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Current practice and future challenges of sewage sludge management considering small wastewater treatment plants at the example of Upper Austria


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Einleitung

Ein wesentlicher Rückstand der (klassischen) Abwasserreinigung stellt Klärschlamm (Überschuss-Schlamm) dar, welcher in der Folge fachgerecht verwertet werden muss. Dafür stehen heute prinzipiell unterschiedliche Optionen zur Verfügung, wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass in Österreich aktuell ein Umbruch in Bezug auf die Klärschlammbewirtschaftung stattfindet (Kretschmer, et al., 2018, ÖWAV, 2014). Die künftig angestrebte Rückgewinnung von Phosphor ist dabei ein wesentlicher Aspekt (Egle et al., 2016). In der aktuellen Fassung des Bundesabfallwirtschaftsplanes (BMNT, 2017) wird in diesem Zusammenhang das Ziel formuliert, dass bis zum Jahr 2030 65 bis 85 % des in Österreich anfallenden kommunalen Klärschlamms einer Phosphorrückgewinnung zugeführt werden sollen, wobei hier vor allem die Klärschlammmonoverbrennung mit einer anschließenden Phosphorrückgewinnung aus der Verbrennungsasche als Möglichkeit genannt wird. Die Betreiber von Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 50.000 Einwohnerwerten (EW60) werden in diesem Zusammenhang explizit dazu aufgefordert, entsprechende Konzepte für das eigene Umfeld zu entwickeln. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass die direkte Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftliche Flächen unter anderem wegen der Möglichkeit einer Schadstoffanreicherung im Boden als für die Zukunft nicht gesichert angesehen wird (ÖWAV, 2014). Dieser Verwertungspfad spielt allerdings in weiten Teilen Österreichs noch eine bedeutende Rolle (Vanas, 2016). Im aktuellen Legebericht zum kommunalen Abwasser in Österreich (BMLRT, 2020) wir der Anteil der landwirtschaftlichen Verwertung mit 21 % der Gesamtklärschlammmenge ausgewiesen. Wobei man davon ausgehen kann, dass der tatsächliche Wert noch höher liegt, da die Fraktion „Sonstige Verwertung“, die in besagtem Bericht mit 26 % beziffert wird, auch etwaige Zwischenlagerungen umfasst.

Die aktuellen Entwicklungen stellen die Abwasserbranche somit vor eine große Herausforderung. In diesem Zusammenhang würde ein vollständiges, zentral verwaltetes Anlageninventar, das sämtliche (kommunalen) Kläranlagen umfasst, sicherlich eine hilfreiche Informationsquelle für die anstehenden Aktivitäten und (politischen) Entscheidungen darstellen. Derzeit werden bereits Stamm- und teilweise auch Betriebsdaten (wie Lage, Ausbaugröße, Bewilligungszeitpunkt und Reinigungsart) der österreichischen Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 2000 EW60 im Rahmen der Berichtspflicht zur Umsetzung der Europäischen Abwasserrichtline alle zwei Jahre vom zuständigen Bundesministerium in Kooperation mit dem Umweltbundesamt zusammengestellt und analysiert (Engstler, et al., 2019). Zudem führten Langergraber et al. (2018) österreichweit eine Bestandsaufnahme aller Kleinkläranlagen (Anlagen bis maximal 50 EW60) und kleinen Kläranlagen (51–500 EW60) durch, bei der auch für diese Größenkategorien ausgewählte (Stamm-)Daten zu sämtlichen Anlagen erhoben wurden. Diese Untersuchungen ergaben für Gesamtösterreich in Summe einen Bestand von annähernd 28.800 Kläranlagen in diesen beiden Größenkategorien, wobei hier etwa 27.500 als Kleinkläranlagen und 1300 als kleine Kläranlagen anzusehen sind. Für eine vollständige Inventarisierung aller Kläranlagen in Österreich fehlen derzeit „nur“ noch die (zentral) gesammelten Informationen zu den Anlagen mit einer Ausbaugröße von 501–1999 EW60. Im Zuge der Arbeiten für diesen Artikel wird diese Lücke exemplarisch für das Bundesland Oberösterreich geschlossen und das Gesamtinventar um klärschlammrelevante Daten ergänzt und anschließend ausgewertet.

Konkret werden dabei die folgenden drei Untersuchungsziele verfolgt: (1) Erstellung eines vollständigen Inventars aller oberösterreichischen Kläranlagen, (2) Mengenmäßige Abschätzung des anlagenbezogenen Klärschlammanfalls und (3) Darstellung der aktuellen Praxis der Klärschlammverwertung und deren Hintergründe für ausgewählte Entsorgungspfade (vor allem Klärschlammverbrennung). Das Fallbeispiel „Oberösterreich“ ist für die Untersuchungen vor allem aus zwei Gründen interessant. Erstens stellt es durch seine Vielzahl an unterschiedlichen topografischen und siedlungstechnischen Strukturen aus Sicht der Autoren ein gutes Abbild des gesamten Bundesgebietes dar. Zweitens ist hier die landwirtschaftliche Verwertung von (kommunalem) Klärschlamm heute nicht nur grundsätzlich erlaubt (Lampert et al., 2014), sondern vielmehr von großer praktischer Bedeutung (Sacken, 2021), vor allem auch in Bezug auf Kleinkläranlagen und kleine Kläranlagen. Anlagen dieser Größenordnung finden in der öffentlichen Diskussion bisher noch wenig Beachtung, haben aber im Lichte der aktuellen Entwicklungen (verstärkte Phosphorrückgewinnung, erschwerte landwirtschaftliche Verwertung) ebenso wie die größeren Kläranlagen einen Bedarf an geeigneten und tragfähigen Zukunftskonzepten.

Der in diesem Artikel erstellte umfassende Überblick über die aktuelle Praxis der Klärschlammbewirtschaftung (Klärschlammanfall und -verwertung) am Beispiel eines Bundeslandes wirft somit auch erstmals ein Licht auf die aktuelle Praxis sowie die (künftigen) Herausforderungen bei den „kleineren“ Größenkategorien. Dies soll dazu beitragen, die Fachwelt, aber vor allem auch die politischen Entscheidungsträger in Bezug auf die Bedürfnisse der Kläranlagen außerhalb des Spektrums des Bundesabfallwirtschaftsplans zu sensibilisieren.

Material und Methoden

Für die Erarbeitung der drei Untersuchungsziele standen mehrere Datensätze zur Verfügung. In den nachfolgenden Unterkapiteln werden diese sowie deren methodische Bearbeitung kurz beschrieben.

Erstellung des Kläranlageninventars

Für die aktuellen Auswertungen wurde vom zuständigen Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ein Datensatz bereitgestellt (Amt der OÖ. Landesregierung, 2020a), der Stammdaten (wie Lage, Ausbaugröße, Bewilligungszeitpunkt und Reinigungsart) zu den Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 50 EW60 umfasst. Darüber hinaus stand den Autoren ein weiterer Datensatz zur Verfügung, welcher die entsprechenden Informationen zu den oberösterreichischen Anlagen mit einer Ausbaugröße von 1–500 EW60 beinhaltet (Amt der OÖ. Landesregierung, 2019).

Die für diese Arbeit relevanten Daten der beiden Datenquellen (wie Lage, Ausbaugröße, Bewilligungszeitpunkt und Reinigungsart) werden zu einem Datensatz zusammengeführt, der damit alle Abwasserreinigungsanlagen Oberösterreichs ab einer Ausbaugröße von 1 EW60 beinhaltet. Diese werden anschließend nach ihrer Ausbaugröße und der (primär) eingesetzten Reinigungstechnologie in folgende Größenklassen und Bautypen eingeteilt.

Einteilung der Abwasserreinigungsanlagen nach Ausbaugröße:

• Größenklasse I ≤ 50 EW60 (Kleinkläranlagen)
• Größenklasse II 51–500 EW60 (kleine Kläranlagen)
• Größenklasse III 501–1999 EW60
• Größenklasse IV 2000–19.999 EW60
• Größenklasse V 20.000–49.999 EW60
• Größenklasse VI ≥ 50.000 EW60

Einteilung nach primär angewendeter Reinigungstechnologie (Bautyp):

Belebung im Durchlaufbetrieb mit aerober Schlammstabilisierung

Aufstauverfahren (Sequencing Batch Reactor (SBR))

Belebung mit anschließender anaerober Schlammstabilisierung (Faulung)

Pflanzenkläranlagen

Sonstige Technologien (z. B. Tropfkörper, MBR-Anlagen, Rotationstauchkörper), die nur eine geringe Anzahl der Gesamtausbaugröße (zusammen < 0.1 %) ausmachen

Mechanisch (bei Anlagen einer Ausbaugröße ≤ 500 EW60)

Abschätzung des Klärschlammanfalls bezogen auf Ausbaugröße und Bautyp

Die bei den Kläranlagen der Größenklassen II–VI jährlich anfallenden Klärschlammmengen werden vom Land Oberösterreich erhoben und verwaltet. Der entsprechende Datensatz für das Jahr 2019 wurde für die Autoren dieses Beitrages für die Bearbeitung zur Verfügung gestellt (Amt der OÖ. Landesregierung, 2020b). Jedoch sind darin gewisse Datenlücken vorhanden, vor allem in Bezug auf die Kläranlagen geringerer Ausbaugrößen. Konkret fehlen in der aktuellen Auflistung bei den Größenklassen VI und V die Daten von jeweils einer Anlage (in Summe 15 bzw. 17 Anlagen), bei der Größenklasse IV von drei (in Summe 86 Anlagen), bei der Größenklasse III von vier (in Summe 38 Anlagen) und bei der Größenklasse II von 106 Anlagen (in Summe 112 Anlagen). Bei der Größenklasse I fehlen Informationen zum aktuellen Klärschlammanfall vollständig (in Summe 2514 Anlagen, vgl. Tab. 1).

Anzahl aller kommunalen Kläranlagen Oberösterreichs nach Bautyp und Größenklasse (Sacken, 2021)

Table 1. Number of municipal wastewater treatment plants in Upper Austria according to treatment type and size class (Sacken, 2021)

Ausbaugröße [EW60] Belebung aerobe Stabilisierung SBR Belebung + Faulturm Pflanzenkläranlage Sonstiges mechanisch Summe je Größenklasse %
≤ 50 EW 659 859 536 152 308 2.514 90,4 %
51–500 EW 35 57 15 5 112 4,0 %
501–1999 EW 30 7 1 38 1,4 %
2000–19.999 EW 81 3 2 86 3,1 %
20.000–49.999 EW 6 11 17 0,6 %
≥ 50.000 EW 3 12 15 0,5 %
Anlagenanzahl gesamt 814 926 25 551 158 308 2.782
% 29,3 % 33,3 % 0,9 % 19,8 % 5,7 % 11,1 %

Um diese Datenlücken zu schließen bzw. die fehlenden Klärschlammmengen abzuschätzen, wird in dieser Arbeit wie folgt vorgegangen: Zunächst wird mit den vorhandenen Daten basierend auf der Ausbaugröße der Kläranlagen ein mittlerer spezifischer Klärschlammanfall je EW60 und Jahr in kg [kg/(EW60*a)] für die einzelnen Reinigungstechnologien (Bautypen) je definierter Größenklasse errechnet. Dieser spezifische Klärschlammanfall wird anschließend mit den bekannten Ausbaugrößen der Anlagen mit nicht dokumentiertem (fehlendem) Klärschlammanfall (entsprechend ihrer Größenklasse und Reinigungstechnologie) multipliziert, wodurch auch für diese eine jährlich anfallende Klärschlammmenge abgeleitet/abgeschätzt werden kann. Zudem muss festgehalten werden, dass für keine Anlage der Größenklasse I (bis maximal 50 EW60) ein jährlicher Klärschlammanfall bekannt ist, weswegen es innerhalb dieser Größenklasse auch nicht möglich ist, den Klärschlamm entsprechend abzuleiten. Um aber auch hier zumindest gewisse Größenordnungen in Bezug auf die unterschiedlichen Bautypen abbilden zu können, wird vereinfacht der spezifische Klärschlammanfall der nächstgrößeren Größenklasse II (51–500 EW60) für die Abschätzung herangezogen.

Darüber hinaus zeigt sich bei den Klärschlammanfallsmengen bei Pflanzenkläranlagen und Kläranlagen mit ausschließlich mechanischer Reinigung eine weitere umfassende Datenlücke. In Anlehnung an Imhoff et al. (2007) kann die Primärschlammmenge in Belebungsanlagen aber mit rund 70 % der Belebtschlammmenge abgeschätzt werden. Somit wird für die Ableitung des spezifischen Klärschlammanfalls der Pflanzenkläranlagen und mechanischen Abwasserreinigungsanlagen der mittlere spezifische Klärschlammanfall der Belebungsanlagen in der gleichen Größenklasse mit dem Faktor 0,7 multipliziert.

Abschließend ist festzuhalten, dass die hier gewählte Bezugnahme auf die Ausbaugröße der Kläranlagen der Tatsache geschuldet ist, dass zumindest für die kleineren Anlagen keine Belastungsdaten dokumentiert sind. Ein Bezug auf Letztere wäre aus quantitativer Sicht jedenfalls aussagekräftiger. Da die Intention dieses Artikels aber nicht die genaue Ermittlung des Klärschlammanfalls, sondern vielmehr die Abbildung von (ungefähren) Größendimensionen vor allem in Bezug auf die „kleineren“ Kläranlagen und der dabei eingesetzten Bautypen geschuldet ist, wird diese Unschärfe von den Autoren bewusst in Kauf genommen.

Darstellung der aktuellen Praxis der Klärschlammverwertung

In dem vorherig beschriebenen Datensatz, welcher Informationen über den bei den einzelnen Kläranlagen anfallenden Klärschlamm beinhaltet, sind auch Angaben zur Verwertung dieser Klärschlammmengen enthalten (Amt der OÖ. Landesregierung, 2020b). Es wird hierbei zwischen folgenden Klärschlammverwertungspfaden unterschieden:

Landwirtschaftliche Verwertung

Kompostierung

Verbrennung

Sonstiges

Welche Verwertungspfade mit der Kategorie „Sonstiges“ zusammengefasst werden, kann aus dem vorhandenen Datensatz allerdings nicht abgleitet werden. Um diese Information zu konkretisieren, werden die betroffenen Kläranlagen telefonisch kontaktiert und dabei gebeten, den aktuellen Verwertungspfad zu nennen (erste Befragungsrunde). Im Zuge dieser Befragung soll zudem auch gleich ermittelt werden, aus welchen Beweggründen (Motivation) sich die Betreiber für die jeweiligen Verwertungspfade entschieden haben. Die Datensammlungen erfolgen dabei einheitlich anhand eines vordefinierten Interviewleitfadens, in dem neben den beiden erwähnten Fragen auch allgemeine Daten erfasst werden (Kläranlage, Kontaktperson, Gesprächsdatum).

Darüber hinaus wird eine weitere telefonische Interviewbefragung durchgeführt, die aber nur die Betreiber von Kläranlagen, deren Klärschlamm bereits heute in eine Verbrennung geführt wird, berücksichtigt (zweite Befragungsrunde). Dabei soll primär in Erfahrung gebracht werden, warum man sich schon frühzeitig für diesen Verwertungspfad entschieden hat (da dieser doch erst im Zuge der aktuellen Diskussionen vermehrt in den Fokus gerückt ist), welche Verbrennungsanlage hier konkret betroffen ist und welche Art der Verbrennung (Mono- oder Mitverbrennung) dabei praktiziert wird. Auch hier erfolgt die Datensammlung wieder einheitlich anhand eines vordefinierten Interviewleitfadens, in dem neben den drei erwähnten Fragen auch die zuvor genannten allgemeinen Daten erfasst werden.

Ergebnisse und Diskussion

Der Vollständigkeit halber soll hier vorab festgehalten werden, dass bei der Bearbeitung ausschließlich (oberösterreichische) Kläranlagen zur Behandlung von kommunalen Abwässern berücksichtigt wurden. Dementsprechend sind in den folgenden Ergebnissen die primär industriellen Anlagen (in Oberösterreich vorwiegend Papier- und Zellstoffindustrie) nicht enthalten.

Inventar der kommunalen Kläranlagen in Oberösterreich

Mit den verfügbaren Daten wurde ein Gesamtinventar aller kommunalen Kläranlagen in Oberösterreich erstellt. Wie in Tabelle 1 ersichtlich, sind hier aktuell 2782 Anlagen in Betrieb. Der bei dieser Gesamtanlagenanzahl am häufigsten vertretene Bautyp ist die SBR-Anlage mit einem Anteil von rund 33 %. Darauf folgen Belebungsanlagen (im Durchlaufbetrieb) mit aerober Schlammstabilisierung (etwa 29 %), am dritthäufigsten kommen Pflanzenkläranlagen (knapp 20 %) zum Einsatz. Dabei machen die Anlagen mit einer maximalen Ausbaugröße von 500 EW60 anzahlmäßig knapp 95 % der Kläranlagen Oberösterreichs aus.

Aus Tabelle 2 wird aber klar ersichtlich, dass die in hoher Zahl eingesetzten SBR- und Pflanzenkläranlagen nur einen sehr geringen Anteil der Gesamtausbaugröße aller Kläranlagen (EW60) ausmachen. Im Gegensatz dazu stehen die Belebungsanlagen mit anaerober Schlammstabilisierung (Faulung), von welchen aktuell zwar nur 25 in Oberösterreich in Betrieb sind, die jedoch in Summe über zwei Drittel der kommunalen Abwässer reinigen. Tabelle 2 zeigt zudem, dass in Summe 69 % der oberösterreichischen Gesamtausbaugröße auf die nur 15 Anlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 50.000 EW60 entfallen.

Ausbaugröße aller kommunaler Kläranlagen nach Bautyp und Größenklasse (Sacken, 2021)

Table 2. Treatment capacity of all municipal wastewater treatment plants according to treatment type and size class (Sacken, 2021)

Ausbaugröße [EW60] Belebung aerobe Stabilisierung SBR Belebung + Faulturm Pflanzenkläranlage Sonstiges mechanisch Summe je Größenklasse %
≤ 50 EW 9103 10.977 6746 1729 2128 30.683 0,9 %
51–500 EW 5589 9707 1958 1188 18.442 0,5 %
501–1.999 EW 36.655 7317 700 44.672 1,3 %
2000–19.999 EW 450.145 9700 34.700 494.545 14,2 %
20.000–49.999 EW 160.500 334.300 494.800 14,2 %
≥ 50.000 EW 263.323 2.148.092 2.411.415 69,0 %
Ausbaugröße gesamt 925.315 37.701 2.517.092 8704 3617 2128 3.494.557
% 26,5 % 1,1 % 72,0 % 0,2 % 0,1 % 0,1 %

In Abbildung 1 sind die aufsummierte Anzahl und Ausbaugröße je Größenklasse einander gegenübergestellt. Damit wird verdeutlicht, dass zwar über 90 % (2514 Stück) der oberösterreichischen Kläranlagen eine Ausbaugröße von bis zu maximal 50 EW60 haben, diese aber nicht einmal 1 % (rund 30.000 EW60) der gesamten Ausbaugröße ausmachen. Im Kontrast dazu steht, dass 1 % der Anlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 50.000 EW60 rund 70 % (rund 2,4 Mio. EW60) der Gesamtreinigungsleistung in Oberösterreich ausmachen.

Abbildung 1

Vergleich von Kläranlagenanzahl und Ausbaugröße je Größenklasse in Prozent (Sacken, 2021)

Figure 1. Comparison of number and treatment capacity of wastewater treatment plants for each size class in percent (Sacken, 2021)

Anlagenbezogener Klärschlammanfall

Mit den vorhandenen Datensätzen und den beschriebenen Methoden kann für alle oberösterreichischen Kläranlagen eine jährliche Klärschlammanfallsmenge in Tonnen Trockensubstanz dargestellt werden. Diese Ergebnisse werden in den Tabellen 3, 4 und 5 zusammengefasst dargestellt. Es soll an dieser Stelle nochmals wiederholt werden (vgl. Kapitel 2.2.), dass sich die angeführten Klärschlammmengen primär aus dokumentierten Daten der Kläranlagen ableiten. Datenlücken wurden unter Bezugnahme auf die Ausbaugröße der Kläranlagen geschlossen, da Belastungsdaten vor allem bei den „kleineren“ Größenkategorien (derzeit) nicht verfügbar sind. Die präsentierten Ergebnisse zielen primär darauf ab, Größenordnungen des Klärschlammanfalls in Bezug auf „kleinere“ Anlagen und die eingesetzten Bautypen darzustellen. Weiterführende Informationen in Bezug auf die österreichischen Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von zumindest 2000 EW können Amann (2021) entnommen werden.

Anteil des jährlichen, spezifischen Klärschlammanfalls in kommunalen Kläranlagen Oberösterreichs je Bautyp (Sacken, 2021, adaptiert)

Table 3. Share of the annual specific sewage sludge production in municipal wastewater treatment plants in Upper Austria according to treatment type (Sacken, 2021, adapted)

Belebung aerobe Stabilisierung SBR Belebung + Faulturm Pflanzenkläranlage Sonstiges mechanisch Summe
Anzahl 814 926 25 551 158 308 2782
EW60 925.315 37.701 2.517.092 8704 3617 2128 3.494.557
Klärschlammmenge [t TS] 11.340 474 26.198 63 66 15 38.156
Anteil Klärschlammanfall 29,7 % 1,2 % 68,7 % 0,2 % 0,2 % 0,0 %

Anteil des jährlichen, spezifischen Klärschlammanfalls in kommunalen Kläranlagen Oberösterreichs je Bautyp und Größenklasse (Sacken, 2021)

Table 4. Share of the annual specific sewage sludge production in municipal wastewater treatment plants in Upper Austria according to treatment type and size class (Sacken, 2021)

kg TS Klärschlamm/EW Belebung aerobe Stabilisierung SBR Belebung + Faulturm Pflanzenkläranlage Sonstiges mechanisch
gesamt 10,7 13,2 12,7 7,3 19,9 7,3
Standardabweichung ± 2,6 0,9 6,6 0,0 0,8 0,0
≤ 50 EW 10,4 13,3 7,3 20,0 7,3
51–500 EW 10,5 13,2 7,3 20,0
501–1999 EW 11,7 9,3 10,3
2000–19.999 EW 12,6 14,2 6,3
20.000–49.999 EW 20,1 17,1
≥ 50.000 EW 7,3 9,8

Jährlicher Klärschlammanfall in kommunalen Kläranlagen Oberösterreichs nach Größenklasse und Bautyp (Sacken, 2021)

Table 5. Annual sewage sludge production in municipal wastewater treatment plants in Upper Austria according to size class and treatment type (Sacken, 2021)

Klärschlammmenge [t TS] pro Jahr Belebung aerobe Stabilisierung SBR Belebung + Faulturm Pflanzenkläranlage Sonstiges mechanisch Summe je Größenklasse %
≤ 50 EW 95 145 49 35 15 339 0,9 %
51–500 EW 58 128 14 24 225 0,6 %
501–1999 EW 433 63 7 503 1,3 %
2000–19.999 EW 5913 137 218 6268 16,4 %
20.000–49.999 EW 3133 5689 8822 23,1 %
≥ 50.000 EW 1708 20.292 21.999 57,7 %
gesamt [t TS] 11.340 474 26.198 63 66 15 38.156

In Oberösterreich fallen pro Jahr rund 38.000 Tonnen Trockensubstanz Klärschlamm an. Konsequenterweise entfällt hier (analog zur Ausbaugröße) der Großteil der Klärschlammmenge, konkret knapp 70 % des oberösterreichischen Gesamtanfalls, auf die Belebungsanlagen mit anaerober Schlammstabilisierung (Tabelle 3).

Um die anfallenden Klärschlammmengen je Bautyp besser vergleichen zu können, wurde ein spezifischer Klärschlammanfall je EW60 [kg TS/(EW60*a)] für alle Kläranlagen errechnet und über die Bautypen gemittelt. Um die Interpretation des spezifischen Klärschlammanfalls und den Vergleich von einzelnen Reinigungstechnologien zu unterstützen, wird darüber hinaus die Standardabweichung der gemittelten Werte angeführt. Es kann festgehalten werden, dass unter Berücksichtigung der Standardabweichung die Unterschiede der spezifischen Klärschlammmengen von Belebungsanlagen mit aerober Schlammstabilisierung, SBR-Anlagen und Belebungsanlagen mit anaerober Schlammstabilisierung hier nicht als signifikant angesehen werden (Tabelle 4).

Im Gegensatz zu den Erkenntnissen von Amann et al. (2021) liefert die anaerobe Stabilisierung (zumindest für die Größenklasse VI) tendenziell einen (leicht) größeren spezifischen Klärschlammanfall als das aerobe Pendant. Eine mögliche Begründung hierfür kann in der gewählten Methode zur Schließung von bestehenden Datenlücken beim dokumentierten Klärschlammanfall (basierend auf Mittelwerten in Bezug auf die einzelnen Größenklassen eines Bautyps und nicht nur in Hinblick auf die jeweiligen Gesamtausbaugrößen, vgl. Kap. 2.2) und damit verbundenen anlagenspezifischen Über- oder Unterschätzungen liegen. Wobei in diesem Zusammenhang auch festgehalten werden soll, dass gerade bei den Anlagen dieser Größenordnungen die vorhandenen Datengrundlagen sehr vollständig waren und hier somit kaum rechnerische „Lückenschlüsse“ notwendig waren.

Wegen der umfassenden Datenlücke bezüglich des Klärschlammanfalls in Pflanzenkläranlagen und Anlagen mit rein mechanischer Abwasserreinigung konnte der Klärschlammanfall bei diesen, wie in Kapitel 2.2. (Ermittlung des anlagenbezogenen Klärschlammanfalls) beschrieben, nur rein rechnerisch ergänzt werden.

Die gesamte angefallene Klärschlammmenge je Größenklasse und Bautyp ist in Tabelle 5 zusammengefasst. Über 97 % des Klärschlammes in Oberösterreich fallen bei Kläranlagen einer Ausbaugröße von mindestens 2000 EW60 an. Dem gegenüber stehen die anzahlmäßig deutlich zahlreicheren Anlagen mit einer maximalen Ausbaugröße von 1999 EW60, die zwar rund 95 % der Kläranlagen ausmachen, in denen aber nur etwa 3 % des kommunalen Klärschlamms anfallen.

Im Kontext des vom Bundesabfallwirtschaftsplan definierten Ziels, bis zum Jahr 2030 65 bis 85 % des Klärschlammes einer Phosphorrückgewinnung zuzuführen (BMNT, 2017), zeigt sich aus den Auswertungen, dass hierfür eigentlich zumindest alle Kläranlagen ab einer Ausbaugröße von 20.000 EW60 zu berücksichtigen wären. Somit erscheint die explizit an Kläranlagen einer Ausbaugröße von mindestens 50.000 EW60 gerichtete Aufforderung der Entwicklung von Konzepten der phosphororientierten Klärschlammverwertung (Monoverbrennung) zumindest für Oberösterreich zu kurz zu greifen, da damit nur rund 58 % der anfallenden Klärschlammtrockensubstanz erfasst würden. Um den oberen Prozentbereich des genannten Zuführungszieles für die Phosphorrückgewinnung erreichen zu können, müsste gegebenenfalls sogar auf den Klärschlamm der Kläranlagen aus den Größenklassen IV, V und VI (ab 2.000 EW60) zurückgegriffen werden.

Aktuelle Praxis der Klärschlammverwertung

Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse der Untersuchungen zu den Klärschlammverwertungspfaden in Oberösterreich. In dieser sind die Ergebnisse der ersten Befragungsrunde zur Ermittlung der konkreten Verwertungspfade, welche zuvor in der Kategorie „Sonstiges“ zusammengefasst waren, bereits berücksichtigt.

Klärschlammmengen nach Verwertungsart in Oberösterreich (Sacken, 2021, adaptiert)

Table 6. Sewage sludge amounts according to disposal type in Upper Austria (Sacken, 2021, adapted)

TS in Tonnen Gesamt Landwirtschaft Kompostierung Verbrennung Nachbarkläranlage Vererdung externer Entsorger
≤ 50 EW
51–500 EW 34 34
501–1999 EW 436 354 6 13 6 56
2000–19.999 EW 6139 4758 559 216 7 407 194
20.000–49.999 EW 8222 7429 135 659
≥ 50.000 EW 21.297 9147 944 11.206
gesamt 36.129 21.722 1643 12.094 13 407 250
Anteil gesamt 60,1 % 4,5 % 33,5 % 0,04 % 1,13 % 0,69 %

In diesem Zusammenhang soll an dieser Stelle noch festgehalten werden, dass bei 32 der in Summe 33 Kläranlagen, die im Jahr 2019 ihren Klärschlamm dem Verwertungspfad „Sonstiges“ zugeführt haben, eine Befragung durchgeführt werden konnte. Dabei konnten fünf verschiedene Verwertungsmethoden konkretisiert werden: Beinahe die Hälfte der betroffenen Anlagen (14 Befragte) verwerten ihren Klärschlamm schlussendlich auf (i) landwirtschaft-lichen Flächen. Aufgrund äußerer Rahmenbedingungen (z. B. Winter) konnte der anfallende Klärschlamm im Bezugsjahr jedoch nicht (vollständig) ausgebracht werden und wurde deswegen auf der Kläranlage zwischengelagert. Zwei Befragte gaben an, ihren Klärschlamm einer (ii) thermischen Verwertung zugeführt zu haben. Warum hier eine Zuordnung zur Kategorie „Sonstiges“ erfolgte, obwohl die Verbrennung ohnehin als konkreter Verwertungspfad angesehen wird (vgl. Kap. 2.3), konnte nicht nachvollzogen werden. Bei den restlichen ermittelten Methoden handelt es sich um die (iii) Verfuhr zu einer benachbarten Kläranlage (3 Befragte), die (iv) Verwertung in einer Vererdungsanlage (4 Befragte) oder die (v) Abholung (Behandlung und Verwertung) durch ein externes Entsorgungsunternehmen (9 Befragte).

Aus der Gesamtübersicht in Tabelle 6 ist ersichtlich, dass in Oberösterreich bis heute die landwirtschaftliche Verwertung mit über 60 % der mengenmäßig häufigste gewählte Verwertungspfad ist (bezogen auf Tonnen Trockensubstanz). Damit verdeutlicht sich die Brisanz bzw. der Handlungsbedarf in Zusammenhang mit dem sich abzeichnenden Auslaufen der landwirtschaftlichen Verwertung.

Abbildung 2 zeigt, dass dieser Verwertungspfad insbesondere bei Kläranlagen einer Ausbaugröße von unter 50.000 EW60 gewählt wird, hier betrifft diese Art der Verwertung knapp 85 % der anfallenden Klärschlammmenge. Zudem muss aber auch festgehalten werden, dass in Oberösterreich bereits über ein Drittel des gesamten Klärschlammanfalls einer thermischen Verwertung zugeführt wird. Allerdings stehen hier keine Monoverbrennungsanlagen zur Verfügung, vielmehr erfolgt die Verwertung in den Mitverbrennungsanlagen Wels, Linz und Lenzing. Neben der landwirtschaftlichen und thermischen Verwertung sind in Oberösterreich noch vier andere Verwertungspfade relevant (Kompostierung, Vererdung, Übergabe an Nachbarkläranlage, Übergabe an externen Entsorger), in welche im Verhältnis aber nur verschwindend geringe Klärschlammmengen abgeführt werden.

Abbildung 2

Klärschlammmengenverteilung des verwerteten TS-Klärschlamms nach Verwertungspfad von Kläranlagen unter 50.000 EW60 (Sacken, 2021)

Figure 2. Sewage sludge distribution according to disposal type for wastewater treatment plants below 50.000 population equivalents (Sacken, 2021)

Da, wie zuvor schon festgehalten, in den verfügbaren Datensätzen keine Informationen zum Klärschlammanfall in der Größenklasse I enthalten sind, besteht auch in Bezug auf die hier praktizierte Klärschlammverwertung (derzeit) eine Wissenslücke (Befragungen wurden aufgrund der hohen Anzahl an Anlagen hier nicht durchgeführt).

Bei der ersten Befragungsrunde zur Konkretisierung der Verwertungskategorie „Sonstiges“ wurde, wie zuvor schon festgehalten, auch die Motivation für die Wahl des Verwertungspfades erfragt. Es war dabei möglich, mehrere Begründungen zu nennen. Die Ergebnisse werden in Tabelle 7 dargestellt.

Nennungen an Begründungen für die Wahl des Klärschlammverwertungspfades in Kategorie „Sonstiges“ (Sacken, 2021, adaptiert)

Table 7. Number of mentions for types of sewage sludge disposal paths in the category “Sonstiges” (Sacken, 2021, adapted)

Gründe für die Wahl des Verwertungspfades Landwirtschaft Nachbarkläranlage Vererdung Extern Gesamt
Kosten 12 3 15
Geringer Aufwand 4 4 3 11
Landwirtschaft wegen AMA-Gütesiegel etc. nicht möglich 3 1 6 10
ökologisch sinnvolle Variante 6 6
Fehlende landwirtschaftliche Abnehmer 5 5
regionale Verwertung 5 5
Genug landwirtschaftliche Abnehmer 4 4
Fehlende Alternativen 2 2
Anzahl der befragten Anlagen 14 3 4 9 30

Erwartungsgemäß wurden die Kosten am häufigsten als Grund für die Wahl des Verwertungspfades genannt. Insbesondere Anlagen, die Klärschlamm einer landwirtschaftlichen Verwertung zuführen, haben sich aus Kostengründen dazu entschieden. Die Betreiber vieler Anlagen empfinden diese Art der Klärschlammverwertung zudem häufig als die „ökologischste“ Variante, da sie regional sei und dadurch Nährstoffe dem Boden zurückgegeben würden. Bei den Anlagen, welche ihren Klärschlamm nicht einer landwirtschaftlichen Verwertung zuführen, wurde als häufigste Ursache für deren Wahl des Verwertungspfades genannt, dass die Ausbringung des Klärschlamms auf landwirtschaftlichen Flächen nicht (mehr) möglich sei. Generelle Aufbringungsverbote, aber auch entsprechende Einschränkungen durch landwirtschaftliche Gütesiegel führen zu fehlenden landwirtschaftlichen Abnehmern und verhindern (zunehmend) entsprechende Verwertungen. In Anbetracht der Tatsache, dass eben auch die aktuelle Fassung des Bundesabfallwirtschaftsplanes der landwirtschaftlichen Verwertung kritisch gegenübersteht, wird ein entsprechender (politischer) Handlungsbedarf ersichtlich, in künftigen Entwicklungen nicht nur auf die „großen“ Kläranlagen zu fokussieren, sondern auch in Bezug auf die Entwicklung von tragfähigen Zukunftslösungen für die „kleineren“ Anlagenbetreiber aktiv zu werden.

In der zweiten Befragungsrunde wurden Interviews mit neun Abwasserreinigungsanlagen durchgeführt, die bereits heute ihren Klärschlamm einer thermischen Verwertung zuführen. Im Zuge dieser wurde unter anderem ermittelt, aus welchen Beweggründen sich die Betreiber der Kläranlagen für diesen Verwertungspfad entschieden haben (Tabelle 8). Auch hier war die Nennung mehrerer Motive möglich. Der ökonomische Aspekt war dabei ebenfalls am häufigsten ausschlaggebend für die Wahl. Hervorzuheben ist, dass sich die Betreiber der vier kleinsten befragten Anlagen wegen Kostengründen für die thermische Verwertung entschieden haben. Wie bei der zuvor beschriebenen Befragung zeigt sich zudem auch hier, dass sich viele Betreiber nur deshalb für einen anderen Verwertungspfad als die landwirtschaftliche Aufbringung entschieden haben, weil eine solche nicht (mehr) möglich gewesen ist. Dies unterstreicht die bereits zuvor getätigte Aussage zur nach wie vor großen praktischen und „emotionalen“ Bedeutung der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung in diesem Bundesland.

Motive für die Wahl der Verbrennung als Verwertungspfad (Sacken, 2021)

Table 8. Motivation for choosing incineration as disposal path (Sacken, 2021)

Gründe für thermische Verwertung Nennungen
Kosten 4
Wegen Vorgaben LW nicht mehr möglich 4
Fehlende landwirtschaftliche Abnehmer 2
einfachste Lösung 2
LW nicht das ganze Jahr möglich 1
Transportwege 1
Geruchsentwicklung bei Lagerung ohne Faulturm 1
Schwermetallbelastung 1
politische Entscheidung wegen BSE 1
Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Klärschlammverwertung in Österreich befindet sich derzeit im Umbruch. Die zentralen Aspekte stellen dabei die künftig zu intensivierende Rückgewinnung von Phosphor sowie immer kritischer gesehene landwirtschaftliche Verwertung dar. Der Bundesabfallwirtschaftsplan legt derzeit den Fokus vor allem auf die größeren Kläranlagen. Das ist prinzipiell nachvollziehbar, da hier die wesentlichen Klärschlammmengen anfallen. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die kleineren Kläranlagen Unterstützung in dem stattfindenden Transformationsprozess benötigen. Denn auch wenn diese nur zu einem geringen Teil zum gesamten Klärschlammaufkommen beitragen, sind sie doch aufgrund ihrer großen mengenmäßigen Anzahl nicht zu vernachlässigen. In dieser Arbeit wird am Beispiel von Oberösterreich die aktuelle Praxis der Klärschlammbewirtschaftung dargestellt und dabei werden auch die Kleinkläranlagen und kleinen Kläranlagen entsprechend berücksichtigt.

Aus den gewonnenen Ergebnissen der durchgeführten Untersuchungen lässt sich zusammenfassend schlussfolgern, dass in Oberösterreich 2782 kommunale Kläranlagen mit einer gesamten Ausbaugröße von rund 3,5 Mio. EW60 in Betrieb sind. Rund 95 % dieser Anlagen haben dabei eine Ausbaugröße von unter 2000 EW60. Die Kläranlagen dieser Größe machen allerdings nur etwa 3 % der Gesamtreinigungsleistung aus, während die 15 größten kommunalen Kläranlagen knapp 70 % der anfallenden kommunalen Abwässer reinigen. Konsequenterweise ist der Klärschlammanfall bei den Anlagen dieser Ausbaugröße ebenfalls am höchsten.

Rund 57 % des oberösterreichischen Klärschlammes stammen aus Anlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 50.000 EW60. Das Ziel des Bundesabfallwirtschaftsplans, 65 – 85 % des anfallenden Klärschlammes bis zum Jahr 2030 einer Phosphorrückgewinnung zuzuführen, kann mit den Anlagen dieser Ausbaugröße folglich aber nicht erreicht werden. Somit wäre die aktuell nur an die Anlagen dieser Größenordnung gerichtete Forderung, sich mit der Entwicklung zukünftiger Konzepte für die Klärschlammbewirtschaftung zu befassen, zumindest für Oberösterreich zu kurzgefasst.

In Bezug auf die Klärschlammverwertung ist die Entwicklung bei Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mindestens 50.000 EW60 durch den Bundesabfallwirtschaftsplan heute bereits klar vorgegeben. Dem gegenüber stehen die deutlich zahlreicheren kleineren Anlagen, die zum momentanen Zeitpunkt nicht im direkten Fokus des Bundesabfallwirtschaftsplans stehen, sich jedoch mittel- und langfristig ebenfalls mit neuen bzw. alternativen Möglichkeiten der Klärschlammverwertung auseinandersetzen werden müssen. Insbesondere der Anteil von über 60 % der anfallenden Klärschlammmenge, die bis heute auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebracht wird, verdeutlicht hier einen zunehmenden (politischen) Handlungsbedarf, um auch hier tragfähige Lösungen für die Zukunft sicher zu stellen. Die durchgeführten Befragungen von Kläranlagenbetreibern verdeutlichen zudem die nach wie vor große praktische Bedeutung der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung, die nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und „traditionell“ begründet wird. Da die anfallenden Kosten oftmals einen sehr ausschlaggebenden Charakter für die Wahl des Verwertungspfades haben, könnten entsprechende Anreiz- und Fördersysteme wirksame Instrumente sein, um den Transformationsprozess bei der Klärschlammverwertung zu unterstützen (vgl. ÖWAV, 2014). Allerdings soll an dieser Stelle zudem darauf hingewiesen werden, dass auch ein entsprechendes Akteursmanagement (wie Bereitstellung von zielgruppenorientierten Informationen über die richtigen Informationspfade, strategische Einbindung von Akteuren und Schaffung von „Ownership“) einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen eines Transformationsprozesses leistet.

In Bezug auf die aktuelle Praxis der thermischen Verwertung in Oberösterreich kann festgehalten werden, dass diese nur in Form einer Mitverbrennung erfolgt. Eine Umsetzung der Phosphorrückgewinnung aus der Monoverbrennung würde daher aus heutiger Sicht einen Transport in ein anderes Bundesland und damit erhebliche Transportwege notwendig machen, wobei hier auch die Kapazitäten der bestehenden Infrastruktur (wie Straßen- und Schienenwege) entsprechend berücksichtigt werden müssten (Wagner et al., 2020). Als Alternative dazu könnten aber natürlich auch dezentralere Alternativen der Klärschlammbewirtschaftung in Erwägung gezogen werden.

Aus Sicht der Autoren dieses Beitrages muss eine zukunftsorientierte und damit nachhaltige Klärschlammbewirtschaftung in Österreich zwei zentrale Aspekte berücksichtigen. Einerseits braucht es für alle Kläranlagen (große wie kleine) im Land praktikable Lösungen, um diese bei der aktuellen „Trendwende“ bestmöglich zu unterstützen. Andererseits sollten neben der klar formulierten „zentralen“ Option der Monoverbrennung für die größeren Kläranlagen auch „dezentrale“ Optionen für die kleineren Kläranlagen definiert werden. Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass sich die Praxis der Klärschlammbewirtschaftung in Oberösterreich (die zumindest bis zu einem gewissen Grad auch auf Gesamtösterreich projiziert werden kann) als durchaus divers darstellt. Ein Mix aus zentralen und dezentralen Verfahren der Klärschlammbewirtschaftung erscheint daher ein durchaus probater Ansatz, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern und dabei aber auch alle Kläranlagenbetreiber entsprechend zu berücksichtigen.

eISSN:
2719-5430
Idioma:
Inglés
Calendario de la edición:
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Temas de la revista:
Life Sciences, Ecology, other