
(1) Universität für Bodenkultur:Ist-Soll-VergleichZielgruppe: Fachexpert:innen aus der Agrarbranche 42 Teilnehmende, darunter Vertreter:innen aus der Agrarbranche, Obleute und Sekretäre der Bezirksbauernkammer, Verbandsobleute und deren Geschäftsführer, Abteilungsleiter und Führungskräfte des Landes OÖ, dem landwirtschaftlichen Schulreferat und dem Veterinärdienst sowie der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. 15.11.2019, Bildungshaus Schloss Puchberg
(2) Oberösterreichische Zukunftsakademie:Zukunftstrends – Erwartungen der Gesellschaft an die LandwirtschaftZielgruppe: Vertreter:innen der Gesellschaft 51 Teilnehmende, darunter Konsument:innen, Foodblogger:innen, FoodCoops, Schüler:innen, NGO-Vertreter:innen, Naturschutzbund, WWF, Alpenverein, Tourismus, Morgentau, Klimabündnis, Solidarische Landwirtschaften (Solawi) 03.02.2020, Bildungshaus St. Magdalena

Im ersten World Café bearbeiteten rund 40 Vertreter:innen der oberösterreichischen Agrarbranche, darunter Interessensgemeinschaften, Kammern, Verbände, Schulen, Gremien und Vertreter:innen der Landesregierung Fragestellungen zum Ist-Zustand („Was tragen zentrale Akteur:innen zur heutigen Landwirtschaft bei?“) sowie zum Soll-Zustand („Was sollen zentrale Akteur:innen 2030 zur Landwirtschaft beitragen?“) und entwarfen Handlungsempfehlungen zur Erreichung des Soll-Zustands. Als Ergebnisse gingen aus dieser Veranstaltung die von den Teilnehmenden genannten Ziele (abgeleitet aus dem „Soll-Zustand“) sowie Maßnahmen für alle Akteurgruppen hervor.

Im zweiten World Café wurden Zukunftsvisionen von rund 45 gesellschaftlichen Vertreter:innen, darunter Schüler:innen, Touristiker:innen, Landschafts-, Naturschutz-, und Lebensmittelvereins-Obleute, Nahversorger:innen sowie Medienvertreter:innen, angesichts zukunftsweisender Tiefenströmungen („Megatrends“) erarbeitet. Als Ergebnis gingen aus dieser Veranstaltung vorrangig Ziele und Maßnahmen für die Akteurgruppen der Konsument:innen und Medien hervor.

Dritter Baustein: neun Fokusgruppen

Eine detaillierte Ausarbeitung der Themenfelder erfolgte mittels der Methode der Fokusgruppen-Diskussionen nach Przyborski und Riegler (2020). Hiermit wurde besonders das Ziel (3) verfolgt. Zudem wurden alle gestellten Forschungsfragen dadurch aus Sicht der Teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen behandelt.

Um Teilnehmende zu akquirieren, wurde eine Stichprobe aus den in der Förder-Datenbank für landwirtschaftliche Innovationen gelisteten Betriebsleiter:innen gezogen. Die Ziehung erfolgte anhand der Kriterien „Betriebszweig“, „Standort“ (nach Bezirk), und „Geschlecht“. Jeweils 10–19 Landwirt:innen traten in eine moderierte Diskussion zu den neun Schwerpunktthemen, die in gemeinsamer Abstimmung vom Projektbeirat und dem wissenschaftlichem Projektteam festgelegt wurden: 1. Kommunikation/Medienarbeit; 2. Gastronomie und Diversifizierung; 3. Biologische Landwirtschaft; 4. Wald/Forstwirtschaft, Jagd und Energie; 5. Milch, Rinderhaltung und Grünland inkl. Schafe und Ziegen; 6. Ackerbau/Schwein, Geflügel und Eier; 7. Frauen in der Landwirtschaft; 8. Obst, Gemüse und Gartenbau; 9. (Aus-)Bildung. Die Diskussionsgruppen wurden dabei auf die Erarbeitung einer Zukunftsvision hingeleitet, die aktuelle Entwicklungen, wahrgenommene Trends sowie die Rahmenbedingungen und Erwartungen der zentralen Akteur:innen der Wertschöpfungskette Lebensmittel einbezieht. Auf Grundlage dieser Zukunftsvision wurden anschließend Maßnahmen für deren Verwirklichung diskutiert. Die Termine, Anzahl der Teilnehmenden und Themenschwerpunkte sind in Tabelle 3 gelistet.

Schwerpunkte und Teilnehmende der Fokusgruppen-Diskussionen

Table 3. Topics and participants of focus group discucssions

Fokusgruppen-Schwerpunkt Teilnehmende Datum
1. Kommunikation/Medienarbeit 19 Teilnehmende 26.09.2019
2. Gastronomie und Diversifizierung 17 Teilnehmende 24.10.2019
3. Biologische Landwirtschaft 12 Teilnehmende 21.11.2019
4. Wald/Forstwirtschaft, Jagd und Energie 13 Teilnehmende 16.01.2020
5. Milch, Rinderhaltung und Grünland inkl. Schafe und Ziegen 12 Teilnehmende 30.01.2020
6. Ackerbau/Schwein, Geflügel und Eier 14 Teilnehmende 06.02.2020
7. Frauen in der Landwirtschaft 10 Teilnehmende 27.02.2020
8. Obst, Gemüse und Gartenbau 13 Teilnehmende 05.03.2020
9. (Aus-)Bildung 10 Teilnehmende 05.06.2020
Qualitative Datenauswertung und Ergebnisaufbereitung

Alle drei Prozessbausteine wurden vom wissenschaftlichen Projektteam dokumentiert und ausgewertet. Die multi-medialen Dokumentationen (Audioaufnahmen, Präsentationsfolien, Stichwort-Protokolle, Foto-Dokumente von Flipcharts, Tafeln und Pinnwänden) wurden anschließend transkribiert. Aus den Transkripten und Protokollen aller Veranstaltungen des Datenerhebungs-Prozesseses wurden Zwischenberichte gemäß den Verfahrensregeln der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring (1991) erstellt.

Die Zwischenberichte wurden anschließend mithilfe der Software MAXQDA einer strukturierenden Inhaltsanalyse unterzogen. Gemäß des Ablaufmodells von Mayring (1991) wurde als ordnende Dimension die Kategorie „Akteur:innen“ gewählt. In einem iterativen Prozess wurden anschließend die vier Ausprägungen der Kategorie festgelegt: (1) Land- und Forstwirt:innen, (2) Medien, (3) Politik und (4) Konsument:innen. Für jeden der Akteur:innen wurden aus dem Textmaterial Handlungsempfehlungen extrahiert. Der Codier-Leitfaden für die Textauswertung sah für jeden der Akteur:innen die Zuweisung von (a) Missionen, (b) Zielen und (c) Maßnahmen vor, die einander jeweils hierarchisch untergeordnet sind. Zudem wurden (d) Aussagen von Vertreter:innen der jeweiligen Akteurgruppe über deren Selbstverständnis codiert.

Das Selbstverständnis (self-concept), das zur Beantwortung der Forschungsfrage (a) herausgearbeitet wurde, beinhaltet nach Hattie (2014) die Vorstellung einer Person über seine eigenen Eigenschaften, Fähigkeiten, Bedürfnisse, Präferenzen, Ziele und Werte. Das Selbstverständnis der Land- und Forstwirt:innen wurde anhand von „Personas“ charakterisiert. Personas sind fiktive und beispielhafte Charaktere, die das Selbstverständnis einer bestimmten Gruppe verdeutlicht (Onel et al., 2018). Diese Charakterisierung soll das Verständnis über die Beweggründe der Land- und Forstwirt:innen für die Nennung bestimmter Ziele und Missionen erleichtern. Zudem können durch Kenntnis des Selbstverständnisses zielgruppengerechte Maßnahmen für die Umsetzung der Missionen und Erreichung der Ziele entworfen werden.

Die Extraktion von Missionen, Zielen und Maßnahmen aus dem Datenmaterial diente der Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage. Die dort genannten „Handlungsempfehlungen“ wurden in drei Abstraktionsebenen unterteilt: Eine „Mission“ beschreibt als übergeordnete Kategorie die grundlegende Absicht der angestrebten zukunftsgerechten Entwicklung. Sie zeigt, was langfristig erreicht werden soll und illustriert damit die Vision „Zukunft Landwirtschaft 2030“ (Beispiel einer Mission: „Ein verbindendes Wertesystem in der Land- und Forstwirtschaft“). Die den Missionen untergeordneten Ziele beschreiben mittelfristige, messbare Zwischenschritte zur Verwirklichung der Mission (Beispiel für ein Ziel: „Ausbau der partnerschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit aller Akteur:innen der Wertschöpfungskette Lebensmittel“). Als Maßnahmen werden konkrete Handlungen verstanden, die umgesetzt werden sollten, um die mittelfristigen Ziele zu erreichen (Beispiel für eine Maßnahme: „Marktforschung zur Erwartungsabfrage der Konsumenten durchführen“).

Die Ergebnisse aus dem Strategieprozess wurden zu Projektabschluss als Endbericht („Strategiepapier“) aufbereitet. Das Strategiepapier wurde im Jahr 2020 vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung unter dem Titel „Zukunft Landwirtschaft 2030“ veröffentlicht.

Ergebnisse

Nachfolgend werden die Resultate vorgestellt, die sich aus der strukturierenden Inhaltsanalyse des gesammelten Materials ergaben. Nach der Darstellung des aktuellen Selbstverständnisses der Land- und Forstwirt:innen im ersten Abschnitt widmet sich der darauffolgende Abschnitt jenen Handlungsempfehlungen (Missionen, Zielen und Maßnahmen), die im Zuge des Strategieprozesses von den Teilnehmenden erarbeitet wurden. Abschließend folgt die Beschreibung des für die Zukunft angestrebten Selbstverständnisses der Land- und Forstwirt:innen.

Ausgangslage und aktuelles Selbstverständnis der Landwirt:innen

Sowohl aus den Dialogplattformen als auch aus den Fokusgruppen-Diskussionen geht hervor, dass Land- und Forstwirt:innen in Oberösterreich stark vom Wachstumsdruck betroffen sind. Gepaart mit Preisdruck, hoher Arbeitsbelastung und den wahrgenommenen sich wandelnden Ansprüchen der Gesellschaft sind Sorgen und Unmut weit verbreitet. Die im Zuge des Strategieprozesses erfundene Persona „Hans Berger“ charakterisiert die von den teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen beschriebene Ausgangslage für den Strategieprozess wie folgt:

Hans Berger steht als fiktiver Landwirt für alle, die aufgrund der aktuellen Gegebenheiten in der Land- und Forstwirtschaft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen. Die Abhängigkeit von Fördergeldern wirkt destruktiv auf das Selbstverständnis und erfordert, die Betriebsführung ständig zu rechtfertigen. Das Konkurrenzdenken in der Branche und die unsicheren finanziellen und sozialen Bedingungen trüben das Zukunftsbild. Hans wünscht sich Anerkennung für seine täglichen Leistungen, denn „es kann nicht das Ziel sein, diese Landwirtschaft in Österreich mit einem Mega-Stress zu erhalten“ (Fokusgruppe 2).

Vier starke Partner:innen für die „Zukunft Landwirtschaft 2030“

Die Diskurse der Dialogplattformen, die Inhalte der beiden World Cafés sowie der Fokusgruppen-Diskussionen lassen darauf schließen, dass aus Sicht der Teilnehmenden eine kooperative Haltung zwischen allen Akteur:innen in der Wertschöpfungskette Lebensmittel die Grundvoraussetzung für ein attraktives und erstrebenswertes Zukunftsbild für die Landwirtschaft ist. Aus dem gesammelten Material kristallisieren sich (1) Land- und Forstwirtschaft, (2) Medien, (3) Politik und (4) Konsument:innen als vier zentrale Akteur:innen heraus. Im Folgenden werden einige ausgewählte Missionen und Ziele für alle als „Partner:innen“ bezeichneten Akteur:innen präsentiert. Aufgrund der hohen Ergebnisdichte werden die einem Ziel zugehörigen Maßnahmen nicht aufgezählt, sondern in narrativer Form anhand einiger ausgewählter Beispiele genannt. Die Selektion der dargestellten Ergebnisse legt gemäß der Forschungsfragen den Schwerpunkt auf die Perspektive der Land- und Forstwirt:innen.

Partnerin Land- und Forstwirtschaft
Mission I: Selbstbewusstsein in der Land- und Forstwirtschaft neu denken

Land- und Forstwirt:innen betonten in den Fokusgruppen-Diskussionen, dass sie aus der Verteidigungs-, Konkurrenzund Bittstellerhaltung austreten möchten. In der Zukunft möchten sie stattdessen auf Eigenverantwortung, Kooperationen und Kreativität in der Betriebsführung setzen. „Die Überzeugung vom eigenen Tun, ein Raus aus der Komfortzone und die bewusste Entscheidung für das Ungewisse sind unerlässlich für die erfolgreiche Landwirtschaft 2030“ (Fokusgruppe 2). Daraus ergibt sich als erstes Ziel die (1) Stärkung der Unternehmerpersönlichkeiten. Mittels Maßnahmen zur Weiterbildung und Bildung von Peer-Gruppen in den Bereichen des Unternehmertums, der Persönlichkeitsentwicklung, der Frauenförderung sowie der brancheninternen und -übergreifenden Vernetzung kann die Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in den Erfolg eigener Handlungen (Bandura, 1977), gestärkt werden. Als weiteres Ziel wurde die (2) Übernahme von Verantwortung für die bewusste Gestaltung der eigenen Lebensqualität formuliert. Hierfür muss laut den Teilnehmenden die zeitliche und personelle Prüfung von Ressourcen routiniert in betriebliche Abläufe eingebettet werden, um Anpassungen, wie den Austausch überbetrieblicher Leistungen, rechtzeitig zu gewährleisten. Die von den Teilnehmenden angestrebte (3) Mitgestaltung der Öffentlichkeitsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft zielt darauf ab, dass Landwirt:innen und ihre Interessensvertretung sich zu Gesellschaft und Medienvertretern mit aktuellen Informationen positionieren. Sie wollen ihre Wertvorstellungen, Anliegen und Erfolgsgeschichten aktiv kommunizieren, um damit die Themenführerschaft in der Landwirtschaft zurückzugewinnen.

Mission II: Bildung und Bewusstseinsförderung ausweiten

Als Antwort auf die aktuell wahrgenommene Problematik, „Wir erziehen uns die Leute, die billig einkaufen, selbst, weil wir ihnen nicht mehr erklären, wie die Qualität von Lebensmitteln zustande kommt“ (Fokusgruppe 5), sehen sich die Land- und Forstwirt:innen in der Zukunft als Botschafter:innen der eigenen Branche. Sie möchten damit den monetären Mehrwertrücklauf, also den Rückfluss von Gewinnen aus der Wertschöpfungskette an den primären Sektor, steigern. Zur (1) Sicherung eines einheitlichen Auftrittes der Land- und Forstwirtschaft soll die Branche identitätsbildende Botschaften entwickeln sowie Fortbildungsangebote zur Stärkung der Fach- und Medienkompetenz bereitstellen. Um mit Fachwissen und Branchenkenntnis eine Vorbildwirkung einnehmen und sich öffentlichen Diskussionen stellen zu können, ist (2) Lebenslanges Lernen in der Land- und Forstwirtschaft essenziell. Dies erfordert von Land- und Forstwirt:innen die Teilnahme und idealerweise Mitgestaltung von Weiterbildungsangeboten. Zur (3) Sicherung der gesellschaftlichen Wertschätzung können Land- und Forstwirt:innen ihrer Meinung nach beitragen, indem sie den direkten Kundendialog als Wettbewerbsvorteil erkennen und als Multiplikator:innen die Mehrwerte der bäuerlichen Produktionsweise vertreten. Die Vielfältigkeit der landwirtschaftlichen Leistungen könne beispielsweise über Tourismusangebote, Bildungsaktivitäten oder über die Darstellung nahbarer Geschichten in ausgewählten Medienkanälen aufgezeigt werden.

Mission III: Gestärkte Partnerschaften in der Land- und Forstwirtschaft leben

Die Teilnehmenden des Strategieprozesses haben das Anliegen, brancheninterne Konkurrenz durch ein gemeinsames Selbstverständnis und eine Willkommenskultur gegenüber Quereinsteigenden zu ersetzen. Dies wird zum Beispiel durch folgenden Wunsch deutlich: „Die Landwirtschaft muss geschlossen auftreten, damit sich die Produzenten nicht gegenseitig ausspielen und am Ende der Handel gewinnt“ (Fokusgruppe 5). Dazu wurden einerseits die (1) Sicherung von Toleranz zwischen Produktionssparten und Bewirtschaftungsformen in der Branche, andererseits die (2) Stärkung des Verständnisses zwischen der Land- und Forstwirtschaft und der Gesellschaft als Ziele formuliert. Als Maßnahme sehen Land- und Forstwirt:innen hier im Wesentlichen die Vermittlungsarbeit, beispielsweise indem Konsument:innen zur Teilhabe an der landwirtschaftlichen Produktion eingeladen werden. Kinder sollten als Konsument:innen der Zukunft in der Bewusstseinsbildung fokussiert angesprochen werden. Das dritte Ziel sieht die Formulierung von (3) Maßnahmen für die Verarbeitung und den Lebensmitteleinzelhandel zur Stärkung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit vor. Die Land- und Forstwirt:innen empfehlen Kostenwahrheit bei den Produktpreisen, eine durchgängige Mehrwertkennzeichnung sowie die Einschränkung von Aktions- und Lockangeboten, die die Regionalwirtschaft schädigen.

Partner Medien

Als Schnittstelle zur Gesellschaft, und damit auch zu Politiker:innen und Konsument:innen, beeinflussen Medien die Entwicklung der Landwirtschaft entscheidend. Das Anliegen der Land- und Forstwirt:innen, Medienvertreter:innen als Partner:innen zu gewinnen, geht daher als wesentliches Anliegen aus den Fokusgruppen-Diskussionen hervor. Aus dem World Café unter Beteiligung von Medienvertreter:innen kann eine aufgeschlossene Haltung der Medien gegenüber den Anliegen der Land- und Forstwirtschaft abgeleitet werden.

Mission I: Agrarische Fachinformationen für Journalist: innen verfügbar machen

Als Zusammenfassung des gemeinsamen Anliegens der beiden Partner:innen Land- und Forstwirtschaft sowie Medien kann folgendes Statement stehen: „Landwirte haben einen Beruf, der den Menschen nicht wurscht ist. Und das müssen wir positiv sehen“ (Dialogplattform 2). Um den Medien entgegenzukommen, formulieren Land- und Forstwirt:innen als Ziel (1), sachliche und nachvollziehbare Informationen für Journalist:innen aufzubereiten. Kontaktlisten mit Ansprechpartner:innen, Best-Practice-Betrieben und Testimonials zu erstellen ist dabei ein wichtiger Schritt in Richtung der (2) Installation eines Kompetenzzentrums „Triple A – Agrarische Anliegen Agieren“, welches als Idee aus dem genannten World Café hervorging. Es soll den Medienvertreter:innen ermöglichen, Anregungen aus der Gesellschaft zielgerichtet bei der landwirtschaftlichen Interessenvertretung zu positionieren.

Mission II: Ein verbindendes Wertesystem schaffen

Um das Potenzial förderlicher Öffentlichkeitsarbeit auszuschöpfen, setzen sich die teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen weiters zum Ziel, (1) einigende Werte zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft in der Berichterstattung hervorzuheben sowie (2) die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit aller Partner:innen der Wertschöpfungskette Lebensmittel auszubauen. Dies soll der aus ihrer Sicht notwendigen Etablierung eines einvernehmlichen Selbstverständnisses entgegenkommen. Als Maßnahme hierfür wird Medienvertreter:innen vorgeschlagen, verbindende Themenschwerpunkte zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft zu erarbeiten. Die landwirtschaftlichen Interessensvertretungen sollten unterstützend Marktforschung zur Erwartungsabfrage der Konsument:innen durchführen.

Mission III: Öffentlichkeitsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft neu denken

„Wir sind die Wasser-, Luft- und Freizeitraumproduzenten. Das müssen wir kommunizieren, indem wir die Ökosystemdienstleistungen emotionalisieren“ (Fokusgruppe 4).

Aus den beiden World Cafés, sowie den Fokusgruppen-Diskussionen geht hervor, dass von Teilnehmenden unterschiedlicher Akteurgruppen jene Ökosystemdienstleistungen, die über die Versorgungsleistungen hinausgehen, als herausragende Mehrwerte österreichischer Produkte im Vergleich zu Weltmarktgütern wahrgenommen werden. Dieses Alleinstellungsmerkmal des primären Sektors sowie der vor- und nachgelagerten Sektoren gilt es, priorisiert in den Medien darzustellen. Dementsprechend ergibt sich die (1) Positionierung der Mehrwerte von heimischen Agrarprodukten als wesentliches Ziel der Teilnehmenden. Weiters werden der (2) Ausbau der „realitätsnahen“ (nicht beschönigenden oder romantisch-verklärten) und erklärenden Berichterstattung sowie eine stärkere (3) Positionierung der Land- und Forstwirtschaft inklusive Ernährung in den Massenmedien angestrebt. Die Bedeutung der Branche als Wirtschaftssektor, die Notwendigkeit bestimmter Tätigkeiten wie beispielsweise Kulturpflege oder Pflanzenschutz sollten für die Gesellschaft verständlich dargestellt werden. Als Maßnahmen für Medienvertreter:innen werden die Bestellung von Fachjournalist:innen sowie die Etablierung einer Rubrik „Land- und Forstwirtschaft inkl. Ernährung“ in Leitmedien vorgeschlagen.

Partnerin Politik

Die Sicherung der „Zukunft Landwirtschaft 2030“ ist, so die Überzeugung der teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen, nur im Tandem mit zielgerichtetem politischem Willen machbar. Die in den Prozess involvierten Vertreter:innen der oberösterreichischen Agrarbranche stehen hinter dieser Überzeugung. Sie formulierten im Zuge der Dialogplattformen sowie im Rahmen des World Café mit Fachexpert:innen aus der Agrarbranche Handlungsempfehlungen, die in diesem Abschnitt zusammengefasst sind. Die Missionen, Ziele und Maßnahmen richten sich an politische Vertreter:innen inklusive der landwirtschaftlichen Interessensvertretung.

Mission I: Klares Bekenntnis zu bäuerlichen Familienbetrieben

Die teilnehmenden Fachexpert:innen fordern vom Partner „Politik“, sich konstruktiven Diskussionen zu stellen, und die Land- und Forstwirtschaft durch flexible und unbürokratische Maßnahmen zu unterstützen. Daher sollte in ihren Augen das oberste Ziel der Politik die (1) Stärkung der unternehmerischen Eigenverantwortung durch praxistaugliche Rahmenbedingungen sein. „Es gibt keine Generallösung für Zukunftsstrategien. Sie müssen auf einzelbetrieblicher Ebene entschieden und umgesetzt werden“ (Dialogplattform 3). Unter „praxistauglichen Rahmenbedingungen“ werden unter anderem Strategien zur Entlastung vom Wachstumsdruck wie die Förderung neuer Formen der Bewirtschaftung, die Einkommenssicherung durch Kostenwahrheit bei den Produktpreisen, Entbürokratisierung der Betriebskontrollen und der Berichtslegung, sowie Regelungen für Fremdarbeitskräfte verstanden. Der ebenfalls geforderten (2) Sicherung der Hofnachfolge und der finanziellen Absicherung der Landwirtinnen kann aus Sicht der Fachexpert:innen politisch entgegengekommen werden, indem Lösungen für die Anerkennung von Betreuungs- und Pflegearbeiten am Hof gefunden werden.

Mission II: Fachwissen in der Ausbildung und Beratung verankern

Die teilnehmenden Fachexpert:innen fordern weiter: „Der Unterricht muss greifbarer und praxistauglicher werden“ (Fokusgruppe 9). Ihr Ziel ist daher die (1) Sicherstellung einer praxistauglichen Aus- und Weiterbildung. Um potenzielle Hofübernehmende bestmöglich auf zukünftige Aufgaben in der Land- und Forstwirtschaft vorzubereiten, sollte die Politik die Vernetzung zwischen Bildung, Praxis und Wissenschaft fördern. Als ebenso essenziell wird die (2) Sicherstellung einer praxistauglichen Beratung für die bäuerlichen Familienbetriebe wahrgenommen. Diese könne durch Aufbringung finanzieller Mittel für fachkundige Beratungsleistungen, beispielsweise zu aktuellen Fragen der betrieblichen Neuausrichtung, umgesetzt werden. Auch Pädagog:innen und Schüler:innen in nicht-landwirtschaftlichen Ausbildungsstätten sollen laut den Teilnehmenden Kompetenzen im Fach „Landwirtschaft und Ernährung“ erwerben, was eine (3) Anpassung der Lehrpläne in Pflichtschulen erfordert, während breitere Gesellschaftsgruppen durch die (4) Bereitstellung von land- und forstwirtschaftlichem Wissen durch Informations-, Mitmach- und Freizeitangebote erreicht werden sollen. „Landwirte müssen dort präsent sein, wo Bildung passiert. Denn Konsumverhalten ist Bildungsverhalten“ (Fokusgruppe 5).

Mission III: Mehrwerte der heimischen Land- und Forstwirtschaft im Rahmen einer gemeinsamen „Österreich-Lösung“ positionieren

Im Verständnis der teilnehmenden Fachexpert:innen sollten die Medien den Mehrwert österreichischer Lebensmittel der Zivilgesellschaft kommunizieren, während die Politik die dafür nötigen Rahmenbedingungen vorlegen müsse. Die Teilnehmer:innen fassen dieses Ziel unter dem Titel (1) „Gesamt-Österreich-Lösung“ zusammen. Jene soll einerseits den Konsument:innen ermöglichen, die sozialen, ökologischen und ökonomischen Mehrwerte der österreichischen Wertschöpfungskette Lebensmittel zu erkennen. Anderseits erhoffen sich die Teilnehmenden dadurch eine verstärkte Identifizierung aller Teilnehmer:innen der Wertschöpfungskette mit der nationalen Wirtschaft. Als wesentliche Maßnahmen fordern die Teilnehmenden, die Lebensmittelkennzeichnung verbindlich zu machen und Labels zu vereinheitlichen. Die (2) Sicherung der Eigenversorgung soll in den Augen der Teilnehmenden gewährleisten, dass die regionale Land- und Forstwirtschaft in der Lage ist, lebenswichtige Produktgruppen auch in dauerhaften Krisen bereitzustellen. Hierfür seien zeitgerecht wettbewerbsadäquate Auflagen und Normen für Agrarimporte und -exporte mit Drittstaaten zu verhandeln. Um der Konsequenz steigender Lebensmittelpreise adäquat zu begegnen, fordern die Teilnehmenden, die (3) Schaffung eines Bewertungs- und Kennzeichnungssystems auf die politischen Agenden zu setzen, welches die immateriellen Leistungen der heimischen Landwirtschaft wie die CO2-Kompensation abbildet. Dadurch wird erhofft, dass die Bereitschaft der Gesellschaft steigt, nicht versorgende Ökosystemdienstleistungen über die Lebensmittelpreise mitzutragen.

Partner Konsument:innen

Aus dem World Café der Zukunftsakademie mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft geht hervor, dass kritische und bewusste Konsument:innen der Land- und Forstwirtschaft durchaus Vertrauen und Wertschätzung entgegenbringen, sofern ihre eigenen Bedürfnisse und Erwartungen ernst genommen werden. Neben dem Landschafts- und Kulturerhalt erwarten sich Konsument:innen auch Vielfalt, Ursprünglichkeit und Qualität im Produktsortiment, sowie faire Preise. Um ihr Vertrauen in die Land- und Forstwirtschaft zu stärken, wünschen sich Konsument:innen Transparenz in der Wertschöpfungskette und Einblicke in die landwirtschaftliche Produktionsweise.

Wie die Fokusgruppen-Diskussionen zeigen, fordern Landwirt:innen von Konsument:innen im Gegenzug auch ein, die Partnerschaft verantwortungsvoll mitzutragen. Sie befürchten, dass lukratives Wirtschaften von Konsument:innen als Widerspruch zu Authentizität und Nachhaltigkeit interpretiert wird. Aus Sicht der Landwirt:innen werden die idealtypischen Konsument:innen folgendermaßen charakterisiert: Sie leisten auf verschiedenen Ebenen direkte Unterstützung, suchen den persönlichen Kontakt zur Land- und Forstwirtschaft und kennen mehrere Produzent:innen persönlich. Beim Einkauf sollten sie bewusst regionale und saisonale Produkte wählen, und für diese eine Mehrpreisbereitschaft zeigen, da sie die Sozial- und Umweltleistungen erkennen. Sie sollten aktiv alternative Vermarktungs- und Kooperationsformen nutzen und soziale Dienstleistungen von Landwirt:innen, z. B. natur- und tiergestützte Aktivitäten, in Anspruch nehmen. Über verschiedene Medienkanäle, Freizeit- und Tourismusangebote zu den Themen der Land- und Forstwirtschaft und Ernährung sollten sich die Konsument:innen informieren, und sich für eine Mehrwert-Kennzeichnung für regionale Lebensmittel im Handel und in der Außer-Haus-Verpflegung starkmachen.

Zukunftsvision und erstrebtes Selbstverständnis der Landwirt:innen

Der Strategieprozess resultierte in einer Vision für die „Zukunft Landwirtschaft 2030“. Gemäß dieser ist das von Land- und Forstwirt:innen geäußerte Selbstverständnis der Landwirtschaft 2030 ein Dreiklang aus Persönlichkeitsbildung, Unternehmertum und Reflexionsfähigkeit. Unter den Teilnehmenden des Prozesses stand fest: „Was wir wollen, müssen wir auch leben“ (Fokusgruppe 2). Zusammengefasst lässt sich die Zukunftsvision für das Selbstverständnis der Land- und Forstwirt:innen 2030 wie folgt beschreiben:

Aktion statt Reaktion: „Wir haben die ökologischen ‚Grenzen des (Flächen-)Wachstums‘ erkannt. Nun setzt unsere Branche auf neue Erwerbskombinationen und Innovation. Durch den kooperativen Austausch mit unseren Partner:innen können wir langfristige Marktentwicklungen erkennen. Wir beziehen gesellschaftliche Bedürfnisse in unsere betrieblichen Entscheidungen frühzeitig ein, wodurch sich unsere Wertschöpfung steigert. Unsere Werte, Ideen und unser Fachwissen bringen wir selbst in den öffentlichen Diskurs ein. So werden wir zu Botschafter:innen und Gestalter:innen der ‚Zukunft Landwirtschaft 2030‘“.

Selbstbestimmter Unternehmergeist: „Mit unternehmerischem Mut reflektieren wir als Betriebsleiter:innen regelmäßig das eigene Stärken-und-Schwächen-Profil. So können wir gegebenenfalls frühzeitig Potentiale und auch Unterstützungsbedürfnisse erkennen. Unsere ausgeglichene Work-Life-Balance und faire Leistungs-Entlohnung erlaubt uns, positive Beziehungen zu externen Stakeholder:innen zu pflegen. Unser Auftreten mit Stolz und Zufriedenheit trägt dazu bei, dass unsere Partner:innen den Wert der bäuerlichen Wirtschaftsweise schätzen.“

Lebendige Partnerschaften: „Wir werden in unseren Anliegen von einer starken Interessenvertretung und der breiten Gesellschaft unterstützt. Den aktiven Dialog mit Konsument:innen und Medienvertreter:innen nutzen wir als ehrliche und transparente Argumentationsbasis. Attraktive Aus- und Fortbildungsangebote ermöglichen uns zeitgemäße Fach- und Unternehmerkompetenz. Unser sozialer und politischer Rückhalt und die kompetente Begleitung lassen einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft zu.“

Diskussion

In den folgenden Abschnitten wird zunächst das Forschungsdesign diskutiert, bevor die Ergebnisse in den Kontext aktueller Forschung sowie anderer landwirtschaftlicher Zukunftsstrategien gesetzt werden.

Diskussion der Methoden

Das Anliegen des Projektbeirates, zum Erhalt und der Stärkung der oberösterreichischen Land- und Forstwirtschaft inklusive Ernährungswirtschaft beizutragen, bedingte, dass das transdisziplinäre Forschungsvorhaben mit einer Intervention verknüpft war. Ukowitz (2017) beschreibt unter dem Schlagwort „Interventionsstrategien“ verschiedene Spielarten der transdisziplinären Forschung. Diese zielen darauf ab, zwischen Forschenden und Beforschten eine Wechselwirkung herzustellen (Ukowitz, 2017). Im vorliegenden Fall bestand das Interventionsanliegen darin, Teilnehmenden durch ihr Mitwirken am Strategieprozess eine persönliche Veränderung durch Lernen, Bewusstseinsbildung und Entwickeln neuer Handlungsoptionen zu ermöglichen. Die Annahme bestand darin, dass durch die Intervention das Ziel der (3) Stärkung der Position der Land- und Forstwirt:innen in der Wertschöpfungskette Lebensmittel im Vergleich zu einer nicht-intervenierenden Forschungsmethode erhöht werde. Inwiefern dieses Ziel erreicht wurde, wurde allerdings nicht im Rahmen des Forschungsprojekts erhoben.

Zum Zweck der Evaluierung und Weiterentwicklung der angewandten partizipativen Methoden bietet sich das Evaluierungsschema von Krainer und Winiwarter (2016) an. Dieses folgt der Leitfrage „Für wen [Stakeholder:innen, Umwelten, Wirkungsfeld] werden mit welchen (normativen) Zielen, mittels welcher produktiven Interaktionen welche beobachtbaren Wirkungen unter Angabe welcher Referenzen sichtbar?“ (ebd., 2016, S. 114). Vollständig ausgeführt kann durch diese Evaluierung die Wirksamkeit der Intervention abgeschätzt werden (z. B. Netzwerkeffekte, strukturelle Veränderungen und/oder gesteigerte Kapazität im Wirkungsfeld) (Krainer und Winiwarter, 2016). Zudem könnten Mängel im Forschungsdesign identifiziert werden. Die fehlende Evaluation stellt gewiss eine Limitation der vorgelegten Arbeit dar.

Eine weitere Limitation der vorgestellten Ergebnisse betrifft die überwiegende Teilnahme von Land- und Forstwirt:innen am Strategieprozess. Eine stichhaltige Diskussion der Umsetzbarkeit der vorgestellten Missionen würde eine stärkere Berücksichtigung der Perspektive aller Stakeholder:innen der Wertschöpfungskette „Lebensmittel“ erfordern. Auf die Ausarbeitung dieser notwendigen, komplementären Bedingungen (Akzeptanz der geforderten Maßnahmen und Wille zur Umsetzung) wurde gemäß der Auftragslegung jedoch verzichtet.

Zudem bleibt offen, inwiefern die Ergebnisse von Oberösterreich auf andere Gebiete in Österreich bzw. in Europa umlegbar sind. Dies muss unter Einbeziehung der jeweils vorliegenden Rahmenbedingungen, wie Agrarstruktur, Topographie, vorherrschende Betriebszweige etc., geprüft werden. Eine erste Kontextualisierung der Ergebnisse wird allerdings unternommen, indem die Alleinstellungsmerkmale sowie Gemeinsamkeiten des aus dem Prozess entstandenen Strategiepapiers im Vergleich mit den Zukunftsstrategien anderer Bundesländer sowie mit rezenten Veröffentlichungen zu diesem Thema aus dem deutschsprachigen Raum betrachtet werden.

Diskussion der Ergebnisse

Als wesentliches Ergebnis des Strategieprozesses wurden aus Perspektive der Land- und Forstwirt:innen vier relevante Akteur:innen für das Erreichen einer erstrebenswerten „Zukunft Landwirtschaft 2030“ identifiziert. Dabei wurde festgestellt, dass die Begrifflichkeit „Partner:in“ (im Unterschied zu „Akteur:in“) alle Beteiligten dazu anstößt, gemeinsam auf Augenhöhe über ihre jeweiligen Positionen, Rechte und Verantwortungen zu reflektieren. Um den notwendigen Kooperationsgedanken sowohl entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittel als auch nach außen zu unterstreichen, wird daher vorgeschlagen, jene Akteur:innen, die es für partnerschaftliche Kooperationen zu gewinnen gilt, als „Partner:in“ anzusprechen.

Akteur:innen aus der Lebensmittelverarbeitung und dem Lebensmittelhandel wurden in den Diskursen der Dialogplattformen und Fokusgruppen umfassend thematisiert. Dennoch sahen die teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen davon ab, diese als Partner:innen zu nennen, da aus ihrer Sicht nur geringe Beeinflussbarkeit auf die Verarbeitungs- und Handelsbetriebe bestehe. Hierzu sei angemerkt, dass gerade dieser Umstand zum Anlass genommen werden könnte, die genannten Branchen als Partner:innen anzusprechen. Denn selbstverständlich sollten sich Vernetzungsaktivitäten auch an die in dieser Erhebung ausgeklammerten Akteur:innen, inklusive der Gastronomie, wenden, wie auch in anderen Strategien (Damyanovic et al., 2017; LK NÖ, 2019) betont wird.

Die Zweckdienlichkeit partnerschaftlicher Kooperationen innerhalb der Land- und Forstwirtschaft wird auch andernorts hervorgehoben, wobei neben dem Austausch von Dienstleistungen und Knowhow zwischen ansässigen Betrieben (Damyanovic et al., 2017; Kibala, 2022; LK NÖ, 2019; LK Wien, 2019; ZKL, 2021), und mit internationalen Netzwerken (Kibala, 2022), auch Produktions- und Vermarktungsgemeinschaften angestrebt werden. Bei der Etablierung von Regionalmarken, wie z. B. für die Länder Burgenland (Damyanovic et al., 2017), Wien (LK Wien, 2019), Niederösterreich (LK NÖ, 2019) und Tirol (Tappeiner et al., 2012) vorgeschlagen, sollte jedoch nicht nur die uneindeutige Abgrenzung des Begriffs „Regionalität“ (Ermann et al., 2018), sondern auch die mögliche Propagierung von Konkurrenz mit anderen (Bundes-)Ländern und angrenzenden Regionen, hinsichtlich möglicher unerwünschter Effekte, kritisch reflektiert werden.

Der Krisenfestigkeit der heimischen landwirtschaftlichen Produktion wird auch in anderen Publikationen Priorität zugesprochen. Einerseits werden raumplanungspolitische Maßnahmen wie Verhinderung von Versiegelung und Umwidmung (Damyanovic et al., 2017; LK Wien, 2019; Lutz et al., 2019; Tappeiner et al., 2012), andererseits qualitativer Bodenschutz mit dem Ziel der Nährstoffsouveränität durch Schließung von Kreisläufen (Kibala, 2022) hervorgehoben, um langfristig über landwirtschaftliche Produktionsflächen zur Eigenversorgung zu verfügen.

Da sich die Fragestellung des Strategieprozesses auf Aspekte der strukturellen, sozial- und wirtschaftspolitischen Gestaltung der „Zukunft Landwirtschaft“ bezieht, kann auch der entstandene Katalog von Missionen, Zielen und Maßnahmen unter den Stichworten „wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit“ subsummiert werden. Selbstverständlich stellt aber die ökologisch nachhaltige landwirtschaftliche Praxis einen ebenso entscheidenden Bereich dar: „Wir können nur wirtschaftlich Wirtschaften, wenn wir mit der Umwelt arbeiten – je weiter wir uns von der Natur entfernen und je mehr wir dagegen arbeiten, desto teurer wird's für uns“ (4. Fokusgruppe). Aspekte wie Klimawandel-Anpassung, Biodiversitätserhalt, Boden- und Wasserschutz sowie CO2-Bindung werden auch in anderen Zukunftsstrategien als wesentliche zu fokussierende Herausforderungen für die Zukunft der Landwirtschaft angesehen (DLG, 2017; LK NÖ, 2019; LK Wien, 2019; Lutz et al., 2019; Meyer und Markytan, 2022; ZKL, 2021).

Auffallend oft gefordert wurde von Teilnehmenden die finanzielle Gegenleistung für ökologische und kulturelle Dienstleistungen. Eine Möglichkeit hierfür besteht einerseits in der nachstehend diskutierten Steigerung der Zahlungsbereitschaft von Konsument:innen (Kibala, 2022; ZKL, 2021), andererseits werden politische Weichenstellungen wie nachhaltigkeits-basierte (anstatt flächengebundene) Fördermaßnahmen als wichtigste Option zur Vergütung immaterieller Leistungen genannt (DLG, 2017; ZKL, 2021). Dies würde dem von der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL, 2021) artikulierten Grundsatz entsprechen, dass öffentliche Leistungen mit öffentlichen Geldern zu finanzieren seien. Die kulturellen und ökologischen Leistungen sind darüber hinaus maßgeblich für den Tourismuswert (DLG, 2017; Kibala, 2022; Lutz et al., 2019; Tappeiner et al., 2012; ZKL, 2021), der durch enge Wechselwirkung mit anderen Wirtschaftszweigen in der gesamtwirtschaftlichen Bilanz einer Region widergespiegelt ist.

Wenig unerwartet ist der von den Teilnehmenden artikulierte Wunsch an Konsument:innen, die gesamten Leistungen der Land- und Forstwirtschaft (materielle und immaterielle handelbare und nicht handelbare) anzuerkennen und diese durch vermehrten Kauf heimischer und „regionaler“ Produkte sowie höherer Zahlungsbereitschaft wertzuschätzen (Damyanovic et al., 2017; ZKL, 2021). Ideen zur Umsetzung reichen von der Sichtbarmachung dieser Mehrwerte durch Regionalmarken (Damyanovic et al., 2017; LK NÖ, 2019; LK Wien, 2019; Tappeiner et al., 2012), über den Ausbau bekannter Gütesiegel bzw. Kennzeichnungen (Lutz et al., 2019), bis hin zur Verankerung der Thematiken „Landwirtschaft“ und „Ernährung“ im allgemeinen Bildungswesen als unterstützende Maßnahme (Kibala, 2022; LK NÖ, 2019; Lutz et al., 2019).

Die Forderung nach qualitativer Aus- und Weiterbildung sowie Beratungs- und Unterstützungsangeboten wird auch in den Strategien anderer Bundesländer (Damyanovic et al., 2017; LK NÖ, 2019; Lutz et al., 2019; Tappeiner et al., 2012) und Institutionen (DLG, 2017; Kibala, 2022; ZKL, 2021) erhoben; wobei im Sinne einer Qualitätssicherung auch Compliance-Regeln und Fortbildungsverpflichtungen für Land- und Forstwirt:innen angedacht werden (DLG, 2017). Hinsichtlich der fortschreitenden Digitalisierung, die neben der brancheninternen Vernetzung auch der Kommunikation mit Konsument:innen und der Optimierung der Arbeitsabläufe dienen könnte, wird in mehreren Publikationen (DLG, 2017; LK Wien, 2019; ZKL, 2021) die Verwaltung adressiert, für die notwendige Infrastruktur Sorge zu tragen (Stichwort: Breitbandausbau).

Aus den vorliegenden Ergebnissen sticht die Nennung der Medien als einer der relevanten Partner:innen für das Umsetzen der Zukunftsvision aus Perspektive der Landwirt:innen besonders hervor. Die genannte Maßnahme, Transparenz, Objektivität und den Detailgrad in der Darstellung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu erhöhen, wird auch von Miller et al. (2020), Lutz et al. (2019), Meyer und Markytan (2022) und der ZKL (2021) als förderlich beschrieben. Der auch hier thematisierte Trend zur eigenständigen, proaktiven medialen Kommunikation durch Land- und Forstwirt:innen wird von mehreren Seiten begrüßt (DLG, 2017; LK Wien, 2019), da dadurch eine nahbare und glaubwürdige Darstellung der landwirtschaftlichen Leistungen erwartet wird. Da dies aber von den Akteur:innen erfordert, Ressourcen in den Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen zu investieren, sehen die Teilnehmenden des Prozesses, wie auch die DLG (2017) und Kibala (2022), zusätzlich die Notwendigkeit einer Bündelung fachrelevanter Informationen durch medienkompetente Interessensvertreter:innen, an der Schnittstelle zu Medienvertreter:innen.

Im Unterschied zu anderen Publikationen (siehe Kibala, 2022; Meyer und Markytan, 2022) wurde im Strategieprozess auf problematische Ernährungsgewohnheiten, insbesondere hinsichtlich der Ziele des European Green Deal (Europäische Kommission, 2021), oder auf die Vermeidung von Lebensmittelverlusten, wenig eingegangen. Vermutet werden kann, dass diese Themen, ähnlich wie auch andere produktionsspezifische Problemstellungen (z. B.: höhere Anforderungen im Bereich des Tierwohls oder die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln) von Landwirt:innen eher als Hürden oder Herausforderungen, denn als Bestandteile einer attraktiven Zukunftsvision wahrgenommen werden. Darauf weisen Wortmeldungen aus den Fokusgruppen hin, wie „Eine Sorge die mich immer mehr belastet ist die Entbürokratisierung, die uns seit 10 Jahren vorgegaukelt wird, und wo das genaue Gegenteil der Fall ist“ (8. Fokusgruppe) oder „Wir brauchen Richtlinien, die uns erlauben praxistauglich zu wirtschaften“ (3. Fokusgruppe). Daher wurde auf diese Aspekte in der vorliegenden Publikation nicht weiter eingegangen. Sie beeinflussen jedoch maßgeblich die Produktionsentscheidungen der Betriebe sowie die Realisierbarkeit heimischer Selbstversorgung.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend können die eingangs gestellten Forschungsfragen wie folgt beantwortet werden. (1) Landwirt:innen sehen sich selbst als Gestalter:innen der „Zukunft Landwirtschaft 2030“. Das erstrebte positive Selbstverständnis der Land- und Forstwirt:innen umfasst fortlaufende Persönlichkeitsbildung, aktives anstatt reaktives Unternehmertum, kritisch-flexible Reflexionsfähigkeit und eine gesunde Work-Life-Balance. Im Kontext der Wertschöpfungskette „Lebensmittel“ sind vertrauensvolle und starke Partnerschaften das determinierende Charakteristikum der von den Teilnehmenden entworfenen „Zukunft Landwirtschaft 2030“, was durch die Anerkennung kooperierender Akteur:innen als „Partner:innen“ auf Augenhöhe gelingen kann. (2) Aus Sicht der teilnehmenden Landwirt:innen sind für die Gestaltung der „Zukunft Landwirtschaft 2030“ vordergründig die vier Partner:innen Land- und Forstwirtschaft, Medien, Politik, und Konsument:innen von Relevanz. Die Diskussion greift auf, dass auch Synergien mit der Lebensmittelverarbeitung, den Handelsbetrieben und der Gastronomie entscheidend sind. (3) Die genannten Partner:innen können aus Sicht der Teilnehmenden durch Verfolgung der erarbeiteten Missionen, durch Ausrichtung auf die gelisteten Ziele und durch Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zur „Zukunft Landwirtschaft 2030“ beitragen. Die Missionen spiegeln dabei einerseits die selbstkritische und proaktive Haltung der teilnehmenden Land- und Forstwirt:innen wider, verweisen aber zugleich auf die Notwendigkeit, nicht länger im Status quo zu verweilen, sowie auf den Wunsch nach kooperativer Zusammenarbeit aller Partner:innen entlang der Wertschöpfungskette „Lebensmittel“.

Die Ergebnisse des Strategieprozesses reihen sich weitgehend in die Sammlung anderweitiger Publikationen ein, in denen ebenfalls Zukunftsvisionen und -strategien für die Landwirtschaft formuliert werden. Außerordentlich ist in der vorliegenden Arbeit einerseits die Hervorhebung von Potenzialen für die Kooperation mit Medienvertreter:innen, andererseits die Betrachtung der Unternehmerpersönlichkeiten hinsichtlich individueller Charakteristika, die von Land- und Forstwirt:innen als förderlich für eine positive Entwicklung gesehen werden. Die aufgeworfenen Fragen, inwiefern die genannten Partner:innen bereit und in der Lage sind, die Vision der Land- und Forstwirt:innen für die „Zukunft Landwirtschaft 2030“ mitzutragen, und ob die vorgestellten Ergebnisse auch für andere regionale Kontexte anwendbar sind, repräsentieren umfassende Felder für nachfolgende Forschungsaktivitäten.

eISSN:
2719-5430
Język:
Angielski
Częstotliwość wydawania:
4 razy w roku
Dziedziny czasopisma:
Life Sciences, Ecology, other