Ausgehend von den drei im Titel erwähnten Verben – Be-hand-eln, Aufarbeiten, Reparieren – interessiert sich der erste Teil meines Beitrags für die soziale Funktion von Kunstwerken, jenseits einer dezidiert „sozial engagierten“ Kunst wie sie in den 70er Jahren als Antwort auf die gesellschaftlichen Umwälzungen nach 1968 typisch war. Als Beispiel seien hier die feministischen Body-Art-Performances erwähnt, etwa von Valie Export, die 1968 mit ihrem „Tast- und Tappkino“ für Furore sorgte. Dieses Zitat, häufig falsch ausgelegt, sollte in seinem Kontext gelesen werden: „Jeder Mensch ist ein Künstler. Damit sage ich nichts über die Qualität. Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt […] Das Schöpferische erkläre ich als das Künstlerische, und das ist mein Kunstbegriff.“ (aus dem Vortrag „Jeder Mensch ein Künstler – Auf dem Weg zur Freiheitsgestalt des sozialen Organismus“, gehalten am 23. März 1978 im Humboldt-Haus des Internationales Kulturzentrums Achberg INKA), zitiert nach Beuys (2000), in Beuys, Eva (Hg.), Zitiert nach Florian Malzacher (2015), „Nützliche Kunst: welche Rolle kann Kunst in der Politik spielen?“ [
Diese Betonung der sozialen oder im weiteren Sinne politischen Dimension von Kunst, die mit der Befragung der gesellschaftlichen Wirklichkeit – und also auch ihrer Vergangenheit – einhergeht, ist in der Tat heute erneut aktuell. Der britischen Kunsthistorikerin Claire Bishop zufolge vollzieht die zeitgenössische Kunst einen „social turn“ (Bishop 2006), also eine Wende hin zu sozialen, ethischen Themen und Fragestellungen, häufig im Kontext partizipativer Projekte, die soziale (häufig marginalisierte) Gruppen in die künstlerische Investigation aktiv einbeziehen und hierdurch die von Bourriaud postulierte relationale Ästhetik (Bourriaud 1998) um den Aspekt eines kollaborativen Kunstschaffens erweitert, das die soziale Dimension als solche thematisiert.
Insbesondere seit den politischen Umwälzungen nach 1989 lässt sich von einer globalisierten postkolonialen Kunst sprechen, in der nicht selten die Kunstwerke (zumindest auch) die Funktion erfüllen, die Missverhältnisse im Herkunftsland des Künstlers aufzuzeigen und anzuprangern. Man mag in diesem Kontext an die wegbereitende Documenta 11 aus dem Jahre 2002 denken, deren Kurator Okwui Enwezor eine gezielt internationale Perspektive mit zahlreichen sozialpolitischen Aktionen und Werken anbot. Einer sozial orientierten Kunst liegt schließlich die Auffassung der Untrennbarkeit von Kreation (Herstellen von Kunstwerken) und Rezeption (Wirkung von Kunstwerken) zugrunde. Im Deutschen kann man hier auf den gemeinsamen etymologischen Ursprung von „Werk“ und „Wirken“ hinweisen. Wer Kunst schafft, wirkt auf andere ein, wenn diese Anderen nicht gleich selbst in den Schaffensprozess einbezogen werden, wie es Joseph Beuys und Guy Debord bereits vor fünfzig Jahren gefordert haben. Jenseits einer passiv-kontemplativen Haltung wird der Zuschauer somit zum aktiven Teilnehmer, der seinerseits unter dem Eindruck der Werke gestalterisch auf die Welt einwirkt. Nach einer kurzen Definition und Einordnung der Verben „behandeln“, „aufarbeiten“ und „reparieren“ im Spannungsfeld von Kunst und Psychoanalyse gehe ich im zweiten Teil dieses Artikels der Frage nach, auf welche Weise und in welcher Absicht Kunst sich mit einer potenziell traumatischen Vergangenheit beschäftigen kann, einer Vergangenheit also, die durch politische Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen geprägt ist, welche die gesellschaftliche Realität bis heute nachhaltig – wenn auch teils auf unbewusste Weise – beeinflussen. Die zunächst folgenden theoretischen, begriffsklärenden Bemerkungen gelten dabei für sämtliche (Kriegs-) Traumata, die „Narben“ in den Seelen, Körpern, Architekturen und Landschaften hinterlassen haben. Die anschließenden Beispiele, insbesondere aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst-Fotografie, behandeln und bearbeiten explizit die Spuren des Ersten Weltkriegs in den Landschaften Ost-Frankreich. Den ausgewählten (Foto-)Arbeiten gelingt es, den Krieg nicht nur zu repräsentieren, also darzustellen oder zu dokumentieren (was zweifelsohne durch den zeitlichen Abstand erschwert wird), sondern ihn in seiner Eigenschaft als Vergangenes präsent werden zu lassen, das heißt ihn zu vergegenwärtigen (siehe die französische Unterscheidung zwischen
Das deutsche Verb „behandeln“ hat drei Bedeutungen. Erstens: medizinisch behandeln zwecks Besserung, Heilung eines Leidens (französisch Vgl. Seinen Ursprung hat der Begriff der Katharsis in der aristotelischen Poetik. Es handelt sich, bezogen auf die griechische Tragödie, um eine „Reinigung“ von Affekten, die der Zuschauer durch das Durchleben von Rührung und Schauder erfährt. Sublimierung nach Freud bezeichnet den Vorgang der Umleitung von Energie aus sexuellen und aggressiven Trieben hin zu künstlerischen oder intellektuellen, also gesellschaftlich anerkannten Interessen. In
Die Aufarbeitung, noch schwerer ins Französische zu übertragen als die mehrdeutige Behandlung, knüpft an die eben erwähnte Bewusstwerdung oder -machung von Themen an, die aufgrund ihres traumatischen Potenzials oder der Schuldund Schamgefühle, die mit ihnen verbunden sind, wenn nicht verdrängt, so doch einer einfachen Bearbeitung unzugänglich sind. Sie bedürfen quasi einer Durcharbeitung Vgl. Freuds Aufsatz In Bezug zum Thema dieses Artikels lassen sich als Beispiele Werke der europäischen Kunst der unmittelbaren Nachkriegszeit, sowohl des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs, anführen. In beiden Fällen waren es Künstler, die durch ihre Werke das Unsagbare und Nichtrepräsentierbare der Kriegsgreuel auszudrücken vermochten. In der bildenden Kunst lassen sich hier beispielhaft für den Ersten Weltkrieg Max Beckmann und Otto Dix nennen, für den Zweiten Weltkrieg Georg Baselitz, Anselm Kiefer und Joseph Beuys.
1950 schrieb der französische Poet Francis Ponge, dass es an den Künstlern sei, die Welt in ihren Ateliers zu reparieren. Das Originalzitat findet sich in Als exemplarisches Kunstwerk, das die schwierigen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien zum Thema hat, sei hier auf Kader Attias Installation
„Die künstlerische Reparation ist eine materielle und symbolische Operation“. Es handelt sich nicht um eine Wiederherstellung – man kann nicht wiederholen, was vergangen ist –, sondern vielmehr um ein neues Verständnis der Geschichte, wie sie faktisch erzählt und von nun an assoziiert wird mit der Fiktion, dem Begehren, sie anders zu erzählen. „Selon le philosophe de l’art Jacinto Lageira, „la réparation artistique est une opération matérielle et symbolique“. Elle n’est pas une restauration — on ne peut refaire ce qui a eu lieu —, elle propose plutôt une nouvelle compréhension de l’histoire telle qu’elle est rapportée dans les faits et, désormais associée à la fiction, au désir de raconter autrement.“, zitiert nach
Die vielerorts und in diverser Form durchgeführten Gedenkveranstaltungen der nunmehr hinter uns liegenden Jahre 2014–2018 haben bewiesen, dass das Gemahnen und Erinnern an den Ersten Weltkrieg nicht zwangsläufig einer trockenen Geschichtslektion ähneln muss. Das reichhaltige kulturelle Programm hat dabei in besonderem Maße gezeigt, dass die Verbindung des Vergangenen mit heutigem Erleben möglich ist und dass sich ferner die Erinnerung an eine schmerzhafte, hässliche Vergangenheit mit ästhetischem Genuss verbinden lässt. Wie im ersten Teil erwähnt, geht die künstlerische Bearbeitung eines Themas in der Tat über eine Darstellung oder gar Abbildung ihres Gegenstandes hinaus, insbesondere wenn dieser Gegenstand letztlich nicht repräsentierbar ist, sei es, weil die darstellenden Bilder emotional unerträglich sind oder durch ihre scheinbare Banalität – zu oft gezeigt (mediatisiert), zu bekannt, zu sehr anderen Kontexten verhaftet – keine wahrhafte Auseinandersetzung (mehr) mit sich bringen. Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist eng mit dem Osten Frankreichs bzw. der deutsch-französischen Grenzregion verknüpft, trafen doch hier die beiden Erbfeinde Deutschland und Frankreich aufeinander. Und es sei daran erinnert, dass das Departement Moselle mit seiner Hauptstadt Metz und das Elsass seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870–71, dessen bedeutendste Schlacht in Gravelotte unweit von Metz stattfand, deutsch waren und erst nach dem Ersten Weltkrieg erneut Frankreich zufielen. Hitler annektierte dann die gleichen Gebiete von 1940 bis 1945 ein weiteres Mal, was ein Trauma darstellt, das bis heute in diesen Regionen das Gedenken an die sogenannte „erste Annexion“ (1871–1918), welche wirtschaftlich und infrastrukturell durchaus positive Konsequenzen zur Folge hatte, überschattet. Selbstverständlich konzentrierten sich die Gedenkveranstaltungen im Grand Est auf Verdun und seine beeindruckenden Schlachtfelder, die nach wie vor weite Landschaftsareale prägen. Wer heute das lothringische Departement Meuse durchquert, wird allerorts an den Krieg erinnert: Die dünn besiedelte Landschaft ist nach wie vor durch Krater und spärlich bewachsene Grünflächen gekennzeichnet. Auch hundert Jahre nach den blutigen Schlachten von 1916 sind die Böden von den Giftstoffen und Schwermetallen der Waffen verseucht, was eine landwirtschaftliche Nutzung unmöglich macht und eine eigenartige Flora resistenter Pflanzen hervorgebracht hat, vor allem in der sogenannten Roten Zone, die kurz nach dem Krieg einer Mondlandschaft glich. Und auch wer nicht Halt macht und sich bewusst den Spuren des Krieges nähert, kommt kaum an der Erinnerung an den Weltkrieg vorbei, denn selbst die Schilder, die die Autoroute de l’Est auf dem Weg von Metz nach Paris säumen, wecken düstere Assoziationen: Douaumont, Les Éparges… Ceux de 14 Dies der Titel der kritischen Kriegserzählungen von Maurice Genevoix aus dem Jahr 1950. Deutsch:
Diese unmittelbare Vergegenwärtigung des Vergangenen, wie es das erwähnte Buch von Maurice Genevoix erlaubt, gelingt auch Werken der visuellen Kunst auf teilweise beeindruckende Weise, steht hier doch die sinnliche, ästhetische Erfahrung im Vordergrund des Rezeptionsprozesses. Wie eingangs erwähnt, interessiere ich mich insbesondere für zeitgenössische Werke. Zu den gleich vorgestellten Beispielen neuerer Fotografie, die den ersten Weltkrieg im Osten Frankreichs – insbesondere in der Gegend von Verdun – thematisiert, seien vorweg folgende Fragen aufgeworfen: Wie lässt sich die düstere Vergangenheit des Ersten Weltkriegs in eine visuelle Sprache übersetzen, die vom heutigen Publikum verstanden wird? Wie lässt sich die Erinnerung bewahren an Gräueltaten eines Krieges, dessen letzte Zeitzeugen mittlerweile verstorben sind, Der letzte Veteran des Ersten Weltkrieges, Lazare Ponticelli, verstarb am 12. März 2008. Beispielhaft erwähnt sei hier Jacinto Lageiras Buch
Eine Antwort auf diese letzte Frage mag in den Hypothesen des deutschen Kunsthistorikers Aby Warburg, einem Zeitzeugen des Ersten Weltkriegs, zu finden sein: Er geht von einem „Nachleben“ im Sinne eines Fortwirkens der Bilder aus, die das Potenzial besitzen, die Gegenwart zu durchkreuzen und zu befragen. Die Menschheitsgeschichte und damit auch die Kunstgeschichte wird von ihm nicht als linear, sondern dialektisch und anachronistisch aufgefasst, wie es Georges Didi-Hubermann in seinem Warburg gewidmeten Werk In der deutschen Übersetzung von 2010:
Dass die folgenden Beispiele sich auf Landschaftsfotografie fokussieren, ist nicht nur dem Umstand geschuldet, dass diese das vorherrschende Genre in der fotografischen Annäherung an den Ersten Weltkrieg darstellt. Landschaft, sowohl ästhetischer wie auch geographischer Begriff, bezeichnet gemeinhin den sichtbaren Ausschnitt der Umgebung, der somit stets vom Blick des Betrachters abhängt, insofern als er von ihm konstruiert wird. Die Landschaft ist daher immer bereits kulturell geprägt, da sie menschliche Spuren trägt (und sei es nur als Resultat eines menschlichen Blickes). Dieser Aspekt der menschlichen „Anwesenheit“ selbst in den menschenleeren, öden Gegenden der ehemaligen Kriegshandlungen trägt zur Evokation des Vergangenen bei, auch wenn diese Vergangenheit materiell nur noch durch teils undefinierbare Überreste repräsentiert ist.
In den nun folgenden Beispielen stütze ich mich unter anderem auf die Ausstellung Eindrücklich schreibt Grison zur intimen Beziehung, die er seit Geburt zum Kriegsschauplatz Verdun hat: „Ich bin in Verdun geboren, auf der Entbindungsstation, die sich innerhalb der alten Ringmauer des 68. Regiments befindet, das Regiment meines Großvaters im Jahr 2016.“ Le Républicain Lorrain, „Devant Verdun: l’œil de Jacques Grison se souvient“, Ausgabe vom 10. November 2018. Originalzitat: „Je suis né à Verdun, à la maternité qui se situe dans l’ancienne enceinte du 68e Régiment d’Infanterie ; le propre régiment de mon grand-père en 1916.“ Originalzitat: „La connaissance intime d’un territoire permet aux photographes de pay-sages dont ils sont les enfants d’utiliser leurs cicatrices non seulement pour témoigner d’un drame historique, mais également pour effectuer un travail plus plasticien rendant compte de l’errance de l’imaginaire.“
Die unheimlichen, teilweise unkenntlichen oder camouflierten Überreste der Präsenz der gefallenen Soldaten und die „Narben“, die Bomben und Schüsse der Natur zugesetzt haben, prägen auch die Arbeiten des 1932 geborenen französisch-amerikanischen Fotografen J.S. Cartier, der als Wegbereiter der jüngeren Generation von Fotografen der Schauplätze des Ersten Weltkriegs gelten kann. Sein ambitioniertes Projekt
Dem Fotografen als (physischem und psychischem) Individuum kommt im Zuge seiner Arbeit zu den Kriegsspuren, spezieller den Schlachtfeldern, eine besondere Bedeutung zu. Wie der Kurator Laurent Loiseau schreibt, ist der Akt, ein Schlachtfeld zu durchstreifen, keineswegs belanglos: „Egal, ob er Reporter oder Künstler ist, dieser engagierte Zeuge kommt niemals unbescholten aus dem Theater der Geschichte heraus. Sein Umherreisen ist eine Suche, die manchmal vergeblich und halluzinatorisch ist. Häufig ein wahrhaftes Leiden“ Originalzitat: „Qu’il soit reporter ou artiste, ce témoin engagé ne ressort pas indemne du théâtre d’histoire. Sa pérégrination est une quête, parfois vaine et hallucinée. Souvent une réelle souffrance.“
Der Blickwinkel des Fotografen, der sich „an die Stelle“ des Soldaten begibt – physisch, an den Ort des Kampfes, aber in gewisser Weise auch mental – wird wie die Fotografie selbst zum „Medium“, das es dem Zuschauer erlaubt, das Gewesene nachzuvollziehen. Jean Richardot (geboren 1959) gelingt dieser empathische Blick, indem er buchstäblich die Perspektive des Soldaten einnimmt. Sein Kameraobjektiv befindet sich hierzu am Boden, im Schnee oder Matsch, in dem einst die Körper der Soldaten verharrten oder dahinsiechten. Auch hier sind es materielle Überbleibsel des Krieges, wie etwa verrottende Munitionsreste, die zugleich das Vergangene heraufbeschwören und die Bilder im Jetzt verankern. In Zusammenarbeit mit Stéphane Audoin-Rouzeau und Gerd Krumeich ist 2008 das Buch
In
Ganz anders die Aufnahme aus Wittelsheim (Elsass) (Abb. 2), die eine Industrieanlage zeigt, welche die Überreste eines deutschen Bunkers beherbergt und diesen zu eigenen Zwecken umfunktioniert hat, vermutlich da seine Beseitigung zu aufwändig und kostspielig gewesen wäre. Umgeben von Fässern und Baustoffen, integriert sich der klobige, fensterlose Bau problemlos in eine unwirkliche Landschaft, die, trotz der Abwesenheit von Menschen, von einer rastlosen Tätigkeit zeugt, der im Kontext von Richardots Serie Symbolcharakter zukommt, handelt es sich doch offenkundig um das Umschichten von Materialien, das Errichten und Einreißen von Bauten. Die massiven Bunker des Ersten und Zweiten Weltkriegs trotzen vielerorts den industriellen und städtebaulichen Prioritäten (man denke beispielsweise an die von den Nazis errichteten „Flaktürme“, besonders abrissresistente, große und hohe Bunkeranlagen für Flugabwehrkanonen, die bis heute das Stadtbild von Berlin, Hamburg und Wien prägen). Wie der Bunker in Wittelsheim, den erst der Blick des Fotografen als solchen sichtbar macht, zwingen sie uns, der Geschichte in der Gegenwart einen Platz einzuräumen und werden damit auch zum Mahnmal wider das Vergessen.
Bei all diesen Arbeiten ist die Grenze zwischen Dokumentarund Kunstfotografie nicht leicht zu ziehen, da sich auch dem objektiven Reporter-Blick im Falle von Kriegsschauplätzen nicht selten ein subjektiver Blickwinkel beimischt. Es lässt sich jedoch festhalten, dass in der künstlerischen Fotografie (französisch
Yan Morvan, geboren 1954, liefert ein Beispiel dafür, dass eine Fotografen-Karriere beides, Reportage und künstlerische Stellungnahme, verbinden kann: Nach einer siebenjährigen Arbeit für
Nur kurz erwähnt seien hier das 2008 erschienene Buch
Die „Behandlung“ des Krieges anhand der Narben, die die Landschaften noch heute tragen, dürfte in den gezeigten Beispielen offenkundig geworden sein. Dass diese auf ihre Weise zur Aufarbeitung des Vergangenen beitragen oder zumindest den Zuschauern Stoff zum Weiterarbeiten liefern, liegt ebenfalls auf der Hand. Die Frage nach der Reparation der Kriegsnarben ist schwieriger zu beantworten: Angesichts der Fokalisierung auf die noch vorhandenen Narben der Landschaft könnte man in der Tat versucht sein zu behaupten, dass sie die Narben eher aufreißen als zu ihrer Verheilung beizutragen. Gerade das Zeigen der noch sichtbaren Narben und Überreste, die mit der Natur eine eigenartige Symbiose eingehen, weisen jedoch darauf hin, dass hier etwas vernarbt und dem Wandel der Zeit unterworfen ist. Das Medium der Fotografie liefert somit singuläre Moment-aufnahmen von Spuren eines Gestern, die morgen bereits verloren sein können. Ohne Nostalgie geht es den genannten Fotografen um eine zugleich symbolische und konkrete Thematisierung des Krieges, der unsere Lebenswirklichkeit noch heute prägt.
Die soziale Funktion dieser Arbeiten besteht in der Bewusstmachung dessen, was in den Bildern der Massenmedien, wenn überhaupt, dann meist verkitscht und ideologisch aufgeladen erscheint: eine traumatische Vergangenheit, die weltweit Wunden hinterlassen hat, deren psychische Folgen sich nicht selten von Generation zu Generation fortsetzen und durch neuere Kriege immer wieder eine Aktualisierung, jedoch selten eine Bearbeitung erfahren. Sie besteht auch darin, Bilder anzubieten, von denen aus sich Geschichte/n erzählen lässt/lassen und die der Erfahrung und dem Erleben Anhaltspunkte für eine (Über-)Mittlung bieten, die der Krieg zunächst unmöglich machte. In
Der Beitrag der Kunst zur Reparation einer traumatischen Vergangenheit kann nur ein paradoxer sein: Sie repariert das Zerbrochene, ohne seine Narben zu beseitigen. Ähnlich der Architektur integriert sie das Bestehende ins Heutige und „rekonstruiert“ unter Rückgriff auf aktuelle Fragen und Anforderungen. Nur so garantiert sie die Weiterführung der Aufarbeitung und trägt zur Behandlung des Betrachters bei, die wie jene der Psychoanalyse eine unendliche ist und sich stets erneuern muss.