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Interprofessional collaboration – a health science term from the perspective of linguistics / Interprofessionalität – ein gesundheitswissenschaftlicher Begriff aus dem Blickwinkel der Linguistik

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EINLEITUNG

Die Begriffe «Interprofessionalität» oder «interprofessionelle Zusammenarbeit» (IpZ) haben in den letzten Jahren in der Gesundheitsversorgung im deutschsprachigen Raum Einzug gefunden. Bildungsstätten richten interprofessionelle Ausbildungsstationen oder andere Lehrangebote ein (ZIPAS, 2020; Universitätsmedizin Mannheim, 2020; CiS, 2020; JMM-HSG/UZH), die Schweizer Bundesregierung fördert Programme wie «Interprofessionalität im Gesundheitswesen» (Bundesamt für Gesundheit, 2020). Was in skandinavischen Ländern oder den USA unter Bezeichnungen wie interprofessional collaboration schon gang und gäbe ist (siehe beispielsweise Mitzkat et al., 2016), gewinnt im deutschsprachigen Raum an Bedeutung. Viele Hoffnungen werden an das Thema «Interprofessionalität» geknüpft. Eine genaue Definition des Begriffs – in diesem Text wird Begriff in seiner alltagssprachlichen Bedeutung verwendet – fehlt jedoch, wie in einigen gesundheitswissenschaftlichen Arbeiten bereits festgehalten wurde. So diagnostizieren Atzeni et al. (2017) in einer Studie im Auftrag der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), dass es sich bei «Interprofessionalität» um einen «geradezu notorisch schwammigen Begriff handelt» (Atzeni, Schmitz, & Berchtold, 2017, S. 17), dessen genaue Definition in der Forschungsliteratur gerne umgangen oder oftmals nur als Abgrenzung zu Begriffen wie «Interdisziplinarität» oder «Multiprofessionalität» vorgenommen wird (wie z.B. bei Alexander & Charles, 2014). Mahler et al. (2014) haben die Verwendung der verschiedenen Begriffe in den deutschsprachigen medizinischen Fachzeitschriften untersucht und vor allem die uneinheitliche Verwendung der Begriffe Profession und Disziplin herausgearbeitet. Auch Sottas und Kissmann stellen fest, dass Interprofessionalität im Gesundheitsbereich ungleich definiert wird und «unterschiedlichen Inhalten und Zielen gerecht werden muss» (Sottas & Kissmann, 2016, S. 7). Sottas, Kissmann und Brügger grenzen Interprofessionalität von Multiprofessionalität ab, bei der «Wissen und unterschiedliche Kompetenzen [lediglich addiert werden]» (Sottas, Kissmann & Brügger, 2016, S. 8). Interprofessionalität hingegen zeichne sich durch ein effizientes Miteinander aus, bei dem Kernkompetenzen dynamisch eingebracht werden. Eine klare Unterscheidung der verschiedenen Konzepte werde in der Literatur jedoch nicht durchgängig gemacht (Sottas, Kissmann & Brügger, 2016). Bereits 2013 grenzte Sottas die verschiedenen Formen des beruflichen Zusammenarbeitens voneinander ab. Er unterschied dabei die interdisziplinäre, multiprofessionelle bzw. multidisziplinäre und transprofessionelle klar von der IpZ. Diese bezeichnet er als «Schlüsselkonzept für das Gesundheitssystem»: «Die Beteiligten haben unterschiedliche berufliche Hintergründe und Qualifizierungswege, sind aber gefordert, gemeinsam mit einer (dynamischen) Situation umzugehen, die eigene und die anderen Sichtweisen zu berücksichtigen, voneinander zu lernen und gemeinsam praktikable Lösungen zu erarbeiten. Interaktion ist zwingend» (Sottas, 2013). Ebenso bemerken Haddara & Lingard (2013) in einer Studie zur IpZ Folgendes: «Although IPC's status is not in question, its definition and characteristics are the subject of ongoing debate» (Haddara & Lingard, 2013, S. 1509). Die Konsequenz dieser Unschärfe zeigt sich in der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs. So resümieren Haddara & Lingard:

«The fundamental insight from our analysis is that, over the last 50 years, the term ‘interprofessional collaboration’ has not signified the same thing to all who use and apply the term»

(Haddara & Lingard, 2013, S. 1511).

Soll jedoch die IpZ im Gesundheitsbereich den erhofften positiven Effekt auf die Gesundheit der Bevölkerung und das Patientenwohl haben (siehe Ulrich et al., 2020, Sottas & Kissmann, 2016) und sollen künftige Gesundheitsfachleute fundiert ausgebildet werden, müssen sich alle beteiligten Parteien bewusst sein, dass unterschiedliche Auffassungen von Interprofessionalität bestehen. Sottas und Kissmann betonen ausserdem:

«Die Unschärfen betreffend Gegenstand, Setting, Ziel, Interessenlage und Verwendungszweck müssen bei den Studien zu Interprofessionalität mitbedacht und gewürdigt werden»

(Sottas & Kissmann, 2016, S. 8).

Freilich ist nicht nur die Begriffsdefinition unscharf, sondern ebenso die Verwendung des Begriffs, dessen Deutung und Wertung: Die Varianz der Bandbreite an Bedeutungsfacetten und der pragmatische Wert der Bedeutung erscheinen noch pointierter, wenn Texte verschiedener Berufs- und Rezipient/-innengruppen verglichen werden.

Einige gesundheitswissenschaftliche Publikationen fokussieren auf eine Auseinandersetzung mit den Facetten des Begriffs in einem globalen Kontext. Danielle D'Amour et al. versuchten schon 2005 die unterschiedlichen Definitionen und die prägenden Konzepte der IpZ im Gesundheitswesen zu fassen. Mittels eines Literaturreviews von achtzig Arbeiten im Bereich Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich konnten verschiedene grundlegende Konzepte extrapoliert werden, die wiederholt auftauchen, wenn thematisch «Zusammenarbeit» definiert wird: «sharing, partnership, interdependency and power» (D'Amour, Ferrada-Videla, San Martin Rodriguez, & Beaulieu, 2005, S. 118). Bei sharing geht es beispielsweise um geteilte Verantwortung, die geteilte Philosophie der Gesundheitsversorgung oder geteilte Daten. Mit partnership wird darauf verwiesen, dass zwei oder mehr Akteur/-innen an der Zusammenarbeit beteiligt sind, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Die Beziehung ist kollegial, authentisch und konstruktiv, was eine «offene», «ehrliche» Kommunikation sowie Vertrauen und gegenseitigen Respekt voraussetzt. Dabei bleibt dahingestellt, was unter «offen» und «ehrlich» zu verstehen ist. Zusammenarbeit resultiert in gegenseitiger Abhängigkeit (interdependency), in der Synergien genutzt werden, die sich in der Summe der Ergebnisse zeigt, die größer als diejenige der einzelnen Teile ist. Die power soll dabei von allen Beteiligten geteilt werden, was eher Wissen und Erfahrung als Funktionen und Titel stärkt. Diese Vorstellungen und Konzepte von Zusammenarbeit sind idealisiert. Auch D'Amour et al. (2005) fassen zusammen, «that it is unrealistic to think that simply bringing professionals together in teams will lead to collaboration» (D'Amour et al., 2005, S. 126). Zusammenarbeit in Teams wird so eher als langfristiger, sich kontinuierlich entwickelnder Prozess, der zusätzliche Inputs braucht, gesehen, er kann «on a continuum of professional autonomy» (D'Amour et al., 2005, S. 120) eingeordnet werden. Am damaligen herrschenden Verständnis von IpZ kritisieren D'Amour et al. (2005) den fehlenden Einbezug der Patienten- und Patientinnenperspektive, die in keiner der untersuchten Arbeiten auftauchte, «despite the fact that clients are recognized as the ultimate justification for collaborative care» (D'Amour et al., 2005, S. 126). Fox & Reeves (2015) haben in einem Aufsatz zudem darauf hingewiesen, dass sich die Diskurse um Interprofessionalität und Patientenzentrierung ergänzen, da beide Fragen an die klassischen Hierarchien in der Gesundheitsversorgung aufwerfen:

«Specifically, we argue that interprofessional and professional-patient hierarchies raise a number of key questions about the nature of professions, their relationships with one another as well as their relationship with patients»

(Fox & Reeves, 2015, S. 113).

Der unerlässliche Einbezug der Patient/-innen ist bei neueren Definitionen IpZ angekommen. Das zeigt beispielsweise der folgende Abschnitt aus der Charta «Interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen» aus dem Jahr 2020:

«In einer modernen Gesundheitsversorgung sind die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen partnerschaftlich in die Planung und Umsetzung der Gesundheitsversorgung eingebunden, sofern sie dies möchten und dazu in der Lage sind. Dies bedeutet, dass die edukativen, beratenden, präventiven, diagnostischen, therapeutischen, pflegerischen, rehabilitativen und palliativen Leistungen nicht nur unter den beteiligten Berufsleuten abzustimmen sind, sondern wenn immer möglich auch mit dem Patienten/der Patientin und dem nahen Umfeld bzw. den Vertretungsberechtigten.»

(Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), 2020, S. 5).

Haddara & Lingard (2013) näherten sich dem Begriff «Interprofessionalität» bzw. interprofessional collaboration (IPC) mithilfe der kritischen Diskursanalyse nach Foucault (Foucault, 1976; Foucault & Howard, 2009; Foucault & Hurley, 1988; Foucault & Lawrence D. Kritzman, 1990). Unter der treffenden Titelfrage «Are We All on the Same Page?» arbeiten die beiden heraus, ob IpZ einheitlich definiert wird und falls nicht, welche Auswirkungen diese Uneinheitlichkeit auf die Ausbildung von Gesundheitspersonal hat. Dazu analysierten sie 188 von 1965 bis 2011 veröffentlichte, peer-reviewed Texte aus den USA, Kanada und Grossbritannien, welche die IpZ zwischen Arzt oder Ärztin und Pflegefachperson zum Thema haben. Aus dieser Analyse resultierten zwei Hauptdiskurse: ein utilitaristischer und ein emanzipatorischer (Haddara & Lingard, 2013). Im utilitaristischen Diskurs wird IpZ als essenziell ausgewiesen, weil sie sich positiv auf eine effizientere Pflege und die damit erreichten patient outcomes auswirkt. Die Wirkung von IpZ muss jedoch empirisch nachweisbar sein, um diesem Anspruch zu genügen (Haddara & Lingard, 2013). Der emanzipatorische Diskurs hingegen konzentriert sich auf die abschwächende Wirkung der IpZ auf die Dominanz der Ärzteschaft und des Denkens in einem medizinischen Paradigma gegenüber anderen Gesundheitsfachberufen (Haddara & Lingard, 2013). Man ist also keineswegs «on the same page», wenn über IpZ gesprochen wird. Die dabei verwendete Sprache und die Absichten und Ziele, die dahinterstehen, können sich unterscheiden, wenn nicht sogar in Konflikt zueinander stehen (Haddara & Lingard, 2013). Neben der Herausarbeitung dieser beiden Diskurse betonen Haddara & Lingard den grossen Einfluss, den Begriffsdefinitionen auf die Ausbildung von Gesundheitsfachpersonal haben: «when multiple discourses are in play, those using them need to attend to their intersection and their impact on the educational practices that emerge» (Haddara & Lingard, 2013, S. 1514). Insofern schließt sich hier der Kreis in derselben Art und Weise, wie bei den Professionals.

Die beiden Strömungen, die Haddara & Lingard mit ihrer diskursanalytischen Untersuchung für den anglo-amerikanischen Raum aufgedeckt haben, stimmen mit den Beobachtungen, die Atzeni et al. (2017) im Schweizer Gesundheitssystem machten, überein. Ergänzend definieren Atzeni et al. die IpZ zudem als politischen, als Kampfbegriff: «[ ] der Begriff dient auch als Instrument, Interessen zu formulieren, eigene Positionen gegenüber anderen zu definieren und Handlungsbedarf anzumahnen» (Atzeni et al., 2017, S. 18). Sie sehen in der Unbestimmtheit des Begriffs IpZ, neben allen Nachteilen, die sie mit sich bringt, auch eine Chance, verschiedenste Ansprüche an das Gesundheitswesen zusammenzufassen bzw. unterschiedliche Logiken oder Kulturen der Gesundheitsversorgung produktiv aufeinander zu beziehen (Atzeni et al., 2017). Atzeni et al. wagten in ihrer Studie einen alternativen Weg zur Definition und versuchten «zu rekonstruieren [ ], was die Praxis selbst unter IpZ versteht» (Atzeni et al., 2017, S. 17). Dazu führten sie 25 qualitative Interviews mit Gesundheitsexpert/-innen, wobei der Fokus auf «die subjektiven Narrative gelungener bzw. misslungener IpZ von verschiedenen Gesundheitsfachleuten in unterschiedlichen Settings» (Atzeni et al., 2017, S. 21) gesetzt wurde. Als Resultat dieser narrativen Interviews präsentierten Atzeni et al. drei Formen gelingender IpZ: «koordinative, [ ] kokreative sowie projekthafte Verdichtungen» (Atzeni et al., 2017, S. 24). Die koordinative Zusammenarbeit wird als «Formen des Ineinandergreifens relativ klar definierter, meist institutionell verstetigter Handlungsmuster und antrainierter Kompetenzen» (Atzeni et al., 2017, S. 24) bezeichnet.

Zu koordinativer Zusammenarbeit kommt es meist in kritischen, stressigen Momenten, in denen es schnell gehen muss, wobei die Handlungslogiken der Medizin dominieren. Als Beispiele werden die Reanimation oder operative Eingriffe genannt. Kokreative Zusammenarbeit geschieht hingegen meist ohne direkten Zeitdruck. Es sind «Formen von Arbeitsteilung» (Atzeni et al., 2017, S. 24), die nicht auf einer einzigen Handlungslogik beruhen, sondern «verteilte Formen von Deutungshoheit» (Atzeni et al., 2017, S. 24) und einen großen Anteil an Patient/-innen-Individualität aufweisen. So können beispielsweise Patient/-innen am Lebensende sehr persönlich betreut werden. Zwischen diesen beiden Enden der Skala liegen die projekthaften Verdichtungen, die «als temporär fungierende oder anspruchsvoll organisierte Insel bzw. Projekt verdichteter Zusammenarbeit» (Atzeni et al., 2017, S. 24) beschrieben werden. Sie entstehen aufgrund von «Abstimmungsund Koordinierungsbedürfnisse[n] der involvierten Professionellen angesichts sich wiederholender medizinischer bzw. gesundheitsversorgerischer Problemlagen» (Atzeni et al., 2017, S. 24).

Linguistische Arbeiten, die sich mit einer Begriffsdefinition von «Interprofessionalität» auseinandersetzen, sind – vor allem im deutschsprachigen Raum – (noch) nicht vorhanden. Die Literatur aus dem Gesundheitsbereich zum Thema «Interprofessionalität» konzentriert sich vorwiegend auf positive und negative Auswirkungen IpZ mit best practice-Vorschlägen, wie bei der Studie von Atzeni et al., die ihren «Fokus auf die gelingende Zusammenarbeit» setzten (Atzeni et al., 2017, S. 15). Vergleichbar im Vorgehen sind Hinweise auf tendenziell isolierte Faktoren, welche die IpZ unterstützen bzw. erschweren oder es wird anhand von Beispielen aus der Praxis aufgezeigt, wie interprofessionelle Arbeit im Gesundheitswesen funktioniert und gelehrt wird (z. B. Mahnke & Müller-Schilling, 2020; von Schnurbein et al., 2020; Gysin et al., 2020; Schmitz et al., 2020; Dubb et al., 2019; Hirsmüller & Schröer, 2019; Schärli et al., 2017, Sottas et al., 2016). Diese Lücke einer Begriffsdefinition will die vorliegende Analyse füllen.

FRAGESTELLUNG

Unser erstes Untersuchungsziel ist es, die Verwendung der Begriffe «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» in Texten empirisch zu fassen und zu belegen.

Dabei stützen wir uns auf Daten aus zwei linguistischen Korpora: Erstens auf das deutsche Referenzkorpus (DeReKo) und zweitens auf das mehrsprachige Schweizer Webkorpus der Angewandten Linguistik der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) (Swiss-AL). Wir gehen in diesen Sammlungen sprachlicher Äusserungen, insbesondere von Texten, auf die Erstnennung, die Häufigkeit der Begriffe sowie auf ihre Quellen ein. Diese quantitative Herangehensweise bearbeitet die folgende Forschungsfrage:

Wann, in welcher Quelle und in welchem Zusammenhang tauchen die Begriffe «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» im Deutschen Referenzkorpus sowie im Swiss-AL-Korpus auf und wie hat sich die Häufigkeit der Begriffe über die Jahre hinweg entwickelt?

In einem zweiten Arbeitsschritt fokussieren wir auf die Verwendung der Begriffe in den Texten der beiden Korpora und bearbeiten damit folgende Forschungsfrage:

Welche anderen Begriffe werden in den Texten der jeweiligen Korpora im näheren Umfeld der analysierten Begriffe verwendet und in welchen inhaltlichen Kontexten tauchen die analysierten Begriffe auf?

METHODEN

Die linguistische Methode der Korpuslinguistik stützt sich auf sogenannte Korpora, die aus einer endlichen, meist umfangreichen Menge an konkreten sprachlichen Äusserungen bestehen und als empirische Grundlage für sprachwissenschaftliche Untersuchungen dienen (Bussmann, 2008). Die sprachlichen Äusserungen, die im Korpus enthalten sind, liegen in unserem Fall in schriftlicher Form vor. Bei der Erstellung eines Korpus werden die Texte in eine einheitliche Struktur gebracht und mit Metadaten (z. B. Datum, Angaben zum Autor oder zur Autorin, Thema etc.) versehen. Für eine linguistische Untersuchung wird ein Korpus üblicherweise annotiert, d. h. mit (linguistischen) Informationen angereichert. Bei einer Annotation werden kleineren Einheiten zum Beispiel grammatische Kategorien wie Wortarten zugeteilt (Tagging). Annotierte Texte erlauben es, nicht nur einzelne Wörter zu ermitteln, sondern sie ermöglichen, das Korpus nach annotierten Metainformationen, die mit einer formalisierten Abfragesprache versehen sind, zu durchforsten. Auf diese Weise kann zudem nach bestimmten syntaktischen Konstruktionen wie einer Nominalphrase oder nach Adjektiven, die häufig mit einem bestimmten Begriff vorkommen, gesucht werden (siehe Bubenhofer, 2020).

Für die vorliegende Analyse kommen zwei Korpora zur Anwendung: Das erste Korpus wird über COSMAS II abgerufen, «[e]ine am IDS [= Leibniz-Institut für deutsche Sprache] konzipierte Volltextdatenbank für das linguistisch motivierte Recherchieren in den Textsammlungen […] des IDS» (Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, 2018). Grundlage der Suche ist das deutsche Referenzkorpus (DeReKo), das «Zeitungen, Sach-, Fach- sowie schöngeistige Literatur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz von 1772 bis heute» (Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, 2018) umfasst. Das DeReKo ist somit «die weltweit größte linguistisch motivierte Sammlung elektronischer Korpora mit geschriebenen deutschsprachigen Texten aus der Gegenwart und der neueren Vergangenheit» (Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, 2018). Für die vorliegende Analyse wird das Hauptarchiv Archiv der geschriebenen Sprache verwendet, das rund 49,6 Milliarden Wörter in über 40 Millionen Texten umfasst (Stand 24. November 2020). Es sind Texte vom 18. Jahrhundert bis heute mit einer großen Bandbreite an Textsorten (Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, 2018).

Das zweite Korpus ist das Swiss Applied Linguistic Corpus (Swiss-AL-Korpus), das vom Forschungs- und Arbeitsbereich Digital Linguistics der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) betreut wird und über das Tool CQPweb abgerufen werden kann (Krasselt et al., 2020, ZHAW, 2020a). «Das Korpus besteht aus mehr als 1,5 Mrd. Token von Webseiten mit .ch-Domain in Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und ist damit eines der grössten mehrsprachigen Korpora der Schweiz» (ZHAW, 2020). Die Webseiten, die als Datengrundlage dienen, werden manuell in die folgenden Bereiche eingeteilt: Politik, Industrie, Wissenschaft, Massenmedien oder Soziale Medien (Krasselt et al., 2020). Untersucht wurde das deutschsprachige Korpus, dessen Daten bis Juni 2019 vorliegen. Eine Suche im französischsprachigen Korpus ergab zu wenige Treffer, um aussagekräftige oder ergänzende Resultate zu liefern. Für die quantitative Analyse wurde mit den Korpusanalyse-Tools COSMAS II und CQPweb in beiden Korpora nach den Begriffen «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» sowie deren flektierten Formen (z. B. interprofessionellen, interprofessioneller Zusammenarbeit etc.) gesucht. Diese Suche lieferte Informationen zur Häufigkeit, zur Verwendung über die Jahre hinweg und zu den Quellen der Begriffe. In beiden Korpora wurde zudem zur Bestimmung der Begriffsumgebung mittels COSMAS II und CQPweb eine Kollokationsanalyse (auch Kookkurrenzanalyse genannt) durchgeführt. Das heißt, die am häufigsten zusammen mit dem Suchwort auftauchenden Begriffe innerhalb eines Wortabstands von fünf Wörtern vor und nach dem Suchbegriff wurden ermittelt und nach Wortarten unterteilt. In COSMAS II wurden Treffer, die eindeutig nicht dem gesuchten Themenbereich Gesundheit entsprachen (z. B. zu interprofessionellen Gewerkschaften und das interprofessionelle Komitee zum Weinbau), manuell aussortiert. Bei hohen Trefferzahlen wurde die Auswahl zudem auf die ersten 20 Treffer eingeschränkt, da dies die Begriffe sind, die am häufigsten zusammen mit den Suchbegriffen genannt werden. In CQPweb wurden Konjunktionen, Artikel und Präpositionen manuell aussortiert und bei hohen Trefferzahlen ebenfalls die ersten 20 häufigsten Treffer ausgewählt.

Der Fokus auf die Verwendung der Begriffe beinhaltet die Frage nach ihrem Kontext. Diese Kontexte wurden mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Anhand einer Analyse der Textausschnitte, in denen die Treffer vorkamen, wurden sowohl für die Ergebnisse im Swiss-AL-Korpus als auch im DeReKo Kategorien definiert, in die sich die Treffer gruppiert einordnen lassen. Dazu wurden in einem ersten Schritt Textausschnitte aller drei Suchbegriffe zufällig ausgewählt, aufgrund derer die Kategorien induktiv gebildet wurden. Anschließend wurde anhand der übrigen Texte deduktiv geprüft, ob die gebildeten Kategorien ergänzt oder präzisiert werden müssen.

ERGEBNISSE
Erstnennung und Häufigkeit

Eine einfache Suche nach dem Begriff «Interprofessionalität» ergab über COSMAS II zwischen 1998 und 2019 29 Treffer. Der allererste Treffer stammt aus dem Jahr 1998 und taucht im Zusammenhang mit Verbunden zwischen Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern auf. Der erste Treffer, der sich auf Gesundheit bezieht, stammt aus einem Artikel der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) aus dem Jahr 2005 und dreht sich um ein neues Ausbildungsprogramm in Zürich, in dem Pflegende sowie Ärzte und Ärztinnen gemeinsam unterrichtet werden (Neue Zürcher Zeitung, 2005). Eine einfache Suche nach dem Adjektiv «interprofessionell» und seinen verschiedenen Formen lieferte zwischen 1964 und 2019 473 Treffer. Der erste dieser Treffer, der sich auf den Gesundheitsbereich bezieht, stammt aus dem Jahr 1981. In einem Artikel von Die Zeit wird von mangelnder interprofessioneller Kooperation zwischen verschiedenen Berufsgruppen gesprochen (Kahlke, 1981). Die Suche nach «interprofessionelle Zusammenarbeit» ergab von 1998 bis 2019 50 Treffer, wobei der erste, der sich auf den Gesundheitsbereich bezieht, aus dem Jahr 2005 stammt und von einer regionalen Tagung von Chirurgen in Koblenz berichtet (Rhein Zeitung, 2005).

Eine Übersicht über die Quellen, in denen die drei Begriffe auftauchen, zeigt, dass diese vor allem in Schweizer Zeitungen (z. B. NZZ, St. Galler Tagblatt, Tages-Anzeiger) genannt werden (siehe Tabelle 13). Im DeReKo fehlt jedoch das Gebiet der Wissenschafts- und Fachliteratur, weshalb ein Großteil der Nennungen in medizinischen Publikationen nicht abgebildet wird.

Quellen und Anzahl Nennungen von «Interprofessionalität».

Interprofessionalität
Quelle Anzahl Nennungen
Neue Zürcher Zeitung 12
St. Galler Tagblatt 7
Tages-Anzeiger 3
Süddeutsche Zeitung 2
Sonntags-Zeitung 2
Nürnberger Nachrichten 1
NZZ am Sonntag 1
Rhein-Zeitung 1
29

Quelle: COSMAS II, eigene Darstellung

Quelle und Anzahl Nennungen «interprofessionell».

interprofessionell
Quelle Anzahl Nennungen
Neue Zürcher Zeitung 100
St. Galler Tagblatt 79
Niederösterreichische Nachrichten 53
Tages-Anzeiger 40
Wikipedia 29
Rhein-Zeitung 27
Die Südostschweiz 23
Süddeutsche Zeitung 16
Sonntags-Zeitung 13
Die Presse 10
die tageszeitung 10
Diverse Nennungen < 10 73
473

Quelle: COSMAS II, eigene Darstellung

Quelle und Anzahl Nennungen «interprofessionelle Zusammenarbeit».

Interprofessionelle Zusammenarbeit
Quelle Anzahl Nennungen
St. Galler Tagblatt 20
Neue Zürcher Zeitung 11
Rhein-Zeitung 5
Die Südostschweiz 4
Tages-Anzeiger 4
NZZ am Sonntag 2
Diverse Einzelnennungen 4
50

Quelle: COSMAS II, eigene Darstellung

Die einfache Suche nach «Interprofessionalität» ergab über das CQPweb im Swiss-AL-Korpus in den Jahren 2002–2019 286 Treffer. Die Suchanfrage zu «interprofessionell» und seinen verschiedenen Formen ergab 1291 Treffer. «Interprofessionelle Zusammenarbeit» lieferte 239 Treffer.

Dass bei den häufigsten Nennungen vor allem süddeutsche und Schweizer Zeitungen genannt sind, lässt vermuten, dass die Verwendungen von «Interprofessionalität»/«i nterprofessionell» regionalen Präferenzen unterliegen. Selbstredend finden sich auch Belege in norddeutschen Zeitungen, wie z. B. in der Berliner Morgenpost, Hannoversche Allgemeine oder Hamburger Morgenpost. Eine Auflistung der Quellen, in denen die drei Begriffe im Swiss-AL-Korpus auftauchten, zeigt, dass die meisten Nennungen der Begriffe «Interprofessionalität» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» aus Admin. ch, also dem Online-Portal der Schweizer Regierung stammen (siehe Tabellen 1 und 3). Zweithäufigste Quelle ist die FMH, der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, von dessen Webseite ebenso die meisten Nennungen für «interprofessionell» stammen (siehe Tabelle 2). Vergleichbar viele Nennungen weisen die Universitätsspitäler Zürich und Basel auf. Die Perspektive der Patientinnen und Patienten ist durch Quellen wie die Schweizerische Patientenorganisation oder die Stiftung Patientensicherheit Schweiz vertreten. Der Ausbildungsaspekt der Begriffe kommt in Quellen der Hochschulen zutage (Hochschule für Gesundheit Fribourg, Fachhochschule Westschweiz etc.). Grundsätzlich fällt auf, dass ein Großteil der Nennungen von Webseiten stammt, die sich in erster Linie an ein medizinisch orientiertes Publikum richten (FMH, Schweizerische Ärztezeitung, Universitätsspitäler). Webseiten, welche die breite Bevölkerung erreichen (z. B. SRF, Der Bund, Blick.ch), verfügen nur über wenige Nennungen.

Das Tool CQPweb ermöglicht zudem eine Darstellung der Häufigkeit der Suchbegriffe über die Zeit hinweg. Die Analyse der Verteilung des Begriffs «Interprofessionalität» zeigt einen ersten leichten Anstieg der Begriffsnennungen ab 2011 sowie einen starken Anstieg der Verwendung ab 2014 bis 2017. In den Daten des DeReKo ist über COSMAS II ein Anstieg erst von 2016 (2 Nennungen) zu 2017 (11) nachzuweisen. Interessant sind die leichten Rückgänge an Nennungen beim Begriff «Interprofessionalität» von 2017 (77 Nennungen im Swiss-AL- bzw. 11 im DeReKo) nach 2018 (68 bzw. 2) (siehe Abb. 1, Anmerkung: Die Daten für 2019 liegen erst bis Juni vor, weshalb sie in der Abbildung nicht berücksichtigt wurden).

Abbildung 1

Verteilung «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» über die Jahre hinweg im Swiss-AL-Korpus.

Abbildung 2

Verteilung «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» über die Jahre hinweg im DeReKo.

Ein solcher Rückgang ist bei den Begriffen «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» nicht zu beobachten. Bei beiden Begriffen ist eine anfänglich leichte Zunahme 2009 von 12 auf 44 (bei «interprofessionell») bzw. 2010 von 2 auf 10 (bei «interprofessionelle Zusammenarbeit») zu beobachten. Im Jahr 2014 steigt die Anzahl Nennungen bei beiden Begriffen kontinuierlich an.

Quellen und Anzahl Nennungen von «Interprofessionalität».

Interprofessionalität
Quelle Anzahl Nennungen
Admin.ch 116
FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte 73
Schweizerische Ärztezeitung 16
Schweizerische Patientenorganisation 16
Diverse Nennungen < 10 65
286

Quelle: Swiss-AL, eigene Darstellung

Quellen und Anzahl Nennungen von «interprofessionell».

interprofessionell
Quelle Anzahl Nennungen
FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte 344
Admin.ch 261
Patientensicherheit Schweiz 118
Unispital Basel 108
Universitätsspital Zürich 106
H+ Die Spitäler der Schweiz 45
Hochschule für Gesundheit Freiburg 43
Luzerner Kantonsspital 37
Smarter Med 23
Schweizerische Patientenorganisation 16
Fachhochschule Westschweiz 15
Schweizerischer Verein der Amts- und Spitalapotheker 13
Public Health Schweiz 12
Pädiatrie Schweiz 12
Diverse Nennungen < 10 138
1291

Quelle: Swiss-AL, eigene Darstellung

Quellen und Anzahl Nennungen von «interprofessionelle Zusammenarbeit».

interprofessionelle Zusammenarbeit
Quelle Anzahl Nennungen
Admin.ch 80
FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte 39
Unispital Basel 29
Universitätsspital Zürich 20
Patientensicherheit Schweiz 14
Diverse Nennungen < 10 57
239

Quelle: Swiss-AL, eigene Darstellung

Im DeReKo über COSMAS II findet sich ein Rückgang der Nennungen bei «interprofessionell» von 51 (2017) auf 35 (2018) Treffer, der auch bei «interprofessionelle Zusammenarbeit» zu beobachten ist (von 10 auf 6 Nennungen). Insgesamt ist die Häufigkeitsverteilung der Suchbegriffe im DeReKo vor allem beim Begriff «interprofessionell» unregelmäßiger als im Swiss-ALKorpus und weist einen weniger deutlichen Anstieg der Suchbegriffe ab 2014–2017 auf.

Verwendung

Mit der tiefen Trefferanzahl von 29 Treffern ist eine Kollokationsanalyse für den Begriff «Interprofessionalität» in COSMAS II nicht möglich. Bei der Kollokationsanalyse für den Begriff «interprofessionell» bezogen sich die am häufigsten zusammen mit «interprofessionell» auftauchenden Begriffe auf andere Themengebiete. Im Themenbereich Gesundheit sind es die folgenden:

Substantive: «Zusammenarbeit», «Ausbildungsstation», «Gesundheitsversorgung», «Anamnese», «Fachgesellschaft», «Grundversorgung», «Team», «Teams», «Care», «Ärzten», «Berufsgruppen», «Qualitätszirkel», «Pflege», «Austausch», «Abkommen», «Arbeitsgruppe», «Fachpersonen», «Kommunikation», «Konfusion», «Teamarbeit»

Adjektive: «interdisziplinäre», «interdisziplinär», «kranken», «ausgebildet», «gemeinsame», «sogenannten», «erfolgreich», «gemeinsam», «verschiedene»

Verben: «heißt», «steht», «arbeitet»

Die am häufigsten zusammen mit «interprofessionelle Zusammenarbeit» auftretenden Begriffe lauten: «Grundversorgung», «Mantels», «interdisziplinäre», «Behandlung», «Vernetzung», «Ärzten», «funktioniert», «Team».

Die qualitative Analyse der inhaltlichen Kontexte ergab folgende Gruppierungen:

Ausbildung: Die Förderung der Interprofessionalität in Aus- und Weiterbildungsprogrammen verschiedener Gesundheitsfachberufe wird betont. Es wird über neue Studiengänge berichtet, die sich dieser «neuen Ausrichtung» annehmen.

Management: Personen aus der Führungsetage großer Spitäler, Kliniken oder Ausbildungsstätten betonten den Fokus ihrer Institution auf Interprofessionalität. Dabei wird Interprofessionalität scheinbar als unverzichtbares Qualitätsmerkmal aufgefasst, dessen Einbezug sich positiv auf das Image der jeweiligen Institution auswirken soll.

Praxisbeispiele: Es wird über Einrichtungen, die interprofessionell arbeiten, berichtet. Zumeist werden die positiven Erfahrungen, welche die Mitarbeitenden dieser Einrichtungen mit Interprofessionalität gemacht haben, in den Vordergrund gerückt. Am häufigsten zitiert werden palliative Einrichtungen, in denen (erfolgreich) interprofessionell gearbeitet wird.

Zukunft: Interprofessionalität wird als zukunftsweisend, als dynamische Veränderung, die man nicht verpassen darf, dargestellt. Es wird auf den positiven Veränderungen durch interprofessionelle Zusammenarbeit fokussiert (Steigerung der Effizienz, der Zufriedenheit von Patient/-innen).

Netzwerk: Interprofessionalität als Thema an Tagungen, Kongressen oder Konferenzen. Interprofessionelle Arbeit wird mit vereinzelten Preisen gewürdigt.

Internationaler Vergleich: Die Interprofessionalität in der Schweiz wird im Vergleich mit dem Ausland eher als rückständig und ungenügend dargestellt. Es wird hervorgehoben, wie erfolgreich interprofessionelle Zusammenarbeit international angewandt wird.

Kritik: Negative Berichte über Schwierigkeiten, Probleme oder Herausforderungen der IpZ werden selten thematisiert.

Im Swiss-AL-Korpus lauten die am häufigsten mit «Interprofessionalität» gemeinsam genannten Begriffe, erhoben durch eine Kollokationsanalyse, in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit:

Substantive: «Interdisziplinarität», «Förderprogramm», «Gesundheitswesen», «Notfallmedizin», «SAMW» (Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften), «2017» (Start des Förderprogramms Interprofessionalität), «Co-Leiter», «Arbeitsgruppe», «Newsletter», «Plattform», «Förderung», «Interprofessionalität», «Gesundheitssystem», «Versorgung», «Palliative», «Aspekt», «BAG» (Bundesamt für Gesundheit), «Bereich», «Verständnis», «Zusammenarbeit»,

Adjektive: «berufsübergreifend», «integriert», «ärztlich», «medizinisch»,

Verben: «angehen».

Beim Suchwort «interprofessionell» sieht die Verteilung folgendermaßen aus:

Substantive: «Zusammenarbeit», «Team», «Guideline», «Kommissionsmitglied», «Peer», «Zusammensetzung», «Formulierung», «Care», «Methode», «Review», «Palliative», «Reviews», «Pilotprojekt», «Ansatz», «Kommunikation», «Fachpersonen», «Weiterbildung», «Studierendengruppe», «Intensiv-», «Notfallmedizin»,

Adjektive: «interdisziplinär», «sektorenübergreifend», «professionell», «ärztlich», «interprofessionelle», «ganzheitlich», «klinisch», «strukturiert», «spezialisiert», «arbeitend», «palliativ», «eng», «ethisch», «angestellt», «einheitlich», «aktiv», «fachlich», «gegenseitig», «elektronisch», «national»,

Verben: «fördern», «erfüllt», «einbeziehen», «individualisieren», «schulen», «lehren», «ausrichten», «erbrechen», «trainieren», «erarbeiten», «arbeiten», «entwickeln», «stärken», «verbessern», «unterstützen», «berücksichtigen», «optimieren», «erhöhen», «empfehlen», «erfordern».

Bei der Suche nach «interprofessioneller Zusammenarbeit» waren die häufigsten Begriffe kategorisiert nach Wortarten:

Substantive: «Berufsgruppe», «Gesundheitswesen», «Zusammenarbeit», «Interprofessionalität», «Grundlagenpapier», «IpZ», «interprofessionelle», «Weiterbildung», «Care», «Pflege», «Stärkung», «Kompetenz», «Palliative», «Pflegefachpersonen», «Setting», «Gesundheitssystem», «Schlussfolgerung», «Patientensicherheit», «Patient», «FMH»,

Adjektive: «interdisziplinär», «beruflich», «medizinisch», «ethisch», «ambulant», «effizient», «eng», «unterschiedlich», «entscheidend», «verschieden», «zentral», «einzeln», «gut»,

Verben: «erfüllt», «fördern», «lernen», «optimieren», «erkennen», «verlangen», «verbessern», «brauchen».

Die Kategorien des Swiss-AL-Korpus sind denjenigen des DeReKo durchaus ähnlich:

Ausbildung: Es wird auf neue Veranstaltungen, Module oder Studiengänge mit interprofessionellem Fokus verwiesen.

Förderung: Über die Förderung von IpZ durch spezifische Programme und Auszeichnungen wird berichtet.

Praxisbeispiele: Wiederum wird auf «gelebte Interprofessionalität» anhand von konkreten Beispielen verwiesen. Die Palliative Care ist auch in diesem Korpus am häufigsten vertreten.

Netzwerk: Hinweise auf Symposien und Tagungen mit dem inhaltlichen Fokus auf Interprofessionalität folgen.

Politik: In vereinzelten Fällen ist die finanzielle Entschädigung von interprofessioneller Arbeit und deren Regelung auf gesetzlicher Ebene Thema.

DISKUSSION

Wie die Analyse zeigt, hat es im Swiss-AL-Korpus nach einer ersten leichten Häufung der Begriffe um 2010 einen starken Anstieg des Gebrauchs der Begriffe ab 2014 gegeben. Diese Veränderungen in der Anzahl Nennungen dürften eng verbunden sein mit dem Bestreben, Interprofessionalität im Schweizer Gesundheitswesen zu fördern, was zu einer höheren Verwendung der entsprechenden Begriffe geführt haben dürfte. Im September 2011 wurde z. B. an der vierten Sitzung der Plattform «Zukunft ärztlicher Bildung» die Themengruppe «Interprofessionalität» mandatiert. Im Dezember 2014 fand die nationale Konferenz «Interprofessionelle Bildung der Gesundheitsfachpersonen – Kontinuierliche Verbesserung der Patientenversorgung» statt. Offen bleibt, ob das Vorkommen der Begriffe weiter im selben Maße zunimmt. Insbesondere wird zu beobachten sein, ob der leichte Rückgang an Nennungen beim Begriff «Interprofessionalität» in den kommenden Jahren fortgesetzt wird. Möglich ist eine Ablösung von «Interprofessionalität» durch den Begriff «interprofessionelle Zusammenarbeit», dessen Verwendung keinen Rückgang zeigt. Da im DeReKo über COSMAS II aufgrund des fehlenden Einbezugs von Wissenschafts- und Fachliteratur tiefere Trefferzahlen erreicht wurden, lässt dieses Korpus nur bedingt vertiefende Aussagen zur Häufigkeit zu. Eine Analyse der Zahlen nach einer entsprechenden Erweiterung der Quellen wäre daher lohnenswert.

Verbunden sind die Begriffe «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit» derzeit noch stark mit Schlagworten, die auf eine Entwicklung hindeuten: Förderung, Ausbildung, gelebte Praxisbeispiele. Zudem tauchen die Begriffe bisher vor allem in Quellen auf, die sich an ein interessiertes Fachpublikum richten und nicht in Quellen mit einer dispersen Leserschaft (deshalb wohl auch die tieferen Trefferzahlen im DeReKo). Dies zeigt, dass das Konzept «Interprofessionalität» noch nicht im Alltag der breiten Bevölkerung angekommen ist, sondern noch gehegt und entwickelt werden muss - auch im Gesundheitsbereich.

Denn des Weiteren fällt auf, dass Ärzte und Ärztinnen die am häufigsten genannte Berufsgruppe sind. Daneben kommt nur die Pflege bzw. Pflegefachpersonen als weitere Berufsgruppe vor. Andere Gesundheitsberufe stehen im Hintergrund. Diese Beobachtungen werden dadurch ergänzt, dass die Verwendung von Interprofessionalität im utilitaristischen Sinn nach Haddara & Lingard (2017) (also als Mittel zur gesteigerten Effizienz der Pflege mit besseren patient outcomes) häufiger als diejenige des emanzipatorischen Strangs ist, der Interprofessionalität als Weg entgegen einer Dominanz von Ärzten und Ärztinnen bzw. des Denkens in medizinischen Paradigmen auffasst. Bedeutet das, dass auch die Kommunikation über Interprofessionalität weiterhin traditionell arztzentriert gesteuert ist? Zeigt diese Beobachtung, dass Ärzte und Ärztinnen weiterhin im Zentrum der Versorgung stehen und die anderen Gesundheitsberufe als ihr «interprofessionelles» Team gelten, dessen Effizienz durch IpZ gesteigert werden kann? In einer aktuellen Charta hat sich die SAMW nach einer Erläuterung von Interprofessionalität auf Basis der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2010) dazu wie folgt geäußert:

Interprofessionalität im Gesundheitsbereich ist gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) dann gegeben, wenn mehrere Gesundheitsfachleute mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen so zusammenarbeiten, dass sie zu einem gemeinsam geteilten Verständnis kommen, das sie vorher noch nicht hatten und zu dem sie ohne einander nicht hätten kommen können. Neben den Gesundheitsfachleuten mit klinischer Ausbildung gibt es immer mehr Fachleute im Gesundheitswesen, die für die soziale, spirituelle oder systemische Unterstützung im Versorgungsverlauf mitwirken oder für Qualitätsbzw. Ergebnisüberprüfung oder Forschung und Innovation zuständig sind und die ebenfalls an dieser interprofessionellen Zusammenarbeit beteiligt sind (z. B. Sozialarbeit, Seelsorge, IT, Ökonomie etc.). Für eine qualitativ hochstehende und sichere Gesundheitsversorgung braucht es alle diese Fachleute und die Charta schliesst sie entsprechend mit ein.

(Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), 2020, S. 4)

Auch Patient/-innen stehen offenbar nicht im Fokus der analysierten Texte aus den Korpora. Erst die neueste wissenschaftliche bzw. verbandspolitische Literatur geht bewusst darauf ein, dass sich die Konzepte der Interprofessionalität und der patientenbzw. familienzentrierten Versorgung verschränken müssen (Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), 2020).

Eine vergleichbare Entwicklung sieht man in der Lehre in Modulen zur interprofessionellen Zusammenarbeit: Der Prozess dynamisiert sich vom statischen Austausch unter Experten und Expertinnen hin zur Integration von Haltungen, Meinungen und Einschätzungen durch Patienten und Patientinnen, die vermehrt im Zentrum stehen (Fox & Reeves, 2015). Auch Sottas, Kissmann und Brügger stellen in ihrem Bericht zur interprofessionellen Ausbildung im Rahmen des BAG-Förderprogramms «Interprofessionalität im Gesundheitswesen 2017–2020» fest:

Weil [Patient-/innen] immer stärker Ko-Produktion einfordern und eine (Mit-)Verantwortung für die eigene Gesundheit und Gesundheitsversorgung übernehmen, sind auch sie [ ] Teil des Teams, das interprofessionell zusammenarbeitet und gemeinsam entscheidet. [ ] Auf Grund der Organisation der Ausbildung in Bildungssilos beschäftigt man sich zwar mit der eigenen Rolle und mit der Zusammenarbeit mit den anderen Fachpersonen, aber nur selten mit den Patienten und Angehörigen als (gleichwertige) Partner der Versorgung. Wenn jedoch dem Postulat von Ko-Produktion und einer Begegnung auf Augenhöhe Nachachtung verschafft werden soll, ist der Einbezug der Patienten und Angehörigen zwingend.

(Sottas, Kissmann & Brügger, 2016, S. 14).

Es scheint fast so, als seien die neuesten Entwicklungen aus der Gesundheitswissenschaft noch nicht in den Diskursen einer breiteren Öffentlichkeit rund um die IpZ angekommen zu. Die insgesamt tieferen und unregelmäßigeren Trefferzahlen im DeReKo, der nicht über Wissenschafts- und Fachliteratur verfügt, deuten darauf hin, dass sich theoretische Auseinandersetzungen mit Interprofessionalität bisher grösstenteils in fachlichen Diskursen niederschlagen. Zukünftige Beobachtungen mit weiteren Korpusdaten werden zeigen, ob sich der theoretische Wandel auch in der Praxis durchsetzen wird und außerhalb der Gesundheitswissenschaften mehr Aufmerksamkeit erhält. Ergänzende Analysen könnten dabei aufzeigen, ob theoretische Neuerungen in der Auffassung von interprofessioneller Arbeit sich auch im Alltag des Gesundheitswesens niederschlagen.

Inwieweit die reine Zunahme der Verwendung der Begriffe «Interprofessionalität», «interprofessionell» und «interprofessionelle Zusammenarbeit», wie sie unsere Analysen zeigen, wirklich zu einem tieferen Verständnis der Probleme der gesundheitlichen Versorgung sowie möglicher Lösungen beitragen, müsste durch weitere Beobachtungen und eine Analyse der Rezeption der Texte vertieft werden. Ebenso vertiefen müsste man eine internationale, mehrsprachige Sichtweise (siehe beispielsweise Thylefors, Perrsson, & Hellstrom 2005), da wir uns nur und ausschließlich Verwendungsweisen im deutschsprachigen Raum angesehen haben.

eISSN:
2296-990X
Lingue:
Inglese, Tedesco
Frequenza di pubblicazione:
Volume Open
Argomenti della rivista:
Medicine, Clinical Medicine, other