Betreuende Angehörige sind für die Schweizer Gesundheitsversorgung unverzichtbar. Sie unterstützen ihre Nächsten in der Alltagsbewältigung und wirken dabei auch im Medikationsprozess mit. Medikation ist eines der zentralen Themen der Patientensicherheit, jedoch ist zur Rolle von Angehörigen im Medikationsprozess bislang wenig bekannt.
Diese quantitative, faktorielle Online Querschnittstudie erhob als Teil eines Forschungsprojekts mit sequenziellem Mixed-Methods Design die Reaktion von Pflegefachpersonen gegenüber Interventionen von betreuenden Angehörigen bei der Medikamentenverabreichung. Sie erhob darüber hinaus deren intra- und interprofessionelle Zusammenarbeit mit pflegerischem und ärztlichem Personal.
285 Pflegefachpersonen einer Sektion des Schweizerischen Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner evaluierten Fallvignetten, in welchen sie von pflegenden Angehörigen bezüglich (vermeintlicher) Medikationsfehler im Spital angesprochen wurden. Die Datenanalyse erfolgte mittels fraktioneller, geordneter und multinomialer logistischer Regression (Panel und vereinigt), einer Probitregression und einer Kleinstquadratregression.
Die Pflegefachpersonen stimmten den Interventionen der betreuenden Angehörigen in signifikant geringerem Ausmass zu, wenn deren Beziehung zur betreuten Person unklar und wenn die Aussage der Angehörigen beschuldigend war. Erfahrung der Pflegefachpersonen mit ähnlichen Situationen und höhere Ausbildung hatten den gegenteiligen Effekt. Mit zunehmendem Alter und regelmässigem Kontakt mit Angehörigen wurde die Zusammenarbeit mit Kollegen/-innen und Ärzten/-innen zur Überprüfung der Medikation häufiger genannt.
Die Ergebnisse verdeutlichen die Wichtigkeit von Erfahrung mit und Kommunikation ausgerichtet auf betreuende Angehörige. Sie betonen die Anforderung an Pflegefachpersonen zu einem Rundumblick im Medikationsprozess einschliesslich der intra- und interprofessionellen Beurteilung von Medikationsanfragen durch betreuende Angehörige. Allerdings: diese Kompetenzen sind nicht selbstverständlich gegeben. Sie müssen geschult, eingeübt und vom Management im Hinblick auf eine angehörigenfreundliche Versorgung unterstützt werden.