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Bog sites as an archive of nature and cultural history – Evaluation of the archive function of bog sites North Germany (Schleswig-Holstein)


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Einleitung

Weltweit haben mehr als 2 %, in Europa 50 % und im nordostdeutschen Tiefland nahezu alle Moore ihre ursprünglichen landschaftsökologischen Funktionen verloren (Zak et al., 2011). Anthropogene Überprägung führte so auch in Schleswig-Holstein zu einem massiven Rückgang dieser Biotope. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren noch ca. 160.000 ha (rund 10 %) des Landes mit Moor bedeckt. Heute sind nur noch ca. 130.000 ha dieser Flächen vorhanden (LLUR, 2015).

Moorstandorte sind Böden aus Torf mit ≥ 30 Masse-% organischer Substanz und ≥ 3 dm Mächtigkeit (Ad-hoc-AG Boden, 2005). Darüber hinaus erfüllen sie in ihrer natürlichen Form im Naturhaushalt u. a. durch ihre hohe Wasserspeicherkapazität eine wichtige Regulationsfunktion (Gall, 2007). Insbesondere als Speicher von Kohlenstoff (C) sind sie von großer klimatischer Bedeutung, da Moore 12–13 % des weltweiten Kohlenstoffs speichern (Dierssen und Dierssen, 2008).

Ein Hauptgrund für die Degradation der Moorstandorte ist die kontinuierliche Intensivierung der Landwirtschaft, die laut Leiner und Weihrauch (2001) zu massiven Änderungen der hydrologischen und nährstoffökologischen Bedingungen von Mooren führt. Torfmineralisierung durch Drainage in norddeutschen Niedermooren von 1 cm a−1 und hohe Nährstoffeinträge aus angrenzender intensiver Landwirtschaft führen zu erheblichen Einschränkungen der natürlichen Funktionen sowie der kulturellen Bedeutung dieser Biotope (Göttlich, 1990; Holden et al., 2004; Whittington et al., 2006). Daraus ergeben sich Einschränkungen der Moore in ihrer Archivfunktion, da nur naturnahe Moore diese notwendigen Funktionen in vollem Umfang erfüllen können (Glatzel et al., 2006). Nachhaltig gestörte Torfkörper können die Konservierung anthropogener Hinterlassenschaften aus vergangenen Epochen kaum gewährleisten. Kulp (1995) geht weiterhin davon aus, dass es aufgrund des langsamen Wachstums der torfbildenden Substanz lange dauert, bis sich deutliche Effekte von Renaturierungsmaßnahmen zeigen und somit ein frühzeitig einsetzender Schutz von Moorböden von ökonomischem, ökologischem und kulturellem Interesse ist. Mächtige landwirtschaftlich (auch unter Grünland) genutzte Moore weisen einen Torfschwund von 0,7 cm pro Jahr auf (LLUR, 2015). Diese Masse verlässt die Moore laut Clymo (1984), Kulp (1995) und Fenner und Freeman (2011) größtenteils als Kohlenstoff in Form der klimarelevanten Treibhausgase Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4). Aktuell haben entwässerte und degenerierte Moore mit 43,8 Mio. Mg CO2-Äquivalenten einen Anteil von 4,6 % an den gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland und damit eine große Klimarelevanz (Umweltbundesamt, 2014). Doch degradierte Moore gelten nicht nur als Treibhausgasquelle. Der jährliche Phosphataustrag über die Dräne beträgt bei einem Niedermoor unter Ackernutzung 1,3 kg P ha−1 und bei Grünlandnutzung 0.8 kg P ha−1. Infolge der Mineralisation der organischen Substanz werden im Niedermoorboden außerdem schätzungsweise jährlich zwischen 80 und 120 kg P ha−1 frei (Blankenburg und Scheffer, 1985).

Schleswig-Holstein gilt als eines der moorreichsten Bundesländer Deutschlands und verfügt laut Jensen et al. (2010) über 115.000 ha Niedermoor- und 30.000 ha Hochmoorflächen, was ca. 9,2 % der Landesfläche ausmacht. Im Rahmen eines vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holsteins (LLUR SH) geförderten Projektes wurde ein Bewertungsverfahren zur landesweiten Ausweisung von Mooren (Hoch- und Niedermoore) als Archivböden in Schleswig-Holstein entwickelt. Die Archivfunktionen von ausgewählten Mooren sollte hier systematisch überprüft und anhand einer erarbeiteten Bewertungsmatrix (BM) evaluiert werden.

Material und Methoden
Datengrundlage

Das LLUR SH verfügt über digitale Punkt- und Flächeninformationen (u. a. die Bodenkundliche Profildatenbank (BPD), Moorgebietskulisse, Boden- und Biotopkarten). Die BPD enthält über 57.000 Moorprofile mit über 291.600 beschriebenen Bodenhorizonten, die bis in eine Tiefe von 20 m kartiert wurden (Tabelle 1). Der überwiegende Teil (ca. 70 %) der Profilbeschreibungen beschränkt sich dabei auf eine Tiefe von 2 m. Tiefere Bohrungen > 2 m fanden an knapp 10.000 Profilen statt. Für ca. 350 dieser Profile beträgt die untere Beprobungstiefe (UT) > 10 m. Die ältesten Kartierungen stammen aus den frühen 1950er-Jahren und erstrecken sich über ein Tiefe von maximal 2,20 m. Die ausgewerteten kartierten Bodenprofile stammen aus dem Zeitraum von 1952 bis 2018.

Gliederung der Profile der Bodenkundlichen Profildatenbank (BPD) anhand der untersten Bohrtiefe (UT)

Table 1. Structure of the profiles of the Soil Science Profile Database (BPD) based on the lowest drilling depth (UT)

Anzahl der Profile
UT < 2 mUT >2 mUT > 4 mUT > 10 mUT > 15 mGesamtanzahl
41.101999659253521257.386

Darüber hinaus stand für die Auswertung der Moorarchive eine „Liste beschilderter Moore“ mit über 40 Standorten des LLUR zur Verfügung, welche sämtliche Moorgebiete in SH auflistet, die im Gelände mit Informationstafeln versehen sind. Weitere Informationen stammen aus der Fachliteratur (Dissertationen, Publikationen), unveröffentlichten Moorgutachten und Befragungen von Moorexperten wie Herrn Prof. Dr. Martin Lindner (Institut für Geowissenschaften und Geographie der MLU zu Halle-Wittenberg) und Herrn Prof. Walter Dörfler (Institut für Ur- und Frühgeschichte der CAU Kiel). Die daraus extrahierten Daten zu C14- und Pollenanalysen aus über 60 Jahren bilden u. a. die Grundlage für eine Analyse der Moorstratigraphie.

Datenverarbeitung

Ziel dieses Projektes war eine umfangreiche und spezifische Bewertung der Moorstandorte anhand hydrogenetischer Aspekte sowie der kulturellen Bedeutung von Archivböden anhand einer systematischen Überprüfung der gesammelten und zur Verfügung gestellten Informationen mittels einer erarbeiteten Bewertungsmatrix (BM). Aus dieser Bewertung wurde die Ausweisung von Moorböden als „konkreter Archivboden“, „Potenzieller Archivboden“ und „Kein Archivboden“ erarbeitet.

Die räumliche Verknüpfung der gesammelten Moorinformationen aus der Fachliteratur mit den Punktinformationen der bodenkundlichen Profildatenbank (BPD) und den zur Verfügung gestellten Flächeninformationen erfolgte mittels des Geographischen Informationssystems (QGIS 3.4). Die Anzahl an Bohrpunkten innerhalb der Moorflächen, die Heterogenität der vorkommenden Bodentypen sowie der häufig lückenhaften Profilbeschreibung bezüglich der bewertungsrelevanten Informationen (Zersetzungsgrad (ZG), Stratigraphie, Vegetation) erfordern eine gezielte Auswahl von repräsentativen Profilen. Die Auswahl richtete sich nach folgenden, in ihrer Bedeutung nach unten abnehmenden, Kriterien:

Ausreichende Bohrtiefe (≥ 2 m)

Hohe Torfmächtigkeit (≥ 0,8 m)

Zersetzungsgrad ZG (1–7) ist beschrieben

Bevorzugt wurden Bohrungen aus den Kerngebieten des Moores als Leitprofile für die Bewertung ausgewählt. In größeren Mooren, mit nicht zusammenhängenden Moorflächen, wurden mehrere Bohrpunkte ausgewählt.

Bewertungskriterien der Bewertungsmatrix

Die Bewertung der Moore hinsichtlich ihrer Archivfunktionen erfolgte durch die Ausarbeitung der Bewertungskriterien (BK) und ihrer Anwendung auf die Informationsgrundlage. In Anlehnung an den Leitfaden der Labo ((2011) sind als primär wertgebende Eigenschaften die Besonderheit, der Informationsgehalt, die Eigenart und charakteristische Art und Ausprägung der Moore zu berücksichtigen. Die Bewertungsmaßstäbe bzgl. ihrer Gewichtung und Referenzen wurden, in Anlehnung an Gall et al. (2018), in dieser Arbeit weiter verfeinert. Das folgende Schema (Abbildung 1) veranschaulicht den strukturellen Aufbau dieser Untersuchung und die Erarbeitung der Bewertungsmatrix. Die differenzierte Gewichtung der einzelnen Bewertungskriterien wird mithilfe von Faktoren realisiert. Je geringer das jeweilige BK in der Gesamtbewertung eine Rolle spielt, desto kleiner ist sein Wert.

Abbildung 1

Schematischer Aufbau der Erarbeitung der Bewertungsmatrix. Die blau unterlegten Bewertungskriterien (BK) werden für die Evaluierung der Moore in SH herangezogen und sind mit einem bestimmten Faktor versehen, um ihre unterschiedliche Gewichtung zu determinieren.

Figure 1. Schematic structure of the development of the evaluation matrix. The assessment criteria (BK) highlighted in blue are used for the evaluation of the peatlands in SH and are provided with a certain factor in order to determine their different weighting.

Kulturelle Bedeutung

Zu berücksichtigen ist, dass alle Böden in unterschiedlichem Maße Archive darstellen. Böden sind dann schutzwürdig, wenn sie die Funktionen als Archive der Natur- und Kulturgeschichte nach BBodSchG § 2, Abs. 2 in besonderem Maße erfüllen. Durch anthropogene Überprägung und Drainage können zentrale Funktionsstrukturen wie das Akrotelm jedoch irreversibel geschädigt werden (Pfadenhauer, 1995). Die Folgen sind hohe Zersetzungsgrade des Oberbodens mit fortschreitender Mineralisierung und stagnierendem Wachstum der Torfschicht (Ottow, 2011). Durch diese Prozesse erleiden diese als Archivböden definierten Standorte starke Einbußen in ihrer Funktionalität, wodurch vorhandene Artefakte (auch durch Wiedervernässung) stark in Mitleidenschaft gezogen werden können, da nach Milner et al. (2010) saures Grundwasser in Verbindung mit eintretendem Sauerstoff aus der Atmosphäre zweifellos einen negativen Einfluss auf vorhandenes Knochengewebe hat. Diese Aspekte der kulturellen Bedeutung werden in den Parametern „Degradation des Archivs“, „Torfmächtigkeit“, „Artefaktfund“, „Erwarteter Artefaktfund“ und „Zugänglichkeit“ berücksichtigt.

Wie stark der Humus einer Zersetzung unterliegt, ist anhand der Farbe und Struktur zu erkennen. Die torfartenspezifischen Zersetzungsgrade nach von Post sind in der KA5 (S. 128) beschreiben (Tabelle 2) und werden auch als Humositätsgrade (H) bezeichnet. Weißlich-gelbe Torffärbung weist auf einen geringen Zersetzungsgrad hin und wird mit „H1“ beschrieben. Bei schwarzer Färbung, ohne erkennbare Pflanzenstrukturen, ist die Zersetzung des Torfes entsprechend stark fortgeschritten und erreicht den Maximalwert von „H10“. Für eine qualitative Bewertung der Torfstruktur des Archivs werteten Gall et al. (2018) diverse Torfarten auf Grundlage des Moorarchivs der Humboldt-Universität zu Berlin aus. Dies erfolgte anhand von Referenzproben aus unterschiedlichen Schichttiefen. Die Analyse ergab, dass bei Archivböden unterhalb 80 cm unter Geländeoberfläche (GOF) ein intensiver anthropogener Einfluss nahezu ausgeschlossen werden kann. Weiterhin besitzen unterschiedliche Torfarten im Tiefenintervall 80–150 m u. GOF auch unterschiedliche Zersetzungsgrade. So ergab die Analyse für Braunmoos- und Schilftorfe einen Zersetzungsgrad (ZG) von H 4, für Radizellentorfe H 5 und Bruchwaldtorfe H 6. Ohne Berücksichtigung der Torfarten ergibt sich ein durchschnittlicher ZG von ca. H 6,4. Auf Grundlage dieser statistischen Erhebung wurde der ZG ≥ H 7 als Maß für das Bewertungskriterium „Degradation“ herangezogen. Da in der BPD der Torfzustand als „Zersetzungsstufe (ZS)“ und nicht als „Zersetzungsgrad (ZG)“ angegeben ist, wurde eine Konvertierung (Tabelle 3) nach Bodenkundlicher Kartieranleitung (Ad-hoc-AG Boden, 2005) vorgenommen, um die ZS in der BPD adäquat zu bewerten. Beispielsweise kann bei einer ZS von < z 4 (≤ H6) keine/kaum Degradation und somit ein naturnaher Zustand des Oberbodens (Akrotelm) angenommen werden.

Degradation des Archivs anhand des Oberbodens, u. a. bewertet durch Zersetzungsgrad (ZG)/Zersetzungsstufen (ZS) nach Ad-hoc-AG Boden, 2005

Table 2. Degradation of the archive based on the top floor, including evaluated by the degree of decomposition (ZG)/decomposition levels (ZS) according to Ad-hoc-AG Boden, 2005

BewertungskriteriumSchlüsselBezeichnungBewertung
Degradationkdkeine Degradation: ZG < z4, intaktes bzw. kein beeinträchtigtes Akrotelm (hw): kein bemerkenswerter anthropogener Einfluss, kontinuierliches Torfwachstum im gesamten Bereich, homogener ZG über den gesamten Torfkörper5
gdgeringe Degradation: Weite Teile des Moorkörpers sind im Oberboden wasserführend, (Akrotelm noch intakt), sichtbarer anthropogener Einfluss. Renaturierung möglich, relativ homogener ZG (< z4) über den gesamten Torfkörper, keine/kaum Vermulmung/Vererdung festzustellen4
mdMäßige Degradation: Drainagemaßnahmen deutlich, Weißtorfstiche vorhanden, Bedingungen für Renaturierung kaum vorhanden (Aufbau eines Akrotelm möglich/vereinzelt noch intakt): punktuell auftretende Vermulmung, überwiegend >= z43
sdstarke Degradation: umfangreicher Torfstich, deutlich erkennbare Pütten (stark vererdeter/vermulmter Oberbodenhorizont): flächendeckende Vermulmung1

Zersetzungsstufe und Zersetzungsgrad (ZG, v. POST) nach Ad-hoc-AG Boden, 2005

Table 3. Decomposition level and degree of decomposition (ZG, v. POST) according to Ad-hoc-AG Boden, 2005

ZersetzungsstufeZersetzungsgrad
z1H 1
H 2
z2H 3
H 4
z3H 5
H 6
z4H 7
H 8
z5H 9
H 10

Die Torfmächtigkeit (Tabelle 4) wird im Wesentlichen durch das Catotelm bestimmt und ist aus kultureller (archäologischer) sowie aus ökologischer Sicht ebenfalls ein relevanter Faktor der Gütebestimmung. Das Catotelm besitzt (je nach Alter und Degradation) im Vergleich zum Akrotelm eine größere Mächtigkeit, eine geringe hydraulische Leitfähigkeit, zeichnet sich durch anaerobe Bedingungen aus und befindet sich direkt unter dem Akrotelm (Clymo, 1984). Anaerobe Bedingungen führen zu einem unvollständigen Abbau der organischen Substanz durch anaerobe Mikroorganismen (Dierssen und Dierssen, 2008) und erhalten organische anthropogene Kulturgüter. Die Anwesenheit anthropogener Kulturgüter ist ein zentrales Kriterium für die Evaluierung der „kulturellen Bedeutung“ (Tabelle 5).

Bewertung der Torfmächtigkeit von Archivböden

Table 4. Assessment of the peat thickness of archives

Bewertungs-kriteriumSchlüsselBezeichnungWertung
Torfmächtigkeitsmsehr mächtig: > 5 m5
mmächtig: 3–< 5 m4
mmmäßig mächtig: 1–< 3 m3
sgmsehr gering mächtig: > 1 m1

Bewertung der kulturellen Bedeutung von Archivböden nach „Artefaktfund“ und „Erwarteter Artefaktfund“

Table 5. Assessment of the cultural significance of archives according to “Artifact Find” and “Expected Artifact Find”

BewertungskriteriumSchlüsselBezeichnungWertung
ArtefaktfundjaEs wurden erhaltene anthropogene Hinterlassenschaften gefunden5
neinEs wurden keine anthropogenen Hinterlassenschaften gefunden1
Erwarteter ArtefaktfundjaEs ist aufgrund der topographischen Lage davon auszugehen, dass Artefakte gefunden werden5
neinWeder die topographische Lage noch vorrangegangene Funde deuten auf Vorkommen hin1

Außerdem wurden, um dem gesellschaftlichen Bewusstsein des Moorarchivschutzes gerecht zu werden, die Bewertungskriterien (BK) „Ausschilderung“ und „Begehbarkeit“ mit aufgenommen. Sie fungieren als Maß für die Öffentlichkeitswirksamkeit. Das BK „Ausschilderung“ nimmt Bezug auf die „Liste beschilderter Moore“ und beschreibt das Vorhandensein von Informationstafeln bzgl. des Moores. Die Kategorisierung der „Begehbarkeit“ (Tabelle 6) wurde mittels Luftbildaufnahmen realisiert. Besitzt das Moorarchiv eine öffentlich zugängliche Straßenanbindung und ist nicht durch privates Grundstück isoliert, wird das Moor als „frei zugänglich“ eingestuft.

Bewertung der kulturellen Bedeutung von Archivböden nach „Ausschilderung“ und „Begehbarkeit“

Table 6. Assessment of the cultural importance of archive according to “signage” and “accessibility”

BewertungskriteriumSchlüsselBezeichnungWertung
AusschilderungjaDas Archiv ist mit Informationstafeln versehen5
neinDas Archiv besitzt keine Informationstafeln3
BegehbarkeitjaDas Moor ist frei zugänglich und besitzt eine Weg-/Straßenanbindung5
neinDas Moor ist nicht frei zugänglich und besitzt keine Weg-/Straßenanbindung3
Ökologische Bedeutung

Die ökologischen Aspekte der Archivböden sind prinzipiell sehr stark mit denen der kulturellen verbunden. Auch hier spielt der „Oberbodenzustand“, definiert als Zustand des oberen Torfhorizontes (0–30 cm), hinsichtlich der hydrologischen Verhältnisse in der Bewertung eine elementare Rolle. Bei Drainage entstehen Saugspannungen von > 1,8 pF, wodurch der Oberboden (Akrotelm) von naturnahen Moorböden in einen kritischen Zustand der Austrocknung gerät. Nach Bartels und Kuntze (1973) und LLUR (2015) beträgt der Wasserverlust bei entsprechender Wasserspiegelsenkung bis zu 97 %. Die Trocknung des Akrotelms kann somit zu irreversiblen Folgen für das Wachstum des Moores führen, ist eindeutig am Oberboden erkennbar und lässt direkte Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit zu. Die Degradation des Oberbodens wird anhand der BPD abgeleitet, ist hinsichtlich seines Zustandes in der KA5 definiert und in Tabelle 7 als BK mit aufgeführt.

Parameter der ökologischen Bedeutung gegliedert in die BK: „Größe“, „Oberbodenzustand“, „Nutzung historisch“, „Nutzung aktuell“

Table 7. Parameters of ecological importance divided into the BH: “size”, “upper soil condition”, “historical use”, “current use”

BewertungskriteriumSchlüsselBezeichnungWertung
Größeggroß (die Moorfläche hat eine Größe von > 50 ha)5
mmittel (die Moorfläche hat eine Größe von 5–50 ha)3
kklein (die Moorfläche hat eine Größe von < 5 ha)1
hwOberboden zeitweilig grundwassererfüllt5
Oberbodenzustand (0–3 dm)hvOberboden mäßig entwässert3
hmOberboden stark entwässert1
Nutzunghistorischuungenutzt, natürliche Vegetation5
waForst4
glextensives/intensives Grünland3
amechanische Bearbeitung/manueller Torfabbau2
tindustrieller Torfabbau1
Nutzungaktuelluungenutzt, natürliche Vegetation5
waForst4
glextensives/intensives Grünland3
amechanische Bearbeitung/manueller Torfabbau2
tindustrieller Torfabbau1

Die Bedeutung des BK „Größe“ ist an den Zustand des Oberbodens gekoppelt. Bei einer entsprechenden Ausdehnung und einer stark voranschreitenden Degradation potenziert sich der Umfang der Mineralisierung und führt so zu entsprechend höheren CO2/CH4-Ausstößen (Kulp, 1995). Die dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff (C) aus der Atmosphäre liegt in natürlichen Hochmooren zwischen 0,2 Mg und 0,3 Mg C ha−1 a−1, in natürlichen Niedermooren zwischen 0,14 Mg und 0,3 Mg C ha−1 a−1 (Höper, 2007). Dies entspricht, bei einer durchschnittlichen C-Akkumulation von 220 kg C ha−1 a−1, in natürlichen Niedermooren bei einer Ausdehnung von 50 ha einer Speicherung von 11 Mg C a−1. Die „ökologische Bedeutung“ wird somit auch durch die flächenhafte Ausdehnung bestimmt und ist im Zuge dieser Arbeit auf 50 ha für „große Moorarchive“ festgesetzt worden. Weisen Moorarchive eine flächenhafte Ausdehnung von < 2 ha auf, werden sie als Kleinstmoore eingestuft, besitzen jedoch im ökologischen Sinne ebenso wichtige Funktionen bzgl. Artenvielfalt wie große Moorarchive.

Nur bei ausreichend Niederschlag und nährstoffarmen Bedingungen kann sich nach Blankenburg und Schäffer (1999) und Kimmel (2014) eine natürliche Moorvegetation etablieren. Dem entgegen stehen die „mechanische Bearbeitung“ sowie der „industrielle Torfabbau“. Die wichtigste anthropogene Einflussnahme ist die Entwässerung von Mooren, um die Nutzung der Moorflächen zu gewährleisten (Blankenburg, 2015). Die Veränderung der entwässerten Moore mit der Zeit hängt von Faktoren wie u. a. Art der Nutzung und den ursprünglichen Eigenschaften des Torfes ab (Truskavetskii, 2014). Optimal für die positive Bewertung hinsichtlich der Naturnähe sind daher unbearbeitete, unter natürlicher Vegetation stehende, nicht entwässerte Moorböden.

Geologische/Bodenkundliche Bedeutung

Die Geologie umfasst wesentliche stratigraphische und pedogenetische Bewertungskriterien und schließt Kriterien wie: „Seltenheit“, „Regionscharakteristik“ und „Monitoring“ des Moores mit ein (Tabelle 8). Das Kriterium „Seltenheit“ von Archivböden wird aus hydrogenetischer Sicht in die Bewertung mit einbezogen. Diese sollen das BK „Größe“ bzgl. der Gesamtbewertung des Moores relativieren, um z. B. Wurzelechte Hochmoore und Kesselmoore in ihrer oftmals sehr kleinflächigen Ausdehnung nicht zu vernachlässigen.

„Seltenheit“ „Regionscharakteristik“ und „Monitoring“ als geologische und pedogenetische Bewertungskriterien

Table 8. “Rarity”, “regional characteristics” and “monitoring” as geological and pedogenetic evaluation criteria

BewertungskriteriumSchlüsselBezeichnungWertung
Seltenheitsselten für die Region (Kesselmoore, wurzelechte Hochmoore etc.)5
mmäßig selten in der Region3
hhäufig in der Region1
Regions charakteristikJaDer Moortyp ist mit seiner Hydrogenetik in der naturräumlichen Landschaft häufig vertreten5
NeinDer Moortyp ist mit seiner Hydrogenetik in der naturräumlichen Landschaft nicht häufig vertreten3
MonitoringJaDas Moorarchiv wird regelmäßig auf diverse Parameter untersucht5
NeinDas Moorarchiv wird nicht regelmäßig auf diverse Parameter untersucht3

Die BK „Heterogenität“, „Bohrtiefe“ „Torfgenese“ „Pollenanalyse“ und „C14-Analyse“ (Tabelle 9) beziehen sich auf die Auswertungen der Pollendiagramme. Der Zersetzungsgrad der organischen Substanz hängt von unterschiedlichen Faktoren wie dem pH-Wert, verfügbaren Nährstoffen, dem Sauerstoffangebot, der Beschaffenheit der Pflanzenreste sowie der Einwirkungsdauer der Zersetzungsprozesse ab (Ad-hoc-AG Boden, 2005). Die „Heterogenität“ nimmt dabei Bezug auf die Genese der organischen Horizonte hinsichtlich ihrer Zersetzungsgrade in 0–80 cm Tiefe. In dieser Tiefe sind nach Gall et al. (2018) anthropogene Einflüsse zu erwarten. Wird zwischen der Tiefe 0–80 cm und > 80 cm sichtbare Unterschiede in den Torfeigenschaften festgestellt, ist dies ein Indiz für anthropogene Prägung und wird mit einem spezifischen Grad der „Heterogenität“ klassifiziert. So kann ein hoher ZG (≥ 4z) als direkte Folge anthropogener Einwirkung interpretiert werden.

„Heterogenität“, „Bohrtiefe“ und „Torfgenese“ sowie Pollen- und C14-Analyse als geologische Bewertungskriterien

Tabel 9. “Heterogeneity”, “drilling depth” and “peat genesis”, as well as pollen and C14 analysis as geological evaluation criteria

BewertungskriteriumSchlüsselBezeichnungWertung
Heterogenitäthohomogen, keine sedimentären Einschlüsse, keine stark variierenden ZG (mineralische Schichten): klare Unterscheidung in Weiß- und Schwarztorf5
mhemäßig heterogen, keine variierenden ZG < 80 cm, Unterscheidung in Weiß- und Schwarztorf möglich4
heheterogen, Vorkommen mineralischer Schichten und versch. ZG in < 80 cm3
shestark heterogen, Vorkommen torffremder organischer und mineralischer Schichten bei variierendem ZG, keine Unterscheidung in Weiß- und Schwarztorf möglich1
Bohrtiefesm> 15 m5
m10–15 m4
mm8–10 m3
gm5–8 m2
f< 5 m1
TorfgenesesgSpätglazial5
pbPräboreal4
bBoreal3
aAtlantikum2
saSubatlantikum1
PollenanalysejaEs wurde eine Pollenanalyse des Untersuchungsgebietes angefertigt5
neinEs wurde kein Pollendiagram des Untersuchungsgebietes angefertigt3
C14-AnalysejaEs wurde eine C14-Analyse des Untersuchungsgebietes angefertigt5
neinEs wurde keine C14-Analyse des Untersuchungsgebietes angefertigt3

Die „Bohrtiefe“ bzw. die „Torfmächtigkeit“ gibt Hinweise über die Dauer der Torfgenese und steht in enger Verbindung zur Pollenanalyse und Horizontheterogenität. Hier gilt, je tiefer die Bohrung, desto höher ist die zeitliche Auflösung hinsichtlich der Torfgenese und der daraus u.a. ableitbaren historischen Klimaverhältnisse. Die „Bohrtiefe“ ist demnach ein Indikator für die Güte der Dokumentation. Das Bewertungskriterium „Beginn der Torfgenese“ wird u. a. durch die „Pollenanalyse“ determiniert. Die Rekonstruktion des Landschaftsbildes und seines Wandels im Verlauf der Zeit mithilfe der Pollenanalyse ermöglicht nicht nur Aussagen über die Umwelt, die der damals lebende Mensch vorfand, sondern auch über Art, Umfang und Zeitpunkt der anthropogenen Einflüsse auf diese Landschaft (LLUR, 2015). Durch ein ausreichend hochauflösendes Pollendiagramm lassen sich z. B. initiale Torfmoosstadien im Profil beobachten und können zeitlich eingeordnet werden. Die Güte wird demnach durch das Alter der Torfe bestimmt. Besonders alte Moorprofile können folglich ältere anthropogene Zeugnisse beinhalten, größere klimatische Zeitspannen abbilden und dementsprechend die „kulturelle Bedeutung“ positiv beeinflussen.

Bewertungsmatrix (BM)

Sämtliche Bewertungskriterien (BK) wurden in der BM zusammengetragen und basierend auf dem „Schlüssel“ einer numerischen „Wertung“ unterzogen. So ergeben sich aus den Hauptkategorien „Kulturelle Bewertung“, „Ökologische Bewertung“ und „Geologische/Bodenkundliche Bewertung“ drei Teilbewertungen des begutachteten Moores, welche durch die Bildung des arithmetischen Mittels aus den drei Teilbewertungen eine „Gesamtbewertung“ erzeugen. Fehlende Informationen der jeweiligen Parameter wurden mit „0“ bewertet. Damit ergibt sich innerhalb der Teilkategorien, und letztlich der Gesamtbewertung, eine entsprechend schlechtere Bewertung, wodurch die Archivfunktion in der Gesamtbewertung herabgestuft wird.

Da die BK der jeweiligen Hauptkategorien des begutachteten Moores eine unterschiedliche Relevanz bzgl. der Güte aufweisen, wurden in der Berechnung verschiedene Faktoren für die BK eingesetzt (Abbildung 1). Beispielsweise lässt das BK „Größe“ keine Beurteilung bzgl. der Naturnähe des Moores zu. Die flächenmäßige Ausdehnung des Moores ist dennoch aus ökologischer Sicht als positiv zu bewerten, da eine höhere Robustheit gegenüber anthropogenen Einflüssen besteht, proportional mehr C gespeichert ist und es demzufolge unter einen besonderen Schutz gestellt werden muss. Um diese Diskrepanz für die Bedeutung „Größe“ zu berücksichtigen, wurde dieses BK mit dem Faktor 1,5 erweitert. So trägt eine geringe Flächenausdehnung des Moores nicht unmittelbar zu einer Verringerung der (ökologischen) Güteklassifizierung des Moores bei. „Degradation“ (kulturelle Bedeutung) sowie „Oberbodenzustand“ (ökologische Bedeutung) werden innerhalb der Berechnung mit dem Faktor „1,5“ versehen (Tabelle 10). Diese Berücksichtigung soll analog zu den Ausarbeitungen von Gall et al. (2018) die besondere Bedeutung dieser Eigenschaften verdeutlichen.

Faktoren der einzelnen Bewertungskriterien in der Bewertungsmatrix

Table 10. Factors of the individual evaluation criteria in the evaluation matrix

HauptgruppeBewertungskriteriumFaktor
Kulturelle BedeutungDegradation1,5
Torfmächtigkeit1,5
Artefaktfund1
Erwarteter Artefaktfund1
Ausschilderung1
Begehbarkeit1
Ökologische BedeutungGröße2
Oberbodenzustand2
Nutzung historisch1
Nutzung aktuell1
Geologische/Bodenkundliche BedeutungSeltenheit1
Regionscharakteristisch1
Monitoring1
Horizontheterogenität1
Bohrtiefe1
Beginn der Torfgenese1
Pollenanalyse0,7
C14-Analyse0,7

Die Hauptgruppen (Tabelle 10) werden in der Bewertung einzeln betrachtet und unter Einbezug der Faktoren bei Bildung des arithmetischen Mittels zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst. Die Gesamtbewertung erfolgt somit auch nach einem Punktesystem, wobei „≥ 4“ die höchste Güteklasse „A“ (höchste Archivfunktion) und „< 2“ die geringste Güteklasse „D“ (geringste Archivfunktion) beschreibt (Tabelle 11).

Gesamtbewertungsklassen, die daraus resultierenden Güteklassen und deren Beschreibung der Moorarchive

Table 11. Overall assessment classes, the resulting quality classes and their description of the moor archives

BewertungBedeutungGüteklasse
≥4„Konkreter Archivboden“: naturnaher Zustand/kaum anthropogener Einfluss, (teilweise) intaktes Akrotelm und von kultureller Bedeutung, mit umfangreicher InformationsgrundlageA
3–<4„Potenzieller Archivboden“: übermäßig naturnaher Zustand unter geringem/sichtbaren anthropogenem Einfluss, geringe kulturelle Bedeutung, solide InformationsgrundlageB
2–<3„Potenzieller Archivboden“: degradierter, naturferner Zustand, teilweise unter starkem anthropogenem Einfluss, kein/kaum intaktes Akrotelm, kaum/keine kulturelle Bedeutung und/oder fehlende DatengrundlageC
< 2„Kein Archivboden“: kein naturnaher Zustand, starke Degradationsmerkmale, keine kulturelle Bedeutung, geringe/keine InformationsgrundlageD

Die Bewertungsmatrix mit insgesamt 18 Bewertungskriterien wurde zunächst auf Moore angewandt, deren bewertungsrelevanten Eigenschaften anhand von vorliegenden Gutachten hinreichend dokumentiert sind. Basierend auf der aktuellen Fachliteratur konnten 30 Moore unter den Voraussetzungen: „ökologische Relevanz“ und „vollständige Informationsgrundlage“ bewertet werden.

Die BK: „Degradation“, „Torfmächtigkeit“, „Oberbodenzustand“, Bohrtiefe“ sowie „Nutzung“ und „Bohrtiefe“ lassen sich aus der Bodenkundlichen Profildatenbank (BPD) ableiten. Dies ist insbesondere für einen direkten Moorvergleich von entscheidender Bedeutung. „Ausschilderung“ „Begehbarkeit“, „Pollenanalyse“ und „C14-Analyse“ bilden die kulturelle Bedeutung und den aktuellen Stand der Dokumentation ab. „Degradation“ und „Torfmächtigkeit“ sind nach wie vor wichtige Indizien für die Güte des Moorarchivs und werden daher mit einem entsprechenden Faktor von 1,5 belegt) (Tabelle 12).

Faktorverteilung der Parameter in der Bewertungsmatrix aus den Quellen: BPD (Bodenkundliche Profildatenbank), LLUR (Landesamt für Landschaft, Umwelt und Ländliche Räume Schleswig-Holstein), QGIS (Geoinformationssystem)

Table 12. Factor distribution of the parameters in the evaluation matrix from the sources: BPD (soil science profile database), LLUR (state office for landscape, environment and rural areas Schleswig-Holstein), QGIS (geographic information system)

HauptgruppeParameterQuelleFaktor
Kulturelle BedeutungDegradationBPD1,5
TorfmächtigkeitBPD1,5
AusschilderungLLUR1
BegehbarkeitLLUR1
Ökologische BedeutungOberbodenzustand (0–3 dm)BPD1
Nutzung aktuellBPD1
GrößeQGIS1
Bodenkundliche/Geologische BedeutungBohrtiefeBPD1
PollenanalyseGutachten0,7
C14-AnalyseGutachten0,7
Ergebnisse und Diskussion

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine umfangreiche Bewertung von Moorarchiven in Schleswig-Holstein angestrebt, um den Zustand mit der derzeit zur Verfügung stehenden Informationen abzubilden. Die Erhebung dieser Daten erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, so bestehen insbesondere in den vorliegenden Gutachten sehr heterogene Bewertungsmaßstäbe in Abhängigkeit von der Schwerpunktsetzung. Eine unzureichende/lückenhafte Datengrundlage betrifft den Großteil der Moorarchive, weshalb jene nicht mit sämtlichen BK (Tabelle 10) evaluiert werden können. Um dennoch eine höhere Anzahl an Moorarchiven einer Bewertung zu unterziehen, wurde die Auswahl der Bewertungskriterien auf ihre „umfangreiche Verfügbarkeit“, „Integrität“ und „Konsistenz“ festgelegt und sie sind in Abbildung 1 blau unterlegt.

In Abbildung 2 sind die bewerteten Moorstandorte in der Schleswig-Holsteinkarte abgebildet. Von den 140 Standorten befinden sich 59 % der Moorarchive im östlichen Hügelland, 23,6 % in der Hohen Geest, 5,7 % in der Vorgeest und 11,4 % in der Marsch. Dies ergibt in der Summe eine Fläche von ca. 17.830 ha bewerteter Gesamtfläche. Nach BÜK 250 sind 113.738 ha Nieder- und Hochmoore und Anmoorgleye in Schleswig-Holstein katalogisiert. Somit wurden bisher 25 % der Moore evaluiert.

Abbildung 2

Lage der 140 bewerteten Moorarchivstandorte in Schleswig-Holstein (rot markierte Flächen)

Figure 2. Location of the 140 evaluated archive locations in Schleswig-Holstein (areas marked in red)

Die hydrogenetische Gliederung der Moortypen ist in Tabelle 13 dargestellt. Mit einem Anteil von 27 % wurden deutlich mehr Normniedermoore und Übergangsmoore (HNn und HNu) als Hochmoore (HH) bewertet. Die Kategorie HH schließt sämtliche hydrogenetisch besondere Hochmoore mit ein. Unter „Sonstige“ fallen Moortypen, welche nicht direkt den klassischen Moortypen zuzuordnen bzw. gar nicht zuzuordnen sind (z. B. Moorgleye).

Prozentuale Verteilung der begutachteten Moortypen aus der Bewertungsmatrix, HN = „Niedermoor“, HH = „Hochmoor“, KV = „Erdniedermoor“, KM = „Mulmniedermoor“, KH = „Erdhochmoor“, n = 140

Table 13. Percentage distribution of the assessed moor types from the evaluation matrix, HN = “Rheic Histosol”, HH = “Ombric Histosol”, KV = “Rheic Drainic Histosol”, KM = “Rehic Murshic Histosol”, KH = “Ombric Drainic Histosol”, n = 140

MoortypHNHHKVKMKHSonstige
Relativer Anteil27 %7 %24 %20 %14 %8 %

Erdniedermoore (KV), Mulmniedermoore (KM) und Erdhochmoore (KH) machen insgesamt 45 % der begutachteten Moore aus und befinden sich somit in einem „naturfernen Zustand“. Diese zeichnen sich durch vererdete (Hv) oder vermulmte (Hm) Oberböden aus. Die Auswertung ergibt weiterhin, dass jene Moortypen vorrangig aus Drainage (und anschließendem Torfstich) hervorgegangen und demnach durch starke anthropogene Überprägung entstanden sind. Die Auswertung der BPD ermöglicht zudem Rückschlüsse auf die zeitliche Entwicklung der Archivböden durch wiederholte Kartierungen. So konnte bei einigen Mooren eine Verschlechterung der ökologischen Bedingungen festgestellt werden.

Tabelle 14 beschreibt die Verteilung der Moortypen in den einzelnen Güteklassen (GK). In der GK „A“ liegt der größte Anteil bei Niedermoor (HN) und Hochmoor (HH) mit 76 %, wobei 23 % den Erdniedermooren (KV) und Erdhochmooren (KH) zugeordnet werden. Da nicht nur der ökologische Zustand eine Rolle in der Bewertung spielt, ist es auch möglich, dass „naturferne“, gut dokumentierte Moore in der Gesamtbewertung unter eine vergleichsweise hohe GK fallen. In der GK „B“ ist ein hoher Anteil an Erdund Mulmniedermooren (76 %) zu beobachten, wobei Erdniedermoore (KV) mit 37 % am stärksten vertreten sind.

Zusammensetzung der Güteklassen (A–D) aus den kategorisierten (HN = „Niedermoor“, HH= „Hochmoor“, KV = „Erdniedermoor“, KM = „Mulmniedermoor“, KH = „Erdhochmoor“) und nicht kategorisierbaren Moortypen (Sonst.) nach bodenkundlicher Kartieranleitung (Ad-hoc-AG Boden KA 5). Besonders hohe Anteile (> 10) in den Güteklassen sind grün unterlegt (n = 140). Die prozentualen Angaben der jeweiligen Moortypen beziehen sich auf die Anzahl der klassifizierten Moore der jeweiligen Güteklassen.

Table 14. Composition of the quality classes (A–D) from the categorized (‚HN = „Niedermoor“, HH = „Hochmoor“, KV = „Erdniedermoor“, KM = „Mulmniedermoor“, KH = „Erdhochmoor“) and non-categorizable moor types (Sonst.) according to soil mapping instructions (Ad-hoc-AG Boden KA 5). Particularly high proportions (> 10) in the quality classes are highlighted in green (n = 140). The percentages of the respective peat types refer to the number of classified peatlands of the respective quality classes.

GüteklasseMoortypen
Naturnahe MooreErd- und MulmmooreSonst.
HNHHKVKMKH
A13 (62 %)3 (14 %)2 (10 %)0 (0 %)3 (14 %)0 (0 %)
B10 (15 %)4 (6 %)24 (37 %)11 (17 %)14 (22 %)2 (3 %)
C4 (13 %)0 (0 %)7 (22 %)17 (53 %)2 (6 %)2 (6 %)
D11 (50 %)1 (5 %)2 (9 %)0 (0 %)1 (5 %)7 (32 %)

Naturnahe Moore (Normniedermoore, -hochmoore) machen in dieser Klasse einen Anteil von 21 % aus. In der GK „C“ werden nur noch 13 % der Moore als naturnaher Bodentyp ausgewiesen. Hierbei ist die geringe GK maßgebend durch fehlende Informationen hervorgerufen. Hierzu zählen die als naturnahe Moore beschriebenen Standorte, die verhältnismäßig weniger bewertungsrelevante Informationen liefern. Deutlicher wird dies in der GK „D“. Hier werden 50 % als „naturnahe Moore“ angesprochen. Bzgl. dieses Aspektes ist das Alter der Informationen von großer Bedeutung, da ein nicht unerheblicher Anteil der zur Verfügung stehenden Informationen aus den 50er- / 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammen.

Aufgrund fehlender Gesetzesgrundlage fand über wenige Dekaden mit dem Anstieg industrieller Landwirtschaft eine umfangreiche Degradation (Entwässerung, Umbruch etc.) der Moorlandschaft statt. Laut Landesamt für Naturschutz und Landschaftspflege (1977) sind ausgehend von 53.000 ha naturnahe Hochmoorfläche in Jahr 1877 nach 100 Jahren nur noch 10 % nicht kultivierte Hochmoorfläche (5500 ha) vorhanden. Vom Menschen unbeeinflusste Moore finden sich in Schleswig-Holstein praktisch gar nicht mehr, etwa 12 % der Moore werden als naturnahe Moore mit Senkenfunktion eingeschätzt (MLUR, 2011). Auch hier ist der anthropogen bedingte Grundwasserabfall als Hauptgrund für diese Entwicklung herangezogen. So ist davon auszugehen, dass ab den 1950ern weitere Moorflächen entwässert wurden und nach erneuter Evaluation deutlich schlechtere ökologische Kennwerte aufzeigen würden.

Den geringsten Anteil beschreiben „konkrete Archivböden“ mit 15 % und sind der GK „A“ zugeordnet. Der größte Anteil der bewerteten Moorarchive wird der GK „B“ als „potenzielle Archivböden“ zugeordnet und umfasst 46 % (Tabelle 15). Diese Moore belegen eine sichtbare anthropogene Einflussnahme, befinden sich jedoch nur punktuell in einem „naturnahen Zustand“, in dem ein regenerationsfähiges Akrotelm nachgewiesen wurde. Somit besteht ein hohe Potential der erfolgreichen Rückführung in einen „flächenhaften naturnahen Zustand“. Der GK „C“ werden 32 Moore (23 %) zugeordnet. Hier ist der Torfkörper nur noch sporadisch vorhanden, in seiner voranschreitenden Degeneration jedoch kaum noch aufzuhalten und nur noch unter extrem hohem Aufwand wieder in einen natürlichen Zustand zu versetzen. Diese Moore sind stark entwässert, weisen eine unnatürliche Vegetation auf und unterliegen/unterlagen größtenteils mechanischer Bearbeitung wie industriellem Torfstich. Moore, welche weder intakte Archivfunktionen noch einen ausreichenden Dokumentationsstand aufweisen, werden als „kein Archivboden“ (GK „D“) eingestuft und betragen 16 % der bewerteten Moore.

Anzahl der Moore in Abhängigkeit der jeweiligen Güteklassen A–D aus der Bewertungsmatrix (A = „Konkreter Archivboden“, B + C = „Potenzieller Archivboden“, D = „Kein Archivboden“) (n = 140)

Table 15. Number of bogs depending on the respective quality classes A–D from the evaluation matrix (A = “concrete archive”, B + C = “potential archive”, D = “no archive”) (n = 140)

GüteklasseABCD
Absoluter Anteil21 (15 %)65 (46 %)32 (23 %)22 (16 %)

Besonders kleinflächige Moore reagieren in einer vorrangig sandigen und intensiv genutzten Umgebung besonders sensibel (Luthardt et al., 2010). Kleinstmoore (≤ 2ha) sind, laut NMELF (1986), aufgrund ihrer geringeren Puffereigenschaften anfälliger für pH-Wert-Änderungen und Nährstoffeinträge und gehören aus heutiger Sicht zu den extrem gefährdeten Biotopen, da direkt an landwirtschaftlich genutzten Flächen angrenzend keine naturnahen Kleinstmoore mehr zu finden sind. Diese Ergebnisse decken sich auch mit der vorliegenden Auswertung. Kleinstmoore tendieren in ihrer Gesamtbewertung zu den schlechteren Güteklassen (C und D). So ist die durchschnittliche Fläche der Güteklasse „A“-Moore (~ 393 ha) um den Faktor 19 größer als die der Güteklasse „D“-Moore (~ 20 ha). Das BK „Größe“ ist daher unter verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Hinsichtlich der klimatischen Relevanz sind großflächige Moore besonders hervorzuheben, doch entsteht hier gleichzeitig ein Zielkonflikt mit dem Schutz artenreicher und diverser Kleinstmoore, welche unter diesem Kriterium benachteiligt werden. Hier werden BK wie „Flora“ und „Fauna“ für die BM von entscheidender Bedeutung, da so eine Relation des Kriteriums „Größe“ in ökologischer Hinsicht geschaffen werden kann.

Aus den Befunden lassen sich zwei wesentliche Gefahren ableiten. Nach Trepel (2007) befinden sich in Schleswig-Holstein mehr als 81 % der Moorflächen unter Grünland oder landwirtschaftlicher Nutzung (davon 25 % als Ackerland), sodass nur noch ca. 2,3 % der Niedermoore und 5,1 % der Hochmoore als naturnah beschrieben werden können. In der Folge werden durch intensive Landwirtschaft und der dadurch resultierenden Drainage und dem Nährstoffeintrag heute vorrangig die noch vorhandenen Kleinstmoore gefährdet. Zum anderen führt der industrielle Torfabbau des letzten Jahrhunderts bis heute zu einer erheblichen Änderung der Wasser- und Nährstoffdynamik vor allem großer Moore (≥ 50 ha) während der Gewinnung. Die Einflüsse einer intensiven Nutzung von Moorlandschaften stellen aus aktueller Sicht nicht nur für Moorarchive selbst eine Bedrohung dar. Untersuchungen von Couwenberg und Joosten (2001) kalkulieren mit einem Moorbestand in Deutschland von 1.600.000 ha, was 4,6 % der Gesamtfläche Deutschlands ausmacht. Drainierte, landwirtschaftliche Moorböden sind die größte Quelle für Treibhausgase in der deutschen Landwirtschaft, obwohl nur 7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf drainierten Moorböden liegen. Drainierte organische Böden emittieren laut Umweltbundesamt (2015) und Drösle und Freibauer (2011) ca. 5 % der deutschen Treibhausgase. Mooräcker emittieren nach Untersuchungen von Drösle (2001) und Höper (2015) 44,2 Mg CO2 - Äquivalente ha−1a−1. Bei Moor unter Grünland sind es 22,2 Mg CO2-Äquivalente ha−1 a−1. Wie schon in Kapitel 2.5 angesprochen, werden nach Höpner (2007) in Niedermooren durchschnittlich 0,22 Mg C-Äquivalente ha−1a−1 gespeichert. Gemäß diesen Erhebungen ist davon auszugehen, dass die Emissionsrate bei Mooren unter Ackernutzung pro Hektar und Jahr die C-Akkumulationsrate um den Faktor 200 übersteigt. Die Klimaerwärmung, hervorgerufen durch die Emission von Treibhausgasen, macht sich nach Bronstert et al. (2003) sowohl global als auch regional bereits heute bemerkbar und beträgt im Land Brandenburg beispielsweise innerhalb der letzten 40 Jahre 1°C.

Schlussfolgerung

Um die Archivfunktion von ausgewählten Moorböden in Schleswig-Holstein systematisch zu überprüfen, wurde eine Bewertungsmatrix erarbeitet, anhand derer eine landesweite Ausweisung von Mooren als Archive der Natur- und Kulturgeschichte vorgenommen werden kann. Als Bewertungsgrundlage dienten Punkt- und Flächeninformationen, umfangreiche Fachliteratur, Gutachten, Dissertationen und Publikationen des LLUR sowie abgefragtes Moorexpertenwissen.

Die Bewertungsmatrix wurde in dieser Erhebung für 140 Moore angewandt, was ca. 25 % der Moorflächen Schleswig-Holsteins entspricht und deren bewertungsrelevanten Eigenschaften anhand von erstellten Gutachten überwiegend hinreichend dokumentiert sind. Die bewerteten Moorstandorte wurden nach vier Güteklassen (GK) „A“ bis „D“ kategorisiert. Als „konkrete Archivböden“ (GK „A“), welche ausgewählte ökologische Funktionen gewährleisten und kaum anthropogene Einflüsse aufweisen, wurden nach bisheriger Auswertung nur 15 % ausgewiesen. Während Moore der GK „A“ noch als „naturnahe Moore“ beschrieben werden können, ist der Großteil der ausgewerteten Moore durch Landwirtschaft und Torfstich anthropogen stark überprägt und dementsprechend den geringeren Güteklassen zugeordnet. Dabei stellt noch ca. die Hälfte (46 %) der ausgewerteten Moore „potenzielle Archivböden“ der GK „B“ dar. Bei diesen sind anthropogene Einflüsse erkennbar. Sie gelten jedoch im Vergleich zu den „potenziellen Archivböden“ der GK „C“ (23 %) noch als regenerationsfähig. Während die Archivfunktion von Mooren der GK „C“ noch mindestens in einer der drei Hauptkategorien ausreichend gut bewertet sind, haben 16 % der Moore ihre Archivfunktion bereits vollständig verloren oder wurden bisher unzureichend dokumentiert und fallen somit unter die GK „D“.

In der Auswertung des Datenmaterials zeichnete sich – je nach Fachdisziplin – eine starke Heterogenität in der Darstellungsweise der bewertungsrelevanten Informationsgehalte ab. Eine flächendeckende und übertragbare Bewertung von Archivböden bzgl. deren Schutzwürdigkeit und Archivfunktion erfordert daher eine qualitative Anpassung der interdisziplinären Bewertungsparameter auf eine möglichst große Schnittmenge an den zu erhebenden Daten. Die auf diese Weise festgelegten notwendigen 18 Bewertungskriterien decken die drei Hauptkategorien „Kulturelle Bedeutung“, „Ökologische Bedeutung“ und „Bodenkundliche/Geologische Bedeutung“ des Archivs in umfangreichem Maße ab, wurden jedoch aufgrund des heterogenen (v. a. unzureichenden) Dokumentationsstands auf 10 Bewertungskriterien reduziert, um eine flächendeckende Evaluation der Moore in Schleswig-Holstein zu realisieren. Ein umfangreicher, nachhaltiger und ökonomisch effektiver Schutz der noch verbliebenen „naturnahen“ Moorstandorte ist von bedeutendem Interesse und nur dann zu realisieren, wenn auf politischer Ebene eine klare Zusammenarbeit zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft stattfindet. Dieses einheitliche Evaluationsverfahren ermöglicht die Kommunikation zwischen diesen Interessen, um damit die komplexe Sachlage verständlicher darzustellen.

eISSN:
0006-5471
Sprache:
Englisch
Zeitrahmen der Veröffentlichung:
4 Hefte pro Jahr
Fachgebiete der Zeitschrift:
Biologie, Ökologie, andere