Galt die Fermentierung von Milch früher als wichtigste Konservierungshilfe von Lebensmitteln, stehen mittlerweile Aspekte wie Geschmacks- und Aromaveränderung sowie Erhöhung der gesundheitlichen Wertigkeit im Vordergrund (Heller, 2006). Fermentierte Lebensmittel spielten zudem in der Siedlungsgeschichte des Menschen eine wesentliche Rolle. Es wurden und werden an unterschiedlichen Orten der Welt, unabhängig voneinander, verschiedene fermentierte Produkte entwickelt und verzehrt. Da sich die beteiligte Mikroflora teilweise stark unterscheidet, entsteht eine umfangreiche Produktvielfalt. Mittlerweile greifen Unternehmen, im speziellen Molkereien, dieses Wissen auf und entwickeln für den heimischen Markt neue Produktkreationen (Müller-Auffermann et al., 2013). Auch österreichische Unternehmen versuchen durch Produktinnovationen konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Großteil der weltweit hergestellten fermentierten Milchproduktarten wird von den österreichischen Unternehmen noch nicht produziert und ist somit für die heimischen Konsumenten schwer verfügbar. Unter dem Begriff „ausgefallene Herstellungsweise“ werden in dieser Studie Herstellungsweisen und Rezepturen zusammengefasst, die in Österreich unüblich sind. Die Herstellungsweisen und Rezepturen stammen aus anderen Kulturen und/oder fremden Gebieten. Unter dem Begriff „Ethno-Food“ (engl.
Man geht davon aus, dass die längere Haltbarkeit von fermentierten Lebensmitteln auf zufällige Entdeckungen zurückzuführen ist. Der Fermentationsprozess erlaubte, dass Milchbestandteile deutlich länger konsumiert werden konnten als die Rohmilch selbst (Heller, 2006; Chandan und Kilara, 2013). Durch die Fermentierung erlangt das Milchprodukt zudem eine bessere Verträglichkeit, da durch die Mikroorganismen der enthaltene Milchzucker (Laktose) aufgespalten wird. Somit ist der beschwerdefreie Genuss von Milch auch für die erwachsene Bevölkerung möglich (Langenbach, 2010). Fermentierte Milchprodukte repräsentieren auch heute noch einen wichtigen Sektor der humanen Ernährung, weltweit werden rund 400 verschiedene Produkte konsumiert, welche sich je nach vorhandener Mikroflora sehr stark unterscheiden. Beispielsweise dominieren im Nahen Osten aufgrund der subtropischen Bedingungen thermophile, in Skandinavien hingegen eher mesophile Milchsäurebakterien (Law, 1997). Mesophile Bakterien bevorzugen einen Temperaturbereich zwischen 18–32 °C, thermophile Bakterien hingegen bevorzugen höhere Temperaturbereiche (zwischen 35–50 °C) (Weber, 1996).
Die in den Milchprodukten lebenden Bakterienstämme fördern und unterstützen die menschliche Verdauung (Marco et al., 2017). Diese Eigenschaft wird von Marketingexperten auch immer wieder ausgelobt. Der Begriff „funktionelle Lebensmittel“ (engl.
An der mikrobiellen Fermentation der Milch sind zahlreiche Mikroorganismen beteiligt. Typische Milchsäurebakterien sind Streptokokken, Leuconostoc und Laktobazillen, für Probiotika werden vor allem
Einsatz mesophiler Kulturen:
Einsatz thermophiler Kulturen:
Einsatz probiotischer Kulturen:
Durch die Zugabe von Hefen findet neben der Milchsäuregärung auch eine alkoholische Gärung im Substrat statt. Dadurch wird ein Produkt mit speziellen sensorischen Produkteigenschaften erzeugt. Die aus dem eurasischen Raum stammenden Produkte Kefir und Kumys werden näher betrachtet:
Die Fermentation von Milchprodukten mithilfe von Milchsäurebakterien in Kombination mit Schimmelpilzen ist vor allem in Finnland üblich und unter dem Namen „Viili“ bekannt. Wie die Produkte Tjukkmjolk und Filmjölk weist auch Viili eine dehnbare Konsistenz auf. Hauptsächlich ist der Mikroorganismus
Die zehn größten Molkereien in Österreich, dazu zählen Berglandmilch, NÖM AG, Salzburg Milch, Gmundner Molkerei, Rupp AG, Prolactal, Gebrüder Woerle, Pinzgau Milch, Kärntnermilch und die Obersteirische Molkerei, sind für über 90 % des Gesamtumsatzes aller österreichischen Milchverarbeitungsunternehmen verantwortlich. Der EU-Beitritt und die damit verbundene Marktliberalisierung führten zudem zu einem vermehrten Wettbewerb zwischen den europäischen Molkereien. Folglich ist der Kostendruck für die vergleichsweise kleinstrukturierte Molkereibranche in Österreich gestiegen und damit der Export zu einem wichtigen Faktor geworden. Dies zeigt sich auch in der positiven Handelsbilanz im Bereich Milch und Molkereiprodukte (VÖM, 2015). Die Erfolge im Export lassen sich hauptsächlich durch die hohe Qualität der Erzeugnisse sowie Innovationen erklären. Die geringe Unternehmensgröße und die dadurch erhöhte Flexibilität der heimischen Molkereien wirken sich positiv auf das Hervorbringen von Produktinnovationen aus (Berger, 2004). Das österreichische Molkereiprodukt-Regal ist durch eine hohe Sortimentstiefe und eine hohe Anzahl an Innovationen gekennzeichnet, zirka 300 Artikel werden jedes Jahr neu gelistet. Zudem stieg der Anteil der Handelsmarken in den letzten Jahren markant (Berger, 2004; AC Nielsen, 2016). Aufgrund der notwendigen Kühlung sind die Kosten pro Regalmeter im Molkereiprodukt-Segment am höchsten. Für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sind Molkereiprodukte durchwegs lukrativ, sie bilden das mit Abstand absatzstärkste und neben Fleisch- und Wurstwaren auch das umsatzstärkste Segment (AC Nielsen, 2016). Die Produkte Griechisches Joghurt, Ayran, Kefir und Lassi sind jene fermentierten Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise, die bereits im österreichischen LEH vertreten sind.
Das Molkereiprodukte-Regal ist ein hart umkämpfter Markt, in dem Konsumtrends und gesellschaftliche Entwicklungen eine große Rolle spielen. Global kann der Trend zu einem erhöhten Konsum an fermentierten Milchprodukten festgestellt werden. Vor allem der Gesundheitsaspekt und die vermeintliche Natürlichkeit des Produktes sind hier Triebkräfte (Chandan und Kilara, 2013). In Österreich hingegen stagniert der Konsum von Milchprodukten, mit Ausnahme von Käse. Probiotische Milchprodukte wie Yakult, Activia und Actimel konnten nach ihrer Markteinführung beachtliche Umsatzzahlen erwirtschaften (Kocina, 2010). Die Ergebnisse der Untersuchung von Meindl (2009) zeigen, dass bei funktionellen Molkereiprodukten die Faktoren Genuss, Gesundheit und Wohlbefinden die vorrangigen Kaufmotive sind. Besonders den Heavy-Usern ist der gesundheitliche Zusatznutzen wichtig. Die Kommunikation von gesundheitlichem Zusatznutzen ohne wissenschaftlicher Fundierung ist seit der Health-Claim-Verordnung (Nr. 1924/2006) der EU jedoch nicht mehr erlaubt.
Naturjoghurts verzeichnen, aufgrund ihrer vielseitigen Verwendung, eine hohe Nachfrage. Zudem werden gezielte Werbemaßnahmen, die auf diese vielschichtige Anwendbarkeit hinweisen, verstärkt wahrgenommen. Ebenfalls sehr beliebt sind Bioprodukte, da auch sie Natürlichkeit und Wohlbefinden suggerieren. Eine österreichische Studie von Satovich (2016) zeigt anhand einer paarweisen Vergleichsprüfung zwischen Produkten mit und ohne Bio-Siegel, dass Produkte mit Bio-Siegel bevorzugt werden. Ebenfalls war die Akzeptanz jener Produkte mit Bio-Siegel größer. Zahlen der RollAMA (2017) bestätigen, dass biologisch produzierte Lebensmittel, vor allem Frischeprodukte, steigende Beliebtheit verzeichnen. Die Ausgaben für Bioprodukte sind in den letzten sechs Jahren um 37 % gestiegen. Griechisches Joghurt und High-Protein-Produkte werden ebenfalls verstärkt nachgefragt. In den USA besetzt Griechisches Joghurt bereits 30 % des Joghurtsegments (Chandan und Kilara, 2013). Griechisches Joghurt wird hauptsächlich aus Griechenland importiert, da es sich um eine spezifische Produktbezeichnung handelt, die laut EU-Verordnung Nr. 1169/2011 nur bei Produkten aus Griechenland legitim ist. Das „Joghurt griechischer Art“ wird hingegen auch in Österreich produziert.
Auch laktosefreie Produkte sind mittlerweile sehr beliebt. Das Handelspanel von AC Nielsen zeigt, dass der Umsatz (+ 6 %) sowie der Absatz (+ 7 %) von laktosefreien Milchprodukten im Vergleich zum Vorjahr (2016) anstieg (Friedrich, 2017). Fermentierte Milchprodukte enthalten durch die Milchsäuregärung weniger Laktose und sind daher für den menschlichen Organismus bekömmlicher. In einer schwedischen Studie wurde der Kohlenhydratgehalt (Laktose, Galaktose und Glukose) von Milch, fermentierten Milchprodukten (Joghurt, Filmjölk und Kefir) und laktosefreien Produkten untersucht. Das klassische Joghurt zeigte den geringsten Laktosegehalt (mit 2,91 g 100 g-1) unter den fermentierten Milchprodukten, gefolgt von Kefir (3,38 g 100 g-1) und Filmjölk (3,51 g 100 g-1). Zum Vergleich: Frischmilch (1,5 % Fett) weist einen Laktosegehalt von rund 4,72 g 100 g-1 auf, laktosefreie Milch (1,5 % Fett) rund 0,04 g 100 g-1 (Ohlsson et al., 2017).
Die Bevölkerung in den westlichen Industrieländern wird zusehends älter, auch in Österreich ist diese demographische Entwicklung zu erkennen. Im Jahr 2007 stellten Personen über 60 Jahren noch 22 % der österreichischen Gesamtbevölkerung dar, bis 2050 soll dieser Anteil auf 34 % anwachsen. Diese Altersverteilung der Bevölkerung spielt für die Lebensmittelbranche eine zentrale Rolle (Reithmayr, 2010). Viele Senioren gehen mittlerweile täglich einkaufen und nehmen somit die Neueinführungen von Produkten unmittelbar wahr (Derndorfer, 2008). Neben den Senioren bieten auch jüngere Personen, die sogenannte Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010), ein durchaus großes Potenzial für den Absatz von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise, da sie die ethnisch vielfältigste Kundengruppe darstellen. Für sie ist sogenanntes Ethno-Food oftmals die Norm (Boysen, 2015). Im Jahr 2015 lebten 1,813 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich, 1,334 Millionen gehören zur „ersten Generation“, da sie selbst noch im Ausland geboren wurden (Statistik Austria, 2016). Zusätzlich kann der Verzehr von Ethno-Food als ein Zeichen der Wertschätzung für eine fremde Kultur gesehen werden. Neben der Migration trägt auch der Tourismus wesentlich zur Etablierung von Ethno-Food in Österreich bei (Dabringer, 2006). Neben dem Begriff „Ethno-Food“ wird auch der Terminus „Ethno-Marketing“ immer bedeutender. „Ethno-Marketing ist die Ausgestaltung aller Beziehungen einer Unternehmung auf eine Zielgruppe, die sich aufgrund von historischen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten von der Bevölkerungsmehrheit in einem Land unterscheidet“ (Brauhofer und Yadollahi-Farsani, 2011). Man geht davon aus, dass die ethnischen Zielgruppen in Abhängigkeit von ihrer Herkunft ein spezifisches Konsumverhalten aufweisen. Daher scheint es aus Sicht des Marketings erfolgsversprechend, wenn diese Zielgruppe mit einem auf sie abgestimmten Marketingmix angesprochen wird. Laut Pichler (2009) sollte man beim Bewerben von Milchprodukten allgemein auf eine Doppelstrategie aus informativer und emotionaler Werbung setzen. Dieser informative Aspekt sollte jedoch mit Daten und Fakten fundiert sein. Als Ansatz für das Milchmarketing der Zukunft wird empfohlen, Milch und Milchprodukte, neben Konsumentenwünschen wie Convenience und Produktvielfalt, als natürliches, wertvolles Lebensmittel zu bewerben. Der gesundheitliche Aspekt sollte dabei idealerweise mit dem Begriff „Wohlbefinden“ verbunden werden.
Saisonale Sorten und limitierte Auflagen (engl.
Trotz der genannten Trends ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Milchprodukten leicht rückläufig, was auf eine weitestgehende Marktsättigung für Milchprodukte in Österreich schließen lässt. Die Entwicklung der österreichischen Milchwirtschaft geht daher in Richtung einer höheren Veredelung der Produkte. Diese Veränderung spiegelt sich vor allem in der gesteigerten Wertschöpfung des Käse-Segments wider (BMLFUW, 2010). Im Fruchtjoghurtsegment kann im Gegenzug sowohl ein mengen- als auch wertmäßiger Rückgang verzeichnet werden (RollAMA, 2016). Eine im Jahr 2014 in Österreich durchgeführte Studie von Kropfmüller (2014) hat sich mit dem Verzehr von Fruchtjoghurts mit unterschiedlichem Zuckergehalt auseinandergesetzt. Es stellte sich heraus, dass drei Viertel der Befragten Fruchtjoghurt im Allgemeinen als zu süß empfinden. Beinahe die gleiche Anzahl an Befragten wünscht sich eine Reduktion des Zuckergehaltes in den Erzeugnissen.
Das Segment der Molkereiprodukte ist ein sehr traditioneller Markt in Österreich. Innovationen haben meist ein zu geringes Potenzial und sind einem intensiven Preiswettbewerb ausgesetzt. Dieser Preisdruck ist in Österreich deutlich zu spüren, auch hervorgerufen durch den verstärkten Einsatz von Handelsmarken. Herstellermarken und Marktführer haben in den letzten Jahren mengenmäßig stark verloren. Hier ist im Zeitraum von 2009 bis 2014 ein Rückgang von 34 % zu beobachten. Dem gegenüber konnten Mehrwert-Handelsmarken im gleichen Zeitraum volumenmäßig mit einer Steigerung von 15 % stark zulegen (Holzschuh, 2015).
Ein Grund, warum klassische Joghurts in Österreich einen Vorteil gegenüber fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise haben, liegt am Gewohntsein von Joghurts, auch als „Mere Exposure Effekt“ bezeichnet. Mit diesem „Effekt der bloßen Darbietung“ ist gemeint, dass Konsumenten ihre Einstellung gegenüber einem Produkt durch wiederholte Darbietung verbessern (Zajonc, 1965; Pliner, 1982). Somit geht den bereits vorhandenen, bekannten Molkereiprodukten, im Gegensatz zu den neu eingeführten Erzeugnissen, das Vertrauen der Konsumenten voraus. Neben dem Geschmack tragen auch alle anderen Sinne zur Sympathie oder Antipathie bei. So kann bei den viskosen, fadenziehenden skandinavischen Sauermilchprodukten durchaus eine Abneigung aufgrund ihrer spezifischen Konsistenz auftreten. Beim finnischen Erzeugnis Viili kommt erschwerend der charakteristische Schimmelbelag an der Produktoberfläche hinzu, der Irritationen und aversive Reaktionen auslösen kann. Die Ablehnung neuer Lebensmittel, auch „Neophobie“ genannt, ist auf einen biologischen Schutzmechanismus zurückzuführen (Milton, 1993). Die Angst vor neuen Speisen ist bei Kleinkindern am stärksten ausgeprägt, lässt jedoch im Alter nach, da neue Geschmacksrichtungen mit bereits bekannten verglichen werden können (Röwe, 2013).
Ein weiteres Hemmnis für den Milchmarkt stellt der Trend zur veganen und vegetarischen Ernährung dar. In einer repräsentativen IFES-Studie aus dem Jahr 2013 gaben 9 % der österreichischen Bevölkerung an, entweder vegan oder vegetarisch zu leben. Zwischen 40.000 bis 80.000 Menschen ernähren sich ausschließlich vegan (Vegane Gesellschaft Österreich, 2017). Dies zeigt sich auch in der steigenden Anzahl an Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs. Wurden diese Substitute zunächst vor allem auf Sojabasis hergestellt, steigt nunmehr auch die Anzahl an Produkten aus Hafer, Mandeln, Lupine oder Kokos. Die Käuferreichweite aller gekühlten Milchalternativen stieg von 8,8 % im Jahr 2012 auf 16 % im Jahr 2016 (Holzschuh, 2017). Janssen et al. (2016) konnten drei Hauptmotive für die Adaption einer veganen Ernährungsweise feststellen: Tierbezogene Aspekte, wie Tierwohl und Tierschutz, stellten den Hauptgrund dar, gefolgt von dem persönlichen gesundheitlichen Nutzen einer veganen Lebensweise und umweltschutzrelevanten Aspekten wie verringerte Treibhausgasemissionen durch den Verzicht auf tierische Lebensmittel.
Neben den konsumentenbezogenen Hemmnissen können auch produktionstechnische Hemmnisse für die Molkereien auftreten. Für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise sind oft Starterkulturen aus dem jeweiligen Land notwendig, die importiert werden müssen. Ein Unternehmen holt sich damit wissentlich potenzielle Kontaminationskeime in den laufenden Betrieb. Sollten Kulturkeime, wie z. B. Laktobazillen-Stämme, durchgängig Antibiotikaresistenzen aufweisen, kann dies unter Umständen eine gesundheitliche Gefahr darstellen. Voraussetzung dafür ist die Aufnahme von großen Mengen derartiger Keime aus fermentierten Lebensmitteln und die Übertragung von Resistenzgenen auf die im menschlichen Darm beheimateten Bakterien (Abriouel et al., 2015).
Für die Beantwortung der Forschungsfragen dienen zum einen eine umfassende Literaturrecherche und zum anderen qualitative Experteninterviews. Der qualitative Forschungsansatz wurde gewählt, da aufgrund der Forschungsfragen in dieser Studie mehrere Themengebiete abgedeckt werden müssen. Bei den leitfadengestützten Interviews wurden Vertreter der Molkereibranche, des Lebensmitteleinzelhandels sowie der Forschung befragt. Bei der Auswertung fand die strukturierte Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) Anwendung. Aufgrund der wertschöpfungskettenübergreifenden Auswahl der Interviewpartner war es sinnvoll, für jeden Expertentyp einen eigenen Interviewleitfaden zu entwickeln (Gläser und Laudel, 2010). Insgesamt wurden vier Experten aus der Molkereibranche, zwei Experten aus dem Lebensmitteleinzelhandel und drei Experten aus dem Bereich Forschung interviewt. Die Ergebnisse dieser Studie können somit Tendenzen für den Markt für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise aufzeigen, sind jedoch aufgrund ihres qualitativen Charakters nicht für den gesamten Milchsektor repräsentativ.
Die aufgenommenen Audiodateien wurden mithilfe des Programms MAXQDA 11 transkribiert. Der Interviewleitfaden diente als Basis für die zu Beginn festzulegenden Hauptkategorien, dieses Vorgehen wird als „deduktive Kategorienbildung“ bezeichnet (Mayring, 2010). Für eine weitestgehend exakte Einordnung des Datenmaterials wurden zusätzlich weitere Subkategorien während der Codierungsphase hinzugefügt, dies wird als „induktive Kategorienbildung“ bezeichnet. Tabelle 1 zeigt alle verwendeten Codes und Subcodes.
Codierung der transkribierten Experteninterviews für die Inhaltsanalyse nach Mayring Table 1. Coding of the transcribed expert interviews for the qualitative content analysis of MayringSubcodes: Aktuelle Marktsituation, Produkttrends, Ethno-Produkte, religionsspezifische Vorschriften, Neophobie, mögliche Hemmnisse, Ersatzprodukte, Laktoseintoleranz Subcodes: Griechisches Joghurt bzw. Joghurt griechischer Art, Ayran, Kefir, Skyr, Lassi, Actimel, Activia, Yakult Subcodes: Verfügbarkeit von Produktionsanlagen, Schimmel und Hefen in der Produktion, Viili, Starterkulturen, Hygiene, Qualitätssicherung allgemein Subcodes: AMA-Gütesiegel, Regionalität, Bio, Heumilch, Health Claims, Werbekampagnen, Point of Sale (in den Filialen), Zielgruppe bei Ethno-Produkten, Erfolgsfaktoren für ein neues, ausgefallenes Produkt Subcodes: Impulse für Innovationen, Produktentwicklungsprozess, Anforderungen des Handels, Anteil an erfolgreichen Neueinführungen
Die Gliederung des Ergebnisteils erfolgt in Anlehnung an das zuvor festgelegte Kategoriensystem der transkribierten Interviews.
Das derzeitige Konsumverhalten der Österreicher bei fermentierten Milchprodukten wurde aus Sicht der Experten geklärt. Dabei wurde auf die aktuelle Marktsituation, die Produkttrends und auf mögliche Hemmnisse eingegangen. Laut Aussagen der Experten stagniert das Segment für fermentierte Milchprodukte im Verhältnis zum gesamten Molkereiproduktesegment. Im Gegensatz zu den klassischen Naturjoghurts geht der Absatz bei Fruchtjoghurts zurück. Die Experten führen dies auf das verstärkte Problembewusstsein hinsichtlich Zucker zurück. „
Diverse Ethno-Produkte verzeichnen ebenfalls Anstiege im Absatz, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau.
Laktosefreie Produkte verzeichnen eine verstärkte Nachfrage und werden ein zunehmend bedeutenderes Thema für den LEH. Auch fermentierte Milchprodukte weisen aufgrund des Herstellungsprozesses mithilfe von Mikroorganismen eine geringere Menge an Laktose auf; ein Umstand, der den meisten Konsumenten nicht bewusst ist.
Neben den Trends gibt es auch mögliche Hemmnisse für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise. Neophobie, die Angst vor dem Fremden/Unbekannten, ist meist Hauptablehnungsgrund. So wird beispielsweise dem finnischen Sauermilchprodukt Viili, aufgrund seiner Schimmelschicht an der Oberfläche, keine Chance für die Marktetablierung in Österreich zugeschrieben. Laut den Experten finden Produkte mit als untypisch wahrgenommenen Eigenschaften generelle Ablehnung. Ist man nicht mit dem Produkt aufgewachsen, ist es schwierig, im Nachhinein eine Akzeptanz aufzubauen. Auch die fadenziehende Konsistenz einiger skandinavischer Erzeugnisse wird bei den österreichischen Konsumenten als negativ bewertet. Teilweise wurden bereits ähnliche Produkte hergestellt, die Akzeptanz dieser war jedoch gering. Im Laufe der Zeit hat sich in Österreich eine cremige, glatte Konsistenz für Joghurts etabliert.
Der stagnierende bis leicht rückläufige Konsum von Milch und Molkereiprodukten im Allgemeinen steht zum Teil in direktem Zusammenhang mit der negativen Stimmungsmache (Bashing) gegenüber tierischen Produkten. „
Am Markt existieren bereits einige fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise. Um deren Potenziale zu eruieren, wurden die Experten über die Chancen ausgewählter, bereits verfügbarer Produkte (Ayran, Griechisches Joghurt, Kefir, Skyr, Lassi und Yakult) befragt.
Das Griechische Joghurt bzw. das österreichische Joghurt griechischer Art stellt zurzeit das erfolgreichste fermentierte Milchprodukt mit ausgefallener Herstellungsweise im heimischen LEH dar. Grundsätzlich besitzt das Joghurt eine sehr cremige Konsistenz und einen Fettgehalt von rund 10 %. Hier ist ein Trend in Richtung fettärmerer Varianten feststellbar, wobei die Beibehaltung der Konsistenz trotz Fettreduktion die größte Herausforderung darstellt. Die abweichende Bezeichnung und die Produktion in Österreich schmälert nach Expertenmeinung die Attraktivität für die Konsumenten, da der exotische Charakter verloren geht. Im Vergleich zum Griechischen Joghurt ist Ayran trotz kontinuierlich steigender Absätze ein Nischenprodukt im LEH. „
Kefir wird in Österreich nur von der Berglandmilch in großem Stil hergestellt. Dieses Nischenprodukt hält sich beständig am Markt. Die Problematik der Gasbildung kann durch den Verzicht von Hefekulturen in der Produktion gelöst werden. Es entsteht so jedoch kein „echter“ Kefir, sondern ein mildes Produkt, das auch dementsprechend deklariert werden muss. Ein ähnlich erfolgreiches Nischenprodukt wie Kefir ist Lassi. „
Das aus Island stammende Produkt Skyr kann als neuer Vertreter des High-Protein-Trends gesehen werden. Ein hoher Proteingehalt bei niedrigem Fettgehalt passt zum Zeitgeist, darin sind sich die Befragten einig. Bei der Frage, ob sich das Produkt dauerhaft etablieren kann, sind sich die Experten jedoch noch unsicher, da es sehr große Ähnlichkeit zum bereits etablierten Griechischen Joghurt besitzt. Das fehlende Wissen über das Produkt muss mithilfe von Werbemaßnahmen ausgeglichen werden. „
Die technischen Anlagen zur Herstellung von speziellen, fermentierten Milchprodukten sind in den heimischen Molkereien weitestgehend vorhanden. Es gibt einige Spezialanlagen, die mit durchaus hohem Investitionsaufwand verbunden waren. Hierzu gehört zum Beispiel eine Ultrafiltrationsanlage (UF). Damit kann aus abgeschiedener Molke das Molkenprotein rückgewonnen und in weiterer Folge dem Endprodukt zugegeben werden. Durch diesen Schritt können Erzeugnisse, wie beispielsweise Skyr, auf einen sehr hohen Eiweißgehalt aufkonzentriert werden. Die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen ist jedoch fraglich. Die Herstellung von Ayran ist für heimische Molkereien grundsätzlich kein Problem. Regelmäßige Produktionen könnten jedoch, aufgrund des Salzgehaltes des Produktes, mit der Zeit die Edelstahlrohre dauerhaft schädigen.
Die Produktion von Erzeugnissen mit Schimmelpilzen und Hefen wird sehr unterschiedlich beurteilt. So stellt die Herstellung von Viili mit dem Schimmelpilz
Auch die Verfügbarkeit der Starterkulturen für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise und deren Einsatz stellt ein Risiko dar, da die Qualität der importierten Kulturen mangelhaft sein könnte. „
Durch die Interviews wurden bereits erfolgreiche Marketingmaßnahmen aufgezeigt und im Anschluss Erfolgsfaktoren bezüglich der „Beschaffenheit“ eines neuen Produktes definiert. Heimische Milchprodukte zeichnen sich durch eine hohe Qualität aus, welche es laut Expertenmeinungen auch auszuloben gilt. Dem AMA-Gütesiegel kommt hier laut Experten, aufgrund seiner Bekanntheit und Akzeptanz, eine zentrale Rolle zu. „
Umfangreiche Werbekampagnen werden, trotz hoher Kosten, als erfolgversprechend angesehen. Bei der Produkteinführung beurteilen Experten Verkostungen am Point of Sale als förderlich. Vor allem für den heimischen Konsumenten haben Erzeugnisse mit ausgefallener Herstellungsweise am Beginn der Markteinführung oftmals Erklärungsbedarf. Sich mit bestimmten Erzeugnissen auf einzelne Zielgruppen zu fokussieren, wird von den Experten als herausfordernd gesehen. Jedoch ist die Nachfrage nach sogenannten Ethno-Food-Produkten, welche aus dem ex-jugoslawischen Raum und der Türkei stammen, durchaus vorhanden. Dies lässt sich ebenfalls an der steigenden Anzahl von Regalmetern für Ethno-Food in den einzelnen Supermärkten erkennen. Besonders in Wien sind spezielle Ethno-Supermärkte für die Produzenten lukrative Distributionskanäle. Das Abdrucken der eigenen Marke sollte, wie bereits erwähnt, gut überlegt sein. Laut Experten muss ein neues, ausgefallenes Produkt folgendermaßen beschaffen sein, um sich im heimischen LEH zu etablieren: An erster Stelle steht der Geschmack. Aufgrund des konservativen Konsumverhaltens in Österreich, bei dem sich vor allem vertraute Geschmacksrichtungen langfristig durchsetzen, sollten die Produkte sensorisch kein komplettes Neuland betreten. „
Die beiden Produkte Actimel und Activia des Danone-Konzerns haben laut Experten unter der Health-Claim-Verordnung der EU gelitten, da die Auslobung ihrer vermeintlich gesundheitlichen Effekte nicht mehr erlaubt ist. Aufgrund der hohen Werbebudgets werden sich diese Produkte jedoch auch in Zukunft halten. Das aus Japan stammende Getränk Yakult hat am österreichischen Markt keinen großen Stellenwert. Neben der Health-Claim-Verordnung wird auch der für europäische Verhältnisse ungewöhnliche Produktauftritt als Grund genannt. „
Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise werden von den Molkereien mehr als Nischenprodukte gesehen, die vor allem die Produktbreite und die Innovationskraft des Unternehmens erhöhen. Als Zukunftsmarkt wurden die derzeit noch wenig beachteten Grillsaucen oder pikanten Saucen auf Joghurtbasis angeführt.
Die Zusammenarbeit zwischen Molkereien und LEH wird als sehr eng beschrieben, vor allem die größeren Molkereibetriebe arbeiten eng zusammen und auch der LEH verfolgt Kooperationen mit regionalen Betrieben. Kurze Transportwege und die Forderung der Konsumenten nach heimischen Produkten sind hier die Hauptgründe. Die Zusammenarbeit mit kleinstrukturierten Molkereien ist in manchen Bereichen noch ausbaufähig. Eine offene Kommunikation zwischen Händler und Hersteller wird als förderlich für die Implementierung neuer Produkte angegeben.
Impulse für Innovationen kommen für die kleineren Molkereien zumeist abnehmerseitig, während die führenden Molkereien verstärkt in die eigene Produktentwicklung investieren. Die Anforderungen des Handels für eine mögliche Listung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise fallen unterschiedlich aus, wobei die Anforderungen an die Verpackung meist überschaubar sind. Das beschränkte Platzangebot in den Regalen muss bestmöglich genutzt werden. Bei Sauermilchprodukten sind Bombagen generell unerwünscht und meist der Hauptgrund für Reklamationen. Zur strafrechtlichen Absicherung benötigen die Händler/Einkäufer des Weiteren ein Attest bezüglich der Unbedenklichkeit des neuen Produktes. Bevor das Erzeugnis gelistet wird, wird die Qualität ausführlich geprüft. Besonders in Hinblick auf die beschränkte Haltbarkeit der Produkte muss eine ausreichende Drehung dieser gegeben sein, damit es zu keinen bedeutsamen Abschreibungen aufgrund von Verderb kommen kann. Wurde ein Neuprodukt bei einer Handelskette gelistet, kann es sich üblicherweise langfristig im Regal etablieren.
Die Diskussion der Ergebnisse orientiert sich an den zu Beginn gestellten Forschungsfragen.
Der Konsum von fermentierten Milchprodukten in Österreich, speziell der Konsum von Fruchtjoghurts, stagniert (RollAMA, 2016). Diese Entwicklung kann zum Teil mit der Negativ-Kampagne gegen Milch erklärt werden. Auch die steigende Anzahl an Personen mit Laktoseintoleranz könnte ein Grund für die stagnierenden Verkaufszahlen sein. Dass fermentierte Milchprodukte nur mehr geringe Mengen an Laktose enthalten, scheint den meisten Konsumenten nicht bewusst zu sein, wie auch die Experten bestätigten. Laktosefreie Milchprodukte liegen jedenfalls im Trend, die Umsätze stiegen hier von 3,8 % des Gesamtumsatzes im Jahr 2012 auf 5 % im Jahr 2016 (Holzschuh, 2017).
High-Protein-Produkte weisen eine starke Nachfrage auf. Das derzeit in den Umsätzen am stärksten steigende Erzeugnis ist Griechisches Joghurt, wobei die Verbindung mit Griechenland als Urlaubsort hier eine zentrale Rolle spielt. Erzeugnisse mit hohem Proteingehalt, dazu zählen neben Griechischem Joghurt auch spezielle Proteinjoghurts und Skyr, haben im Jahr 2016 eine volumenmäßige Absatzsteigerung von 19 % im Vergleich zum Vorjahr erreicht (Holzschuh, 2017). Auch Naturjoghurts werden aufgrund ihrer vielseitigen Einsetzbarkeit stark nachgefragt. Im Gegensatz dazu ist ein Rückgang bei Fruchtjoghurt erkennbar (RollAMA, 2016). Dies wird auch von den Experten bestätigt. Eine im Jahr 2014 durchgeführte Studie zu Fruchtjoghurts und Zuckergehalt zeigte, dass drei Viertel der Befragten Fruchtjoghurts im Allgemeinen als zu süß empfinden und sie sich eine Zuckerreduzierung wünschen (Kropfmüller, 2014). Um dieses Segment in Zukunft wieder zu fördern, wären eine Zuckerreduktion und dementsprechende Kommunikationsmaßnahmen nötig.
Der steigende Trend zu Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs ist auch im Marktsegment der fermentierten Milchprodukte erkennbar. Vegane Ernährungsweisen werden zudem immer beliebter, vor allem Tierwohl- und Tierschutzaspekte sind treibende Motive (Janssen et al., 2016). Die Käuferreichweite aller gekühlten Milchalternativen stieg von 8,8 % im Jahr 2012 auf 16 % im Jahr 2016 (Holzschuh, 2017). Bei den befragten Experten herrscht jedoch kein Konsens darüber, ob diese Substitute zukünftig den Milchprodukten weitere Marktanteile streitig machen werden. Die Molkereien verfolgen diesen Trend sehr aufmerksam.
Generell ist die Produktion von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise für die heimischen Produzenten gut zu bewerkstelligen. Dennoch müssen einige Punkte beachtet werden: Die Produktion von Viili und Kefir und die dazu benötigten Hefen und Schimmelpilze bergen ein gewisses Risikopotenzial. Die Keime können Kontaminationsquellen für andere innerbetriebliche Produkte darstellen. Abgetrennte Produktionsprozesse sind hierbei unerlässlich, auch in Anbetracht der geforderten Haltbarkeit aller Milchprodukte für den Handel. Die industrielle Erzeugung von „echtem“, mit Hefen hergestelltem Kefir, ist nur eingeschränkt möglich. Der Einsatz von Hefe führt zu erheblichen Bombagen der Endverpackung, die weder vom Handel noch vom Konsumenten erwünscht sind. Gasdurchlässige Verpackungen stellen aufgrund der hohen Kosten laut Experten keine Alternative dar. Der Einsatz einer Ultrafiltrationsanlage ermöglicht die zusätzliche Gewinnung des Molkenproteins und einer damit verbundenen Erhöhung des Proteingehalts im Endprodukt. Unter anderem wird das Produkt Skyr mit diesem überaus kostenintensiven Verfahren hergestellt. Der Großteil der aus China stammenden Starterkulturen weist laut Experten Antibiotikaresistenzen auf, was sie für den europäischen Markt unattraktiv macht. Abrioul et al. (2015) weisen in ihrer Studie auf die Gefahr von antibiotikaresistenten Milchsäurebakterien für die menschliche (Darm-)Gesundheit hin.
Griechische Joghurts mit unterschiedlichsten Fettstufen bieten zurzeit das größte Marktpotenzial. Laut Experteneinschätzung haben der High-Protein-Trend und Griechenland als beliebte Urlaubsdestination einen hohen Einfluss. Stark nachgefragt wird auch Skyr, was wiederrum mit dem hohen Proteingehalt und dementsprechenden Werbemaßnahmen zusammenhängt. Das in Österreich durch die Molkerei Berglandmilch in großem Umfang produzierte Nischenprodukt Kefir hält sich bereits seit Jahren konstant im LEH. Das Joghurt-Erfrischungsgetränk Ayran kann als „echtes Ethno-Food“ bezeichnet werden, es erfreut sich vor allem in der türkischen Community großer Beliebtheit. Für den heimischen Handel hat dieses Produkt ebenfalls Relevanz. Ein weiteres Erfolgsprodukt stellt das indische Joghurtgetränk Lassi dar. Dass hochwertige Produkte mit Exotik verbunden werden können, zeigt das Lassi-Getränk der Marke Alnatura. Es wird mit dem Attribut „regionaler Bergbauernmilch“ aus dem Pinzgau beworben. Ein eingängiger Eigenname wie Lassi ist für das Produktmarketing zusätzlich von Vorteil, wie ein Experte resümiert. Demgegenüber leiden probiotische Produkte wie Actimel, Activia oder Yakult unter der Einführung der europäischen Health-Claim-Verordnung (Nr. 1924/2006). Einzig jene mit starkem Werbebudget halten sich beständig am Markt. Der hohe Bekanntheitsgrad und die ständig wechselnden Geschmacksrichtungen sind hierfür ebenfalls von Vorteil.
Das Molkereiprodukteregal ist ein hart umkämpfter Markt, in dem es sehr schwierig ist, echte Innovationen durchzusetzen. Ein Experte bringt es wie folgt auf den Punkt:
Die Ergebnisse der Expertenbefragung und der Literaturrecherche zeigen, dass eine Einführung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise, vor allem aus dem skandinavischen und eurasischen Raum, am heimischen Markt derzeit nicht empfehlenswert ist.
Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise sollten geschmacklich kein gänzliches Neuland für die heimischen Konsumenten sein. Sie müssen demnach sensorisch und hinsichtlich ihrer Beschaffenheit an das allgemein vertraute Geschmacksempfinden der Gesamtbevölkerung angepasst werden. Daher kann die Einführung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise zum gegebenen Zeitpunkt nicht empfohlen werden. Aufgrund zunehmender Migration aus dem osteuropäischen Raum werden Ethno-Produkte aus diesen Ländern für die heimischen Hersteller in Zukunft aber interessanter. Auch die Produktion für die Marke einer ausländischen Molkerei kann angesichts der Markentreue vieler Konsumenten mit Migrationshintergrund eine Alternative darstellen. Für weiterführende Untersuchungen würde sich eine Charakterisierung der Konsumentenschicht mit Migrationshintergrund anbieten. Deren Einkommen, Herkunft und Geschmackspräferenzen sind sowohl für den heimischen LEH als auch für die heimischen Molkereien von großer Relevanz.