Definition of an Entrustable Professional Activity for interprofessional patient handover for nurses - an interview study / Definition einer Entrustable Professional Activity zur interprofessionellen Patientenübergabe für Pflegefachpersonen – eine Interviewstudie
Published Online: Aug 19, 2024
Page range: 75 - 85
Received: May 07, 2024
Accepted: Jun 13, 2024
DOI: https://doi.org/10.2478/ijhp-2024-0007
Keywords
© 2024 Matthias J. Witti et al., published by Sciendo
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Die Patientenübergabe zwischen Ärzten/-innen und Pflegefachpersonen (PFP) ist entscheidend für die Patientensicherheit. Kommunikationsfehler während der Patientenübergabe führen immer wieder zu vermeidbaren Behandlungsfehlern (Abdellatif et al., 2007; Leotsakos et al., 2014). Nach Definition der British Medical Association umfasst die Patientenübergabe die vorübergehende oder dauerhafte Übertragung von professioneller Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für einige oder alle Versorgungsaspekte für einen oder mehrere Patienten/-innen auf andere Personen oder Professionen (British Medical Association, 2004). Die Patientenübergabe dient in erster Linie der kontinuierlichen Weitergabe klinisch relevanter Informationen, um eine nahtlose Patientenversorgung zu gewährleisten (Hinding et al., 2019).
Die Forschung zur interprofessionellen Kommunikation bei der Patientenübergabe im pflegerischen und ärztlichen Bereich ist lückenhaft (Redley et al., 2017). Sie bezieht sich hauptsächlich auf die Auswirkungen der interprofessionellen Kommunikation innerhalb der Patientenübergabesituation, auf den Prozessablauf der klinischen Patientenübergabe sowie auf den einfachen interprofessionellen Informationsaustausch zur laufenden Patientenversorgung. Zudem beschränkt sich die bisherige Studienlage vor allem auf Defizite und deren Auswirkungen. Die Erforschung effektiver Praktiken, die über den Einsatz verschiedener Patientenübergabe-Tools zur interprofessionellen Patientenübergabe (IPÜ) hinausgehen, wird dagegen vernachlässigt (Redley et al., 2017). Studien legen nahe, dass eine strukturierte Gestaltung der Patientenübergabe sowohl im pflegerischen als auch im ärztlichen Bereich sinnvoll ist. Zahlreiche Patientenübergabe-Tools wie SBAR (Situation; Background; Assessment; Recommendation) wurden entwickelt, um die Patientenübergabe zu standardisieren (Müller et al., 2018; Rosenthal et al., 2018). Forschungsergebnisse, die sowohl kognitive als auch soziale Verhaltensweisen in der Zusammenarbeit im Rahmen der IPÜ beschreiben, die zur Patientensicherheit und Qualitätsverbesserung für Patienten/-innen beitragen, sind jedoch kaum vorhanden (Redley et al., 2017). Evaluationsinstrumente zur IPÜ sind auf nationaler Ebene bisher nur monoprofessionell aus medizinischer bzw. ärztlicher Sicht beschrieben (NKLM, 2021).
Eine effektive und sichere Patientenübergabe ist eine erlernbare Fähigkeit (Charité – Universitätsmedizin Berlin, 2018). Die selbstständige Durchführung von Patientenübergaben wird von Ärzten/-innen und PFP nach Abschluss ihres Studiums (NKLM, 2021) bzw. ihrer Ausbildung vorausgesetzt (§ 9 Absatz 1 Satz 2, Anlage 2, PflAPrV, 2018). Die IPÜ sollte in Studium und Ausbildung daher systematisch erlernt, geübt und geprüft werden (Jünger, 2018). Über die Notwendigkeit hinaus, die IPÜ zu üben, ist es eine große Herausforderung, beurteilen zu können, ob Lernende tatsächlich in der Lage sind, eine IPÜ sicher und effektiv durchzuführen. Klinische interprofessionelle Kernaktivitäten (z. B. eine Visite durchführen; Wölfel et al., 2016) sind ganzheitlicher Natur und erfordern eine dynamische Integration vieler Kompetenzen und deren Überprüfung (Witti et al., 2023). Eine IPÜ ist ebenfalls eine solche klinische Kernaktivität. Eine simulationsbasierte Lernumgebung mit kooperativen Lernskripts (Witti et al., 2023) erscheint geeignet, um interprofessionelle Aktivitäten zur IPÜ strukturiert und standardisiert zu erlernen, zu üben und zu überprüfen. Eine solche Lernumgebung bedarf jedoch einer zu entwickelnden theoretischen Fundierung sowie eines Bewertungsleitfadens, um auch außerhalb der theoretischen Ausbildung nachhaltig Anwendung zu finden (Witti et al., 2023). Das Konzept der Entrustable Professional Activities (EPA), das einen hohen Theorie-Praxis-Transfer gewährleistet, erscheint hier vielversprechend (ten Cate & Taylor, 2021).
Das EPA-Konzept wurde im Gesundheitswesen 2005 als Reaktion auf die Veränderungen in der medizinischen Ausbildung mit dem Fokus auf eine kompetenzbasierte medizinische Ausbildung eingeführt. EPAs sind beobachtbare Beschreibungen klinischer Tätigkeiten, bestehend aus Wissen, Fähigkeiten und Verhalten (ten Cate & Taylor, 2021). Mit einer detaillierten Beschreibung können EPAs verschiedene Funktionen erfüllen. Einerseits können EPAs den Lehrenden Klarheit darüber verschaffen, was der Lernende bereit und befähigt ist, im Rahmen der Gesundheitsversorgung zu leisten. Andererseits geben EPAs an, wie viel Supervision der oder die Lernende noch benötigt. Darüber hinaus wurde das EPA-Konzept für praktisch tätige Lehrende zur besseren Operationalisierung der Beurteilung von Kompetenzen am Arbeitsplatz eingeführt (Holzhausen et al., 2019). Außerdem kann eine vollständige EPA-Beschreibung Lernenden als Leitfaden dienen, um sich Ziele zu setzen und Lernfortschritte zu überprüfen (ten Cate & Taylor, 2021).
Für mehr Transparenz und Standardisierung in der Ausarbeitung von EPAs wird von ten Cate & Taylor (2021) empfohlen ein einheitliches Raster zur inhaltlichen Strukturierung von EPAs (ten Cate & Taylor, 2021) zu nutzen (s. Abb. 1).

EPA-Strukturraster nach ten Cate & Taylor (2021).
Ziel ist es, durch eine schrittweise und sichere Einbindung der Lernenden mittels EPAs eine Verbindung zwischen fortschreitender Beherrschung und zunehmender Autonomie in der Patientenversorgung im klinischen Setting herzustellen. Darüber hinaus werden in einer EPA die Schritte hin zur eigenständigen Patientenversorgung mittels transparenter Teilaktivitäten beschrieben und strukturiert. Bei der Gestaltung einer EPA ist es wichtig, dass die darin beschriebene Arbeitseinheit zum einen übertragbar und delegierbar ist; zum anderen soll sie einen relevanten Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten (ten Cate & Taylor, 2021).
EPAs sind stark kontext- sowie kulturspezifisch und daher nicht ohne weiteres zwischen verschiedenen Krankenhäusern übertragbar, da etwa Standards oder Richtlinien von Krankenhaus zu Krankenhaus variieren (Holzhausen et al., 2019). Hinzu kommt, dass die Entwicklung von EPAs in Deutschland primär im Kontext der ärztlichen Ausbildung und nicht im Kontext der pflegerischen Ausbildung stattgefunden hat. So existiert für die ärztliche Profession bereits eine EPA „Strukturierte intra- und interprofessionelle Patientenübergabe“ (NKLM, 2021). Diese EPA ist jedoch nicht auf die pflegerische Profession übertragbar und kann auch nicht so einfach auf ein anderes klinisches Setting (z. B. anderes Krankenhaus) übertragen werden. Darüber hinaus sind EPAs, die die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsberufen bewerten sollen, nicht mit den beschriebenen Merkmalen aus der Literatur zu EPAs vereinbar (ten Cate & Pool, 2020). Einige klinische Aktivitäten sind jedoch von Natur aus interprofessionell und können nicht anders durchgeführt werden (Witti et al., 2023). Aus dieser Perspektive müssen bestimmte EPAs interprofessionell konzipiert und auf die jeweilige Aktivität ausgerichtet sein. Die Patientenübergabe zwischen Ärzten/-innen und PFP stellt eine solche Aktivität dar. Mit dem Ziel, die IPÜ als Aktivität für die interprofessionelle Ausbildung sowie die professionsspezifische Bewertung von PFP in der Praxis zugänglich zu machen, wollten wir eine EPA zur interprofessionellen Patientenübergabe für PFP entwickeln, die komplementär zu der entsprechenden EPA aus der Ärzteschaft ist. Vor diesem Hintergrund wurde eine qualitative Interviewstudie durchgeführt, um die nachstehenden explorativen Fragestellungen zu beantworten:
RQ1 Welche Aufgaben haben PFP bei der selbstständigen Durchführung einer IPÜ? RQ2 Welche sozialen und kognitiven Aktivitäten und Teilaktivitäten müssen PFP im Rahmen der IPÜ besitzen und durchführen?
Wir wählten ein qualitatives, exploratives Design, angelehnt an Wölfel et al. (2016), um die subjektiven Meinungen und Erfahrungen von PFP und Ärzten/-innen zur IPÜ in unserem Setting, ein Krankenhaus der Maximalversorgung, zu erfassen. Es wurde eine Interviewstudie im Frühjahr 2021 durchgeführt, um strukturelle und prozessuale Bedingungen für eine IPÜ in der Pflege, definiert nach dem Konzept der EPA, zu identifizieren (ten Cate & Taylor, 2021).
Es wurden Interviewteilnehmende gesucht, die in der Lage sein sollten, kompetent Auskunft zu geben, um bestehende Wissenslücken zu schließen und komplexes Wissen zur IPÜ praxisnah zu bewerten und zu vermitteln (Bogner et al., 2014). Die Stichprobenauswahl basierte auf vorab festgelegten Kriterien, um die IPÜ in dem von uns gewählten Setting (Krankenhaus der Maximalversorgung) zu untersuchen. Dieses Verfahren wurde mit dem Snowball-Sampling kombiniert, um bestehende Beziehungen im Setting zu nutzen (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Eingeschlossen wurden PFP und Ärzte/-innen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung, die in unserem Setting tätig sind und Erfahrung in interprofessionellen Teams haben. Alle Fachdisziplinen und Leitungsfunktionen wurden eingeschlossen, um unterschiedliche kulturelle und methodische Zugänge zur IPÜ zu berücksichtigen. Zusätzlich wurden Interviewteilnehmende gesucht, die spezifische Vorkenntnisse in den Bereichen „interprofessionelle Ausbildung“ und „interprofessionelle Zusammenarbeit“ im Kontext der IPÜ besaßen.
Alle potenziellen Interviewteilnehmenden wurden über Multiplikatoren aus unserem Setting persönlich per E-Mail kontaktiert und erhielten vorab ein persönliches Anschreiben mit einer kurzen Beschreibung unseres Forschungsvorhabens.
Insgesamt wurden 20 Einzelinterviews durch den Erstautor (MJW; Pflegefachperson, Pflegepädagoge B. A, Bildungswissenschaftler M.A.) durchgeführt (s. Tabelle 1), davon 14 in Präsenz und 6 via Videokonferenz. Die Interviews hatten eine durchschnittliche Dauer von 42 Minuten. Die Stichprobe wies eine breite Heterogenität hinsichtlich der Berufserfahrung auf (
Stichprobenbeschreibung.
A1 | W | Assistenzärztin | 3 | Augenheilkunde |
A2 | M | Assistenzarzt | 3 | Gastroenterologie |
A3 | W | Assistenzärztin | 3 | Psychosomatik |
A4 | W | Assistenzärztin | 5 | Pädiatrie |
A5 | W | Assistenzärztin | 2 | Endokrinologie |
A6 | W | Assistenzärztin | 6 | Rheumatologie |
A7 | W | Assistenzärztin | 4 | Pneumologie |
A8 | M | Oberarzt | 11 | Allgemein Medizin |
A9 | W | Facharzt mit lehrbezogenen Aufgaben | 7 | Nephrologie |
A10 | M | Oberarzt /Prof. mit lehrbezogenen Aufgaben | 16 | Geriatrie |
A11 | M | Assistenzarzt mit MME | 7 | Allgemeinmedizin |
P1 | W | PFP/Stationsleitung | 15 | Kardiologie |
P2 | W | PFP/Stationsleitung | 18 | Geriatrie |
P3 | W | PFP/stellv. Stationsleitung/Praxisanleitung | 28 | Geriatrie |
P4 | W | PFP (B.A) | 2 | Onkologie |
P5 | W | PFP (B.A) | 2 | Pneumologie |
P6 | W | PFP/stellv. Stationsleitung/Praxisanleitung | 5 | Onkologie |
P7 | M | PFP | 27 | Onkologie |
P8 | W | PFP/Stationsleitung/Praxisanleitung | 35 | Geriatrie |
P9 | M | PFP (M. A.) | 4 | Psychosomatik |
Der Leitfaden für die Einzelinterviews wurde nach der SPSS-Methode (Helfferich, 2011) und auf Basis der Vorarbeiten von Wölfel et al. (Wölfel et al., 2016) in Anlehnung an das EPA-Strukturraster (ten Cate & Taylor, 2021) erstellt (s. Abb. 1, Tabelle 2 und Anhang 1). Der Einzelinterviewleitfaden wurden vorab an zwei Ärzten und zwei Pflegefachfrauen pilotiert. Ein Zeitrahmen von 30 bis 45 Minuten war pro Interview vorgesehen. Alle Interviews wurden in unserem gewählten Setting durchgeführt und mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgezeichnet.
Überblick über die Themenbereiche des Interviewleitfadens mit Subthemen.
Einstieg | Mehrwert interprofessionelle Patientenübergabe |
Beschreibung und Limitationen | Spezifizierung und Eingrenzung der pflegerischen Kompetenz, Aufbau und Struktur, klinischer Bezug |
Wissen, Fähigkeiten und Verhalten | erwartetes Wissen, Fähigkeiten und Verhalten, damit die Aktivität anvertraut werden kann |
Risiken und Fehler | Komplikationen, Fehler, Schäden für die Patienten/-innen |
Einschätzung (Grundlagen für Fortschritt)/Erwartungen bezüglich des Erreichens eines bestimmten Niveaus von Selbstständigkeit | Lernfortschritt, Überprüfungsintervalle, Lehrprozedere, Erwartungen |
Abschluss | Erwartungen an die eigene und die andere Profession |
Die wörtliche Transkription erfolgte nach Dresing und Pehl (Dresing & Pehl, 2015). Während der Transkription und Analyse wurden neben den direkten Identifikationsmerkmalen auch indirekte sowie kontextbedingte Daten einer formalen Anonymisierung nach den Kriterien von Saunders et al. (2015) unterzogen.
Die Analyse erfolgte durch eine inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018). Verwendet wurde die Datenanalysesoftware MAXQDA Analytics Pro 2020 (Version 20.4.1). Die Kategorien wurden sowohl a priori auf Basis des EPA-Strukturrasters und des Interviewleitfadens als auch induktiv aus dem Material gebildet. Nach der Codierung des kompletten Materials mit dem ausdifferenzierten Kategoriensystem führten wir mithilfe von Summary Grids und Summary Tables eine Analyse der Haupt- und Subkategorien durch (Kuckartz & Rädiker, 2020). Anschließend erfolgte eine verdichtete Zusammenfassung in die von ten Cate & Taylor vorgeschlagene EPA-Struktur (ten Cate & Taylor, 2021). Die Datenanalyse führte der Erstautor (MJW) durch.
Für die Inhaltsanalyse wurden eine ausführliche Codieranleitung mit allen Codes, ihren Beschreibungen und Beispielen erstellt. Zwei der Autoren (MJW, DH) codierten unabhängig voneinander jeweils zwei Interviews zur Überprüfung der Intersubjektivität. Die Intercoder-Übereinstimmung wurde anhand Kappa (nach Brennan & Prediger 1981; 0,68) berechnet. Abweichende Codierungen wurden diskutiert und im Konsensverfahren bereinigt. Parallel fanden sechs Feedback-Runden zur Codierung und Analyse innerhalb des Promotionskollegs ILEGRA (Interprofessionelle Lehre in den Gesundheitsberufen) statt. Ziel war es, gemeinsam auszuwerten und Zwischenergebnisse zu überprüfen.
Um die Auswertungsergebnisse und deren Integration in die EPA-Struktur hinsichtlich Vollständigkeit, Verständlichkeit und Transparenz zu überprüfen, wurde abschließend eine Konsensrunde mit EPA-erfahrenen Ärzten/-innen und PFP durchgeführt. Die in der Runde verwendeten Fragen wurden aus dem EQual-Qualitätsraster abgeleitet und fokussierten die EPA-Struktur, Beschreibung und Limitationen, Risiken und Fehler sowie Wissen, Fähigkeiten und Verhalten (Taylor et al., 2017). Der Interviewleitfaden zur Strukturierung der Konsensrunde und der vorläufige EPA-Entwurf wurden den Experten/-innen im Vorfeld zur Verfügung gestellt. Die Konsensrunde wurde aufgezeichnet. Die Aufzeichnung wurde unmittelbar nach der Auswertung gelöscht.
In unserer Analyse wurden sechs Hauptkategorien mit entsprechenden Subkategorien identifiziert, denen insgesamt 825 Textsegmente aus den Interviewdaten zugeordnet wurden (s. Tabelle 3), die nachfolgend beschrieben werden.
Liste der relevanten Haupt- und Subkategorien.
(1) Beschreibung IPÜ |
Definition IPÜ Phasen IPÜ (Abläufe u. Prozesse) Zeitpunkte/ungeplanter Gesprächsanlass IPÜ Zeitpunkte/Gesprächsanlass geplante IPÜ Dauer IPÜ |
39 87 33 46 27 |
(2) Limitationen IPÜ |
Engeres Supervisionslevel und Komplexität des Patienten oder der Patientin |
17 |
(3) Risiken und Fehler |
Komplikationen u. Fehler Herausforderungen IPÜ Einfluss von Hierarchien |
79 27 25 |
(4) Wissen, Fähigkeiten und Verhalten |
Wissen: Biomedizinisches Wissen und Klinisches Wissen, Professionsspezifisches Wissen, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses Fähigkeiten: Strategisches Wissen und Kollaboratives Wissen Verhalten |
18 25 138 114 151 |
(5) Einschätzung (Assessment, Grundlagen für Fortschritt) |
Fortschritt Beobachtungsintervalle |
8 6 |
(6) Erwartungen bezüglich des Erreichens eines bestimmten Niveaus von Selbstständigkeit |
Anvertrauen Selbständige Durchführung |
5 7 |
(1) Unter der Hauptkategorie
Auf Basis aller Interviewaussagen kann eine IPÜ in unserem klinischen Setting als ein strukturierter, gleichberechtigter Informationsaustausch zwischen mehreren Professionen über Patienten/-innen verstanden werden. Der Informationsaustausch dient dem Ziel, den Versorgungsprozess durch konsentierte Entscheidungen und Verantwortungsübergaben zu optimieren, so
IPÜ können zudem geplant wie ungeplant stattfinden. Geplante IPÜ umfassen z. B. Morgenübergaben, während ungeplante IPÜ sich aus einem akuten Informations-oder Beratungsbedarf ergeben können. IPÜ dauern je nach Komplexität der Patienten/-innen und dem Versorgungsbedarf bis zu 15 Minuten pro Patient/-in.
(2) Die Hauptkategorie
Eine engere Supervision sollte nach Ansicht der Interviewten bei PFP mit wenig Berufserfahrung, bei Patienten/-innen mit Pflegegrad 4–5 (§ 15, SGB XI, 2020), bei lebensbedrohlich erkrankten Patienten/-innen,
(3) In der Hauptkategorie
(4) In der Hauptkategorie
(W) Die Interviewten waren sich professionsübergreifend einig, dass PFP nach Abschluss ihrer Ausbildung über ausreichendes biomedizinisches Wissen sowie klinisches Wissen verfügen sollten. „
(F) Die Interviewten betonten, dass PFP über eine ausgeprägte Deutungsfähigkeit verfügen sollten, um drängende Patientenprobleme zu erkennen oder Beobachtungen richtig einzuordnen und dementsprechend geeignete Patientenübergabepfade und Austauschebenen auszuwählen. Eine IPÜ bedarf hierbei einer sorgfältigen Vorbereitung und Planung. Dazu gehören die Raum-und Zeitplanung sowie das Sammeln aller relevanten indirekten und direkten sowie subjektiven und objektiven Patienteninformationen. Die PFP „
(V) Für die Interviewten war es wichtig, Kollegen/-innen die Sicherheit zu geben, um ihre Meinungen, Missverständnisse oder gemachte Fehler äußern zu können. Verlässlichkeit in der Umsetzung der für die IPÜ vereinbarten Zuständigkeiten, einschließlich der ärztlichen Anordnungen, sind aus Sicht beider Professionen unabdingbar. Darüber hinaus betonten die Interviewten die Wichtigkeit einer patientenzentrierten Haltung, d. h. das Wohl der Patienten/-innen in den Mittelpunkt des beruflichen Handelns zu stellen. Von entsprechend großer Bedeutung war für die interviewten PFP, dass sie die Interessen der Patienten/-innen innerhalb der IPÜ wahrnehmen und vertreten. Die Interviewten hoben die große Verantwortung der PFP in der IPÜ hervor. Ihre pflegerische Perspektive sollte als ebenso wichtig anerkannt werden wie die der anderen beteiligten Professionen. Die hierarchischen Strukturen innerhalb der IPÜ sind zu beachten, sollten aber nicht als Hindernis für eine aktive Beteiligung gesehen werden.
Gleichsam ist zu bedenken, dass nicht alle Professionen an jedem Entscheidungsprozess beteiligt sein müssen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anerkennung der eigenen Grenzen des Vorwissens, welche ein hohes Maß an Selbsterkenntnis und die Fähigkeit erfordert, um Hilfe und Feedback zu bitten. So sollten alle an der IPÜ Beteiligten auch bereit sein, Fach- und Erfahrungswissen innerhalb des interprofessionellen Teams weiterzugeben.
(5) Die Hauptkategorie
Um den Lernfortschritt einschätzen zu können, sollten den Interviewten zufolge mehrere Übungs- und Überprüfungseinheiten durchgeführt werden. PFP in Ausbildung und Berufseinsteiger/-innen benötigen Unterstützung, um den Überblick zu behalten und wiedergeben zu können:
(6) Die Hauptkategorie
Die Interviewten waren sich einig, dass die Aktivität IPÜ erst ab dem zweiten Ausbildungsjahr unter direkter Supervision anvertraut werden kann: „
Die Auswertungsergebnisse wurden für die Integration in ein EPA-Strukturraster komprimiert und in beobachtbare Aktivitäten umformuliert.
Eine EPA-erfahrene interprofessionelle Konsensgruppe, bestehend aus zwei Ärzten (mit medizindidaktischer Zusatzqualifikation) und zwei Pflegefachfrauen (mit B. A.; M. Sc.), überprüfte die Ergebnisse und schärfte insbesondere die Hauptkategorie „Wissen, Fähigkeiten und Verhalten“ nach.
Gemeinsam mit den Experten/-innen wurde festgelegt, dass die EPA beim Wechsel in eine andere Klinik oder auf eine andere Station mit anderer Struktur ihre Gültigkeit verlieren muss und/oder bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein neues Assessment erwogen werden sollte.
Basierend auf den Datenanalyseergebnissen (RQ1, RQ2) und der Konsensrunde wurde eine EPA Interprofessionelle Patientenübergabe vornehmen und/oder entgegennehmen für PFP definiert (s. Anhang 2). Die Arbeitseinheit wurde in Teilaufgaben gemäß den Empfehlungen von ten Cate & Taylor (2021) beschrieben.
Der Abschnitt
Mögliche
Als leitende
Wir verwenden die Form der detaillierten Beschreibung nach ten Cate & Taylor (2021) im Abschnitt
Im Abschnitt
Im Abschnitt
Hinsichtlich der Gültigkeit wurde beschlossen, im Falle eines Wechsels der Station oder Klinik eine Neubewertung vorzunehmen. Auch nach längerer Abwesenheit könnte eine Überprüfung der EPA notwendig sein, um Veränderungen in Verfahren, Prozessen oder dem wissenschaftlichen Kenntnisstand Rechnung zu tragen und Fehler zu vermeiden. Die Gültigkeitsdauer dient als Empfehlung zur Sicherstellung der Patientensicherheit (ten Cate & Taylor, 2021).
Entgegen der verbreiteten Annahme, dass eine IPÜ lediglich dem reinen Informationstransfer dient (Hinding et al., 2019), zeigt die Auswertung unserer Interviewstudie, dass die Interviewten die IPÜ zwischen den Professionen als Moment des diskursiven Austauschs verstehen. Je nach Bedarfssituation besteht für die Interviewten neben dem Informationstransfer das Ziel, den Versorgungsprozess durch reflexive Aushandlung und gemeinsame Entscheidungsfindung patientenorientiert zu gestalten. Die hier vorgestellte EPA umfasst daher drei Austauschstufen, die je nach Situation und Kontext zum Tragen kommen können. Mit der vorgeschlagenen Struktur orientieren wir uns ferner an den vier Phasen von Gibson et al. (2010) zur Patientenübergabestrukturierung und den beobachtbaren kollaborativen Aktivitäten aus dem FINCA-Rahmenmodell (Witti et al., 2023). In unserer Darstellung der IPÜ beziehen wir uns sowohl auf die mündliche als auch auf die schriftliche Weitergabe von patientenbezogenen Informationen, um die Übergabewege möglichst einheitlich zu gestalten (Meth et al., 2013). Gleichzeitig beziehen wir alle geplanten und ungeplanten IPÜ zwischen den Professionen mit ein, um spontane und standardisierte Patientenübergabeprozesse abzudecken (Meth et al., 2013); in der tatsächlichen Praxis wie auch in unserem gewählten Setting variieren die Patientenübergabeprozesse erheblich (Blank & Zittlau, 2017).
Eine fehlerfreie Informationsweitergabe im Rahmen der IPÜ lässt sich nur durch eine strukturierte und zielgerichtete Kommunikation unterstützen (Müller et al., 2018; Rosenthal et al., 2018). Für die Strukturierung orientieren wir uns daher am SBAR-Kommunikations-Tool, das sowohl für Ärzte/-innen als auch für PFP empfohlen wird (Fliegenschmidt et al., 2023). Analog zu unseren Ergebnissen sieht das SBAR-Kommunikations-Tool darüber hinaus die Verteilung weiterer Verantwortlichkeiten und ggf. eine gemeinsame Verständnisüberprüfung der erhaltenen Informationen vor (Müller et al., 2018; Rosenthal et al., 2018).
Die von den Interviewten identifizierten möglichen Risiken und Fehler bei der IPÜ decken sich mit der aktuellen Literaturlage (z. B. Patientenverwechslungen, Informationsbrüche durch fehlende strukturelle Bedingungen) (Desmedt et al., 2021). Darüber hinaus konnten weitere, bisher unbeachtete Fehlerrisiken identifiziert werden. Durch die genaue Aufschlüsselung der Fehlerrisiken rücken wir die Patientensicherheit innerhalb der EPA erneut in den Fokus. So kann unsere EPA durch die gesetzten „Warnhinweise“ die individuelle Wahrnehmung und das Verhalten von PFP steuern (Nerdinger et al., 2008). In unserer EPA stellen wir zudem die pflegerische Perspektive der zu übermittelnden Informationen in den Vordergrund, sodass nicht, wie in der Praxis meist üblich, primär rein medizinische Informationen von den PFP übermittelt werden (Blank & Zittlau, 2017), sondern pflegerelevante Informationen. Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass PFP und Ärzte/-innen bereits Informationen wie Patientenidentifikation oder Angaben zu aktuellen Problemen und Behandlungsplänen in ihre IPÜ einbeziehen. Darüber hinaus enthalten die meisten der beschriebenen IPÜ der Interviewten Erläuterungen und Begründungen. Ähnlich wie in der Interviewstudie von Meth et al. (2013) weisen auch unsere Ergebnisse darauf hin, dass dies zu einem besseren Verständnis und einer höheren Motivation hinter den gestellten Diagnosen und geplanten Therapien beiträgt und zu einer verbesserten interprofessionellen Entscheidungsfindung führen kann.
Durch die Anwendung des kriteriengeleiteten Sampling-Verfahrens in Kombination mit dem Snowball-Sampling kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Interviewten im Vorfeld über das Thema ausgetauscht und gegenseitig informiert und somit beeinflusst haben (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Ferner ist es uns nicht gelungen, Interviewteilnehmende aus operativen Disziplinen zu rekrutieren. Demnach fehlt eine chirurgische Perspektive. Unsere definierte EPA ist zudem nur bedingt auf andere Settings übertragbar.
Trotz Bemühungen um Objektivität durch Feedbackrunden bleibt ein potentieller Forscher-Bias durch subjektive Einflüsse bestehen. Durch die Verwendung einer standardisierten Leitlinie nach ten Cate & Taylor (2021), der schrittweisen Einbindung der Interviewten in der Entwicklungsphase der EPA und der abschließenden interprofessionellen Konsensrunde in einem EPA-Expertenkreis, kann unsere definierte EPA als valide eingeschätzt und eine effektive Bewertung von PFP in der klinischen Praxis ermöglicht werden. Dieser Arbeit folgt eine Validierung der vorliegenden EPA mithilfe des EQual-Tools (Taylor et al., 2017). Zudem ist eine Feldvalidierung nach Schmelter et al. (2018) auf einer interprofessionellen Ausbildungsstation geplant, um die Praxistauglichkeit unserer EPA zu überprüfen.
Unsere Ergebnisse zeigen detailliert auf, welche unterschiedlichen Aspekte eine IPÜ in der Pflege in unserem gewählten Setting beinhalten kann. Die IPÜ kann somit als komplexe Aufgabe dargestellt werden. Mit der vorliegenden EPA und der EPA für Ärzte/-innen aus dem NKLM 2.0 wurde eine Grundlage zur gleichzeitigen Bewertung von Lernenden aus beiden Professionen geschaffen. Die neu definierte EPA ist dabei eine der ersten für PFP in Deutschland. In Übereinstimmung mit früheren Studien konnte gezeigt werden, dass eine EPA in der jeweiligen Arbeitseinheit berufsspezifisch interprofessionell ausgerichtet sein kann (ten Cate & Pool, 2020; Pool et al., 2023). Eigene Folgestudien werden überprüfen, inwiefern sich das EPA-Konzept auch im Praxisfeld der Pflege eignet. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen gehen wir davon aus, dass sich das Konzept auf Praxis und Lehrpläne der Pflege übertragen lässt.