Einleitung: Im Kontext von Krankheit, Behinderung und Hochaltrigkeit eröffnet sich die neue Dimension der Vereinbarkeit von Beruf und Angehörigenpflege, in der Schweiz auch als „work & care“ bekannt. Erwerbstätige Angehörige sind wegen ihrer zeitlichen, örtlichen und personalen Situation auf eine vereinbarkeitsfreundliche Betriebskultur in der Gesundheitsversorgung angewiesen, um ihre Erwerbstätigkeit aufrechterhalten und ihre Existenz sichern zu können.
Ziel: Untersucht wird, wie die Betriebskultur und Organisation von Gesundheitsinstitutionen die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege beeinflussen.
Methodik: Im Rahmen einer grösseren Vereinbarkeitsstudie wurden Case Studies in drei Schweizer Betrieben der akut- und langzeitstationären sowie der häuslichen Versorgung durchgeführt. Die Methodentriangulation umfasste Dokumentenanalysen, Experteninterviews (N=13), Feldbeobachtungen sowie Gruppendiskussionen (N=5 à je 4-5 Teilnehmende). Letztere stehen in der Analyse dieses Artikels im Zentrum.
Ergebnisse: Die zentralen Ergebniskategorien diskutieren Angehörige als Leistungserbringer/-innen und Leistungsempfänger/ -innen, und wie sie - berufstätig oder nicht - als physisch anwesend oder abwesend wahrgenommen werden. Dabei wird die Erwerbstätigkeit der Angehörigen allerdings lediglich als Randphänomen sichtbar.
Diskussion: Über alle Ergebniskategorien hinweg wird deutlich, dass Angehörige institutionellen Regeln im jeweiligen der drei Versorgungssettings unterworfen sind. Diese können vereinbarkeitsfördernd oder -hemmend sein. Gezielte Lösungsansätze, etwa das Care Management, fördern die Vereinbarkeitslogik in der Gesundheitsversorgung und damit auch Handlungsmöglichkeiten der Gesundheitsfachpersonen zugunsten von erwerbstätigen Angehörigen.
Schlussfolgerung: Die Institutionen richten ihren Versorgungsauftrag und ihre Arbeitsprozesse primär auf Patienten/-innen oder Bewohner/-innen aus und folgen damit dominant der Versorgungslogik. Dieses Primat sollte durch eine Vereinbarkeitslogik ergänzt werden, damit die lebensweltliche Realität der erwerbstätigen Angehörigen stärker berücksichtigt wird.