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Analysis of consumers’ perception and willingness-to-pay for different types of Natural Wines


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Einleitung, Problemstellung und Forschungsfragen

Regionalität, Saisonalität, Nachhaltigkeit, Naturbelassenheit und Gesundheitsbewusstsein sind nur einige Trends, mit denen sich Lebensmittelproduzenten aktuell und in Zukunft auseinandersetzen müssen. Bereits jetzt legen Konsumenten bei der Lebensmittelauswahl vermehrt Wert auf ethische Aspekte, Umwelt- sowie Gesundheitsfaktoren (Brugarolas Mollá-Bauzá et al., 2005). Die Hersteller haben dies bereits erkannt und versuchen, den sich verändernden Konsumentenbedürfnissen mit innovativen Produktionsmethoden und Produkten zu begegnen. Mittlerweile haben die genannten Trends, wie auch die Begriffe Natürlichkeit und Nachhaltigkeit, auch die Weinwirtschaft erreicht. Mit Aussicht auf einen Wettbewerbsvorteil werden sie von Weinbaubetrieben vermehrt in Nachhaltigkeitskonzepte der Unternehmensstrategien implementiert (Gilinsky et al., 2016). Nicht zuletzt deshalb haben sich in den letzten Jahren Weine hervorgetan, welche das Image der Natürlichkeit und Nachhaltigkeit verkörpern wollen. Aktuell existiert für Natural Wines noch keine offizielle Definition. Für die vorliegende Studie werden unter dem Begriff Weine aus biologischem und aus biodynamischem Anbau, Orange Wines, Weine ohne Schwefelzusatz, in Amphoren ausgebauter Wein sowie spontan vergorener Wein zusammengefasst.

Wein gilt laut EU-Gesetzgebung als Genussmittel, wodurch sich größere Freiräume hinsichtlich Verwendung von Zusatzstoffen im Weinberg oder Keller ergeben. Das Problem ist dabei die Vielzahl an Zusätzen, die von der EU legitimiert sind. Die Hinweise für den Konsumenten beschränken sich dabei lediglich auf Angaben am Etikett, wie beispielsweise, dass Schwangeren vom Weinkonsum abgeraten wird und dass Wein Sulfite enthält. Somit stellt sich die Frage nach der genauen Auslegung von Natürlichkeit bei Wein und ob sich diese ausschließlich auf die Anbauweise im Weinberg oder auch auf Eingriffe des Produzenten während des Produktionsprozesses bezieht (Bordthäuser, 2015). Dieser Problemstellung folgend, will die vorliegende Studie herausfinden, was Konsumenten bei Wein als natürlich erachten und in welchem Bereich die Zahlungsbereitschaft liegt.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden folgende Forschungsfragen formuliert:

Welche Attribute von Natural Wines bzw. welche Attributkombinationen werden von Natural-Wines-Konsumenten als natürlich aufgefasst?

Inwieweit unterscheidet sich die Konsumentenwahrnehmung für verschiedene Attribute von Natural Wines?

Wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft von Konsumenten für verschiedene Typen von Natural Wines?

Welcher Natural Wine bzw. welche Kombination verschiedener Produktattribute von Natural Wines hat auf dem Markt das größte Potenzial?

Theoretische Grundlagen
Natural Wines

Bis dato liegt dem Begriff „Natural Wine“ noch keine einheitliche Beschreibung zugrunde. Die französische „Master of Wine“ Isabelle Legeron (2014) definiert beispielsweise wie folgt: „Natural Wines sind Weine, welche biologisch oder biodynamisch hergestellt und manuell geerntet werden. Außerdem sollten sie mit keinen oder möglichst wenigen Zusatzstoffen produziert und es sollten auch keine wertvollen Stoffe mittels Filterung oder anderen Techniken aus dem Wein entfernt werden.“ Der österreichische Weinhändler Wein & Co. bezeichnet Natural Wines als den neuesten Trend am Weinmarkt und fasst unter dem Begriff die Weinstile „Bio-(organische) Weine“, „Biodynamische Weine“, „Orange Wines“, „Weine ohne Schwefelzusatz“, „in Amphoren ausgebaute Weine“ und „Petillant-Naturel-Weine“ zusammen (Hlavicka, 2015). Die aktuellsten, am Markt befindlichen Weine sind biologische und biodynamische Weine sowie Weine ohne Schwefelzusatz. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wurden in der vorliegenden Studie folgende Weine zur Bewertung herangezogen: Weine aus biologischem sowie biodynamischem Anbau, Weine ohne Schwefelzusatz, in Amphoren ausgebaute Weine, spontan vergorene Weine und Orange Wines. Die genauen Definitionen der einzelnen Natural-Wines-Typen werden in Tabelle 1 dargestellt.

Beschreibung der unterschiedlichen Typen von Natural Wines

Table 1. Description of the different kinds of Natural Wines

Biologische WeineBiologischer Weinbau in der EU basiert auf den in der Verordnung (EG) 834/2007 festgelegten Zielen und Prinzipien für die biologische Produktion. Biologische Weine tragen somit das EU-Bio-Logo am Etikett, das ein aus Sternen bestehendes Blatt auf grünem Hintergrund zeigt (siehe Abbildung 1). Der Bericht von IFOAM (s. a.) beschreibt die wichtigsten Prinzipien des biologisch-organischen Weinbaus nach EU-Verordnung. Die Hauptpunkte der Verordnung basieren auf dem Bodenmanagement, dem Weinberg-Management und dem Pflanzenschutz. Der Einsatz von Herbiziden ist verboten. Außerdem sollte die Zufuhr von Stickstoff so gering wie möglich gehalten werden. Erlaubte Düngungszufuhren müssen auf biologischen Materialien basieren. Das wichtigste Prinzip im Weinberg-Management ist die Verwendung von Sorten, Klonen und Unterlagsreben, die für das Klima und die allgemeinen weinbaulichen Bedingungen angepasst und geeignet sind.
Biodynamische WeineDie biodynamische Wirtschaftsweise ist eine Form der biologischen Wirtschaftsweise und wurde vom österreichischen Anthroposophen Rudolf Steiner in den 1920er-Jahren eingeführt (Legeron, 2014). Der biodynamische Weinbau geht über den biologischen Weinbau hinaus. In dieser Wirtschaftsweise wird der landwirtschaftliche Betrieb als Organismus betrachtet und die Vitalität der Pflanzen mit bestimmten Präparaten gefördert. Der markanteste Unterschied zwischen biodynamischer und biologischer Wirtschaftsweise ist, dass sich die Winzer bei der Ausbringung der Präparate und vielen anderen Arbeiten an natürlichen Rhythmen, wie dem Lauf der Sonne und des Mondes, orientieren (Arbeitsgruppe Ökologischer Landbau, 2014). Der wichtigste Verband für biodynamische Landwirtschaft ist Demeter. Weltweit gibt es 616 Demeter-Weingüter mit mehr als 8200 ha Rebfläche (Demeter e.V., 2011). Demzufolge tragen Weine aus biodynamischem Anbau das Demeter-Logo (siehe Abbildung 1).
Weine ohne SchwefelzusatzSchwefel wird aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften in allen Stadien der Weinproduktion eingesetzt: vor der Gärung, während der Gärung und bei der Abfüllung in Flaschen. Der Verzicht auf Schwefelzusatz ist eines der definierenden Charakteristika von Natural Wines (Legeron, 2014). Einige Natural-Wines-Produzenten versuchen mit möglichst wenig Schwefel zu arbeiten oder gänzlich darauf zu verzichten. Laut Hlavicka (2015) muss der Wein dafür vollständig ohne Restzucker durchgegoren sein, um die Gefahr einer Nachgärung in der Flasche einzuschränken. Das Ergebnis sind meist strahlende Weine, die schon in der Jugend offener und trinkfreudiger wirken als vergleichbare mit Schwefelzusatz.
In Amphoren ausgebaute WeineAmphoren sind Tongefäße in unterschiedlichen Größen, die zur Produktion von Wein verwendet werden können. Die Amphoren werden vorwiegend von biodynamisch arbeitenden Produzenten verwendet. Sie werden zumeist im Boden eingegraben, was eine kühle Lagerung im Einklang mit der Witterung garantiert. Die feinporigen Gefäße erlauben weniger Mikrooxidation als Barriquefässer und sorgen somit für einen langsameren Reifungsprozess. Außerdem geben Amphoren keine Geschmacksstoffe an den Wein ab (Hlavicka, 2015).
Spontan vergorene WeineBei der Gärung von Traubenmost zu Wein sind Hefen notwendig. Bei der Weinproduktion ist der Hefestamm Saccharomyces cerevisiae für eine erfolgreiche Gärung verantwortlich. Natürliche Hefen befinden sich in großem Umfang im Weingarten und gelangen mit den Weintrauben in den Keller. Es handelt sich immer um ein Gemisch von verschiedenen Hefestämmen. Diese treten in verschiedenen Stadien des Gärungsprozesses ein, bis der Hefestamm Saccharomyces cerevisiae die Gärung vollendet. Ein spontan vergorener Wein ist ein Wein, bei dessen Fermentationsprozess keine künstlich hergestellten Reinzuchthefen zum Einsatz kommen. Ziel der Produzenten, welche einen spontan vergorenen Wein herstellen, ist es, nicht in den Gärungsprozess einzugreifen und den Wein auf natürliche Art und Weise entstehen zu lassen (Legeron, 2014).
Orange WinesOrange Wines sind, vereinfacht beschrieben, Weißweine, die wie Rotweine ausgebaut werden. Beim Ausbau von Orange Wines erfolgt eine sogenannte Mazeration, bei der man die Traubenschalen mit oder ohne Traubenstiele vor und/oder nach der Gärung auf der Maische liegen lässt. Die Mazeration kann ein paar Tage, Monate oder auch Jahre dauern (Legeron, 2014). Durch diesen Prozess erhalten diese Weine eine, je nach Mazerationszeit, starke orange Farbe und außerdem durch die Maischegärung mehr Phenole und Bitterstoffe als herkömmliche Weißweine. Dadurch bekommt der Wein mehr Struktur und ist außerdem länger haltbar (Hlavicka, 2015).

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass biologische und biodynamische Weine im Gegensatz zu Natural Wines zertifizierbar sind. Durch die fehlenden Regelungen hinsichtlich der Definition von Natural Wines kommt es laut Legeron (2014) dazu, dass sich jeder Winzer als Produzent natürlicher Weine titulieren kann. Somit stellt die fehlende offizielle Akkreditierung einen der größten Nachteile für Natural-Wines-Produzenten dar. Innerhalb der Produktkategorie ergibt sich aufgrund der nicht vorhandenen Begriffsdefinition sowie der fehlenden rechtlichen Grundlagen eine hohe Differenzierung. Ebenso könnten Produzenten das positive Image von Natural Wines nutzen, indem sie weniger natürliche Weine unter dieser Kategorie vermarkten (Legeron, 2014). Die Studie von Bonn et al. (2015) zeigt beispielsweise den positiven Einfluss nachhaltiger Praktiken von biologischen Weinproduzenten auf das Konsumentenverhalten.

Relevante Motive beim Lebensmitteleinkauf

Für Produzenten ist es wichtig, die Kaufmotive der Konsumenten zu wissen, um die jeweiligen Produkteigenschaften den Kundenbedürfnissen anzupassen. Daher existiert bereits eine Reihe an Studien zu den wichtigsten Motiven beim Lebensmittelkauf. Obwohl Nachhaltigkeit als Produkteigenschaft ein aufstrebender Trend am Markt ist, bestätigen verschiedene Untersuchungen, dass Produkteigenschaften wie Preis, Marke und Geschmack noch immer eine wichtigere Rolle bei der Kaufentscheidung einnehmen (Annunziata und Scarpato, 2014; Grunert et al., 2014; Marketagent, 2014). Die Umfrage von Marketagent (2014) untersuchte beispielsweise die entscheidenden Aspekte beim Lebensmitteleinkauf österreichischer Konsumenten. Der Geschmack, die Frische, das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Regionalität lagen dabei an erster Stelle. Nachhaltigkeitsaspekte wie biologischer Anbau, aus fairem Handel oder Gentechnikfreiheit erwiesen sich hingegen als weniger relevant. In einer ähnlichen Umfrage von Annunziata und Scarpato (2014) wurden Konsumenten aus Süditalien zu den wichtigsten Kaufkriterien befragt. Auch diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Geschmack und die äußere Erscheinung, die Marke, die einfache und schnelle Zubereitung sowie die Herkunft vor nachhaltigen Produkteigenschaften stehen. Bei einer weiteren, im Rahmen einer Conjoint-Analyse durchgeführten Untersuchung hatten der Einfluss auf die Umwelt und der ethische Einfluss des Produktes, neben den Allergeninformationen den geringsten Einfluss auf den Lebensmittelkauf (Grunert et al., 2014).

Natürlichkeit bei Lebensmitteln

Da Natural Wines als besonders natürlich und naturbelassen gelten, stellt sich auch die Frage, welche Produktattribute von Konsumenten als natürlich wahrgenommen werden. Die biologische und regionale Produktion der Lebensmittel spielen dabei sehr häufig eine wichtige Rolle. Ebenso ist es von Bedeutung, dass die Lebensmittel frei von künstlichen Zusätzen, Farb-, Geschmack- sowie Konservierungsstoffen und ebenso frei von Hormonen, Pestiziden und gentechnisch veränderten Organismen sind. Wichtig ist die Präsenz von natürlichen Zutaten, dass die Lebensmittel lediglich einen minimalen Verarbeitungsgrad aufweisen und nach traditionellen Produktionsmethoden oder gar von Hand hergestellt wurden. Das fertige Produkt sollte letztendlich sowohl gesund und umweltfreundlich als auch wohlschmeckend und frisch sein (Román et al., 2017). Obwohl Natürlichkeit nicht primär als entscheidendes Kaufmotiv gilt, hat sie dennoch großen Einfluss auf das Qualitätsempfinden eines Lebensmittels. So assoziieren Konsumenten mit hoher Lebensmittelqualität unter anderem den Verzicht auf Konservierungsstoffe, Farbstoffe oder Geschmacksverstärker sowie einen niedrigen Verarbeitungsgrad bzw. Naturbelassenheit (Nestlé Deutschland AG, 2012). Eine weitere Studie konstatiert, dass Lebensmittel laut den Umfrageteilnehmern „frisch und unbehandelt“ sowie „frei von künstlichen Zusatzstoffen“ sein müssten, um als qualitativ hochwertig wahrgenommen zu werden (DGQ, 2016).

Mehrpreisbereitschaft für Natürlichkeitsaspekte

Zahlreiche Studien weisen auf die Mehrpreisbereitschaft von Konsumenten für bestimmte Produktattribute hin. So wurde in der Studie von Čagalj (2016) die Zahlungsbereitschaft kroatischer Konsumenten in Hinblick auf unterschiedlich produzierte Lebensmittel eruiert. Laut dieser Studie zeigen die Befragten die Bereitschaft, für Tomaten und Äpfel mit Bio-Siegel 59 % bzw. 42 % mehr zu bezahlen als für konventionelle Vergleichsprodukte. Darüber hinaus kommt Plaßmann (2011) in ihrer Studie zum Ergebnis, dass die durchschnittliche, maximale Mehrpreisbereitschaft 53 % über dem Preisniveau der Ladenpreise biologischer Lebensmittel liegt. Gil et al. (2000) eruierten ebenfalls die Mehrpreisbereitschaft für Bio-Produkte gegenüber konventionellen Produkten. Die Studie zeigte, dass Konsumenten aus Navarra bereit sind, für Bio-Gemüse 21,5 %, für Bio-Obst 23,2 % und für Bio-Hühnerfleisch 23,5 % mehr zu bezahlen, wohingegen Konsumenten aus Madrid eine Mehrpreisbereitschaft von 11 % bei BioGemüse, 9,2 % bei Bio-Obst und 6,3 % bei biologischem Hühnerfleisch zeigen.

Methode und Stichprobenbeschreibung
Conjoint-Analyse und Messung der Zahlungsbereitschaft

Durch die Conjoint-Analyse lässt sich als Individualanalyse das Beurteilungsverhalten einer Person nachvollziehen. Obwohl die betrachteten Elemente einer „CONsidered-JOINTly-Analyse“ durch bestimmte Merkmale oder Eigenschaften beschrieben sind, werden sie von einer Person ganzheitlich betrachtet und beurteilt, wodurch der durch verschiedene Produktattribute erlangte Nutzen (Nutzenwerte) abgeschätzt werden kann. In weiterer Folge lassen sich aus den Teilnutzenwerten metrische Gesamtnutzenwerte für alle Stimuli und relative Wichtigkeiten der einzelnen Eigenschaften ableiten. Das additive Modell der Conjoint-Analyse besagt, dass die Summe der Teilnutzen den Gesamtnutzen ergibt (Backhaus et al., 2015).

Zudem verlangt die Conjoint-Analyse die Bestimmung sogenannter Stimuli. Darunter werden Kombinationen von Eigenschaftsausprägungen verstanden, die den Auskunftspersonen zur Beurteilung vorgelegt werden. Zur Festlegung der Stimulianzahl wurden in der vorliegenden Studie acht Stimuli und zwei Holdout-Karten durch einen orthogonalen Versuchsplan mittels des Statistikprogramms SPSS festgelegt. Holdout-Karten (Prüffälle) sind ebenfalls Stimuli, die den Befragten zur Beurteilung vorgelegt werden. Sie werden allerdings nicht zur Schätzung der Nutzenwerte, sondern ausschließlich zur Validitätsprüfung herangezogen (Backhaus et al., 2015). Hierbei lässt sich auch ein Nachteil der Conjoint-Analyse erkennen: Die Methode erlaubt nur eine Berücksichtigung einer begrenzten Anzahl an Produktattributen (Klein, 2002). In Bezug auf Natural Wines sind die Produktattribute, welche als natürlich vermarktet werden, die verschiedenen Anbauweisen im Weinberg (konventionell/biologisch/biodynamisch) und die verschiedenen Produktionsweisen im Keller (Orange Wine/Schwefelzusatz/Spontangärung/Gärung mit Reinzuchthefen/Amphorenausbau). Abbildung 1 zeigt das Erhebungsdesign mit vollständiger grafischer Einbindung aller Attribute der Stimuli, welche die Erstellung des orthogonalen Designs in SPSS ergeben hat. Bei den Produktkarten Nr. 9 und 10 handelt es sich um die erwähnten Holdout-Karten.

Abbildung 1

Zu reihende Produktkarten der Conjoint-Analyse mit unterschiedlichen Produkteigenschaften

Figure 1. Product cards of the conjoint analysis with different product attributes

Um die Zahlungsbereitschaft für verschiedene Produktattribute messbar zu machen, wird der Preis in das Erhebungsdesign in den meisten Conjoint-Analysen mit aufgenommen. Allerdings kann diese Vorgehensweise die Gültigkeit des Modells verletzen (Breidert et al., 2006). Zudem müssen die Eigenschaften voneinander unabhängig sein. Der von den Teilnehmern empfundene Nutzen eines Attributs darf also nicht durch jenen anderer Attribute beeinflusst werden (Backhaus et al., 2015). Aus diesem Grund wird die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für verschiedene Produktattribute von Natural Wines mittels des Preispremiumverfahrens der Markenbewertung getrennt gemessen. Die Markenbewertung misst dabei den relativen Wert einer Marke für ein Produkt, im Vergleich zum identen Produkt ohne Marke. Dies ist eine direkte Methode der Messung der Zahlungsbereitschaft (Ailawadi et al., 2003). Als Referenzprodukt dient ein markenloser Weißwein, Jahrgang 2015, aus Österreich mit einem Preis von 6,50 €.

Fragebogenaufbau

Der Fragebogen begann mit einer Filterfrage, durch die gewährleistet sein sollte, dass wirklich nur Konsumenten von Natural Wines an der Umfrage teilnehmen. Im Anschluss wurde den Befragten durch eine offene Frage Raum für Assoziationen zu Natural Wines gegeben („Was fällt Ihnen spontan zu Natural Wines ein?“). Mit der darauffolgenden Frage wurde die Einstellung zu Natural Wines eruiert, wobei neun Aussagen durch eine fünfteilige Skala von „lehne vollkommen ab“ bis „stimme vollkommen zu“ bewertet werden mussten (Auswertung siehe Abschnitt 4.1). Auf dieselbe Weise wurden auch die Kaufmotive für Natural Wines eruiert (siehe Abschnitt 4.2).

Im Anschluss erfolgte eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise für die Reihung der Produktkarten, wobei ebenso die einzelnen Produktattribute (z. B. die Bedeutung des EU-Bio-Logos oder der Bezeichnung „Orange Wine“) erläutert wurden. Die Frage dazu lautete „Wie stufen Sie die Natürlichkeit folgender Produkte ein?“

Den Abschluss bildeten die Messung der Mehrpreisbereitschaft sowie Fragen zum Konsumverhalten und zur Soziodemografie.

Erhebung

Die Erhebung erfolgte online mittels des Softwarepaketes SoSci Survey. Die Befragung wurde wegen des großen Interesses an Natural Wines in Italien sowohl in deutscher als auch in italienischer Sprache durchgeführt. Der Fragebogen wurde ausschließlich an die Zielgruppe von Natural Wines adressiert, da es sich bei Natural Wines um eine selbst bei traditionellen Weinkonsumenten noch relativ unbekannte Produktkategorie handelt. Der Fragebogen selbst wurde im Befragungszeitraum vom 30.11.2016 bis zum 13.12.2016 insgesamt 264-mal angeklickt. Dieser Wert gilt jedoch als unzuverlässiger Indikator, da ein Teilnehmer den Fragebogen (beispielsweise versehentlich) auch mehrfach aufrufen konnte, wobei jeder Aufruf als Klick gewertet worden wäre. 174-mal wurde mit der Bearbeitung begonnen, wobei der Fragebogen von 111 Teilnehmern vollständig ausgefüllt wurde. Dies entspricht einer relativ hohen Abbruchquote von ca. 36 %. Für die Datenauswertung wurden ausschließlich vollständig ausgefüllte Fragebögen verwendet. Als Grundgesamtheit gelten die Mitglieder der folgenden Gruppen auf Facebook, in denen der Link der Online-Umfrage alle vier Tage insgesamt viermal geteilt wurde: Vinonudo (730 Mitglieder), Naturweine (132 Mitglieder), Vini Naturali (4993 Mitglieder), Orange & Natural Wines (810 Mitglieder) und Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft – BOKU Wien (378 Mitglieder). Daraus ergibt sich eine Grundgesamtheit von insgesamt 7043 Personen.

Nachteile wie die „Selbstselektion“ und „Undercoverage“ dürfen im Zusammenhang mit Online-Befragungen nicht außer Acht gelassen werden. Die Selbstselektion meint, dass sich Personen selbst für die Teilnahme an der Umfrage auswählen. Wenn jedoch zwischen Nicht-Teilnehmern und Teilnehmern systematische Unterschiede existieren (sie sich demnach in für die Untersuchung relevanten Merkmalen unterscheiden), stellt dies für die Umfrage ein Problem dar. Ebenso verhält es sich mit der Undercoverage. Sie erklärt, dass nicht alle Personen aus der Grundgesamtheit dieselbe Möglichkeit haben, in die Stichprobe aufgenommen zu werden (Bosch, 2010).

Wie bereits in Abschnitt 3.1 erwähnt, wurden die Daten einerseits durch die Conjoint-Analyse und andererseits durch das Abbilden von Häufigkeiten ausgewertet.

Stichprobenzusammensetzung

Von den 111 Teilnehmern der Umfrage waren 74 % männlich und 26 % weiblich. Die Befragten fielen zu knapp 50 % in die Alterskategorie der 21- bis 30-Jährigen. Mehr als ein Viertel der Teilnehmer war außerdem zwischen 31 und 40 Jahre alt. Somit waren über 75 % der Befragten zwischen 21 und 40 Jahre alt. Die restlichen knapp 25 % gehörten den Alterskategorien von über 40 Jahren bis über 60 Jahren an. Von den Teilnehmern hatten ca. 59 % einen Universitäts- bzw. Fachhochschulabschluss und knapp 38 % Matura bzw. Abitur. Demnach verfügten insgesamt über 96 % der Teilnehmer zumindest über einen Maturabzw. Abiturabschluss und nur ca. 4 % über einen Lehrabschluss bzw. einen Abschluss unter der Oberstufe. Mit 36 % stammten die meisten Teilnehmer der Umfrage aus Österreich, vor Italien (knapp 30 %) und Deutschland (ca. 28 %). Rund 4 % stammen aus anderen Nationen und 2 % aus der Schweiz. Bei der Befragung wurden sowohl der Bezug zu Natural Wines als auch die Konsumhäufigkeit abgefragt. Dabei gaben insgesamt 73 % an, entweder Konsumenten, Konsumenten und Produzenten oder Konsumenten und Händler zu sein. Rund 7 % konstatieren zudem, als Gastronom einen Bezug zu Natural Wines zu haben. Weitere 9 % zählen sich weder zu Konsumenten noch zu Produzenten oder Händlern. Außerdem gaben 8 % an, Produzenten und weitere 3 % Händler von Natural Wines zu sein. Die meisten Teilnehmer (knapp 47 %) führten an, Natural Wines mindestens ein- bis zweimal pro Monat zu konsumieren. Knapp 29 % konsumierten Natural Wines mindestens ein- bis zweimal pro Woche und rund 24 % fast nie.

Ergebnisse
Ergebnisse zur Einstellung der Konsumenten

Abbildung 2 zeigt die Einstellung der befragten Konsumenten zu Natural Wines im Vergleich zu herkömmlichen Weinen. Die größte Zustimmung bei den Teilnehmern gibt es bei der Aussage, dass bei Natural Wines weniger Zusatzstoffe zum Einsatz kommen als bei herkömmlichen Weinen, welcher 93 % entweder zustimmen oder vollkommen zustimmen. Des Weiteren empfinden die Teilnehmer Natural Wines als unberührter (90 %). Große Zustimmung gibt es auch darüber, dass bei Natural Wines weniger Pestizide zum Einsatz kommen (75 %), dass die Produktion den landwirtschaftlichen Boden schont (59 %), dass Natural Wines nachhaltiger (64 %) und im Vergleich zu herkömmlichen Weinen natürlicher sind (69 %). Weniger Anklang finden die Aussagen, dass sie bekömmlicher (besser verträglich) (31 %) und gesünder sind (35 %) und einen besseren Geschmack haben (18 %).

Abbildung 2

Einstellung der Konsumenten zu Natural Wines

Figure 2.Consumer attitude regarding Natural Wines

Ergebnisse zu den Kaufmotiven der Konsumenten

Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse zu den Kaufmotiven für Natural Wines. Die meisten Befragten kaufen Natural Wines, weil sie naturbelassen sind (72 %), minimale Eingriffe im Produktionsprozess stattfinden (71 %), sie überzeugte Konsumenten von natürlichen und nachhaltigen Produkten sind (64 %) und die Weine umweltschonend produziert werden (58 %). Darüber hinaus kaufen einige Teilnehmer Natural Wines, weil sie ihrer Meinung nach geschmacklich gut und qualitativ hochwertig sind (49 % bzw. 37 %). Demgegenüber stellt der Gesundheitsaspekt für die meisten Teilnehmer kein relevantes Kaufmotiv dar. Lediglich 16 % stimmen dieser Aussage zu bzw. vollkommen zu. Außerdem ist die Tatsache, dass Natural Wines im Trend sind, für die meisten Befragten ebenfalls nicht von Bedeutung.

Abbildung 3

Kaufmotive für Natural Wines

Figure 3. Buying motives for Natural Wines

Eine offene Frage, welche von ca. 20 % beantwortet wurde, eruiert mögliche weitere Kaufmotive. Das Interesse/die Neugierde für neue Weine bekräftigen 9 %, ein neues Geschmackserlebnis 6 %. Außerdem kaufen ca. 3 % Natural Wines, da sie diese als „spannender“ erachten. Je rund 1 % der Teilnehmer gibt als Kaufmotiv die Menschen dahinter an sowie die Tatsache, dass Natural Wines das Terroir widerspiegeln.

Ergebnisse der Mehrpreisbereitschaft

In der Umfrage wurde ebenfalls die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für verschiedene Produkteigenschaften von Natural Wines erhoben, welche in Abbildung 4 dargestellt ist. Dabei kam das Preispremiumverfahren der Markenbewertung zum Einsatz. Wie bereits in Abschnitt 3.1 beschrieben, misst sie den relativen Wert einer Marke für ein Produkt im Vergleich zum identen Produkt ohne Marke. Als Vergleichsprodukt diente ein Weißwein aus Österreich, Jahrgang 2015, zum Preis von 6,50 €. Die Teilnehmer wurden aufgefordert anzugeben, wie viel sie für die Eigenschaften „Biologisch“, „Biodynamisch“, „Ohne Schwefelzusatz“, „Orange Wine“, „Spontan vergoren“ und „In Amphoren ausgebaut“ bereit wären, mehr zu bezahlen. Den höchsten Wert erzielte hierbei die Zertifizierung Biodynamisch, für die 88 % der Teilnehmer eine Mehrpreisbereitschaft aufweisen, gefolgt von der biologischen Anbauweise mit 87 %. Für die Eigenschaften „In Amphoren ausgebaut“, „Spontan vergoren“ und „Ohne Schwefelzusatz“ sind je ca. 25 % nicht bereit, mehr als den Preis des Vergleichsproduktes zu bezahlen. Rund 31 % weisen außerdem keine Mehrpreisbereitschaft für Orange Wine auf. Aus der Anzahl der prozentuellen Nennungen für die Zahlungsbereitschaft verschiedener Eigenschaften von Natural Wines lässt sich ein Durchschnittswert errechnen. Dazu wurden jeweils die durchschnittlichen Werte der Preisspannen herangezogen (z. B. 0,75 € für die Preisspanne 0,50-1,00 €). Für die Mehrpreisbereitschaft von über 4,00 € wurde ein Durchschnittspreis von 4,50 € gewählt. Im Vergleich zum angegebenen Produkt von 6,50 € sind die Teilnehmer für biodynamischen Wein bereit, 2,26 € mehr zu bezahlen. Die Mehrpreisbereitschaft für biologischen Wein liegt bei 1,84 €, für in Amphoren ausgebauten Wein bei 1,80 € und für Orange Wine bei ca. 1,74 €. Für Wein ohne Schwefelzusatz sind die Konsumenten bereit, 1,57 € mehr zu bezahlen. Die kleinste Mehrpreisbereitschaft weisen die Teilnehmer bezüglich spontan vergorenem Wein mit 1,52 € auf. In Prozent ausgedrückt sind die Teilnehmer bereit, für biodynamischen Wein 34,8 % mehr zu bezahlen, für biologischen Wein +28,3 %, für in Amphoren ausgebauten Wein +27,7 %, für Orange Wine +26,8 %, für Wein ohne Schwefelzusatz +24,15 % und für spontan vergorenen Wein +23,4 %. Im Zusammenhang mit der Mehrpreisbereitschaft muss auf jeden Fall die unausgewogene demografische Struktur der Stichprobe berücksichtigt werden (siehe Abschnitt 3.4 Stichprobenzusammensetzung).

Abbildung 4

Mehrpreisbereitschaft für unterschiedliche Natural Wines

Figure 4. Additional amount consumers are willing to pay for different kinds of Natural Wines

Ergebnisse der Conjoint-Analyse

Tabelle 2 zeigt die Gesamtstatistik der Conjoint-Analyse. In der Gesamtstatistik werden die geschätzten Teilnutzenwerte (Spalte „Utility Estimate“) für jede Eigenschaftsausprägung mit ihren jeweiligen Standardfehlern (Spalte „Std. Error“) ausgegeben. Die Standardfehler liefern einen ersten Anhaltspunkt für die Güte der Conjoint-Ergebnisse. Mit einem Teilnutzenwert von 1,465 ist für die Konsumenten die biodynamische Anbauweise im Weinberg für die Wahrnehmung der Natürlichkeit eines Natural Wines eindeutig am wichtigsten, während sich die konventionelle Anbauweise im Weinberg mit einem Teilnutzenwert von −1,827 am negativsten auf die Wahrnehmung auswirkt. Darüber hinaus wirken sich Weine ohne Schwefelzusatz mit einem Teilnutzenwert von 0,555 und die biologische Anbauweise im Weinberg mit einem Teilnutzenwert von 0,362 eindeutig positiv auf die Wahrnehmung der Natürlichkeit aus. Weniger wichtige Teilnutzenwerte in der Gesamtstatistik liefern die Eigenschaften „Orange Wine“ (0,075) und „Amphorenausbau“ (0,003). Eine spontane Gärung durch natürliche Hefen im Keller wird von den Befragten mit einem Teilnutzenwert von 0,145 als leicht positiv wahrgenommen. Die Standardfehler sind bei allen Nutzenschätzungen sehr gering, weshalb die empirischen Rangwerte sehr gut durch die mittels Conjoint-Measurement ermittelten Werte repräsentiert werden. Der Wert der Konstante von 4,404 stellt den Basisnutzen dar, von dem alle anderen Eigenschaftsausprägungen abweichen.

Gesamtergebnis und relative Wichtigkeit der Eigenschaften laut Conjoint-Analyse

Table 2. Overall result of the conjoint analysis

Utility EstimateStd. ErrorImportance Values
biologisch0,3620,038
Anbauweisebiodynamisch1,4650,04549 %
konventionell−1,8270,045
Orange Wineja0,0750,02911 %
nein−0,0750,029
Schwefelzusatzja−0,5550,02917 %
nein0,5550,029
Spontangärung0,1450,029
Gärungmit Reinzuchthefen −0,1450,02911 %
Amphoren­ausbaunein−0,0030,02912 %
ja0,0030,029
(Constant)4,4040,030

Die Gesamtstatistik der Conjoint-Analyse liefert zudem das Ergebnis der relativen Wichtigkeit der einzelnen Faktoren (Spalte „Importance Values“). In der durchgeführten Analyse wurden die Eigenschaften „Anbauweise“, „Orange Wine“, „Schwefelzusatz“, „Gärung“ und „Amphorenausbau“ verwendet. Demnach ist die Anbauweise das wichtigste Kriterium bei der Wahrnehmung der Natürlichkeit für Natural Wines. Diese macht rund 49 % des Gesamtnutzens aus. Der Schwefelzusatz stellt mit ca. 17 % das zweitwichtigste Kriterium dar. Die Eigenschaften „Orange Wine“, „Gärung“ und „Amphorenausbau“ haben in etwa gleich große Wichtigkeit für die Wahrnehmung der Natürlichkeit. Die Analyse zeigt, dass die biologische bzw. biodynamische Anbauweise für die meisten Teilnehmer als Grundvoraussetzung für eine Einstufung als Natural Wine gilt. Auch der Verzicht auf Schwefel im Produktionsprozess wird als positiv wahrgenommen.

Diskussion
Diskussion der Methode

Die Anwendung der traditionellen Conjoint-Analyse eignete sich gut für die Beantwortung der Forschungsfragen. Mit dieser Methode konnten Produktattribute, welche die Natürlichkeit von Natural Wines ausmachen, kombiniert und so von den Befragten möglichst realitätsnah in eine entsprechende Rangfolge gebracht werden. Die grafische Einbindung der Produktprofile in Etikettenform unterstützte die Umfrageteilnehmer dabei, sich die Produkte besser vorstellen zu könnten. Die Anwendung dieser Methode zeigte jedoch auch die Schwächen der Conjoint-Analyse. Der größte Nachteil ist, dass in die Analyse nur eine eingeschränkte Anzahl von Produkteigenschaften integriert werden kann (Klein, 2002). Bereits eine zusätzliche Eigenschaft mit zwei Ausprägungen hätte beim orthogonalen Design in SPSS 16 Produktprofile und zwei Holdout-Karten ergeben. Dadurch wäre es unmöglich gewesen, die Umfrage online durchzuführen oder die Produktprofile von den Teilnehmern in eine Rangfolge bringen zu lassen, weil diese überfordert gewesen wären.

Wichtig war es, darauf zu achten, der Selbstselektion und Undercoverage entgegenzuwirken, da die Umfrage an die Zielgruppe angepasst war und online durchgeführt wurde (Bosch, 2010). Durch eine Filterfrage am Beginn („Haben Sie schon einmal einen Natural Wine konsumiert?“) sollte dieses Problem umgangen werden. Bei Negation wurde die Umfrage beendet. Allerdings kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass dennoch Personen an der Umfrage teilgenommen haben, die nicht der Zielgruppe angehören. Die methodisch beste Vorgehensweise wäre vermutlich die Offline-Befragung gewesen. Die Entscheidung fiel letztendlich auf die Online-Umfrage, da diese Weine auf dem Markt aktuell noch keine weite Verbreitung haben und wegen der teilweise geringen Kooperationsbereitschaft von Vereinigungen bzw. Ansprechpersonen von Weinmessen oder Veranstaltungen, wo die Umfrage hätte durchgeführt werden können. Trotz der Stichprobengröße von 111 Teilnehmern konnte für die Conjoint-Analyse ein valides Ergebnis erzielt werden.

Für die Messung der Zahlungsbereitschaft wurde das Preispremiumverfahren der Markenbewertung angewandt, da die Aufnahme des Preises in das Conjoint-Design das Modell verletzt hätte (die ausgewählten Eigenschaften müssen unabhängig voneinander sein) (Backhaus et al., 2015). Dieser konnte nicht in das Conjoint-Design mit aufgenommen werden, weil es sich beim Preis um keinen Natürlichkeitsaspekt handelt. Die Auswahl passender Referenzpreise für das Conjoint-Design hätte sich angesichts der relativ hohen Preisspannen der verschiedenen Weine ohnedies schwierig gestaltet. Daher eignete sich das Preispremiumverfahren der Markenbewertung gut, um die Höhe der Zahlungsbereitschaft für die verschiedenen Produkteigenschaften zu erheben. Die zahlenmäßigen Ergebnisse dieses Verfahrens sind jedoch wegen der Preisspannen in dieser Produktkategorie nicht sehr aussagekräftig. Vielmehr diente die Methode dazu, die Unterschiede in der Zahlungsbereitschaft für die verschiedenen Eigenschaften aufzuzeigen.

Diskussionen der Ergebnisse

Nach Durchführung der Conjoint-Analyse kann festgestellt werden, dass die Anbauweise mit fast 49 % relativer Wichtigkeit die entscheidendste Eigenschaft für die Teilnehmer zur Bewertung der Natürlichkeit bei Natural Wines ist, gefolgt vom Schwefelzusatz mit 17 % relativer Wichtigkeit. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studie von Román et al. (2017), laut der für Konsumenten die biologische Produktion sowie der Verzicht auf künstliche Zusatzstoffe wichtige Aspekte im Zusammenhang mit der Natürlichkeit eines Lebensmittels sind. Hinsichtlich des Anbaus weist die biodynamische Anbauweise den höchsten Teilnutzen auf, während die biologische einen überraschend niedrigen positiven Wert aufweist. Vermutlich ist vielen Teilnehmern die EU-Bio-Verordnung nicht streng genug geregelt, weshalb sie die biodynamische Anbauweise als Grundvoraussetzung für die Einstufung als Natural Wine erachten. Wahrscheinlich hätten die Ergebnisse anders ausgesehen, wenn anstatt des EU-Bio-Logos im Conjoint-Design das Logo eines privaten Bio-Standards (z. B. Bioland) Anwendung gefunden hätte. Private Standards unterliegen strengeren Regelungen und wären von den Befragten nach Ansicht der Autoren auch positiver wahrgenommen worden. Die Eigenschaftsausprägung mit dem negativsten Teilnutzen und somit das K.-O.-Kriterium für einen Natural Wine ist die konventionelle Anbauweise. Bereits die Studie von Bonn et al. (2015) zeigte, dass nachhaltige Praktiken von biologischen Weinproduzenten einen positiven Einfluss auf das Konsumverhalten haben. Allgemein muss jedoch festgehalten werden, dass, wie Studien von Annunziata und Scarpato (2014), Grunert et al. (2014) und Marketagent (2014) bestätigen, andere Produkteigenschaften wie der Preis, die Marke und der Geschmack noch immer eine bedeutendere Rolle bei der Kaufentscheidung spielen. Die wichtigste Rolle bei der Kaufentscheidung für Wein spielen Produkteigenschaften wie Preis, Herkunft, Marke oder Rebsorte. Allerdings handelt es sich bei den Konsumenten von Natural Wines um eine neue Zielgruppe, für die auch andere Produkteigenschaften im Vordergrund stehen.

Die Ergebnisse der Zahlungsbereitschaft spiegeln nur teilweise die Ergebnisse der Conjoint-Analyse wider. Die Zahlungsbereitschaft für die biodynamische Anbauweise weist den höchsten Wert auf, was auch dem Ergebnis des höchsten Teilnutzens aus der Conjoint-Analyse entspricht. Umgekehrt verhält es sich bei den restlichen vier Eigenschaftsausprägungen. Während Orange Wines und in Amphoren ausgebaute Weine in der Conjoint-Analyse geringere Teilnutzenwerte aufweisen als Weine ohne Schwefelzusatz und spontan vergorene Weine, sind die Befragten bereit, mehr dafür zu bezahlen. Vermutlich wäre es für die Aussagekraft der Ergebnisse sinnvoller gewesen, für die Mehrpreisbereitschaft anstelle der Angabe von Preisspannen offene Zahlenwerte zu fordern. Dennoch zeigt die Studie, dass die Konsumenten bei Wein bereit sind, einen Mehrpreis für Natürlichkeitsaspekte zu bezahlen. Prozentuell variiert die Mehrpreisbereitschaft zwischen 23,4 % für spontan vergorenen Wein und 34,8 % für biodynamischen Wein im Vergleich zum Produkt ohne die jeweiligen Eigenschaften. Die Studien von Čagalj (2016) und Plaßmann (2011) ergaben sogar höhere prozentuelle Werte für das Preispremium von biologischen Produkten. Laut Čagalj (2016) sind kroatische Konsumenten bereit, für Äpfel und Tomaten mit einem Bio-Siegel im Vergleich zu einem konventionellen Produkt 42 % bzw. 59 % mehr zu bezahlen. Zusätzliche Angaben zu geringeren Umwelteinflüssen ergaben eine zusätzliche Mehrpreisbereitschaft von 16 % für Äpfel und 20 % für Tomaten. Die Studie von Plaßmann (2011) zeigt, dass die durchschnittliche maximale Mehrpreisbereitschaft insgesamt 53 % über dem Preisniveau der tatsächlichen Ladenpreise für die entsprechenden biologischen Lebensmittel liegt. Eine weitere Studie zeigt hingegen eine geringere Mehrpreisbereitschaft für zusätzliche Angaben auf Lebensmitteln. In der Studie von Gil et al. (2000) wurde die Mehrpreisbereitschaft für verschiedene biologische Produkte im Vergleich zu konventionellen Produkten gemessen. Demnach sind Konsumenten aus Navarra bereit, im Vergleich zu konventionellen Produkten +23,5 % für biologisches Hühnerfleisch, +23,2 % für biologisches Obst und +21,5 % für biologisches Gemüse zu bezahlen. Konsumenten aus Madrid weisen dagegen eine geringere Mehrpreisbereitschaft auf: +6,3 % für biologisches Hühnerfleisch, +9,2 % für biologisches Obst und +11 % für biologisches Gemüse. Wie der Vergleich mit anderen Studien zeigt, ist die Mehrpreisbereitschaft für Natürlichkeitsaspekte bei Natural Wines relativ hoch.

Auf Basis der diskutierten Ergebnisse können die Forschungsfragen wie folgt beantwortet werden:

Welche Attribute von Natural Wines bzw. welche Attributkombinationen werden von Natural-Wines-Konsumenten als natürlich aufgefasst?

Die biodynamische Anbauweise wird mit Abstand am positivsten wahrgenommen. Aus der Interpretation der Teilnutzenwerte der Conjoint-Analyse lässt sich außerdem folgern, dass die Kombination eines biodynamischen Weines ohne Schwefelzusatz als besonders natürlich wahrgenommen wird. Die weiteren Produktattribute spielen bei der Bewertung nur eine untergeordnete Rolle.

Inwieweit unterscheidet sich die Konsumentenwahrnehmung für verschiedene Attribute von Natural Wines?

Auch diese Forschungsfrage kann mittels der Teilnutzenwerte der Conjoint-Analyse beantwortet werden. Wie bereits bei der ersten Forschungsfrage erläutert, spielen die Produktattribute „Orange Wine“, „Gärung“ und „Amphorenausbau“ bei der Wahrnehmung der Natürlichkeit für die Konsumenten nur eine untergeordnete Rolle. Dies war zu erwarten, da aktuell biologische und biodynamische Weine sowie Weine ohne Schwefelzusatz auf dem Markt präsenter und die anderen Produktionsweisen vermutlich bei den meisten Teilnehmern noch nicht so bekannt sind. Überraschend ist jedoch der relativ geringe Teilnutzenwert der biologischen Anbauweise.

Wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft von Konsumenten für verschiedene Typen von Natural Wines?

Diese Forschungsfrage kann durch die Anwendung des Preispremiumverfahrens der Markenbewertung beantwortet werden. Überraschend war die vergleichbar geringe Mehrpreisbereitschaft der Teilnehmer von Wein ohne Schwefelzusatz, trotz der positiven Wahrnehmung dieses Produktattributes. Die Produktattribute „Orange Wine“ und „Amphorenausbau“ weisen, anders als bei den Ergebnissen der Conjoint-Analyse, höhere Mehrpreisbereitschaften auf.

Nach der Interpretation der ersten drei Forschungsfragen erfolgt die Beantwortung der vierten Forschungsfrage.

Welcher Natural Wine bzw. welche Kombination verschiedener Produktattribute von Natural Wines hat auf dem Markt das größte Potenzial?

Für die meisten Teilnehmer scheint biologischer Wein als das Mindestmaß für die Einstufung als Natural Wine zu gelten. Außerdem kann angesichts der positiven Wahrnehmung für biodynamischen Wein und Wein ohne Schwefelzusatz gesagt werden, dass diese drei Attribute aktuell die gesamte Produktkategorie definieren. Die weiteren Eigenschaftsausprägungen, wie beispielsweise spontan vergorener Wein, scheinen für die meisten Befragten ein Zusatznutzen zu sein, besitzen jedoch in ihrer Wahrnehmung der Natürlichkeit und vermutlich auch in ihrer Kaufentscheidung eine untergeordnete Bedeutung. Anhand der Ergebnisse lässt sich in medias res aktuell das größte Marktpotenzial für biodynamischen Wein ohne Schwefelzusatz feststellen.

eISSN:
0006-5471
Sprache:
Englisch
Zeitrahmen der Veröffentlichung:
4 Hefte pro Jahr
Fachgebiete der Zeitschrift:
Biologie, Ökologie, andere