Zacytuj

Einleitung

Nach dem Auftreten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 im zentralchinesischen Wuhan und seiner globalen Verbreitung wird die infektiöse Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) am 11. März 2020 als globale Pandemie eingestuft infolge derer bis Ende Februar 2022 5,9 Millionen Menschen starben (Cucinotta und Vanelli, 2020; WHO, 2021). Um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen und zu kontrollieren, implementieren Regierungen weltweit weitreichende Maßnahmen (Badelt, 2021; Hale et al., 2021; Snow et al., 2021), die durch die Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten und des öffentlichen Lebens diverse negative externe Effekte verursachen und die Gesundheitskrise in eine globale Wirtschaftskrise übersetzten (Ozili und Arun, 2020). Die COVID-19-Pandemie stellt eine Zäsur dar, deren schwerwiegende ökonomische, gesundheitliche, soziale und ökologische Folgen sich sukzessive offenbaren (Nicola et al., 2020).

Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie, veränderte Konsumpräferenzen und die unmittelbare Gesundheitsgefahr haben weitreichende Auswirkungen auf die Landwirtschaft, wie internationale Untersuchungen belegen (Béné, 2020; Cavallo et al., 2020; Iese et al., 2021; Mishra et al., 2021). Dabei sind Exposition und Sensitivität landwirtschaftlicher Systeme in Europa gegenüber COVID-19 unterschiedlich ausgeprägt (Meuwissen et al., 2021). Erste Ergebnisse einer Umfrage unter österreichischen Landwirt:innen zeigen unterschiedliche, überwiegend negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit und die wirtschaftliche Situation sowie daraus resultierende Anpassungsmaßnahmen der Betriebe (Kirner et al., 2021). Zentrale negative Auswirkungen von COVID-19 auf landwirtschaftliche Systeme im europäischen Raum umfassen die Unterbrechung im Verkauf landwirtschaftlicher Produkte durch die Schließung von Gastronomie und Bauernmärkten und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Arbeitskräften durch Reisebeschränkungen, während sich die hohe Nachfrage im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und die gestiegene gesellschaftliche Wertschätzung für die Landwirtschaft und regionale Produkte positiv ausgewirkt haben (Meuwissen et al., 2021). In der Literatur werden die Auswirkungen von COVID-19 teils auf der übergeordneten Ebene der „Food Systeme“ diskutiert (Béné, 2020; Galanakis, 2020; Iese et al., 2021; Rivera-Ferre et al., 2021; Snow et al., 2021; Stephens et al., 2020; Weersink et al., 2021), welche alle Bestandteile und Aktivitäten von Lebensmittelwertschöpfungsketten sowie die Auswirkungen dieser Aktivitäten auf Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft mit einbezieht (Ericksen, 2008).

Die vorliegende Studie untersucht aus vier Gründen die österreichische Landwirtschaft: (i) Der Einfluss von COVID-19 auf die österreichische Landwirtschaft ist unzureichend anhand aktueller, empirischer Daten beschrieben, während unmittelbare Auswirkungen auf landwirtschaftliche Systeme in Europa (Mastronardi et al., 2020; Meuwissen et al., 2021; Perrin und Martin, 2021), China (Du et al., 2020), Indien (Goswami et al., 2021), Australien und Neuseeland (Snow et al., 2021) belegt wurden. (ii) Mögliche positive Auswirkungen von COVID-19 auf die Landwirtschaft werden bisher unzureichend thematisiert. (iii) Die österreichische Landwirtschaft ist im europäischen Vergleich klein strukturiert und hat den höchsten Anteil biologisch bewirtschafteter Flächen, während die Produktionsmöglichkeiten von der alpinen Landschaft geprägt sind (BMLRT, 2021). Aufgrund der besonderen Struktur sind Ergebnisse aus anderen Untersuchungsgebieten nur eingeschränkt übertragbar. (iv) Die österreichische Landwirtschaft ist für die Gesellschaft und andere Wirtschaftssektoren von großer Bedeutung. Sie erbringt diverse Dienstleistungen wie die Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, Rohstoffen, Futtermitteln und Bioenergie, die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaften, die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzstandards und ist damit zentral für das sozioökonomische Gefüge im ländlichen Raum.

Das Ziel der Studie ist es daher, die unmittelbaren positiven und negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die österreichische Landwirtschaft anhand der Erfahrungen einzelner Landwirt:innen zu identifizieren. Darüber hinaus sollen initiale Anpassungsmaßnahmen der Landwirt:innen sowie mögliche langfristige Veränderungen der Betriebe aufgezeigt werden. Die Forschungsfrage lautet demnach: Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie auf die Landwirtschaft in Österreich?

Zur Untersuchung der Forschungsfrage wurde ein qualitativer Ansatz mit Experteninterviews sowie computergestützter Auswertung durch Codierung gewählt. Vergleichbare Methoden wurden wiederholt eingesetzt, um die Auswirkungen von COVID-19 auf die Landwirtschaft zu untersuchen (Goswami et al., 2021; Mastronardi et al., 2020; Perrin und Martin, 2021; Snow et al., 2021). Im Sinne des hypothesenbildenden Charakters der qualitativen Forschung können die Ergebnisse als Ausgangspunkt für die Durchführung weiterführender quantitativer Untersuchungen genutzt werden und sind darüber hinaus von Interesse für politische Entscheidungsträger:innen und Landwirt:innen.

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Zunächst wird kurz der Verlauf der COVID-19-Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung in Österreich dargestellt. Weil keine hinreichenden Untersuchungen zur österreichischen Landwirtschaft vorliegen, werden anschließend mögliche Auswirkungen von COVID-19 auf die Landwirtschaft aus der internationalen, wissenschaftlichen Literatur und ergänzenden Quellen zusammengefasst. Anschließend werden Datenerhebung und -analyse beschrieben und die identifizierten Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe präsentiert. Abschließend werden die empirischen Ergebnisse diskutiert und Schlussfolgerungen daraus gezogen.

Ein Jahr COVID-19-Pandemie und Maßnahmen zur Eindämmung in Österreich

Seit dem Bekanntwerden der ersten COVID-19 Infektion in Österreich Ende Februar 2020 bis zur Durchführung der Interviews im Frühjahr 2021 traten drei Infektionswellen auf, die von regional abweichenden, restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung begleitet wurden, um die Gesundheitssysteme vor einer Überlastung zu schützen (AGES, 2021; Badelt, 2021; Pollak et al., 2021). Am 16. März 2020 trat in Österreich der erste Lockdown mit Kontaktverboten, Ausgangsbeschränkungen, Schließung von Geschäften, welche nicht der Grundversorgung dienen, sowie Gastronomie, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, Veranstaltungsverboten, Reisebeschränkungen und Stilllegung des Flugverkehrs in Kraft (Linka et al., 2020; Pollak et al., 2021). Die Auswirkungen dieser Maßnahmen verursachten die stärkste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, das Bruttoinlandsprodukts brach um 25 % im Vergleich zum Vorjahr ein (Badelt, 2021). Im April 2020 waren über eine Million Personen in Kurzarbeit gemeldet und die Arbeitslosenquote stieg im Jahresdurchschnitt um 2,5 Prozentpunkte auf 9,9 %(AMS, 2021). Alle Wirtschaftsbereiche waren von den Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zur Eindämmung von COVID-19 betroffen, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß (Badelt, 2021). Die erfolgreiche Eindämmung durch die strikten Maßnahmen ermöglichte ab Mitte April 2020 die sukzessive Öffnung von Handel, Gastronomie und Tourismus. Im Sommer 2020 blieben lediglich einzelne Maßnahmen wie Abstandsregeln bestehen, worauf eine wirtschaftliche Erholung erfolgte (Badelt, 2021; Pollak et al., 2021). Nach dem erneuten Anstieg der Infektionszahlen wurde am 17. November 2020 erneut ein landesweiter Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen und weitreichenden Schließungen verhängt, woraufhin die wirtschaftlichen Aktivitäten weniger gravierend als im Frühjahr 2020 einbrachen (Badelt, 2021). Nach kurzer Unterbrechung im Dezember wurde der Lockdown bis zum 8. Februar 2021 fortgesetzt. Während Tourismus und Gastronomie weiter geschlossen blieben, durften Handel und Schulen unter Auflagen wieder öffnen und die Infektionszahlen stiegen erneut an (Pollak et al., 2021).

Auswirkungen von COVID-19 auf die Landwirtschaft

Die globalen Lebensmittelwertschöpfungsketten sind komplexe Systeme, bestehend aus Vorleistungen, Landwirtschaft, Verarbeitung, Verpackung, Lagerung, Transport, Groß- und Einzelhandel, die Lebensmittel für Konsumenten bereitstellen. Aufgrund der engen Vernetzung der Akteure werden Störungen durch Schocks entlang der Wertschöpfungsketten in vor- oder nachgelagerte Bereiche übertragen (Béné, 2020). Insbesondere zu Beginn der COVID-19-Pandemie war die Sorge in Bezug auf Unterbrechungen der globalen Lieferketten und mögliche negative Folgen für die Landwirtschaft und Ernährungssicherheit groß (Aday und Aday, 2020; Galanakis, 2020), weshalb die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung politische Hand-lungsempfehlungen zum Schutz der internationalen Agrarrohstoff- und Lebensmittelmärkte formulierte (OECD, 2020). Ab März 2020 wurden die europäischen Außengrenzen geschlossen, der internationale Flugverkehr wurde massiv eingeschränkt und an den Binnengrenzen der Europäischen Union wurden Grenzkontrollen wiedereingeführt (Europäische Kommission, 2021; Linka et al., 2020). Unter anderem wegen der Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr brach der Rohölpreis ein (Baumgartner und Sinabell, 2021). Die Störung des Grenzverkehrs verursachte Unterbrechungen oder Verzögerungen von internationalen Transportketten (Aday und Aday, 2020). Verderbliche landwirtschaftliche Produkte waren davon besonders betroffen und wurden in einigen Fällen vernichtet, beispielsweise Schnittblumen in den Niederlanden und Milch und Gemüse in Nordamerika (Lioutas und Charatsari, 2021; Weersink et al., 2021). Es ist international belegt, dass aufgrund von Einschränkungen der Mobilität und Grenzschließungen temporär Arbeitskräfte in landwirtschaftlichen Betrieben und Unternehmen der Lebensmittelverarbeitung fehlten und die Verfügbarkeit von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln wie Dünger, Saatgut, Maschinen und Pflanzenschutzmitteln gestört wurde (Aday und Aday, 2020; Béné, 2020; OECD, 2020; Snow et al., 2021; Weersink et al., 2021). Die Effekte von COVID-19 werden mit disruptiven Ereignissen wie Unwettern, politischen und ökonomischen Krisen oder sozialen Unruhen verglichen und können die Bereitstellung von landwirtschaftlichen Produkten für den nachgelagerten Bereich negativ beeinflussen (Béné, 2020; Goswami et al., 2021; Mishra et al., 2021). Um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen, beschloss die Europäische Kommission im Mai 2020 Maßnahmen, die den ungehinderten Transport von Lebensmitteln und die Mobilität von Saisonarbeiter:innen des Agrarsektors ermöglichen sollten (Europäische Kommission, 2020). Trotz temporärer Störungen wurde die Funktion der globalen Lieferketten weitestgehend aufrechterhalten (Mishra et al., 2021). Langfristig wirken sich gestiegene Transportkosten aber negativ auf die Rohstoffmärkte aus (Baumgartner und Sinabell, 2021).

In der internationalen Literatur werden auch die Auswirkungen von COVID-19 auf die Ernährungssicherheit durch gestiegene Preise, Einkommensverluste sowie reduzierte Verfügbarkeit und erschwerten Zugang zu Lebensmitteln diskutiert (Béné, 2020; Iese et al., 2021; Ma et al., 2021). In Low- and Middle-Income Countries (LMICs) kam es zu Kaufkraftverlusten, was die Präferenz der Konsumenten für günstigere Lebensmittel erhöhte (Béné, 2020; Iese et al., 2021). Der Nachfragerückgang nach höherwertigen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, tierischen Produkten und Gewürzen kann negative Rückkopplungen auf landwirtschaftliche Betriebe verursachen, die diese Produkte erzeugen. In LMICs wurde eine Reduktion der landwirtschaftlichen Produktion, der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und der landwirtschaftlichen Haushaltseinkommen durch den erschwerten Zugang zu lokalen und internationalen Märkten während der COVID-19-Pandemie beobachtet (Béné, 2020; Iese et al., 2021). Während die Weltmarktpreise für Agrargüter im Juli 2021 41 % über dem Vorjahresniveau lagen, stiegen die Verbraucherpreise für Lebensmittel in Österreich nur moderat an (Baumgartner und Sinabell, 2021). Allgemein ist die Ernährungssicherheit in Österreich im internationalen Vergleich besonders hoch (Global Food Security Index, 2020).

Akteure der Lebensmittelwertschöpfungskette werden in Österreich (BMLRT, 2020) und international (Béné, 2020) als systemrelevant bewertet und waren daher von Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19, die ihre Aktivitäten einschränken würden, ausgenommen. Dennoch mussten landwirtschaftliche Betriebe regelmäßig aktualisierte gesetzliche Hygienemaßnahmen in Betriebsstätten und im Kontakt mit Kundschaft einhalten: Mindestabstände, Tragen von Mundnasenschutz, Quadratmeterbeschränkungen in Verkaufsräumen, begrenzte Öffnungszeiten, Testung von Mitarbeiter:innen, Quarantänevorschriften. Dies könnte die Tätigkeiten von Landwirt:innen beispielsweise in der Direktvermarktung eingeschränkt und die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion erhöht haben. Eine mögliche Infektion landwirtschaftlicher Mitarbeiter:innen mit COVID-19 und die daraus resultierende behördliche Absonderung gefährdet Betriebsabläufe (Weersink et al., 2021). Landwirtschaftliche Betriebe mit gastronomischen, pädagogischen und touristischen Angeboten waren temporär von dem Verbot dieser Aktivitäten betroffen (BMLRT, 2020). Eine Umfrage aus Polen weist jedoch auf eine hohe Nachfrage für Agrotourismus während der COVID-19-Pandemie hin (Wojcieszak-Zbierska et al., 2020).

Die Nachfrage nach Lebensmitteln wurde laut Weersink et al. (2021) in den USA und Kanada infolge der Schließung von öffentlichen und privaten Einrichtungen unmittelbar durch ein erhöhtes Umsatzvolumen im LEH, die Änderungen in der Art der nachgefragten Lebensmittel und der benötigten Verpackungsgrößen, Verhaltensänderung der Konsumenten und Panikkäufe beeinflusst. Die Mobilitäts- und Kontaktbeschränkungen und die Schließung von gastronomischen Einrichtungen, Hotels, Märkten und Gemeinschaftsverpflegung haben die Ernährungsgewohnheiten der Menschen global schlagartig verändert (Aday und Aday, 2020; Pulighe und Lupia, 2020). Der Wegfall des Außer-Haus-Verzehrs wurde vor allem durch den Konsum von Lebensmitteln im Privathaushalt kompensiert (Hobbs, 2020), was den Umsatz im LEH international und in Österreich ansteigen ließ (BMLRT, 2021; Weersink et al., 2021). Die Art und Menge der konsumierten Lebensmittelgruppen in Privathaushalten und der Gastronomie unterscheiden sich (Weersink et al., 2021). Zum Beispiel sanken die durchschnittlichen Erzeugerpreise für Speisekartoffeln in Österreich 2020 um 29,8 % im Vergleich zum Vorjahr, wozu die reduzierte Nachfrage nach verarbeiteten Kartoffelprodukten wie Pommes frites, die überwiegend in der Gastronomie und auf Veranstaltungen konsumiert werden, beigetragen hat (BMLRT, 2021). Die beschriebenen Effekte wirkten sich negativ auf betriebliche Einkommen aus (OECD, 2020). Landwirtschaftliche Betriebe, die Schweine, Wein, Speisekartoffeln, Saatkartoffeln oder Eier produzieren und indirekt besonders von der COVID-19-Pandemie betroffen waren, konnten daher einen finanziellen Verlustersatz beantragen (BMLRT, 2021). Zu Beginn der Pandemie wurden Panikkäufe zum globalen Phänomen, was in vielen Ländern kurzzeitig zu leeren Regalen in Geschäften des LEH und in Drogerien führte (Islam et al., 2021; Pulighe und Lupia, 2020). Das Verhalten der Konsumenten war Ausdruck der Verunsicherung und des Kontrollverlustes gegenüber der sich entwickelnden Krise und reflektierte die Angst vor einer möglichen Störung der Lebensmittelversorgung (Béné, 2020; Hobbs, 2020; Islam et al., 2021). Konsumenten horteten haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis, Konserven, Mehl, Tiefgekühltes, abgefülltes Wasser und Hygieneprodukte wie Klopapier, Desinfektionsmittel und Seife (Aday und Aday, 2020; Hobbs, 2020; Islam et al., 2021). In Österreich wurden Panikkäufe erstmals Mitte März 2020 beobachtet, nachdem restriktive Maßnahmen von der Bundesregierung angekündigt wurden (Pollak et al., 2021). Verhaltensänderungen beeinflussten ebenfalls die Nachfrage nach Lebensmitteln. Zum Beispiel begannen viele Menschen während der Lockdowns zu Hause zu backen, was die Nachfrage nach Backzutaten in Nordamerika überproportional ansteigen ließ (Weersink et al., 2021). Derartige Nachfrageänderungen erforderten vor allem Anpassungen von Lebensmittelverarbeitung und -handel (Mishra et al., 2021; OECD, 2020), die durch Justin-time-Produktion, Transport und Lagerung von Lebensmitteln erschwert wurden (Weersink et al., 2021). COVID-19 trug zu einer Rückbesinnung auf landwirtschaftliche Systeme und lokale Lebensmittelproduktion bei (Darnhofer, 2020; Hobbs, 2020). Österreichische Konsumenten bewerteten Regionalität und Herkunft als wichtigere Kriterien beim Einkauf von Lebensmitteln und der Umsatz im Ab-Hof Verkauf und auf den Bauernmärkten stieg deutlich an (AMA, 2020). Auch die Kaufmotive „Gesundheit“ und „Haltbarkeit“ haben während der COVID-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen (Galanakis, 2020; Hobbs, 2020). Laut Galanakis (2020) versuchten Konsumenten ihr Immunsystem durch gesunde Ernährung zu stärken, wodurch die Nachfrage nach Lebensmitteln mit bioaktiven Inhaltstoffen und Functional Foods gestiegen sein könnte. Die Erkenntnisse zur Bedeutung des Preises sind heterogen: Die Qualität von Lebensmitteln hat für österreichische Konsumenten gegenüber dem Kriterium „Preis“ an Bedeutung gewonnen (AMA, 2020), was dem Trend der vergangenen Jahre entspricht und nicht alleine auf die veränderten Rahmenbedingungen während der COVID-19-Pandemie zurückgeführt werden kann. Im Gegensatz dazu gaben 26 % an, dass das Kriterium „günstiger Preis“ durch COVID-19 für sie relevanter geworden sei (AMA, 2020).

Die Rolle der industriellen Landwirtschaft wird im Kontext von COVID-19 aber auch kritisch diskutiert, weil sie als Verursacher von neu auftretenden Infektionskrankheiten gilt (Rivera-Ferre et al., 2021). Die Verbreitung von SARS-CoV-2 durch Lebensmittel, Oberflächen, Lebensmittelwertschöpfungsketten und die Umwelt wurde zunächst in Betracht gezogen (Galanakis, 2020). Weil SARS-CoV-2 wahrscheinlich zoonotischen Ursprungs ist (van Dorp et al., 2020), also einen Wirtswechsel vom Tier zum Menschen durchlaufen hat, geriet die Nutztierhaltung negativ in den Fokus (Galanakis, 2020; Ma et al., 2021). Die Produktionsbedingungen in Schlachthäusern und Zerlegebetrieben der Fleischindustrie und die häufig beengte Unterbringung von Mitarbeiter:innen begünstigen eine Infektion mit COVID-19 (Ursachi et al., 2021). In den USA und Kanada mussten Betriebe der Milch- und Fleischverarbeitung wegen COVID-19-Erkrankungen vorübergehend schließen, was negative Rückwirkungen auf die Landwirtschaft verursacht hat (Weersink et al., 2021). Um dem Risiko der Virusverbreitung entgegenzuwirken, wurde in Österreich ein Codex Alimentarius für das COVID-19-Management in der Fleischverarbeitung erlassen (BMSGPK, 2020).

In der Landwirtschaft tätige Personen können potentiell direkt von einer COVID-19-Erkrankung betroffen sein. Personen höheren Alters sind besonders vulnerabel für schwere Krankheitsverläufe von COVID-19 (Davies et al., 2020). In der österreichischen Landwirtschaft sind zu 82 % Familienarbeitskräfte beschäftigt von denen ein Viertel über 65 Jahre alt ist, 10 % der Betriebsleiter:innen sind mindestens 65 Jahre alt (BMLRT, 2021; Statistik Austria, 2018). Aufgrund der demografischen Struktur könnten daher besondere Herausforderungen entstehen. Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, konzentrierte mediale Berichterstattung über COVID-19 und die Angst vor einer Erkrankung verursachen eine universelle psychische Belastungen der Menschen (Dubey et al., 2020). Die psychische Situation Einzelner kann durch behördliche Absonderung, finanzielle Sorgen, Zukunftsängste und andere individuelle Umstände während der COVID-19-Pandemie zusätzlich belastet werden. Panik, Angst, Einsamkeit und Langeweile bis hin zu obsessivem Verhalten, Depression und posttraumatische Belastungsstörung können die Folge sein (Dubey et al., 2020). Allgemein verursachte die Schließung von Schulen und Kindergärten während der COVID-19-Pandemie zusätzliche Belastungen insbesondere der Frauen, weil sie häufig die Ganztagsbetreuung der Kinder und den Unterricht von schulpflichtigen Kindern übernehmen müssen und gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen (Power, 2020).

Im Vergleich zu anderen Sektoren wurde die Agrar- und Ernährungswirtschaft während der COVID-19-Pandemie aktiv durch diverse politische Maßnahmen unterstützt (Béné, 2020; Rivera-Ferre et al., 2021). Die Europäische Kommission beschloss im Mai die Stützung der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie über finanzielle Hilfen, Flexibilität der GAP sowie Sondermaßnahmen zur Marktstützung (Europäische Kommission, 2020). Auch die österreichische Regierung führte zur Kompensation der Folgen von COVID-19 in der Landwirtschaft Hilfsmaßnahmen ein (Badelt, 2021). Neben dem Verlustersatz für indirekt Betroffene in der Landwirtschaft sollten die wirtschaftlichen Folgen von COVID-19 durch Unterstützungsmaßnehmen wie Härtefallfonds, Umsatzersatz, Ausfallsbonus, Investitionsprämie, Fixkostenzuschuss und Steuererleichterungen reduziert werden (BMLRT, 2021).

Material und Methoden
Datenerhebung und -auswertung

Um die Auswirkungen von COVID-19 auf die österreichische Landwirtschaft zu untersuchen, wurde ein qualitativer Forschungsansatz mit Interviews von Landwirt:innen gewählt. Nach dem Prinzip des maximal variation samplings wurde eine kleine Stichprobe angestrebt, die eine möglichst große Diversität abbildet (Flick, 2009). Die Diversität der landwirtschaftlichen Betriebe in Bezug auf landwirtschaftliche und nichtlandwirtschaftliche Aktivitäten, Betriebsgröße, Standort und weitere Aspekte waren im Hinblick auf die Forschungsfrage relevante Merkmale zur Auswahl. Die Landwirt:innen wurden durch Internetrecherche willkürlich kontaktiert. Zwischen dem 11. Februar 2021 und dem 22. März 2021 wurden leitfadengestützte Interviews mit 34 landwirtschaftlichen Betriebsleiter:innen aus acht Bundesländern online mittels Videokonferenz durchgeführt. Die Teilnahme erfolgte freiwillig, nach Rücksprache wurden alle Interviews als Audiodateien aufgezeichnet.

Der Interviewleitfaden wurde auf Grundlage der Mitte 2020 verfügbaren Literatur, welche beispielsweise die unmittelbaren Auswirkungen von COVID-19 auf die Gemüseproduktion in China (Gu und Wang, 2020) und die Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe in Österreich (Darnhofer, 2020) thematisiert, sowie den Informationen von internationalen Organisationen entwickelt (FAO, 2020; OECD, 2020). Der Leitfaden enthält 32 offene Fragen, welche die Landwirt:innen dazu anregen sollten, sich ausführlich und frei zu äußern (Flick, 2009). Thematische Abschnitte des Interviewleitfadens umfassen (i) Betriebsstruktur, (ii) Auswirkungen von COVID-19, (iii) betriebliche Auswirkungen, (iv) Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit, (v) Beratung und Information, (vi) Soziales und (vii) Auswirkungen auf die Zukunft. Im Sinne des nichtstandardisierten Interviews ist die Frageformulierung- und Reihenfolge unverbindlich, der Interviewer hatte die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen oder auf inhaltlich relevante Aspekte hinzuweisen (Gläser und Laudel, 2009).

Die durchschnittliche Länge der Interviews betrug 36 Minuten, während das längste 75 und das kürzeste 20 Minuten dauerte. Die wörtliche Transkription der aufgezeichneten Interviews erfolgte manuell durch den Interviewer, wobei die österreichischen Dialekte ins Hochdeutsche übertragen wurden. Um Vertraulichkeit zu gewährleisten, wurden die Interviewten in den Transkripten anonymisiert. Das verwendete Kürzel setzt sich aus LW für Landwirt:in und einer fortlaufenden Nummer von 1 bis 34 zusammen.

Die Transkripte der Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse analysiert (Kuckartz, 2018; Mayring, 1991). Die Auswertung des Textmaterials erfolgte mit der Software MAXQDA2020. Die methodische Vorgehensweise folgte dem Vorschlag von Kuckartz (2018) für eine inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse. Eine gemischt induktiv-deduktive Kategorienbildung wurde verwendet, die insbesondere empfohlen wird, wenn in der Datenerhebung eine Struktur durch den Interviewleitfaden vorgegeben wurde (Gläser und Laudel, 2009; Kuckartz, 2018). Das Ergebnis der Codierung ist die Strukturierung aller für die Forschungsfrage relevanten Aussagen in einem differenzierten Codesystem mit Hauptkategorien (siehe Tabelle 1) und Subkategorien. Trotz des systematischen Vorgehens sind die Entwicklung und Anwendung eines Codesystems ein inter-pretativer und damit subjektiver Prozess. Um die Aussagen zusammenzufassen, wurde eine kategorienbasierte Auswertung der Hauptkategorien durchgeführt.

Auswirkungen von COVID-19 auf die österreichische Landwirtschaft in 13 Hauptkategorien und Anzahl der codierten Aussagen.

Table 1. Impacts of COVID-19 on the Austrian agriculture in 13 main categories and frequency of coded statements.

Hauptkategorie Anzahl Codes Positive Auswirkungen Neutrale Auswirkungen Negative Auswirkungen
Verkauf & Direktvermarktung 408 Nachfrageanstieg LEHNachfrageanstieg Direktvermarktung und neue Kundschaft z. B. online, Ab-Hof Neue Vermarktungswege z. B. Onlineshops Hohe Nachfrage Gastronomie außerhalb Lockdowns Nachfrage Futtermittel und Saatgut unverändert Absatzeinbruch durch Schließung Gastronomie und MärkteNiedrige Nachfrage gastronomieorientierte Produkte und GroßhandelTouristische Kundschaft fehltÜberschüssige ProdukteNiedrige Erzeugerpreise z. B. Schweine
Betriebsmittel 157 Vereinzelt kürzere LieferzeitenDiesel phasenweise günstiger Überwiegend Einkauf unverändertEinkauf an Nachfrage angepasstEinlagerung von Betriebsmitteln Lange Lieferzeiten oder Lieferschwierigkeiten z. B. Ersatzteile und VerpackungenEinzelne Betriebsmittel nicht verfügbar Höhere Einkaufspreise z. B. Rohstoffe und Maschinen
Arbeitskräfte 45 Erhöhte Verfügbarkeit inländischer Arbeitskräfte Kurzarbeit EinreisebeschränkungenArbeitskräftemangelHöhere Kosten z. B. Unterbringung und Organisation
Arbeitszeit 48 Reduzierter Arbeitsaufwand Verlagerung von Arbeitsspitzen und Aufgaben Gestiegener Arbeitsaufwand
Produktion & Aktivitäten 46 Impuls zur Innovation z. B. AusweitungVerarbeitung und Automatisierung Überwiegend keine Anpassung ProduktionAn Nachfrage angepasst Störungen verursachen vereinzeltAnpassungen von Ackerbau, Tierzucht und VerarbeitungVerbot von Aktivitäten z. B. Agrotourismus und Verkostungen
Risikomanagement 52 Teils zusätzliche Maßnahmen z. B. Lagerhaltung Überwiegend keine zusätzlichen Maßnahmen
Privatleben & Gesundheit 201 Mehr Zeit für Familie und FreizeitEntschleunigung und weniger StressWertschätzung für Lebenssituation Soziale Kontakte online und telefonisch Verzicht auf soziale Kontakte und FreizeitaktivitätenKinderbetreuung belastet Familien und FrauenPsychische und körperliche BelastungInfektion bedroht Betriebsabläufe und Gesundheit
Informationsquellen 84 Medienkonsum reduziert
Regulatorischer Rahmen 169 Investitionsprämie für diverse Projekte Staatliche Hilfen zur Kompensation z. B. Kurzarbeit, Umsatzersatz Maßnahmen stören Aktivitäten z. B. Störung Grenzverkehr und Schließung von MärktenKosten HygienemaßnahmenBürokratischer Aufwand für staatlicheHilfen, fehlende Akzeptanz, Betriebe nicht anspruchsberechtigt
Interessenvertretung 58 Aktuelle Informationsweitergabe und Beratung Unzureichende Unterstützung und Interessenvertretung
Beratung & Bildung 48 Entstehung und Nutzung digitalerAngebote, Zeitersparnis und FlexibilitätHäufiger teilgenommen Absage von PräsenzangebotenBei digitalen Angeboten fehlt persönlicherAustausch
Öffentliche Wahrnehmung & Berichterstattung 131 Verbesserte Wahrnehmung von Betrieben und LandwirtschaftPositive EinstellungsänderungKonsumentenBedeutungszuwachs VersorgungssicherheitMehr positive mediale Berichterstattung Oberflächliche EinstellungsänderungUnrealistische Erwartungen von KonsumentenVernachlässigung der Landwirtschaft in der Berichterstattung
Zukunft 225 Neue Vermarktungsstrategien entwickelnPositive Perspektive durch Aufschwung nach COVID-19 und anhaltend hohe Nachfrage Langfristige Veränderungen der Betriebe z. B. InvestitionenDigitale KommunikationStrategische Neuausrichtung von Betrieben Aufgabe von Tierzucht oder BetriebMehr UnsicherheitNegative Perspektive durch anhaltend schwache Nachfrage Gastronomie und Sorge über sinkende Erzeugerpreise
Beschreibung der Stichprobe und Einordnung

Die 34 interviewten Landwirt:innen bewirtschaften zwischen einem und 180 ha land- und forstwirtschaftlicher Fläche. Aus jedem österreichischen Bundesland, ausgenommen Wien, nahmen zwischen drei und sieben Betriebe teil. Die Betriebe stellen diverse Ur- und Verarbeitungsprodukte her, wobei elf ausschließlich pflanzliche und sieben ausschließlich tierische Produkte erzeugen. Zusätzlich bieten fünf Betriebe landwirtschaftliche Nebentätigkeiten, vier Vermietung oder Urlaub auf dem Bauernhof, zwei Bildungs- und Beratungsangebote und einer einen Buschenschank an. Es handelt sich überwiegend um Einzelunternehmen, vier Betriebe werden als Personengesellschaften und weitere zwei als Kapitalgesellschaften geführt. Auf den Betrieben arbeiten zwischen einer und 80 Personen, etwa die Hälfte beschäftigt Fremdarbeitskräfte.

Im Kontrast zur österreichischen Landwirtschaft sind biologische Produktion, Direktvermarktung und Tätigkeit im Haupterwerb in der vorliegenden Studie überrepräsentiert. Von den teilnehmenden Betrieben wirtschaften 18 biologisch und weitere vier teilweise biologisch. Im Vergleich produzieren von den 155.754 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Österreich nur etwa 23 % biologisch (BMLRT, 2021). 30 der befragten Landwirt:innen betreiben Direktvermarktung. Laut Agrarstrukturerhebung 2016 vermarkten 14 % der Betriebe landwirtschaftliche Erzeugnisse direkt an Endkonsumenten (Statistik Austria, 2018), während eine aktuell Umfrage, die zusätzlich den Verkauf an die Gastronomie miteinbezieht, den Anteil auf 28 % schätzt (KeyQUEST, 2021). Da die Online-Präsenz für diese Betriebe von hoher Relevanz ist, könnte die Kontaktaufnahme über Internetrecherche ein Grund für den hohen Anteil der Direktvermarktungsbetriebe in der Studie sein. 30 der teilnehmenden Betriebe sind im Haupterwerb tätig. Die reale Verteilung weicht auch hier mit 36 % Haupterwerb und 55 % Nebenerwerb deutlich ab (Statistik Austria, 2018).

Ergebnisse

Auf die Frage hin, wie sich COVID-19 auf ihren Betrieb ausgewirkt hat, ziehen 13 Landwirt:innen eine negative, acht eine positive und zehn eine gemischte Bilanz. Drei Betriebe wurden kaum beeinträchtigt. Die heterogenen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der zu ihrer Eindämmung ergriffenen Maßnahmen werden in Tabelle 1 zusammengefasst und im Folgenden erläutert.

Verkauf

Erhebliche Auswirkungen wurden in den Interviews auf den Verkauf und die Direktvermarktung und damit die Einkommensmöglichkeiten von landwirtschaftlichen Betrieben festgestellt. Abbildung 1 zeigt eine Übersicht der Subkategorien zu diesem Thema. Die Schließung gastronomischer Einrichtungen – zwei Monate im Frühjahr 2020 und erneut ab November 2020 – und der resultierende Nachfragerückgang des Großhandels und nach gastronomieorientierten Produkten hat sich auf den Absatz von 23 Betrieben negativ ausgewirkt. Nach dem unvermittelten Ausfall während des ersten Lockdowns folgte laut Angaben von acht Landwirt:innen in der Phase der Öffnung eine hohe Nachfrage. Die Verluste der Betriebe waren besonders hoch, wenn die Gastronomie einen hohen Umsatzanteil ausmacht, eine Abhängigkeit vom Wintertourismus besteht oder Produkte nicht alternativ vermarktet werden konnten. Außerdem wurden Absatzschwierigkeiten in der Gemeinschaftsverpflegung, dem Export von Qualitätsweinen und im Einzelhandel festgestellt. Auch auf die Erzeugerpreise wirkte sich die Pandemie teils aus. So konnte etwa ein konventioneller Schweinemastbetrieb die Produktionskosten nicht decken, weil der Schweinepreis einbrach.

Abbildung 1

Codesystem Verkauf und Direktvermarktung (DV) mit Anzahl der codierten Aussagen.

Figure 1. Code system sales and direct marketing including frequency of coded statements.

Gleichzeitig haben die Verlagerung des Konsums in die Privathaushalte sowie die Panikkäufe zu einem Nachfrageanstieg im LEH geführt, wovon zehn Betriebe insbesondere während des ersten Lockdowns profitierten. Zum anderen haben sich Nachfrage und Absatz in der Direktvermarktung, womit im Folgenden ausschließlich der unmittelbare Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten an Endkonsumenten gemeint ist (Balling, 2000), bei fast allen Betrieben positiv entwickelt. Die Nachfrage im Ab-Hof-Verkauf und in Hofläden ist, insbesondere während den Phasen restriktiver Maßnahmen, bei 15 Landwirt:innen, gestiegen, wie LW26 in Bezug auf den Ab-Hof Verkauf von Fleisch und Kartoffeln beschreibt: „Wir haben ja im letzten Frühling in der Direktvermarktung Umsatzzuwächse gemeldet, die exorbitant teilweise waren. Das hat sich zwar wieder bisschen stabilisiert und teilweise verloren, aber im Großen und Ganzen hat es einen stabilen Zuwachs gegeben.“ Gleichermaßen profitierten Selbstbedienungsbereiche, Zustellservice und Abokisten von einer höheren Nachfrage. Zwölf Landwirt:innen verzeichneten in Onlineshops Absatzsteigerungen, auch weil sie über soziale Medien mehr Aufmerksamkeit generieren konnten. Diverse Gründe haben zum Erfolg der Direktvermarktung während der COVID-19-Pandemie beigetragen (siehe Abb. 1). Dabei waren die Änderungen des Verhaltens (Konsum zu Hause, mehr Zeit für Ernährung, Online-Einkauf) und der Einstellungen (Präferenz für Regionalität sowie Herkunft und Qualität, Bedeutungszuwachs Versorgungssicherheit) von Konsumenten aus Sicht der Landwirt:innen zentral. Zwölf Landwirt:innen berichteten, dass sich der Kundenkreis in der Direktvermarktung zumindest phasenweise erweitert hat, während die Zusammensetzung überwiegend gleich blieb.

Andererseits hat sich COVID-19 auf bestimmte Direktvermarktungsbetriebe negativ ausgewirkt. Sechs Betriebe waren von der Absage von Bauern-, Wochen- und Weihnachtsmärkten betroffen und die Attraktivität von Marktbesuchen ist für Konsumenten aus Sicht der Landwirt:innen teilweise gesunken. Ebenso ist durch die Stilllegung des Tourismus die Nachfrage bei vier Direktvermarktungsbetrieben, die primär an touristische Kundschaft verkaufen, eingebrochen. Die geringe Nachfrage im ländlichen Raum und die Konkurrenz mit anderen landwirtschaftlichen Betrieben und dem LEH verhinderten positive Effekte auf Direktvermarktungsbetriebe, wie einige Landwirt:innen berichteten.

Aufgrund der zuvor geschilderten Entwicklungen haben landwirtschaftliche Betriebe die Vermarktung angepasst. Acht Landwirt:innen haben neue Varianten der Direktvermarktung mittels Ab-Hof-Verkauf, Crowdfarming, Abokisten, Selbstabholung und Lieferservice eingeführt oder forciert. Weitere sechs haben einen Onlineshop eröffnet oder diesen ausgebaut. Weil die Gastronomie und andere Absatzwege wegfielen, wurden überschüssige Produkte in einigen Fällen einer alternativen Verwendung zugeführt: Zum Beispiel wurde Milch für die Herstellung einer erweiterten Produktpalette verwendet, Eier an ein Aufschlagwerk verkauft und Gemüse für die Produktion von Biogas eingesetzt. Die Veränderungen in der Vermarktung hatten heterogene Auswirkungen auf die erzielten Preise. Ein Milchviehbetrieb erzielte einen niedrigeren Preis, weil dieser an eine Molkerei statt an die Gastronomie vermarkten musste, während in der Direktvermarktung von Rindfleisch höhere Preise erzielt wurden.

Betriebsmittel

Während die Mehrheit der befragten Landwirt:innen ihr Einkaufsverhalten für Betriebsmittel nicht veränderte, wurde dieses teilweise an die gestiegene oder gesunkene Nachfrage angepasst. Vier lagerten aufgrund der Unsicherheit Betriebsmittel wie Diesel oder Verpackungsmaterial ein. Die Hälfte der Landwirt:innen stellte lange Lieferzeiten beispielsweise für Saatgut, Pflanzkartoffeln, Jungpflanzen, Verpackungsmaterial, Landmaschinen, Ersatzteile, Düngemittel und Junghennen fest, während viele keine Probleme bei der Beschaffung hatten. Kräuterjungpflanzen und Atemschutzmasken waren nicht verfügbar. Einzelne gaben an, dass sich die Lieferzeiten verkürzt haben. Überwiegend nehmen die Landwirt:innen keine Preisänderung oder lediglich einen Preisanstieg im regulären Rahmen der Teuerung wahr. Im Gegensatz dazu wurde ein Preisanstieg von Maschinen, Baurohstoffen und Metallen und vereinzelt anderen Betriebsmitteln festgestellt. Drei Landwirt:innen äußerten demgegenüber, dass Treibstoff im Frühjahr 2020 günstiger war.

Arbeitskräfte und Arbeitszeit

Zu Beginn der Pandemie war die Verfügbarkeit von ausländischen Arbeitskräften durch Grenzschließungen und Einschränkungen der Mobilität für zehn Betriebe eingeschränkt. Teilweise wurden einerseits Arbeitskräfte präventiv angestellt, aus dem Ausland eingeflogen oder während Arbeit und Unterbringung in Gruppen getrennt, um die Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe beim Auftreten einer Infektion sicherzustellen. Daher entstanden zusätzliche Kosten und der organisatorische Aufwand erhöhte sich. Andererseits hatten neun Betriebe keine Probleme bei der Verfügbarkeit von Arbeitskräften, und für sechs Landwirt:innen war es durch COVID-19 einfacher, Arbeitskräfte zu beschaffen – zum Beispiel weil österreichische Fachkräfte aus anderen Branchen zur Verfügung standen.

Die reduzierte Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist ein Grund dafür, dass für 14 Landwirt:innen die Arbeitszeit temporär oder insgesamt anstieg. Weiterhin erhöhte die Ausweitung der Direktvermarktung, die mit zusätzlichen Leistungen verbunden ist, den Arbeitsaufwand. LW12 vermarktet wegen der Schließung der Gastronomie Rindfleisch selbst und beschreibt die Problematik so: „Um 150 kg Fleisch einzupacken, zu vakuumieren und an den Mann zu bringen, braucht natürlich länger, als wenn das Tier vom Transporteur abgeholt wird.“ Andere Gründe für die erhöhte Arbeitszeit finden sich im Nebenberuf, dem Nachfrageanstieg und der Ausweitung oder Umstellung der Produktion. Bei einigen Landwirt:innen hat sich die Arbeitszeit wegen den Veränderungen in Vermarktung und Produktion zwischen Aufgaben verlagert oder Arbeitsspitzen haben sich verschoben. Die Arbeitszeit von 14 Landwirt:innen veränderte sich nicht, während sie für sechs zumindest phasenweise gesunken ist.

Landwirtschaftliche Produktion und Risikomanagement

Auf die landwirtschaftliche Produktion der meisten teilnehmenden Betriebe hatte COVID-19 keine unmittelbaren Auswirkungen, während etwa ein Drittel individuelle Anpassungen vornahm: Aufgrund der Nachfrageänderungen haben manche Betriebe die Produktion reduziert, andere konnten diese sogar ausweiten. Wieder andere gaben an, z. B. die Mastdauer von Rindern verlängert oder mehr Zeit in die Kälberaufzucht investiert zu haben. Weil Arbeitskräfte oder Betriebsmittel nicht verfügbar waren, erfolgte vereinzelt die Umstellung der Fruchtfolge auf weniger arbeitsintensive Kulturen oder Kräuter wurden selbst angezogen. Wegen Störungen in der Fleischverarbeitungsindustrie wurden die Standzeiten von Mastschweinen verlängert. Maschinenkooperationen und das Erreichen von Flächen im Ausland wurden zu Beginn durch Grenzschließungen behindert. Betriebe, die Verkostungen, Bewirtung im Buschenschank, Urlaub auf dem Bauernhof und Vermietung von Unterkünften anbieten, wurden von dem phasenweisen Verbot dieser nichtlandwirtschaftlichen Aktivitäten negativ beeinflusst.

Auf den meisten teilnehmenden Betrieben wurde das Risikomanagement aufgrund von COVID-19 nicht verändert, weil dafür keine Notwendigkeit wahrgenommen wurde oder bereits in der Vergangenheit Maßnahmen des Risikomanagements ergriffen wurden. Überwiegend bleiben die Gründe dafür aber unklar. Sieben Landwirt:innen geben an, das Risikomanagement zum Beispiel durch das Vorhalten zusätzlicher Lagerbestände, die Diversifizierung der Vermarktungsmöglichkeiten, die Anschaffung eines Notstrom-aggregates, die Anpassung der produzierten Menge oder die Erhöhung von Versicherungen angepasst zu haben. Einige Landwirt:innen sind vorsichtiger oder gelassener gegenüber Risiken geworden, oder die Bedeutung von Risikomanagement ist ihnen bewusster geworden.

Regulatorische Rahmenbedingungen und Interessenvertretung

Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 bewerten Landwirt:innen sehr unterschiedlich. Maßnahmen, welche zu Beginn der Pandemie die Tätigkeiten behindert haben, wurden kritisiert. Genannt wurden etwa Grenzschlie-ßungen, abweichende Regelungen in angrenzenden Staaten (z. B. Deutschland), die kurzfristige Ankündigung des ersten Lockdowns und die Schließung von Märkten. Ebenfalls wurden Maßnahmen wie die Schließung von Gastronomie und Schulen oder deren Unbeständigkeit und Langwierigkeit kritisiert. Andererseits zeigte sich Zustimmung für die Maßnahmen und Verständnis gegenüber den politischen Entscheidungsträgern, für die es laut einiger Landwirt:innen schwierig gewesen sei auf die neuartige Situation zu reagieren. Acht Landwirt:innen berichteten von der Durchführung zusätzlicher Hygienemaßnahmen.

Zur Kompensation der Folgen von COVID-19 in der Landwirtschaft wurden in Österreich diverse staatliche Hilfsmaßnahmen durchgeführt. Zwölf Landwirt:innen nutzten die Investitionsprämie für die Finanzierung von Maschinen, Photovoltaikanlagen, Automatisierung und anderen Projekten. Einige bewerteten den finanziellen Anreiz als zu gering, überwiegend wurde die Investitionsprämie aber positiv beurteilt. In vier Betrieben wurden Mitarbeiter:innen für Kurzarbeit angemeldet. Umsatzersatz, Härtefallfonds und Ausgleichzahlungen für Lagerkosten wurden von den teilnehmenden Betrieben nur vereinzelt beansprucht. Drei Landwirt:innen gaben außerdem an, eine Einmalzahlung erhalten zu haben. Viele der befragten Landwirt:innen haben keine staatlichen Hilfen erhalten, weil sie wegen zu geringer Umsatzausfälle oder anderer Gründe nicht anspruchsberechtigt waren, sie diese nicht benötigten oder der bürokratische Aufwand für die Antragsstellung zu hoch war. Einige lehnten die Nutzung finanzieller Hilfen ab, weil sie die Unterstützung anderer Betriebe oder Branchen als dringlicher erachteten oder Bedenken in Bezug auf die Finanzierung der Hilfen bestanden. Häufig bemängelt wurde die komplizierte und langwierige Antragsstellung, für die teils professionelle Hilfe genutzt wurde. Kritisiert wurde außerdem von einigen der zu geringe Umfang, die Vernachlässigung der Landwirtschaft bei der Kompensation von COVID-19, die unzureichende Zielgebundenheit, das Vorhaben Arbeitskräfte aus Österreich einzusetzen oder, dass Auszahlungen noch nicht oder mit langer Verzögerung erfolgten.

Auch bei der Zufriedenheit mit Interessenvertretungen während COVID-19 zeigt sich ein heterogenes Bild. Etwa die Hälfte der Landwirt:innen bewertete z. B. die tagesaktuelle Informationsweitergabe und Beratung der Landwirtschaftskammern – die gesetzliche Vertretung der Landwirtschaft in den Bundesländern – sowie die Arbeit von Fachverbänden, Bio Austria und der Wirtschaftskammer positiv. Einige kritisierten fehlende Unterstützung, Trägheit und unzureichende Kommunikation der landwirtschaftlichen Interessen in der Öffentlichkeit. Teilweise wird unabhängig von COVID-19 der Vertrauensverlust und die Unzufriedenheit mit der Interessenvertretung deutlich.

Nach dem Auftreten von COVID-19 wurden Präsenzangebote überwiegend abgesagt, weshalb die meisten befragten Landwirt:innen ausschließlich an den neu entstandenen virtuellen Bildungs- oder Beratungsangeboten teilgenommen haben, welche überwiegend positiv bewertet wurden. Virtuelle Kurse, Schulungen, Tagungen und Webinare können flexibler in den landwirtschaftlichen Alltag integriert werden und sparen durch den Wegfall der Anreise Zeit, weshalb einige häufiger teilnahmen. Die Landwirt:innen schilderten, dass virtuelle Kommunikation auch vermehrt für Arbeitsgemeinschaften, private Treffen, politische Zwecke und im Kontakt mit Kundschaft und Behörden genutzt wurde. Andere waren den digitalen Angeboten gegenüber kritisch, weil ihnen der persönliche Austausch oder die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme fehlten. Zehn Landwirt:innen haben während der COVID-19-Pandemie keine Bildungsoder Beratungsangebote genutzt, wobei abgesehen von Zeitmangel und Absagen die Gründe unklar bleiben.

Berichterstattung und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

Die Mehrzahl der Landwirt:innen hat zumindest temporär eine vermehrte und positive mediale Berichterstattung während der COVID-19-Pandemie über die österreichische Landwirtschaft wahrgenommen; zum Beispiel zu den Themen „Versorgungssicherheit“, „Regionalität“, „Erntehefler:innen“ und „Wertschätzung systemrelevanter Berufe“. Neun Landwirt:innen haben keine Veränderung und weitere fünf eine Vernachlässigung gegenüber anderen systemrelevanten Berufsgruppen festgestellt. Andererseits nahmen einige Landwirt:innen wahr, dass Themen wie die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften gesellschaftlich und medial kritisch diskutiert wurden.

Fast alle Landwirt:innen gaben an, dass sich die Wahrnehmung der österreichischen Landwirtschaft in der Gesellschaft durch COVID-19 verbessert hat, was sich primär durch die Einstellungsänderungen der Konsumenten manifestiert. Dies wird an der Aussage von LW15 deutlich: „Verändert hat sich sicher das Bewusstsein, dass Regionalität und der Nahversorger viel wichtiger für die Leute geworden ist. Ich hoffe, dass das auch im Kopf drinnen bleibt.“ Die Landwirt:innen beobachteten eine Steigerung der Wertschätzung für die landwirtschaftlichen Leistungen, der Akzeptanz, des Interesses an der Landwirtschaft, der Präferenz für Regionalität, biologische Produktion sowie hohe Qualität von Lebensmitteln und des Bewusstseins für Ernährung und die Herkunft von Lebensmitteln. Außerdem wurden Konsumenten durch Panikkäufe und Störungen der Lieferketten für das Thema „Versorgungssicherheit“ sensibilisiert, was den Stellenwert der heimischen Landwirtschaft aus Sicht der Landwirt:innen erhöhte. Analog waren 16 Landwirt:innen der Meinung, dass sich die Wahrnehmung des eigenen Betriebes tendenziell verbessert hat, was sich durch eine Steigerung von Interesse, Wertschätzung und Bekanntheit äußert. Zehn Landwirt:innen zweifelten jedoch an der Dauerhaftigkeit oder Aufrichtigkeit der Einstellungsänderung, etwa weil sich die Präferenz für die Direktvermarktung seit Beginn der Pandemie wieder relativiert hat oder keine Verhaltensänderungen erfolgten. Außerdem wurden unrealistische Erwartungen der Konsumenten an die Landwirtschaft kritisiert.

Soziale Auswirkungen: Privatleben und Gesundheit

Auf das Privatleben fast aller befragten Landwirt:innen hat sich COVID-19 durch die Reduktion der sozialen Kontakte, den fehlenden Ausgleich durch Freizeitaktivitäten, den Verzicht auf Feste und Traditionen und die Belastung der Kinder durch Einschränkungen negativ ausgewirkt. Während der Schließungen von Schulen und Betreuungseinrichtungen mussten 14 Landwirt:innen ihre Kinder zu Hause betreuen und teils in mehreren Jahrgangsstufen gemeinsam unterrichten, was Familien und insbesondere Frauen zusätzlich belastete. Andererseits haben sich mehr Freizeit, Zusammenhalt und Entschleunigung sowie weniger Stress auf 14 Landwirt:innen positiv ausgewirkt. Viele Landwirt:innen fühlten sich durch die selbständige Arbeit auf den Betrieben, ihr geräumiges Zuhause, die umgebende Natur und das Leben im ländlichen Raum privilegiert und durch die Maßnahmen weniger eingeschränkt. Sieben Landwirt:innen haben soziale Kontakte telefonisch oder online aufrechterhalten, was ambivalent bewertet wurde.

Teilweise wurde von einer erhöhten psychischen und körperlichen Belastung durch Unsicherheit, Stress, Existenzängste, fehlende soziale Kontakte und Arbeitsspitzen berichtet. Während die meisten mehrere Informationsquellen nutzten, geben fünf Landwirt:innen an, den Konsum von Informationen während COVID-19 reduziert zu haben. Diese empfanden die Berichterstattung als psychische Belastung oder hatten keine Zeit, weshalb zum Beispiel Zeitungen abbestellt wurden. Mögliche negative Konsequenzen einer COVID-19-Erkrankung für Gesundheit und Betriebsabläufe beschrieben sechs Landwirt:innen, wobei nur im Umfeld von drei Betrieben Erkrankungen mit jeweils geringen Auswirkungen auftraten.

Langfristigkeit der Auswirkungen

COVID-19 hat über die kurzfristigen Anpassungen hinaus Prozesse angestoßen, die zu langfristigen Veränderungen der meisten untersuchten landwirtschaftlichen Betriebe führen. Diese resultieren einerseits aus den getätigten Investitionen. Die Auswirkungen von COVID-19 wirken als Impuls für Modernisierung, der durch die Investitionsprämie zusätzlich verstärkt wird, wie am Beispiel einer Aussage von LW23 deutlich wird: „Mehr automatisieren und was irgendwie geht durch Maschinen ersetzen. Im Prinzip sind das Sachen, die wir eh schon vorgehabt haben, da war Corona wirklich ein Katalysator. Da haben wir gesagt, jetzt oder nie.“ Andererseits wurden Projekte teils aufgeschoben. Aufgrund der positiven Entwicklung wird die Direktvermarktung, insbesondere im Online-Handel, auf vielen Betrieben fortgesetzt. Die Digitalisierung wird laut den befragten Landwirt:innen zukünftig in verschiedenen Kontexten wie der Vermarktung über Onlineshops, virtuellen Bildungs- und Beratungsangeboten und Marketing in den sozialen Medien eine wichtige Rolle spielen. Ein Betrieb hat Bestellprozesse mit einer eigenen Software digitalisiert, die zum Verkauf angeboten wird. Andere langfristige Veränderungen sind divers und individuell von den Betrieben abhängig. Zum Beispiel nutzte ein Betrieb überschüssige Milch zur Hartkäseproduktion und möchte die dadurch gewonnene Flexibilität zukünftig erhalten.

Die Hälfte der Landwirt:innen sagte, dass sich COVID-19 auf ihre zukunftsweisenden, strategischen Entscheidungen auswirkt. Viele wollen die Vermarktung verändern indem sie zum Beispiel Direktvermarktung einführen, Wein exportieren und weniger an die Gastronomie verkaufen, auch um mehr Unabhängigkeit zu schaffen. Andere wollen ihre Betriebe grundlegend verändern, zum Beispiel auf biologische Bewirtschaftung umstellen, die Tierzucht aufgeben oder eine Molkerei integrieren. Landwirt:innen bezogen dabei großteils zukünftige Krisen und Unsicherheiten in ihre Planungen mit ein. Während in einem Fall wegen der Verschuldung durch COVID-19 eine Betriebsaufgabe in Erwägung gezogen wurde, wollten andere ihre Betriebe an die gestiegene Nachfrage anpassen. Dies zeigt wie gegensätzlich die Auswirkungen waren. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass die Landwirt:innen unterschiedliche Annahmen über die Dauer der COVID-19-Pandemie und zukünftige Rahmenbedingungen trafen: Während einige einen Aufschwung von Gastronomie, Agrotourismus und Veranstaltungen sowie eine Fortsetzung der positiven Entwicklung in der Direktvermarktung erwarteten, prognostizierten andere wegen der ökonomischen Folgen von COVID-19 zukünftig eine schwache Nachfrage in der Direktvermarktung und Gastronomie, die bei gleichzeitig hohem Angebot zu sinkenden Erzeugerpreisen führen könnte.

Für die Zeit nach COVID-19 äußerten Landwirt:innen unterschiedliche Wünsche. In Abhängigkeit von den individuellen Auswirkungen erhofften sie sich für ihren Betrieb entweder die Rückkehr zu einem Zustand wie vor der COVID-19-Pandemie oder eine Fortsetzung der positiven Entwicklungen. Allgemein wünschten sie sich Freiheiten für betriebliche Aktivitäten, den Verkauf und das Privatleben zurück. Ein weiterer Wunsch war, dass die gestiegene Wertschätzung für die Landwirtschaft erhalten bleibt und sich im Kaufverhalten und der Zahlungsbereitschaft von Konsumenten widerspiegelt. Andere wünschten sich mehr Wertschätzung, Interesse und Unterstützung für die österreichische Landwirtschaft abseits einer romantisierten Darstellung.

Diskussion

Aus den Interviews mit 34 österreichischen Landwirt:innen geht hervor, dass die meisten Betriebe von der COVID-19-Pandemie betroffen waren. Dies steht im Kontrast zu anderen Studien aus dem europäischen Raum. Beispielsweise wurden bei französischen Milchviehbetrieben überwiegend keine oder mäßige Auswirkungen beobachtet (Perrin und Martin, 2021). Die individuelle Betroffenheit der teilnehmenden Betriebe ist heterogen und von den positiven und negativen Auswirkungen abhängig, welche von den Landwirt:innen beschrieben wurden. Es müssen in diesem Zusammenhang die Limitationen der Studie beachtet werden: Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind schon aufgrund des empirischen Designs nur eingeschränkt auf die österreichische Landwirtschaft übertragbar. Auch weicht die Stichprobenstruktur deutlich von den realen Verhältnissen ab (siehe Abschnitt 2.2). Die Ergebnisse stimmen daher nicht mit denen von Kirner et al. (2021) überein, die lediglich bei 5 % der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe positive wirtschaftliche Folgen feststellen und zu dem Schluss kommen, dass die negativen ökonomischen Auswirkungen von COVID-19 deutlich überwiegen. Betriebe mit Direktvermarktung und biologischer Produktion sind in der Stichprobe überrepräsentiert und haben häufiger vom Nachfrageanstieg und den Einstellungs- und Verhaltensänderungen der Konsumenten profitiert.

Da bisher keine detaillierten empirischen Untersuchungen zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die österreichische Landwirtschaft vorliegen, werden die Ergebnisse der Interviews im Folgenden im Kontext internationaler Literatur diskutiert. Dabei ist die Übertragbarkeit bzw. Vergleichbarkeit aufgrund abweichender Rahmenbedingungen in anderen Ländern und Regionen nicht zwangsläufig gegeben.

Diskussion über die ökonomischen Auswirkungen

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Verkauf und die Absatzmöglichkeiten landwirtschaftlicher Betriebe durch die Reduktion oder Erhöhung der Nachfrage sind zentral, wie Studien aus verschiedenen Ländern bestätigen (Gu und Wang, 2020; Kirner et al., 2021; Meuwissen et al., 2021). Die Stilllegung und Einschränkungen des Außer-Haus-Verzehrs, der zuvor in Österreich 34 % der gesamten Konsumausgaben für Ernährung ausmachte (RegioData Research, 2019), hat sich ähnlich wie in Italien (Cavallo et al., 2020) direkt auf Betriebe, welche an die Gastronomie verkaufen, oder indirekt durch den Nachfrageeinbruch im Großhandel negativ ausgewirkt (Bachtrögler et al., 2020). Von den landwirtschaftlichen Betrieben in Österreich verzeichneten 46 % keine oder kaum, 34 % leicht negative und 15 % stark negative wirtschaftliche Folgen (Kirner et al., 2021). Im Vergleich zu anderen Branchen (Bachtrögler et al., 2020) sind die ökonomischen Auswirkungen für einen Großteil der Betriebe moderat. Die Interviews sowie eine Studie aus Frankreich bestätigen jedoch, dass die individuellen Auswirkungen auf den Umsatz heterogen sind und einige Betriebe hohe Umsatzverluste verzeichneten (Perrin and Martin, 2021). Überschüssige Produkte wurden teils für die Direktvermarktung oder eine alternative Verarbeitung verwendet. Trotz des Nachfrageanstiegs im LEH hatten Landwirt:innen in Italien Probleme ihre Produkte am Markt zu platzieren (Cavallo et al., 2020). Das Überangebot gastronomieorientierter Produkte (z. B. Rindfleisch, Speiseindustriekartoffeln, Qualitätswein, Obstbrände) hat vermutlich zur negativen Entwicklung der entsprechenden Erzeugerpreise beigetragen (Béné, 2020; BMLRT, 2021). In einem Fall wurde Gemüse, welches für die Gastronomie produziert wurde, vernichtet, was eine gewisse Inflexibilität der auf Just-in-time-Produktion ausgerichteten Lebensmittelwertschöpfungsketten bekräftigt (Aday und Aday, 2020; Weersink et al., 2021) und darauf hinweist, dass die Lebensmittelverschwendung gestiegen sein könnte, ähnlich wie in Italien (Mastronardi et al., 2020). Außerhalb der Lockdowns stellte sich laut einigen Landwirt:innen eine Erholung der gastronomischen Nachfrage ein. Tatsächlich zeigt eine Umfrage in Deutschland, dass über zwei Drittel der Konsumenten zwischen der Stilllegung des Außer-Haus-Verzehrs und November 2020 wieder ein Restaurant besucht haben (Busch et al., 2021).

Aus der Literatur geht hervor, dass bestimmte Betriebszweige allgemein stärker von der COVID-19-Pandemie betroffen waren (Kirner et al., 2021; Snow et al., 2021; Weersink et al., 2021). In Österreich waren vor allem Weinbau-, Schweinemast- und Rindermastbetriebe von negativen ökonomischen Auswirkungen betroffen (BMLRT, 2021; Kirner et al., 2021). Der Verlustersatz für indirekt Betroffene in der Landwirtschaft wurde am häufigsten für die Schweinemast beansprucht (BMLRT, 2021). Weil Gastronomie und Beherbergung durch die phasenweise Stilllegung zu den Branchen mit der höchsten ökonomischen Betroffenheit durch die COVID-19-Pandemie zählen (Bachtrögler et al., 2020), ist es außerdem plausibel, dass sich der Absatzrückgang auf drei Viertel der österreichischen Betriebe, die Bewirtung im Buschenschank und Urlaub auf dem Bauernhof anbieten, stark negativ ausgewirkt hat (Kirner et al., 2021). Andererseits ist die Präferenz für Agrotourismus während der COVID-19-Pandemie gestiegen, wie eine Umfrage in Polen zeigte (Wojcieszak-Zbierska et al., 2020). Die Verschiebung der Nachfrage in die privaten Haushalte verursachte 2020 einen Anstieg der Haushaltsausgaben für Lebensmittel um 12,6 % (AMA, 2020). Davon profitieren einerseits einige landwirtschaftliche Betriebe, die direkt oder indirekt an den LEH vermarkten, wie verschiedene Studien bekräftigen (Mastronardi et al., 2020; Meuwissen et al., 2021). Der LEH erzielte in Österreich 2020 eine Umsatzsteigerung von 8,6 % bei einer Zunahme des Absatzvolumens um 7 % (Statistik Austria, 2021). Andererseits verzeichneten die meisten teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe, die in der Direktvermarktung aktiv sind, einen Nachfrageanstieg, während Kirner et al. (2021) lediglich bei einem Drittel positive Auswirkungen feststellen. Tatsächlich stieg 2020 der Ab-Hof-Verkauf um 23,9 % und der Verkauf auf Bauernmärkten um 12,6 % im Vergleich zum Vorjahr (AMA, 2020). Daher ist es nachvollziehbar, dass Landwirt:innen die Direktvermarktung ausgeweitet oder neu eingeführt haben, um Absatzschwierigkeiten auszugleichen. In Japan wurde gezeigt, dass die Direktvermarktung als Diversifizierungsstrategie die Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber der COVID-19-Pandemie erhöhte (Yoshida und Yagi, 2021). Weil in der Direktvermarktung zusätzliche Leistungen erbracht werden – Landwirt:innen nennen zum Beispiel die Bereitstellung kleiner Verpackungseinheiten – entstehen zusätzliche Kosten (Balling, 2000). In den Interviews wird deutlich, dass aufgrund ihrer Lage nicht alle Direktvermarktungsbetriebe von diesen Entwicklungen profitierten. Weiterhin wirkte sich die Schließung diverser Märkte negativ auf Direktvermarktungsbetriebe aus. Dies stimmt mit einer Studie aus Frankreich überein, die belegt, dass Milchviehbetriebe, die ihre Milch selbst verarbeiten und vermarkten, deutliche Umsatzeinbußen während der COVID-19-Pandemie verzeichneten (Perrin und Martin, 2021).

Zur Nachfragesteigerung in der Direktvermarktung haben diverse Effekte wie Panikkäufe, Marketingmaßnahmen und die gestiegene Bedeutung der Erreichbarkeit von Einkaufsstätten (AMA, 2020) beigetragen. Viele Landwirt:innen betonen, dass die Direktvermarktung maßgeblich von den Einstellungs- und Verhaltensänderungen der Konsumenten, die in Abschnitt 4.3 diskutiert werden, profitierte.

Ähnlich wie bei anderen landwirtschaftlichen Systemen in Europa (Meuwissen et al., 2021) wurden geringe Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die landwirtschaftliche Produktion festgestellt, was mit den Erkenntnissen von Kirner et al. (2021) übereinstimmt, die lediglich bei 10 % der österreichischen Betriebe eine Umstellung der Produktion oder Vermarktung feststellen. Laut Meuwissen et al. (2021) haben geringe Exposition, adäquate Anpassungen der Betriebe und förderliche institutionelle Rahmenbedingungen dazu beigetragen, dass keine massiven Störungen der Produktionstätigkeiten auftraten, wie sie beispielsweise im Frühjahr 2020 in China beobachtet wurden (Du et al., 2020). Das könnte außerdem ein Grund dafür sein, warum das Risikomanagement während COVID-19 bei den teilnehmenden Betrieben mehrheitlich nicht angepasst wurde. Beispielsweise hat nur einer der Betriebe eine Versicherung erhöht. Im Gegensatz dazu stellen Du et al. (2020) aufgrund der COVID-19-Pandemie eine gestiegene Bereitschaft von Familienbetrieben in China zum Abschluss von Versicherungen fest. Bis auf einen Fall, in dem ein geringer Kulanzbetrag ausgezahlt wurde, bleibt unklar ob landwirtschaftliche Betriebe von bestehenden Versicherungen profitiert haben. Während nur einzelne Betriebsmittel nicht verfügbar waren, waren einige Betriebe von langen Lieferzeiten und gestiegenen Einkaufspreisen für Betriebsmittel betroffen, was Meuwissen et al. (2021) für verschiedene landwirtschaftliche Systeme in Europa bestätigen. Besonders die gestiegenen Investitionskosten für Maschinen, Ersatzteile und Bauen (BMLRT, 2021) werden von den Landwirt:innen registriert. Einschränkungen des Grenzverkehrs und der Mobilität begrenzten während des ersten Lockdowns die Verfügbarkeit von ausländischen Saisonarbeitskräften und Erntehelfer:innen für die österreichische Landwirtschaft (Humer und Spiegelfeld, 2020). Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Arbeitskräften stellt für die landwirtschaftliche Produktion in Industriestaaten während der COVID-19-Pandemie grundsätzlich ein Hindernis dar (Hashem et al., 2021). Es bestätigt sich, dass dies vor allem für Betriebe mit arbeitsintensiven Betriebszweigen (Gemüse-, Obst-, Wein- und Gartenbau) Probleme verursachte (Meuwissen et al., 2021; Snow et al., 2021; Tougeron und Hance, 2021), während Familienbetriebe tendenziell weniger betroffen waren, wie eine Studie aus Frankreich zeigt (Perrin und Martin, 2021). Um die Funktionsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft zu gewährleisten, wurden beispielsweise Erntehelfer:innen aus der Ukraine eingeflogen und die zulässige Beschäftigungsdauer verlängert (Humer und Spiegelfeld, 2020). Andererseits bestätigt sich, dass mehr inländische Arbeitskräfte aus anderen Sektoren für landwirtschaftliche Betriebe verfügbar waren (Hobbs, 2020). Landwirt:innen äußern zwar Sorgen über die Konsequenzen einer COVID-19-Infektion von Arbeitskräften für die Betriebsabläufe, jedoch werden kaum negative Auswirkungen festgestellt. Laut Kirner et al. (2021) haben 41 % der Betriebe Anpassungen der Hygienemaßnahmen und 12 % Veränderungen der Abläufe vorgenommen, wobei sich bis zum Frühjahr 2021 auf 18 % der österreichischen Betriebe mindestens eine Person mit COVID-19 infizierte.

Diskussion über regulatorische Rahmenbedingungen und Interessenvertretung

Den negativen Auswirkungen von COVID-19 wurde durch die adäquate Anpassung der landwirtschaftlichen Betriebe selbst sowie Maßnahmen von Regierungen, Banken und Interessenvertretungen entgegengewirkt (Meuwissen et al., 2021). Politische Maßnahmen fokussierten primär auf die Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen Produktion und die unmittelbaren Auswirkungen von COVID-19 (BMLRT, 2020; Europäische Kommission, 2020; Meuwissen et al., 2021) und trugen dazu bei, Probleme bei der Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Betriebsmitteln zu beseitigen. Allerdings erhielten nur einzelne der interviewten Landwirt:innen, die ökonomisch stark betroffen waren, finanzielle Hilfen. Viele der teilnehmenden Betriebe waren nicht anspruchsberechtigt. Bürokratische Hürden, fehlende Akzeptanz, der zu geringe Umfang und die langsame Auszahlung schränkten die Wirksamkeit finanzieller Hilfen aus Sicht der befragten Landwirt:innen zusätzlich ein. Als erfolgreiche Maßnahme kann die Investitionsprämie hervorgehoben werden. Österreichische Unternehmen aller Branchen erhielten einen steuerfreien, nicht rückzahlbaren Zuschuss von 7 % für förderwürdige Investitionen und 14 % für Investitionen in Ökologisierung, Digitalisierung und Gesundheit (BMDW, 2021). Diese Maßnahme wurde von den befragten Landwirt:innen mehrheitlich positiv bewertet.

Die Interessenvertretungen unterstützten die Landwirt:innen durch aktuelle Informationen, während einige der befragten Landwirt:innen die sonstige Performance aufgrund von Trägheit und fehlender Unterstützung kritisierten. Dieses heterogene Bild findet sich zum Teil auch bei Kirner (2020) wieder, wobei in Kirners Beitrag Beratungsleistungen bzw. Weiterbildungsangebote der Interessensvertretungen bewertet wurden. Wie bereits von Meuwissen et al. (2021) beschrieben, ermöglichte die Umstellung auf digitale Formate Landwirt:innen weiterhin die Nutzung diverser Bildungs- und Beratungsangebote, einige nahmen sogar häufiger teil. Eine Studie aus Slowenien belegt gleichermaßen, dass Flexibilität, Zeit- und Kostenersparnis, mehr Zeit für Familie und betriebliche Aufgaben sowie Reduktion unnötiger Kommunikation die Nutzung digitaler Angebote für Landwirt:innen vorteilhaft machen (Erjavec et al., 2021). Der fehlende persönliche Austausch und technologische Barrieren werden hingegen als nachteilig bewertet, was Erjavec et al. (2021) bestätigen.

Diskussion über Berichterstattung und Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit

Laut den Landwirt:innen ist die Wertschätzung für die Landwirtschaft während COVID-19 gestiegen, was mit einer Studie aus Deutschland übereinstimmt, die jedoch auch zeigte, dass andere Sektoren noch deutlicher profitierten (Busch et al., 2021). Weil die herkömmlichen Lebensmittelwertschöpfungsketten anfänglich Schwierigkeiten hatten sich an den Nachfrageschock anzupassen, stieg das Bewusstsein für die Bedeutung der Landwirtschaft, und Konsumenten bevorzugten vermehrt lokale Lebensmittelwertschöpfungsketten, die sich als resilienter erwiesen, wie internationale Erfahrungen zeigen (Darnhofer, 2020; Hobbs, 2020; Mastronardi et al., 2020; Snow et al., 2021). Eine Umfrage unter deutschen Konsumenten bestätigt, dass die Mehrheit während der COVID-19-Pandemie eine starke Präferenz für regionale Lebensmittelversorgung zeigt. Dieser wird erhöhte Flexibilität und Stabilität in Krisenzeiten zugesprochen (Busch et al., 2021). Darüber hinaus beobachteten die befragten Landwirt:innen, dass die Präferenz für Regionalität, biologische Produktionsweise und andere Qualitätsmerkmale von Lebensmitteln, die für Konsumenten teils austauschbare Attribute darstellen (Schermer, 2015), gestiegen ist. Diese Einschätzung wird auch in zahlreichen Quellen aus der Literatur bestätigt: Regionalität und Herkunft sind wichtige Konsumtrends in Österreich, die seit Jahrzehnten durch Marketing unterstützt und im Sinne der kleinstrukturierten Landwirtschaft politisch gefördert werden (Schermer, 2015). Wegen COVID-19 haben Herkunft und Regionalität beim Einkauf von Lebensmitten zusätzlich an Bedeutung gewonnen (AMA, 2020). Der wertmäßige Anteil biologischer Lebensmittel im österreichischen LEH stieg in der Vergangenheit stetig an und erreichte 2020 erstmals 10 % (AMA, 2020). Laut Akteuren der Wertschöpfungsketten wirkt sich die COVID-19-Pandemie auch in Frankreich positiv auf den Verkauf biologischer Lebensmittel aus (Perrin und Martin, 2021). Weiterhin stellten die befragten Landwirt:innen ein gestiegenes Interesse für Lebensmittel und Ernährung fest. Tendenziell kann das bestätigt werden, denn viele Menschen nutzten freie Zeit während der Lockdowns zum Kochen und Backen, wie Studien aus Italien und Nordamerika zeigen (Cavallo et al., 2020; Weersink et al., 2021). Zur verbesserten Wahrnehmung der Landwirtschaft könnte auch eine vermehrte und positivere mediale Berichterstattung über landwirtschaftliche Themen beigetragen haben. Von den beschriebenen Einstellungs- und Verhaltensänderungen profitiert die Landwirtschaft insgesamt, besonders aber die Direktvermarktung, wie auch Studien aus anderen Ländern belegen (Yoshida und Yagi, 2021).

Diskussion über soziale Auswirkungen: Privatleben und Gesundheit

In den Interviews wird deutlich, dass sich der Verzicht auf soziale Kontakte und die Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie auf viele Landwirt:innen negativ ausgewirkt haben. Bei einem Fünftel der österreichischen Landwirt:innen werden psychische Belastungen festgestellt (Kirner et al., 2021). Einige haben ihren Konsum von Informationen reduziert, was die Erkenntnis unterstützt, dass psychische Belastungen auch aus der konzentrierten medialen Berichterstattung über COVID-19 entstehen (Dubey et al., 2020). Laut Kirner et al. (2021) sind psychische Belastungen, Homeschooling und Quarantänemaßnahmen die Hauptgründe für die Belastung landwirtschaftlicher Familien während der COVID-19-Pandemie. Insbesondere die Belastung durch das Homeschooling geht auch aus den Interviews hervor. Es bestätigt sich, dass hiervon im Speziellen Frauen betroffen sind, weil sie häufiger die zusätzliche Sorgearbeit leisten (Power, 2020). Negativ wirkt sich außerdem die gestiegene Arbeitsbelastung auf Landwirt:innen aus, wie auch Perrin und Martin (2021) feststellen. Andererseits haben die Landwirt:innen diverse positive Effekte auf ihr Privatleben wahrgenommen und profitieren häufig von der Lebens- und Arbeitssituation im ländlichen Raum. Daher fallen die universellen psychischen Belastungen durch die Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie (Dubey et al., 2020) bei Landwirt:innen eventuell geringer aus als in der Gesamtbevölkerung.

Diskussion über Langfristigkeit der Auswirkungen

In Übereinstimmung mit der Literatur wird festgestellt, dass die COVID-19-Pandemie langfristige Auswirkungen auf die Landwirtschaft hat (Du et al., 2020; Yoshida und Yagi, 2021). Langfristige Veränderungen fast aller teilnehmenden Betriebe ergeben sich zunächst aus den Herausforderungen, die durch COVID-19 entstanden sind, und der Fortführung von Anpassungen, die zur Lösung dieser Herausforderungen beitragen. Das betrifft zum Beispiel die Digitalisierung, die laut den befragten Landwirt:innen in verschiedenen Kontexten langfristig an Bedeutung gewinnt. Eine Untersuchung in Neuseeland und Australien stellt fest, dass sich Landwirt:innen während der COVID-19-Pandemie im Umgang mit virtueller Kommunikation verbessert haben und eine höhere Akzeptanz zeigen (Snow et al., 2021). Die Literatur zeigt, dass insbesondere kleinstrukturierte landwirtschaftliche Betriebe schnell die Nutzung digitaler Technologien adaptierten, was dazu beitrug Schwierigkeiten bei der Vermarktung zu überwinden (Cavallo et al., 2020; Hashem et al., 2021), wobei Landwirt:innen etwa neu entstandene Onlineshops auch zukünftig als Vermarktungs-alternative nutzen wollen. Weil die Hürden für die Nutzung des Online-Handels während der COVID-19-Pandemie bei Landwirt:innen und Konsumenten abgebaut wurden (Cavallo et al., 2020), könnten Betriebe langfristig von einer steigenden Bedeutung des Online-Handels profitieren, wie Untersuchungen aus verschiedenen Ländern nahelegen (Busch et al., 2021; Hobbs, 2020). Auch wurde die Umstellung auf virtuelle Bildungs- und Beratungsangebote während der COVID-19-Pandemie beschleunigt – dies zeigte sich auch im Rahmen der Interviews – und Landwirt:innen könnten langfristig von den Vorteilen profitieren.

Den Erkenntnissen von Perrin und Martin (2021) zu französischen Milchviehbetrieben folgend wird deutlich, dass die Landwirt:innen mit langfristigen Veränderungen der landwirtschaftlichen Produktion, Verarbeitung und Vermarktung beabsichtigen, die Resilienz der Betriebe durch Diversifizierung und Autonomie zu erhöhen. Dies bekräftigt auch die vorliegenden Studie: Zum Beispiel gaben die Schwierigkeiten während der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang mit Saisonarbeitskräften einen Anreiz, arbeitsintensive Betriebszweige zu automatisieren, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von Arbeitskräften zu verringern; ein Ergebnis, das sich auch durch internationalen Studien belegen lässt (Lioutas und Charatsari, 2021; Snow et al., 2021; Weersink et al., 2021). Als weitere langfristige Maßnahmen können beispielsweise genannt werden: Investitionen in Photovoltaikanlagen für eine autonome Energieversorgung oder die Herstellung von Verarbeitungsprodukten durch Milchviehbetriebe zur Steigerung der betrieblichen Wertschöpfung. Die Erwartungen von Landwirt:innen an die Entwicklungen der Absatzmöglichkeiten nach der COVID-19-Pandemie sind, ähnlich wie in Japan (Yoshida und Yagi, 2021), unterschiedlich. In der Vermarktung wollen einige Betriebe langfristig nicht in dem Umfang wie vor der COVID-19-Pandemie zum Verkauf an die Gastronomie zurückkehren. Tatsächlich gibt es beispielsweise in Italien negative Prognosen für die Entwicklung des Außer-Haus-Verzehrs (Cavallo et al., 2020). Auch wird etwa der Export von Wein in verschiedene Länder als Möglichkeit identifiziert, Marktrisiken zukünftig zu verteilen.

Landwirt:innen wollen die Direktvermarktung zukünftig fortsetzten oder in diesem Bereich expandieren und könnten daher, laut verschiedenen Studien, langfristig von der gestiegenen Wertschätzung der Konsumenten profitieren (Cavallo et al., 2020; Lioutas und Charatsari, 2021; Mastronardi et al., 2020). Grundsätzlich wird festgestellt, dass ein Wandel hin zu kurzen, lokalen aber weniger kosteneffizienten Lebensmittelwertschöpfungsketten Unsicherheiten durch systemische Risiken zukünftig reduzieren könnte (Pulighe and Lupia, 2020), aber letztlich von der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten abhängig ist (Hobbs, 2020; Weersink et al., 2021). Das begrenzte Potenzial der Direktvermarktung wird daran deutlich, dass für etwa ein Drittel der Konsumenten in Deutschland und Österreich ein günstiger Preis beim Einkauf von Lebensmitteln durch die COVID-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen hat (AMA, 2020; Busch et al., 2021). In diesem Zusammenhang stellten auch die befragten Landwirt:innen fest, dass die Nachfrage in der Direktvermarktung seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie wieder gesunken ist und das Kaufverhalten teils nicht die Einstellungsänderungen der Konsumenten widerspiegelt. Demnach dürften diese Veränderungen langfristig nicht im vollen Umfang wirksam sein.

Die COVID-19-Pandemie wirkt als Katalysator für Prozesse in der Landwirtschaft wie Digitalisierung und Automatisierung (Meuwissen et al., 2021) und Konsumtrends wie Regionalität und Online-Handel (Busch et al., 2021; Cavallo et al., 2020), das hat sich auch in der vorliegenden Studie gezeigt. Auch könnte COVID-19 langfristig zur strukturellen Veränderungen der Landwirtschaft in Österreich beitragen, wenn Landwirt:innen tatsächlich in ihren strategischen Entscheidungen beeinflusst werden. Letztlich sind die langfristigen Auswirkungen von Faktoren wie der Dauer der COVID-19-Pandemie, der wirtschaftlichen Entwicklung, Änderungen im Konsumverhalten (Weersink et al., 2021), den ergriffenen politischen Maßnahmen (Du et al., 2020) und der kurzfristigen Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe (Yoshida und Yagi, 2021) abhängig. Die Unsicherheiten, die mit den langfristigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verbunden sind, spiegeln sich dabei auch in den divergierenden Einschätzungen der befragten Landwirt:innen wider.

Schlussfolgerungen

Basierend auf qualitativen Interviews mit 34 Landwirt:innen nach einem Jahr COVID-19-Pandemie wurden heterogene Auswirkungen auf landwirtschaftliche Betriebe identifiziert. Weil die Auswirkungen immer auch von den individuellen Gegebenheiten der Betriebe abhängen, sind meist keine eindeutigen Schlussfolgerungen möglich:

Es wird relativ eindeutig festgestellt, dass unmittelbare Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion der teilnehmenden Betriebe überwiegend verhindert bzw. abgefedert werden konnten durch adäquate Anpassungen und politische Maßnahmen. Negative Auswirkungen betreffen primär den Verkauf und damit die Einkommensmöglichkeiten der befragten Landwirt:innen – insbesondere die pandemiebedingte Schließung wichtiger Absatzwege inklusive Gastronomie und Märkte sowie die Stilllegung von Aktivitäten der Diversifizierung sind hier zu nennen.

Offensichtlich können wirtschaftliche Verwerfungen, im vorliegenden Fall ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie, auch zu gestiegenen Investitionskosten, Mehrkosten bei der Bereitstellung von Arbeitskräften und/oder für zusätzliche Hygienemaßnahmen sowie zu gestiegenen Preisen für Betriebsmittel und damit letztlich zu einem Anstieg der Produktionskosten führen. Planungsunsicherheiten – beispielsweise durch lange Lieferzeiten für Betriebsmittel oder Probleme bei der Verfügbarkeit von Saisonarbeitskräften – wurden bei vielen befragten Landwirt:innen vor allem zu Beginn der Pandemie verursacht.

Politische Hilfsmaßnahmen konnten diese negativen Auswirkungen abmildern, verfehlen jedoch aus Sicht der Landwirt:innen teilweise aufgrund mangelnder Akzeptanz und bürokratischer Hürden ihre Wirkung. Eine höhere Akzeptanz kann demnach nur erreicht werden, wenn der Zugang zu Hilfsmaßnahmen so niederschwellig wie möglich gestaltet wird und bürokratische Hürden, soweit möglich, abgebaut werden.

Die Ergebnisse der Studie lassen auch den Schluss zu, dass mit der Pandemie durchaus positive Auswirkungen verbunden waren. Aus den Interviews geht hervor, dass insbesondere Direktvermarktungsbetriebe sowie Betriebe in den Lieferketten des LEH vom Nachfrageanstieg profitiert haben. Diese Betriebe haben sich demnach als resilienter erwiesen. Vorteilhaft wirkt sich auch die Beschleunigung der Digitalisierung, zum Beispiel im Kontext von Bildungs- und Beratungsangeboten, aus.

Eine weitere positive Auswirkung betrifft die Wahrnehmung der Landwirtschaft als systemrelevante Infrastruktur. Diese hat sich aus Sicht der Landwirt:innen in der Gesellschaft verbessert, wozu auch die mediale Berichterstattung beitrug. Regionalität hat laut den Landwirt:innen als Konsumtrend weiter an Bedeutung gewonnen, wovon Direktvermarktungsbetriebe besonders profitiert haben dürften.

Ambivalent sind die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Hinblick auf soziale Aspekte: Einerseits profitierten die befragten Landwirt:innen selbst zum Teil von positiven Effekten auf ihr Privatleben und den Vorteilen ihrer Lebens- und Arbeitssituation, andererseits haben sich der gestiegene Arbeitsumfang, Einschränkungen des Privatlebens und die Belastung durch die Kinderbetreuung negativ ausgewirkt.

Schließlich legen die Interviews nahe, dass die COVID-19-Pandemie langfristige Veränderungen der teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe auslöst. Ihre Resilienz könnte durch Diversifizierung und Modernisierung von Produktion, Verarbeitung und Vermarktung langfristig erhöht werden. Im Gegensatz dazu werden einige teilnehmende Betriebe durch die negativen Auswirkungen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt – bis hin zu einer Bedrohung ihrer Existenz.

Die dargelegten Ergebnisse sind von besonderem Interesse für Landwirt:innen, die Interessensvertretung der Landwirtschaft und politische Entscheidungsträger:innen in Österreich. Aufgrund des Studiendesigns und der Zusammensetzung der Stichprobe sind die Ergebnisse nicht repräsentativ – diese sind als Hypothesen zu interpretieren. Demnach können die Ergebnisse im wissenschaftlichen Kontext für die Entwicklung einer weiterführenden quantitativen Untersuchung zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Landwirtschaft herangezogen werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass fast alle teilnehmenden Landwirt:innen auf betrieblicher und sozialer Ebene von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen waren, was in dem festgestellten Umfang teils von den Ergebnissen anderer Untersuchungen aus dem europäischen Raum abweicht. Durch die vielfältigen Auswirkungen gibt es unter den landwirtschaftlichen Betrieben sowohl Gewinner als auch Verlierer der Krise. Die Studie verdeutlicht, dass weiterhin ein Bedarf besteht zu untersuchen, ob sich die identifizierten Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Österreich auch langfristig feststellen lassen.

eISSN:
2719-5430
Język:
Angielski
Częstotliwość wydawania:
4 razy w roku
Dziedziny czasopisma:
Life Sciences, Ecology, other