Gestalten statt verwalten? These zu Janusköpfigkeit als Kern des verwalterischen Habitus in NS-Zeit und Gegenwart.
Pubblicato online: 24 mag 2021
Pagine: 216 - 234
DOI: https://doi.org/10.2478/adhi-2020-0014
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© 2021 Heike Guthoff, published by Sciendo
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Dieser Beitrag expliziert den Entwurf einer These zur Verwaltung, die das Umgehen-Können mit Multinormativität als zentrales Konstituens des Feldes ausweisen möchte. Meine bei einer Studie zu Behördenkommunikation empirisch gewonnene und mit historiografischen Befunden kongruierende (Hypo-) These ist, dass eine basale Fähigkeit oder sogar Neigung zu Widersprüchlichem oder sogar Paradoxalem, zu Janusköpfigkeit, zu Ambivalenz das Bürokratische ausmacht, unter dem NS-Regime wie in der Gegenwart, möglicherweise auch zu anderen Zeitpunkten. Genauer beschreibe ich die vielgestaltigen Anhaltspunkte, die mich zu der These gebracht haben, im übernächsten Abschnitt (»Indizien«).
Zustande gekommen ist die These in einem inter- und transdisziplinären Prozess angewandter Forschung an einer Hochschule, die auch künftiges Verwaltungspersonal ausbildet. (1) Formuliert ist sie in sozialtheoretischer Absicht und in deutlicher Nähe zur Soziologie, sie basiert aber auch auf Befunden und Diskursen aus anderen Disziplinen, insbesondere auf solchen aus der Geschichtswissenschaft. Ich bin weder Historikerin noch Soziologin, sondern eine ethnografisch, also: empirisch arbeitende Philosophin, aber auch gelernte Grafikerin; von 2017 bis 2019 habe ich am Arbeitsbereich „Organisationssoziologie“ am Fachbereich „Allgemeine Verwaltung“ der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin ein interdisziplinäres Projekt zu kontemporärer Behördenkommunikation mit besonderem Blick auf Grafik-Design durchgeführt. Von dieser Position aus habe ich zwischen Debatten um Amtssprache und Verwaltungsmodernisierung disziplinübergreifend Konstruktionen des Bürokratischen wahrgenommen, die ich von einer universitären Position aus vermutlich anders eingeordnet hätte. Ausgehend von einer – mir leicht zugänglichen – Debatte um Adolf Eichmann habe ich die Befunde im Verlauf mit aktueller geschichtswissenschaftlicher Forschung zu Verwaltung unter dem NS-Regime verbunden. Diese hat nämlich Hochkonjunktur, spielt jedoch in der Soziologie eine ebenso marginale Rolle wie in der gegenwärtigen Verwaltungsausbildung in Deutschland – trotz der Bedeutung, die die Verwaltung für das NS-Regime und für die Shoah hatte. Deshalb beziehe ich mich auch auf genau diesen Zeitraum, aber auch, weil die im Titel genannte Unterscheidung ›Gestalten vs. Verwalten‹ gerade mit Blick auf diesen Zeitraum besonders nahe zu liegen scheint. Mit meiner These möchte ich zu einer längst überfälligen Re-Soziologisierung von Debatten um Verwaltung beitragen, indem ich Grundlagen für einen praxistheoretisch orientierten, disziplinübergreifend anschlussfähigen Ansatz schaffe, der administrative Praktiken unter dem NS-Regime in einer Soziologie der Verwaltung der deutschen Gegenwart explizit berücksichtigt.
Pierre Bourdieus Praxeologie
Alltagsweltlich unterstellt man dem Habitus der Verwaltung gerne eine »gewisse Unbeweglichkeit des Geistes«:
(2) Den »farblosen Beamten […] ohne eigenen Charakter«
(3) erlebt man seit jeher als starr und unkreativ, mithin als austauschbar oder fungibel; umgekehrt lässt sich somit leicht von »schöpferische[n]
Zwar ist, wie eben angedeutet, sogar der Alltagsverstand zumindest offen für so etwas wie ›Zwei-in-eins-Figuren‹ (austauschbare Automaten vs. mit-wem-man-es-zu-tun-hat), bemerken und lösen muss der Alltagsverstand die Unvereinbarkeit der Perspektiven allerdings nicht. »Was die theoretische von der alltäglichen Auseinandersetzung mit dem Bürokratiephänomen […] unterscheidet, ist der nüchterne Blick für Dilemmata und Gegenmittel«, meint der Politik- und Verwaltungswissenschaftler Wolfgang Seibel in seiner »theoriegeschichtlichen Einführung in die Verwaltung«, anscheinend deskriptiv.
(14) Bis heute liegt jedoch kein systematisch-deskriptiver Ansatz mit einem solchen Blick vor. Seibel selbst versteht unter »Dilemmata« vor allem ausweglose Situationen, und dementsprechend wendet er sich insbesondere Phänomenen zu, die zu Debakeln, zu »Verwaltungsdesastern«
(15) werden. Kenntnisreich und auf unkonventionelle Weise verbinden Seibel et al. bürokratietheoretische Konzepte unterschiedlichster Provenienz,
(16) einen eigenen, integrierenden Ansatz hat Seibel jedoch noch nicht entwickelt. Gleichwohl haben seine aktuellen Arbeiten auch eine meiner These ähnliche Stoßrichtung. Denn der Dilemma-Begriff weist auch auf Zwiespältigkeiten hin, im Prinzip also auf »Ambivalence«
(17)
Im folgenden Abschnitt expliziere ich daher zunächst meinen dispositionentheoretischen Blick genauer. Anschließend lege ich dar, welche Forschungsgebiete, -ergebnisse und -debatten mich in der Gesamtschau zu meiner These gebracht haben. Schließlich sondiere ich das theoretisch-methodologische und das für die Verwaltungsausbildung relevante Potenzial der These.
Innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Forschung zu Verwaltung unter dem NS-Regime wird oft ein Bedarf an sozialwissenschaftlichem Analyseinstrumentarium geäußert, (19) die Antworten der Soziologie fallen jedoch dünn und einseitig aus. Denn obwohl die seit rund 80 Jahren entstehende geschichts- und politikwissenschaftliche Forschung zu Verwaltungshandeln unter dem NS-Regime insgesamt gerade nicht, wie der in NS-Forschung ausgewiesene Soziologe Stefan Kühl meint, »absolut ›soziologiefrei‹« ist, (20) hat die Soziologie selbst bislang »auf jede soziologische Einordnung verzichtet«. (21) Einerseits kann die deutschsprachige soziologische NS-Forschung insgesamt nur als »Hesitant Development« (22) bezeichnet werden, und andererseits ist seit spätestens den 1990er-Jahren eine »Entsoziologisierung der Diskurse um öffentliche Verwaltungen« (23) zu verzeichnen: »Eine moderne, umfassende Verwaltungssoziologie existiert eigentlich nicht«, (24) und »[e]s gibt keine einigermaßen geschlossene Bürokratietheorie«. (25) Wenn Verwaltungspraktiken aus der NS-Zeit in der hochschulischen Verwaltungsausbildung zwischen Recht, Wirtschaft, Modernisierung und Digitalisierung überhaupt thematisiert werden, dann also, das hat eine erste Recherche klar gezeigt, konsequenterweise bloß aus einer rein ethischen, nie jedoch aus einer soziologischen Perspektive.
Auf die »ungeschriebene Soziologie des Nationalsozialismus«
(26) hatte initial und eindringlich vor allem die Soziologin Michaela Christ hingewiesen,
(27) und der unterdifferenzierte Titel eines neueren Sammelbandes »Soziologische Analysen des Holocaust«
(28) legt beredtes Zeugnis von diesem blinden Fleck der Soziologie ab. Die große »Ordnung des Terrors« von Wolfgang Sofsky
(29) ist insofern nicht mehr mit aktueller Forschung vereinbar, insofern Konzentrationslager inzwischen nicht mehr wie bei Sofsky als autarke und also von etwa Kommunalverwaltungen unabhängige Gebilde betrachtet werden können.
(30) Trotzdem beziehen sich zum Beispiel Derlien et al. in ihrem Lehrbuch »Bürokratietheorie«
(31) durchweg positiv auf Sofsky, und Suderland übersieht in ihrer aktuellen Sofsky-Relektüre gegenwärtige Tendenzen innerhalb der Geschichtswissenschaften.
(32) Das hängt wie ich meine schlicht damit zusammen, dass die Soziologie mit Massen an Forschung konfrontiert ist, die sie erst einmal für sich erschließen muss; kein Mensch kann das auf einen Schlag oder binnen einiger Jahre alleine leisten, und so entstehen eben blinde Flecken trotz überbordender Fußnotenapparate, während umgekehrt innerhalb der Geschichtswissenschaft soziologische Aussagen nicht als solche in Erscheinung treten. (Ich plädiere deshalb für eine gegenseitige Öffnung disziplinärer Grenzen.) Die Arbeit »Ganz normale Organisationen« von Stefan Kühl kann gegenwärtig zwar als
Mit Kühl gehe ich davon aus, dass »eine Soziologie der Verwaltung im NS-Staat […] nur Teil einer Soziologie der Ausdifferenzierung […] der Moderne sein [kann]«,
(35) die er mit Luhmann systemtheoretisch fasst. Während Fritz Morstein Marxens »Dilemma des Verwaltungsmannes«
(36) vor allem normativ orientiert ist, hat Luhmann mit Ambivalenz verbundene Phänomene zwar deskriptiv scharf analysiert, aber seine organisationssoziologischen Analysen und insbesondere sein mit Normenvielfalt verbundenes Konzept der »Brauchbaren Illegalität«
(37) sind nicht verwaltungsspezifisch verfasst. Mit Luhmann muss man »widersprüchliche[r] Normorientierung«
(38) als etwas begreifen, das entweder durch »latente Rollen« oder durch »ausdrücklich tolerierte Abweichungen« zu lösen wäre,
(39) völlig unabhängig davon, um was für eine Organisation es sich handelt. Wenngleich auch bei Bourdieu ähnlich reduktionistische Tendenzen zur Auflösung von auch phänomenologisch beschreibbaren Differenzen zwischen den von Bourdieu so genannten Sozialen Feldern – seiner praxistheoretischen Variante einer »Soziologie der Ausdifferenzierung […] der Moderne« (Kühl) – angelegt sind, sind bereits damit zwei analytische Aspekte benannt, die die praxistheoretische von der systemtheoretischen Perspektive unterscheiden: Denn erstens ist der Habitusbegriff eine Alternative zum soziologischen Rollenbegriff, kurz gesagt: »Der Kellner spielt nicht […] den Kellner«,
(40) er
In Bourdieus Gesamtwerk ist nämlich bei dessen Bewegung weg von sozialen Klassen (vertikale Differenzierung) hin zu sozialen Feldern (horizontale Differenzierung) eine Begriffsverwirrung entstanden, die das Rezeptionsfeld weitgehend übersehen hat. (44) Bezeichnete der Habitusbegriff ursprünglich die kollektiven Dispositionen von Klassen, so reserviert ihn der späte Bourdieu bei seinen Analysen Sozialer Felder für die Seite des Individuums – obwohl der Habitusbegriff gerade verhindern sollte, »dass man Individualität und Kollektivität zu Gegensätzen macht«: (45) »Der Habitus – verstanden als Individuum oder als sozialisierter biologischer Körper oder als Verkörperlichung von biologisch individuiertem Sozialen – ist kollektiv oder transindividuell«, (46) doch kommt ihm das Kollektive oder Transindividuelle abhanden, wenn Bourdieu in seinem Spätwerk nur das Zusammentreffen eines qua Klasse sozialisierten Körpers mit einer Feldstruktur untersucht, ausdifferenzierten Feldern aber, etwa der Kunst oder der Wissenschaft, keinen Habitus zugesteht. Der Habitus wird damit – entgegen der eigenen Intention – sukzessive als Habitus-von-jemandem verstanden, der sich vor allem körperlich artikuliert, während Felder nur noch strukturalistisch über Kapitalverteilungsstrukturen beschreibbar erscheinen. Eine kollektivistische, feldspezifische Verwendungsweise des Habitusbegriffs hat Bourdieu also nie entwickelt. Trotzdem arbeiten weite Teile der Bourdieu rezipierenden Forschung mit dieser Begriffsvariante, (47) etwa zu wissenschaftlichem (48) oder zu »Lehrerhabitus«, (49) auch international. (50) In einem einschlägigen Sammelband taucht der Begriff eines feldspezifischen Habitus mehrfach explizit auf, (51) und sogar der Bourdieu-Kenner Franz Schultheis spricht in seiner »feldtheoretische[n] Annäherung« an den Öffentlichen Dienst von einem »feldspezifischen Habitus«, (52) obwohl es diesen Begriff bei Bourdieu gar nicht gibt. Die damit verbundene Intuition, sinnvollerweise nach dem Habitus eines Feldes fragen zu können, halte ich für vollkommen richtig. Sogar Bourdieu selbst hat diese Intuition ab und zu, etwa, wenn er den »Beruf des Historikers« als dessen »Habitus« paraphrasiert. (53)
In
Mayntz meinte, dass innerhalb eines – von ihr ohnehin infrage gestellten – kollektiven verwalterischen Selbstverständnisses ausschließlich »als […] Kern […] die Norm unbedingter Loyalität [fungiert]«.
(62) Dagegen dürfte schon allein die Remonstrationspflicht sprechen,
(63) durch die das die Loyalität unterwandernde Widersprechen sogar auf paradoxale Weise institutionalisiert ist, nämlich als Weisung, Weisungen unter Umständen nicht auszuführen. Über dieses spezifische Dilemma gehe ich mit meiner These von einer auch von »Tocqueville beobachtete[n] […] doppelgesichtige[n] […] Verwaltung«
(64) jedoch noch hinaus. Denn bei meinen Vorarbeiten bin ich in der Empirie und in der Literatur disziplinübergreifend auf ganz unterschiedliche Varianten von ›Zwei-in-eins-Figuren‹ gestoßen. Methodologisch gesprochen meine ich also, dass »widersprüchliche Normorientierung« (Luhmann) zwar habituskonstitutiv ist, jedoch mit vagen »hybride[n] Rollenmustern«
(65) nicht angemessen beschrieben werden kann, wie etwa in Anthony Downs’ »Inside Bureaucracy«
(66) oder auch in aktuellen soziologischen Arbeiten zu Verwaltungsreformen, die im Ergebnis vage von einem pluralen »Mix an Werthaltungen«
(67) oder von »einem ›modernisierten‹ Amtsethos mit zwei Ausprägungen« sprechen.
(68) Konsequenzen hat das vor allem deshalb, weil, und hier folge ich Luhmann und Kühl, Normenvielfalt es Personen und Institutionen erlaubt, sich »jeweils auf die […] genehmen Regeln beziehen«
(69) zu können. Multinormativität und Willkür liegen nicht allzu weit auseinander, aber ich will erst einmal auf der deskriptiven Ebene bleiben. Statt Rollenvielfalt nehme ich dabei die Einheit des Habitus an, den jemand oder eine Institution oder ein Feld nicht einfach ablegen kann wie einen Mantel und der stets nie ausschließlich das Ausdrückliche, nie ausschließlich »kodifizierte Normen«
(70) umfasst. Der fundamental modifizierte Anschluss an Bourdieu erlaubt es somit insgesamt auch, nicht eine soziologisch kaum fassbare Meta-Instanz wie etwa ›den Menschen‹ oder ›die Person‹ jenseits von Rollen theoretisch verorten zu müssen, vielleicht das ›Gewissen des Verwaltungsmenschen‹, sondern lediglich die Einheit des Habitus – und mag diese auch in Gespaltenheit bestehen, also in einem
Trotz überbordender Forschung zu einem sich durch Verwaltungsreformen im Zuge des Neuen Steuerungsmodells (NSM)
(71) möglicherweise wandelnden verwalterischen Habitus
(72) liegt bislang kein Ansatz vor, der Seibels »nüchternem Blick für Dilemmata« gerecht werden könnte. Oft werden in diesen Kontexten ein altes und ein neues Bürokratiemodell methodologisch vorausgesetzt und gegeneinander ausgespielt, namentlich die – vielfach normativ verstandene – Bürokratietheorie Webers und das Neue Steuerungsmodell.
(73) Dadurch wird der »nüchterne Blick für Dilemmata« (Seibel) jedoch von vornherein verunmöglicht. Was fehlt, ist ein Ansatz, mit dem sich das Gespaltene zu einer sozialtheoretischen Kategorie verdichten lässt. Wichtige Impulse liefern dabei insbesondere Arbeiten zum Phänomen Amtssprache.
(74) Denn dabei werden in der Regel
Einheitliche, verbindliche und kodifizierte Normen einer »übergeordnete[n] Instanz«
(76) zur Gestaltung der Amt-Bürger-Kommunikation liegen jedenfalls schlicht nicht vor. Eigentlich reicht das schon, um auch die alltagsweltlich etablierten ›Marionettenvorstellungen‹ ins Wanken zu bringen, auch wenn damit noch keine Lösung für das Reifikationsproblem formuliert ist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich sogar zum Beispiel, dass »eine Untersuchung von 32 Textbausteinen aus sieben Kommunalverwaltungen ergeben hat, dass manchmal selbst in ein und derselben Abteilung unterschiedliche Textbausteine für die Rechtsbehelfsbelehrung verwendet werden.«
(77) Die auch in der Soziologie exponierte Vorstellung, dass ein »Künstler […] das stärkste Gegenmodell« (Schmidtke) zur Bürokratie bildet, wird schon allein vor diesem Hintergrund brüchig. Doch auch innerhalb von Arbeiten zur Amtssprache selbst kursieren unterschiedliche normative Angebote, nicht selten sogar in einem einzigen Text. So rekurriert etwa Michaela Blaha, Germanistin und Geschäftsführerin der Idema GmbH,
(78) in einem einzigen Aufsatz einmal auf das Verwaltungsverfahrensgesetz, wonach ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein müsse, dann wieder auf die nach Blaha
Innerhalb der soziologischen Forschung zu Verwaltungsreformen im Zuge des Neuen Steuerungsmodells dominieren international (New Public Management), aber auch im deutschsprachigen Raum grundsätzlich quantitative Arbeiten. Im angelsächsischen Raum wird oft an das individualpsychologische Konzept der ›Public Service Motivation‹ angeschlossen,
(85) während deutschsprachige Arbeiten eher dazu tendieren, das Neue Steuerungsmodell mit dem Bürokratiemodell Webers zu kontrastieren. Die bisher eher raren qualitativen Studien fragen ohne Bezug auf geschichtswissenschaftliche Arbeiten nach sozialem Wandel innerhalb des »Rollen- und Selbstverständnis[ses] der Beschäftigten im öffentlichen Dienst unter Reformbedingungen«
(86) oder nach »normativen Vorgaben für ›gutes‹ Verwaltungshandeln […] [g]emäß der Modernisierungssemantik«.
(87) Dabei stellen Sondermann et al. sogar zutreffend, wenngleich ohne expliziten Bezug zur NS-Geschichte, fest, dass das mit der ›Public Service Motivation‹ unterstellte Individualethos »gerade in Deutschland […] auch immer ambivalent«
(88) gewesen sei. Dennoch gehen die Autorinnen und Autoren diesem selbst gesetzten Impuls nicht nach – vermutlich, weil er normativ verfasst ist –, und sie
Denn wenn man nicht kollektive Dispositionen, sondern bloß die »beruflichen Selbstverständnisse«
(90)
Weitere Hinweise auf Janusköpfigkeit und auf voraussetzungsreiches Sprechen über Verwaltung habe ich in
Der Historiker Raphael Gross schreibt explizit, dass sich das Bild von Eichmann »ähnlich einer Kippfigur ständig hin und her zu bewegen [scheint]«:
(94) »Einmal sehen wir einen subalternen Beamten«, dann wieder einen »überzeugten Antisemiten«, der eine »Mission« verfolgt (ebd.), pointiert formuliert also einmal den Verwalter und einmal den Gestalter. Das eine erscheint dabei als etwas ganz anderes als das andere, ansonsten wäre die Formulierung Kippfigur hier sinnlos. Das Bild vom »subalternen Beamten« bringt Gross hier treffend mit Hannah Arendts Prozessbeschreibung
Auffälligerweise ist dieses Bild vom Verwalterischen
Stangneth jedenfalls reproduziert mit ihrer Eichmann-Beschreibung implizit ein Bild des verwalterischen Habitus, das sich, wie bei Arendt, vermutlich auch bei Wildt und möglicherweise in vielen anderen Studien ex negativo aus dem tendenziell Passiven, nämlich dem Unschöpferischen, dem Unkreativen, dem Nicht-Gestalterischen ableiten lässt (»schöpferischer Antibürokrat«, »Unfähigkeit«), sodass auch hier »[e]in Künstler […] das stärkste Gegenmodell« (103) abzugeben scheint. Damit übernimmt sie implizit den bei Arendt angelegten Entwurf von Bürokratie, ohne dies jedoch zu benennen; da ihr Gegenstand Eichmann und nicht Bürokratie ist, ist ihr deshalb ebenso wenig ein Vorwurf zu machen wie Wildt und anderen Historikerinnen und Historikern. (104) Gerade die Dichotomie zwischen Verwalten und Gestalten, zwischen aktiv und passiv, scheint in der historiografischen Forschung zu Verwaltung unter dem NS-Regime lange Zeit etabliert gewesen zu sein, seit etwa 15 Jahren jedoch brüchig zu werden – zumindest taucht sie inzwischen mit umgekehrten Vorzeichen auf.
Denn die Geschichtswissenschaften zeigen, so mein erster Eindruck, in quellenreichen – und damit für die Soziologie hochinteressanten – Studien zu Verwaltung unter dem NS-Regime sukzessive und unaufhaltsam,
(105) dass »›Staatsdiener‹ […] mehr
Wie genau die vielen aktuellen Arbeiten und der »Paradigmenwechsel« in den Geschichtswissenschaften abschließend sozialtheoretisch zu beurteilen sind, das kann ich zurzeit noch nicht einschätzen;
In meinen bisherigen Re-Lektüren bin ich auch auf Widersprüche in Konstruktionen des Verwalterischen gestoßen, die schroffe Abgrenzungsbewegungen zwischen aktiv und passiv vollziehen. Weil das für die These nicht bedeutungslos ist, möchte ich diesen Punkt hier zumindest holzschnittartig andeuten. Wenn etwa Arendt, sehr nah an Webers bekannter ex-negativo-Definition von Bürokratie als »Herrschaft der formalistischen
Auch in unserer an der Hochschule für Wirtschaft und Recht durchgeführten ethnografischen Studie zu Behördenkommunikation
(130) sind unterschiedliche, scheinbar separierte ›Zwei-in-eins-Figuren‹ aufgetaucht, die sich nicht auf die Aktiv-Passiv-Dichotomie zurückführen lassen. Besonders auffällig ist zunächst die Tatsache (a), dass eine Berliner Behörde ihren Mitarbeitern
Die, wie ich meine, in der Gesamtschau sehr tiefe, da mit zentraler Normenvielfalt verbundene Bedeutung dieser nur scheinbar disparaten Befunde hat sich mir also erst durch das Verbinden von Soziologie, Historiografie und Rechtswissenschaft erschlossen.
Um zu einer klaren These gelangen und diese perspektivisch weiter schärfen und modifizieren zu können, habe ich mich erst einmal auf deutsche Kontexte bezogen. Mir geht es zunächst einmal darum, ein disziplinübergreifend anschlussfähiges analytisches Instrumentarium zu schaffen, das eine Lösung für das Reifikationsproblem bereitstellt (Aktiv-Passiv-Dichotomie). Der Vorstoß soll als Alternative zu systemtheoretischen Ansätzen die Grundlegung eines praxeologischen Ansatzes ermöglichen. Unzweifelhaft sind perspektivisch auch DDR-spezifische Kontexte zu berücksichtigen. Aufgrund des theoretischen Anspruchs und der eher dünnen aktuellen soziologischen Forschung zu Verwaltung unter dem NS-Regime habe ich solche jedoch zunächst ausgeklammert
(138) – ich kann auch nicht alles auf einmal machen. Erst wenn die deutschen Spezifika – NS
Lässt sich die ›Gespaltenheits-Hypothese‹ zunächst einmal für NS-Zeit und Gegenwart validieren, dann ließen sich erstmals, so die Idee, auch mildes und brutales Verwaltungshandeln
Der eigentliche Witz und die analytische Fundierung der These bestehen also darin, dass sich damit wie eben skizziert auch ethisch kategorisch differentes Verwaltungshandeln insgesamt auf dieselbe dispositionelle Wurzel zurückführen ließe wie Verwaltungshandeln
Auch straf- und verwaltungsrechtliche Konsequenzen könnten sich auf lange Sicht einstellen, wenn man Verwaltung auf die hier vorgeschlagene Weise neu denkt. Das kann ich hier nur andeuten. Ausgehend vom Eichmann-Prozess hatte der Strafrechtler Claus Roxin die Rechtsfigur der »mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischem Machtapparat« entworfen. (146) Bei NS-Prozessen wurde die Figur zwar nicht angewandt, wohl aber in den sogenannten Mauerschützenprozessen sowie international zum Beispiel bei der Verurteilung des peruanischen Ex-Präsidenten Fujimori. (147) Durch die deutsche Rechtsprechung erfuhr die Figur aber auch eine dogmatische Weiterentwicklung in Richtung Wirtschaftsstrafrecht, (148) und genau diese Erweiterung macht zumindest im Prinzip eine Übertragung auf Verwaltungskontexte möglich. Denn das von Roxin ursprünglich angesetzte Kriterium der Fungibilität (Austauschbarkeit) in organisatorischen Machtapparaten, in denen nach Roxin immer alle austauschbar seien, wurde dadurch ausgeweitet in Richtung ›hierarchische Struktur‹ überhaupt. Zur Diskussion um das von Roxin außerdem angesetzte Kriterium der Rechtsgelöstheit kann meine These höchstens mittelbar etwas beitragen, die Diskussion um das Kriterium der Fungibilität kann sie aber befruchten. Denn wenn man Gespaltenheit als angemessene Beschreibung des verwalterischen Habitus akzeptiert, dann kann man nicht mehr denken, dass bloß die »farblosen Beamten […] ohne eigenen Charakter […] den jeweiligen Vorgesetzten spiegel[n]«. (149) Der (Kollektiv-) Habitus des Feldes hat dann nämlich eine solch enorme Variationsbreite, die universelle Fungibilität kategorisch ausschließt. Zwar geht es im Strafrecht von vornherein immer um die Frage: aktiv oder passiv, Täter oder Anstifterin?, aber im Rahmen einer sozialtheoretischen Konzeption kann man sich von dieser Frage erst einmal frei machen. Konsequenzen hätte das langfristig dennoch, schließlich ist umgekehrt Roxins Fungibilitätskriterium auch ebenso wenig »soziologiefrei« (Kühl) wie Pytas »Abziehbilder«.
Meine hier abschließende aber noch lange nicht abgeschlossene Antwort auf die Frage, ob man Verwaltung insbesondere vor dem Hintergrund aktueller geschichtswissenschaftlicher Forschung einfach zu einer schöpferischen sozialen Entität erklären kann, und ob man, falls nicht, automatisch wieder auf das Unschöpferische zurückfallen muss, fällt im Moment so aus: Man kann das machen, es ist reizvoll da kontraintuitiv, aber es führt nicht weiter. Denn einerseits wird man so das Reifikationsproblem nicht los, und andererseits wird dann
Kurz: Vorbehaltlich weiterer Modifikationen der These plädiere ich dafür, pointiert formuliert nicht bei ›Verwalten
Für stets kritische und unermüdliche Diskussionen früherer Versionen der Argumentation danke ich der Soziologin Marianne Egger de Campo (HWR Berlin), die auch den Begriff der Janusköpfigkeit einführte. Ebenfalls danke ich dem Strafrechtler Erik Kraatz (HWR Berlin), vor allem für den Anschluss an rechtswissenschaftliche Debatten um Schreibtischtäter. Im Verlauf haben wir uns zu dritt gemeinsam auf die Stichhaltigkeit meiner These verständigt, und wir werden interdisziplinär weiter daran arbeiten. Den Historikern Frédéric Bonnesoeur (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin) und Kai Müller (Stiftung Topographie des Terrors, KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen) danke ich für die Revision des geschichtswissenschaftlich orientierten Teils meiner Ausführungen. Der Historikerin Anna Corsten (Uni Leipzig) danke ich für spontanen Austausch, vgl. Anm. 114.
Otto Köpping: Amtsdeutsch: wie es ist und wie es sein soll, Berlin 1925, S. 3, zitiert nach Arno Scherzberg: Die Sprache der Verwaltung – zwischen Verständlichkeit und juristischer Präzision, in: Kurt Herzberg (Hg.): Gute Verwaltung durch besseres Verstehen. Chancen und Grenzen einer bürgerfreundlichen Behördensprache, Tagungsband, Wiesbaden 2015, S. 31–55, hier S. 46, und nach Rudolf Fisch: Die weitreichende Wirkung der Verwaltungssprache, in: Veith Mehde / Ulrich Ramsauer / Margit Seckelmann: Staat, Verwaltung, Information. Festschrift für Hans Peter Bull zum 75. Geburtstag, Berlin 2011, S. 559–577, hier S. 561.
Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh, München 1968 [1933], S. 72.
Bettina Stangneth im Interview mit Welt Online, Artikel von Alan Posener: Eichmann zog in Jerusalem eine perfide Show ab, in: Welt Online, online unter:
Sebastian Muschter: Gestalten statt Verwalten! Lernen aus der LAGeSo-Krise, Eltville 2018.
Charles Landry / Margie Caust: The Creative Bureaucracy & its Radical Common Sense, Gloucestershire 2017.
Karin Gottschall et al.: »Effizienz, Kundenorientierung, Flexibilität, Transparenz […] – dadurch verkaufen wir uns ja sozusagen«: Werthaltungen im öffentlichen Dienst in Deutschland in marktnahen und marktfernen Bereichen, in: Patrick Sachweh / Sascha Münnich (Hg.): Kapitalismus als Lebensform? Deutungsmuster, Legitimation und Kritik in der Marktgesellschaft, Wiesbaden 2017, S. 81–106, hier S. 83. Ähnlich: Ariadne Sondermann et al.: Der ›arbeitende Staat‹ als ›Dienstleistungsunternehmen‹ revisited: Berufliches Handeln und Selbstdeutungen von Frontline-Beschäftigten nach zwanzig Jahren New Public Management, in: Zeitschrift für Sozialreform, 60/2 (2014), S. 175–201. – Vgl. zu den Argumentationen: Heike Guthoff: Von Leichen und Zuständigkeiten. Behördenkommunikation als Selbstinszenierung, in: Erik Kraatz (Hg.): Veränderungen der Kommunikationsformen und Wandel der Kommunikationskompetenzen als neue Herausforderungen für Studium und Lehre an den Fachhochschulen für den öffentlichen Dienst. Redebeiträge und Thesen des 29. Glienicker Gesprächs 2018, Hamburg 2018, S. 41–4, insb. S. 43f.
Oliver Schmidtke: Staatlichkeit, Deliberation und Facework, Eine qualitative Analyse von Interaktionen in der öffentlichen Verwaltung, Köln 2018, S. 12.
Wolfgang Seibel: Verwaltung verstehen. Eine theoriegeschichtliche Einführung, Berlin 22017, S. 133, meine Hervorhebungen.
Bettina Stangneth: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders, Reinbek 2014 [2011], S. 338.
Johannes Nettelbeck: Verwalten von Wissenschaft, eine Kunst, Berlin 2019, S. vi.
Wolfram Pyta: Einleitung. Spezifika des Projekts, in: Ders. et al. (Hg.): Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus. Zusammenfassung zentraler Forschungsergebnisse, Heidelberg 2017, S. 7–10, hier S. 9f.
Aus dem »Call for Papers« für dieses Heft.
Seibel: Verwaltung verstehen, S. 135.
Wolfgang Seibel / Kevin Klamann / Hannah Treis: Verwaltungsdesaster. Von der Loveparade bis zu den NSU-Ermittlungen, Frankfurt am Main 2017.
Übersichtlich in Wolfgang Seibel / Kevin Klamann / Hannah Treis: Verwaltungsdesaster, S. 107, 214, 266, 290f.
Wolfgang Seibel: Pragmatism in Organizations. Ambivalence and Limits, in: Tammar B. Zilber / John M. Amis / Johanna Mair (Hg.): The Production of Managerial Knowledge and Organizational Theory. New Approaches to Writing, Producing and Consuming Theory, Bingley 2019, S. 43–58.
Seibel: Pragmatism in Organizations, S. 43.
Zum Beispiel: Sören Eden / Henry Marx / Ulrike Schulz: Ganz normale Verwaltungen? Methodische Überlegungen zum Verhältnis von Individuum und Organisation am Beispiel des Reichsarbeitsministeriums 1919 bis 1945, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 66/3 (2018), S. 487–520; Michael Wildt: Der Holocaust, organisationssoziologisch betrachtet. Ein Lehrstück für Historiker (Rezension zu Kühl: Ganz normale Organisationen), in: Mittelweg 36 24/6 (2015), S. 106–118.
Stefan Kühl: Im Prinzip ganz einfach. Zur Klärung des Verhältnisses der Soziologie zum Nationalsozialismus, Working Paper 6/2013, online unter:
Kühl: Im Prinzip ganz einfach, Anm. 8.
Maja Suderland / Michaela Christ: National Socialism as a Research Topic in German-Language Sociology. Thoughts on a Hesitant Development, in: The Journal of Holocaust Research, 33/3 (2019), S. 191–211.
Peter Richter: Die Organisation öffentlicher Verwaltung, in: Maja Apelt/Veronika Tacke (Hg.): Handbuch Organisationstypen, Wiesbaden 2012, S. 91–112, hier S. 105.
Peter Richter: Organisation, S. 105.
Hans-Ulrich Derlien / Doris Böhme / Markus Heindl: Bürokratietheorie. Einführung in eine Theorie der Verwaltung, Wiesbaden 2011, S. 15.
Christian Dries: Rezension zu Christ / Suderland (Hg.): Soziologie und Nationalsozialismus, in: H-Soz-Kult, online unter:
Michaela Christ / Maja Suderland (Hg.): Soziologie und Nationalsozialismus. Positionen, Debatten, Perspektiven, Berlin 2014.
Alexander Gruber / Stefan Kühl (Hg.): Soziologische Analysen des Holocaust. Jenseits der Debatte über »ganz normale Männer« und »ganz normale Deutsche«, Wiesbaden 2015.
Wolfgang Sofsky: Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager, Frankfurt am Main 1993.
Vgl. Frédéric Bonnesoeur: Im guten Einvernehmen. Die Stadt Oranienburg und die Konzentrationslager Oranienburg und Sachsenhausen 1933–1945, Berlin 2018. Schon früh: Sybille Steinbacher: Dachau. Die Stadt und das Konzentrationslager in der NS-Zeit. Die Untersuchung einer Nachbarschaft, Frankfurt am Main u.a. 1994.
Derlien et al.: Bürokratietheorie.
Maja Suderland: Relektüre. »Absolute Macht […] ist ziellose, negative Praxis […].« Wolfgang Sofskys
Stefan Kühl: Ganz normale Organisationen. Zur Soziologie des Holocaust, Berlin 2014.
Wie Anm. 19, außerdem z. B.: Wolfram Pyta: Verwaltungskulturen im NS, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, XI/1 (2017), S. 41–46.
Kühl: Im Prinzip ganz einfach, S. 2.
Fritz Morstein-Marx: Das Dilemma des Verwaltungsmannes, Berlin 1965.
Niklas Luhmann: Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin 41995 [1964], Kap. 22.
Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 305.
Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 305.
Pierre Bourdieu: Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt am Main 2001, S. 197.
Klaus Eder: Der Klassenhabitus in Abgrenzung zum Klassenbewusstsein bei Karl Marx, in Alexander Lenger / Christian Schneickert / Florian Schumacher (Hg.): Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus. Grundlagen, Zugänge, Forschungsperspektiven, Wiesbaden 2013, S. 57–73, hier S. 64.
Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 305, meine Hervorhebung.
Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 305.
Ausführlich dazu Heike Guthoff: Kritik des Habitus. Zur Intersektion von Kollektivität und Geschlecht in der akademischen Philosophie, Bielefeld 2013, S. 9–61.
Pierre Bourdieu: Der Habitus als Vermittler zwischen Struktur und Praxis, in: Ders.: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt am Main 1974, S. 125–158, hier S. 132.
Bourdieu: Meditationen, S. 201.
Ausführlich dazu Guthoff: Kritik des Habitus, S. 50–61.
Z. B. Sandra Beaufaÿs: Wie werden Wissenschaftler gemacht? Beobachtungen zur wechselseitigen Konstitution von Geschlecht und Wissenschaft, Bielefeld 2003; Frank Schröder: Die Exzellenzfalle. Zur Übernahme ökonomischer Logiken im wissenschaftlichen Feld, Köln 2019.
Rolf-Thorsten Kramer / Hilke Pallesen (Hg.): Lehrerhabitus. Theoretische und empirische Beiträge zu einer Praxeologie des Lehrerberufs, Bad Heilbrunn 2019.
Schon mit theoretischem Anspruch formuliert Diane Vaughan: »The concept of habitus may apply to either individuals or organizations« in: Bourdieu and organizations. The empirical challenge, in: Theory and Society 37 (2008), S. 65–81, hier S. 68.
Acht Nennungen in: Alexander Lenger / Christian Schneickert / Florian Schumacher (Hg.): Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus. Grundlagen, Zugänge, Forschungsperspektiven, Wiesbaden 2013, S. 217, 227 (Anm. 16), 311, 362, 366, 368, 390.
Franz Schultheis: Im Dienste öffentlicher Güter. Eine feldtheoretische Annäherung, in: Mittelweg 36 21/5 (2012), S. 9–21, hier S. 19.
Pierre Bourdieu: Über den Staat. Vorlesungen am Collège de France 1989–1992, Berlin 2014, S. 46.
Franz Schultheis / Berthold Vogel / Kristina Mau (Hg.): Im öffentlichen Dienst. Kontrastive Stimmen aus einer Arbeitswelt im Wandel, Bielefeld 2014, z. B. S. 10.
Vgl. Edwin Czerwick: Systemtheorie der Demokratie. Begriffe und Strukturen im Werk Luhmanns, Wiesbaden 2008, insb. Kap. 5.2.3.
Pierre Bourdieu: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt am Main 1987, S. 123.
Bourdieu: Sozialer Sinn, S. 123.
Bourdieu: Sozialer Sinn, S. 122.
Bourdieu: Sozialer Sinn, S. 122.
Vgl. Guthoff: Kritik des Habitus, S. 10.
Renate Mayntz: Soziologie der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg 1978, S. 173, Hervorhebung im Original.
Mayntz: Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 173.
Darauf machte mich Egger de Campo aufmerksam, vgl. z. B. Hellmuth Günther: Remonstration als Pflicht, Obliegenheit, Recht des Beamten, in: DÖD – Der öffentliche Dienst. Personalmanagement und Recht, 66/12 (2013), S. 309–315.
Waltraud Heindl: Gehorsame Rebellen. Bürokratie und Beamte in Österreich 1780 bis 1848, Wien 1991, S. 308.
Seibel: Verwaltung verstehen, S. 17.
Anthony Downs: Inside Bureaucracy, Boston 1967.
Gottschall et al.: »Effizienz [...]«, S. 103.
Sondermann et al.: Der ›arbeitende Staat‹, S. 196.
Stefan Kühl: Organisationen. Eine sehr kurze Einführung, Wiesbaden 2011, S. 98.
Schmidtke: Staatlichkeit, S. 12.
Internationale Forschungsstände z. B. in: Karin Gottschall et al. (Hg.): Public Sector Employment Regimes. Transformations of the State as an Employer, Houndmills 2015.
Schultheis et al. ((Hg.): Im öffentlichen Dienst) arbeiten nicht nur der Sache nach, sondern auch analytisch mit dem Habitusbegriff, allerdings in
Explizit z. B. in Sondermann et al.: Der ›arbeitende Staat‹ und in Gottschall et al.: »Effizienz […]«.
Forschungsstand in: Heike Guthoff: »Das Amt. Das ist immer erstmal so uwäh.« Behörden, Kundenorientierung und Several Shades of Grey, in: Joachim Beck / Jürgen Stember (Hg.): Perspektiven der angewandten Verwaltungsforschung in Deutschland, Baden-Baden 2018, S. 129–157.
Michaela Blaha: Nur für Eingeweihte? Das Amt und seine Sprache, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 67 (14–15) 2017, S. 29–35, hier S. 33.
Fisch: Die weitreichende Wirkung der Verwaltungssprache, S. 576.
Blaha: Nur für Eingeweihte?, S. 32.
IDEMA Gesellschaft für verständliche Sprache mbH, Bochum.
Blaha: Nur für Eingeweihte?
Blaha: Nur für Eingeweihte?, S. 33.
Ausführlich dazu: Guthoff: Von Leichen, S. 50–56.
Arno Scherzberg: Die Sprache der Verwaltung – zwischen Verständlichkeit und juristischer Präzision, in: Kurt Herzberg (Hg.): Gute Verwaltung durch besseres Verstehen. Chancen und Grenzen einer bürgerfreundlichen Behördensprache, Tagungsband, Wiesbaden 2015, S. 31–55, hier S. 47, meine Hervorhebungen.
Scherzberg: Sprache der Verwaltung, S. 47.
Rudolf Fisch / Burkhard Margies: Was tun? Wege zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Arbeit an einer guten Verwaltungssprache, in: Dies. (Hg): Bessere Verwaltungssprache. Grundlagen, Empirie, Handlungsmöglichkeiten, Berlin 2014, S. 213–242, hier S. 227.
James L. Perry / Lois R. Wise: The Motivational Bases of Public Service, in: Public Administration Review, 50/1990, S. 367–373.
Gottschall et al.: »Effizienz […]«, S. 82.
Sondermann et al.: Der ›arbeitende Staat‹, S. 175.
Sondermann et al.: Der ›arbeitende Staat‹, S. 176.
Gottschall et al.: »Effizienz […]«, S. 83.
Kathrin Englert / Ariadne Sondermann: »Ich versuch hier auch immer so dieses Amtliche irgendwie noch ’n bisschen zu überspielen.« Emotions- und Gefühlsarbeit in der öffentlichen Verwaltung als Ausdruck von Staatlichkeit im Wandel, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 38 /2 (2013), S. 131–147, hier S. 145.
Gottschall et al.: »Effizienz […]«, S. 83, meine Hervorhebung.
Gottschall et al.: »Effizienz […]«, S. 103.
Sondermann et al.: Der ›arbeitende Staat‹, S. 196.
Raphael Gross: Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral, Frankfurt am Main 2010, S. 171.
Z. B. in Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, erweiterte Taschenbuchausgabe, München 32012 [1963], S. 132.
Arendt: Eichmann in Jerusalem, S. 124.
Arendt: Eichmann in Jerusalem, S. 125f.
Stangneth: Eichmann vor Jerusalem.
Stangneth: Eichmann zog in Jerusalem eine perfide Show ab.
Stangneth: Eichmann zog in Jerusalem eine perfide Show ab.
Michael Wildt: Generation des Unbedingten: Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, e-book-Ausgabe, Hamburg 2013, S. 861.
Den exakten Forschungsstand zur Verwaltung unter dem NS-Regime kann ich zum jetzigen Zeitpunkt also weder präzise noch umfassend referieren, für eine erste Präsentation meiner These ist das für mich als Nicht-Historikerin aber auch nicht erforderlich. Vielmehr sehe ich präzise Re-Lektüren als genau die Aufgabe an, die künftige historisch-soziologische Zusammenarbeit zu leisten hätte; dafür entwickele ich hier ein methodologisches Angebot.
Schmidtke: Staatlichkeit, S. 12.
Andere kontemporäre Autoren sehen in Eichmann sehr wohl einen Bürokraten, argumentieren aber auch
Z. B.: Bonnesoeur: Im guten Einvernehmen; Pyta et. al.: Geschichte der Landesministerien; Rüdiger Fleiter: Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebene am Beispiel Hannovers, Hannover 2006; Sabine Mecking / Andreas Wirsching (Hg.): Stadtverwaltung im Nationalsozialismus – Systemstabilisierende Dimensionen kommunaler Herrschaft, Paderborn 2005.
Pyta: Einleitung, S. 9 f., meine Hervorhebung. »Bürokratisch« ist hier freilich voreingenommen formuliert und wohl als identisch mit „austauschbare Produzenten“ zu verstehen; genau darum geht es mir ja.
Rüdiger Fleiter: Kommunen und NS-Verfolgungspolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 57/14–15 (2007), S. 35–40, hier S. 35.
Fleiter: Kommunen, S. 36, meine Hervorhebung.
Vgl. Hans Mommsen: Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966.
Andreas Wirsching: Rezension zu Fleiter: Stadtverwaltung, in: H-Soz-Kult, online unter:
Z. B. Constanze Sieger / Felix Gräfenberg: Information als Ressource des Entscheidens in der Moderne (1780–1930). Entwicklungen und Konstellationen in preußischen Zentralbehörden und westfälischen Lokalverwaltungen, in: Ulrich Pfister (Hg.): Kulturen des Entscheidens. Narrative – Praktiken – Ressourcen, Göttingen 2019, S. 333–355; Stefan Brakensiek / Corinna von Bredow/Birgit Näther (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Historische Forschungen Bd. 101, Berlin 2014.
Werner Freitag / Constanze Sieger: Preußische Amtmannbürokratie und lokale Selbstverwaltung: Dörfliches Entscheiden in der preußischen Provinz Westfalen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Projektbeschreibung Teilprojekt C05 im SFB 1150 ›Kulturen des Entscheidens‹ vom 21. 1. 2019, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, online unter:
Pyta: Einleitung, S. 7.
Die Historikerin Anna Corsten (Uni Leipzig) war verblüfft über meine Fragen, da die Bürokratieverständnisse bei Arendt und Hilberg bislang nicht systematisch verglichen worden seien. Vgl. Anna Corsten: »Immer wieder, wie ein Gespenst kommt sie zurück.« Überlegungen zur Konfliktgeschichte von Hannah Arendt und Raul Hilberg, in: René Schlott (Hg.): Raul Hilberg und die Holocaust-Historiographie, Göttingen 2019, S. 115–129.
Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt am Main 131990 [1961].
Nicolas Berg: »Phantasie der Bürokratie«. Raul Hilbergs Pionierstudie zur Vernichtung der europäischen Juden, in: Jürgen Danyel / Jan-Holger Kirsch / Martin Sabrow (Hg.): 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen 2007, S. 71–75.
Raul Hilberg: Die Bedeutung des Holocaust, in: Ders. / Walter H. Pehle / René Schlott (Hg.): Anatomie des Holocaust. Essays und Erinnerungen, Frankfurt am Main: 2016, S. 98–109, hier S. 108.
Heindl: Gehorsame Rebellen.
Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann: Sozialisation, Milieu und Gewalt. Fortschritte und Probleme der neueren Täterforschung, in: Dies. (Hg.): Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien, Darmstadt 2004, S. 1–32, hier S. 18, meine Hervorhebung.
Michael Wildt: Die Transformation des Ausnahmezustands. Ernst Fraenkels Analyse der NS-Herrschaft und ihre politische Aktualität, in: Jürgen Danyel / Jan-Holger Kirsch / Martin Sabrow (Hg.): 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen 2007, S. 19–23, hier S. 20.
Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München 142011 [1951], S. 405.
Ingo Elbe: »das Böse, das von Niemanden begangen wurde.« Hannah Arendts Konzept der »Herrschaft des Niemand«, in: Ders.: Paradigmen anonymer Herrschaft. Politische Philosophie von Hobbes bis Arendt, Würzburg 2015, S. 446–494, hier S. 472.
Arendt: Elemente, S. 937.
Arendt: Elemente, S. 724.
Hannah Arendt: Organisierte Schuld [1944], in: Dies.: Die verborgene Tradition. Acht Essays, Frankfurt am Main 1976, S. 32–45, hier S. 41.
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 51972 [1921], hier: Bd. 1, Kap. III, § 5, S. 129.
Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, hier: Bd. 2, Kap. IX, S. 565, meine Hervorhebungen.
Auf den Widerspruch bei Arendt weist der Philosoph Ingo Elbe in »das Böse […]« hin, verwaltungssoziologisch expliziert er seinen Befund natürlich nicht. Bürokratietheoretische Konsequenzen bei Arendt »for […] the modern bureaucrat« (Peter Burdon et al.: Reflecting on Hannah Arendt and »Eichmann in Jerusalem: A Report of the Banality of Evil«, in: Adelaide Law Review 35 (2014), S. 427–447, hier S. 427) erfahren zurzeit vor allem in US-amerikanischen rechtswissenschaftlichen Debatten eine Renaissance, sind bislang jedoch, trotz Arendts offenkundiger Nähe zu Weber, in der deutschsprachigen Verwaltungsforschung nicht relevant gemacht worden.
Auch in Bourdieus »Über den Staat« finden sich ähnliche Widersprüche. Darin heißt es z. B., wenngleich symbolisch im Rahmen einer Bildinterpretation, es sei »eine sehr häufige Situation in der Bürokratie«, dass der Bürokrat »die Rechtschreibung gelernt [hat], ich würde sagen,
Projekt »DISK: Design institutionalisiert Service- und Kundenorientierung«, online unter:
Zitiert aus einer internen Anleitung eines Berliner Bezirksamts, vgl. Guthoff: Von Leichen, S. 58ff.
Sylvia Kühne / Christina Schlepper/Jan Wehrheim: »Die sanften Kontrolleure« (Helge Peters und Helga Cremer-Schäfer 1975) revisited, in: Soziale Passagen 9 (2017), S. 329–344. Mit Dank an Marianne Egger de Campo für den Hinweis auf diesen Artikel.
Kongenial erfasst und beschrieben von Darleen Huwe und Anna-Sophie Preß.
Die Ergebnisse der Studie zur Frage, wie eine Bürokratie »tickt«, konkret, »
Hans Leisegang: Die Ethik des Beamtentums und ihre Bedeutung für den Volksstaat, in: Ders. / Fritz Hartung (Hg.): Berufsbeamtentum, Volksstaat und Ethik. Zwei Vorträge, Leipzig 1931, S. 20–32, hier S. 24.
Diese Macht-Ohnmacht-Haltung wird sehr eindrucksvoll dargestellt in dem berühmten Stummfilm »Das Kabinett des Dr. Caligari«: Der Stadtsekretär thront hoch oben am Schreibpult, jedoch mit einem überdeutlich gekrümmten Rücken. – Vgl. Bourdieu: Über den Staat, S. 459: »Ich könnte ein Beispiel aus dem alten Ägypten […] heranziehen, [wo] der Beamte, der wadu genannt wurde, zugleich Sklave und Beamter war – das Wort meint beides«. Mehr Janus geht nun wirklich nicht; mit Luhmanns Code- oder Bourdieus-Kapitalbegriff lässt sich das aber nicht fassen.
Claus Roxin: Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate, in: Goltdammer‘s Archiv für Strafrecht 110 (1963), S. 193–207, hier S. 201f.
Ähnlich: Suderland / Christ: National Socialism as Research Topic, Anm. 3.
Seibel: Verwaltung verstehen, S. 173.
Seibel: Verwaltung verstehen, S. 173.
Seibel: Verwaltung verstehen, S. 10, meine Hervorhebungen.
Fleiter: Kommunen, S. 38, meine Hervorhebung.
Fleiter: Kommunen, S. 38. (›Loyale Distanz‹.)
Institut für Geschichte und Ethik der Polizei und öffentlichen Verwaltung (IGE), Konzeptpapier, online unter:
Vgl. z. B. Ulrike Pastoor / Oliver von Wrochem: NS-Geschichte, Institutionen, Menschenrechte. Bildungsmaterialien zu Verwaltung, Polizei und Justiz, Berlin 2013. Online:
Roxin: Straftaten.
Einen prägnanten Überblick gibt Thomas Rotsch: Von Eichmann bis Fujimori – Zur Rezeption der Organisationsherrschaft nach dem Urteil des Obersten Strafgerichtshofs Perus, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, 4/11 (2009), S. 549–551.
Dargestellt und umfassend kritisiert von Erik Kraatz: Zum Irrweg der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft in Wirtschaftsunternehmen, in: Thomas Bode et al. (Hg.): Festschrift für Gerhard Wolf, Berlin 2018, S. 301–324.
Werfel: Die vierzig Tage, S. 72.
Olaf Winkel: Entwicklungslinien, Handlungsfelder und widerstreitende Handlungsimperative der Digitalisierung in Politik und Verwaltung, in: Verwaltung und Management, 24/3 (2018), S. 113–158.
Z. B. in: Guthoff: »Das Amt […]«, S. 133.