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The academization of the health professions in Austria: facts and figures / Akademisierung der Gesundheitsberufe in Österreich: Zahlen und Fakten


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STRUKTUR DER GESUNDHEITSBERUFE IN ÖSTERREICH

Die Diskussion um die Akademisierung der Gesundheitsberufe startete in Österreich um 1995. Damit dauerte es etwa zehn Jahre bis die Akademisierung gesetzlich vollständig implementiert war. Die Gesundheitsberufe sind in jeweils eigenen Bundesgesetzen geregelt, die gehobenen medizinisch-technischen Berufe umfassen sieben Berufe, was die Diskussion um deren Professionalisierung und Akademisierung vereinfachte: Es ging nicht nur um die Therapieberufe, die biomedizinische Analytik und die Radiologietechnologie waren immer mitgemeint (vgl. Tabelle 1).

Gesundheitsberufe, deren Ausbildungsstufe/Abschluss sowie gesetzliche Reglementierung auf Bundesebene.

Beruf Ausbildungsstufe/Abschluss Gesetzliche Regelung
Arzt/Ärztin Medizinuniversitäten Ärztegesetz
Gesundheits- und Krankenpflege

bis 2008 Ausbildung an Schulen

seit 2008 an FH-Bachelor Studiengängen möglich, seit 2016 breit in Umsetzung

Pflegefachassistenz 1a und 2a an Gesundheits- und Kranken pflege-Schulen

Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (2016)
Gehobene Medizinisch-technische BerufeBiomedizinische AnalytikDiätologieErgotherapieLogopädieOrthoptikPhysiotherapieRadiologietechnologie FH-Bachelor-Studium an Fachhochschulen ab 2006 MTD-Gesetz (1992/2006)
Hebammen Bachelor-Studium an Fachhochschulen seit 2006 bzw. 2007 Hebammengesetz aus (1994/2006)
Medizinische Assistenzberufe (z. B.: med. Masseur) Private oder öffentliche Ausbildungsträger

Das Medizin-Studium finanziert der Bund, die Fachhochschul-Studiengänge im Bereich der gehobenen medizinisch-technischen Berufe, Hebammen und Gesundheits- und Krankenpflege werden von den Bundesländern finanziert.

AUSGANGSSITUATION IN ÖSTERREICH

Bis 2009 erfolgte die dreijährige Ausbildung der gehobenen MTD-Berufe an Akademien, wofür die allgemeine Hochschulreife und einschlägige berufliche Qualifikationen erforderlich waren (Zusatzprüfung). Im dritten Ausbildungsjahr schrieben die Studierenden eine wissenschaftliche Diplomarbeit, Fächer wie Statistik und medizinische Informatik waren bereits in allen Sparten Teil der Ausbildung. Diese Anforderungen waren eine günstige Voraussetzung für die Positionierung der Ausbildungen auf Stufe „Fachhochschule“ und erleichterten den Diskurs um die Professionalisierung und Akademisierung erheblich.

International waren Akademien und deren Diplomabschlüsse nicht bekannt, deren Einordnung bereitete Schwierigkeiten, insbesondere nach der Einführung des Bologna-Systems in Europa. Die Anerkennung im Ausland bot immer wieder Probleme und verhinderte die Mobilität von Studierenden und Absolventen/-innen. Dasselbe traf auch für die Ausbildung für die Soziale Arbeit und Lehrer/-innen zu. Mit der Etablierung von Fachhochschulen ab 1993 wuchs der Wunsch, die Akademien in das System der Fachhochschulen zu integrieren.

Ziele waren die Gewährleistung einer praxisbezogenen Ausbildung auf Hochschulniveau, d.h. die Vermittlung der Fähigkeit, die Aufgaben des jeweiligen Berufsfeldes dem Stand der Wissenschaft und den Anforderungen der Praxis entsprechend zu lösen. Damit wurde der Entwicklung dieser Berufe Rechnung getragen, die sich von einem Assistenzberuf hin zur autonomen Berufsausübung bewegte.

Damit war das Feld von der dreijährigen postsekundären Akademie-Ausbildung hin zur Fachhochschul-Struktur inhaltlich und strukturell geebnet und der Schritt dahin wurde nicht als unüberwindbare Hürde empfunden, vielmehr sah man darin eine Strukturbereinigung.

DISKUSSIONSPUNKTE IM PROZESS DER UMSTRUKTURIERUNG

Trotz der günstigen Ausgangslage brauchte es Überzeugungsarbeit seitens der Gesundheitsberufe. Folgende Hürden galt es zu überwinden:

Die Politik galt es zu überzeugen: viel Argumentationsbedarf des „Warum und Wozu“

Widerstand der Ärztekammer

Wechsel der ministeriellen Verantwortlichkeit vom Gesundheits- zum Wissenschaftsministerium

Vorbehalte der Arbeitgeber: Werden die hochschulisch ausgebildeten Gesundheitsfachpersonen auch Routinearbeiten mit gleicher Motivation und Selbstverständlichkeit ausführen?

Förderliche Faktoren für die Akademisierung waren:

Strukturell und inhaltlich bedurfte es keiner großen Änderungen.

Die wirtschaftlichen Interessen von privaten Ausbildungsanbietern waren kaum ein Thema, es gab nur zwei private Ausbildungsanbieter österreichweit.

Die Dimension von insgesamt sieben Ausbildungsträgern war überschaubar und vereinfachte/verkürzte die Diskussionen.

Es gab keinen Widerstand aus den eigenen Berufsreihen: Die Berufsverbände hatten ein großes Interesse, diese Entwicklung voranzutreiben.

Im bestehenden Fachhochschul-Sektor war die Bereitschaft groß, den neuen Sektor aufzunehmen.

Die Abschlüsse wurden international vergleichbar, was ein Anliegen der Politik war.

Benachteiligungen von Akademie-Absolventen/-innen sollten gleichzeitig beseitigt werden.

Somit gab es mehrere Interessensgruppen mit dem gleichen Ziel, was sehr hilfreich war.

Wenig Bedeutung in den Diskussionen hatten Bedenken hinsichtlich

der Ausbildung von 2-Klassen Professionals (akademisierte versus nicht akademisierte) sowie

Bezahlung der Bachelor-Absolventen/-innen, da der Diplomabschluss der Akademien auch als dreijährige postsekundäre Ausbildung galt.

SITUATION NACH DER UMSTELLUNG

Bis dato haben sich an neun Fachhochschulen Studiengänge für einen Gesundheitsberuf etabliert. Sieben bestehende Fachhochschulen haben Gesundheitsstudiengänge integriert, die Bundesländer Tirol und Oberösterreich gründeten zwei neue Gesundheits-Fachhochschulen mit enger Verbindung zu Krankenhäusern. Abbildung 1 zeigt die zeitliche Reihenfolge der Etablierung von Gesundheitsberufen an Fachhochschulen in den Bundesländern.

Abbildung 1

Einrichtung von Gesundheits-Fachhochschul-Studiengängen in den Bundesländern Österreichs nach Jahr (Quelle Darstellung: E. Eckerstorfer).

Die letzte private Akademie schloss 2021. Die Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen und Bundesländern ist sehr intensiv, nicht zuletzt, weil die Fachhochschulen von den Bundesländern finanziert werden und nicht vom Wissenschaftsministerium. Deshalb definieren die Bundesländer die Zahl der Studienplätze und sind sehr hilfreiche Kooperationspartner, vor allem bei der klinisch-praktischen Ausbildung (Vereinbarungen mit einer Vielzahl von Gesundheitseinrichtungen). Tabelle 2 zeigt die Anzahl der Studienplätze, die in den Bundesländern jedes Jahr zur Verfügung stehen.

Studienplätze für Studienanfänger/-innen nach Beruf und Bundesland (Stand 2021).

Biomedizinische Analytik Diätologie Ergotherapie Orthoptik Logopädie Physiotherapie Radiologietechnologie Hebammen Summe
Wien* 140 30 60 20 40 185 150 60 685
Burgenland 0 0 0 0 0 25 0 15 40
Niederösterreich 28 30 60 0 15 95 25 16 269
Oberösterreich 43 18 32 0 18 96 48 22 277
Salzburg 18 0 30) 12 0 28 15 24 83
Tirol 26 16) 30 0 24 36 26 25 152
Steiermark 40 15 24 0 14 70 30 20 213
Kärnten 16 0 16 0 14 24 24 20 114
Vorarlberg 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Summe Anfäger. Std.Plätze Österr. 2023 311 101 232 24 113 559 318 174 1833
Bach-Abschlüsse gesamt Österr. 2021 210 97 179 13 80 406 184

In Österreich gibt es eine gesetzlich verpflichtende Registrierung der Gesundheitsberufe. Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG)ist die zuständige Registrierungsbehörde. Abbildung 2 zeigt die Anzahl registrierter Health Professionals mit den verschiedenen Berufsqualifikationen. Noch sind die Berufstätigen mit Akademie-Abschluss in der Mehrheit; dies wird sich aber in den nächsten Jahren zugunsten der Bachelor-Absolventen/-innen verschieben.

Abbildung 2

MTD – berufliche Erstqualifikationen (Stand 31.02.2020) in Prozent und absoluten Zahlen (Quelle Darstellung: GÖG)

ZWÖLF JAHRE BACHELOR-ABSOLVENTEN/-INNEN IM BERUFSFELD: EIN FAZIT

Nach zwölf Jahren Erfahrung mit Bachelor-Absolventen/-innen im Gesundheitswesen kann in Österreich eine mehrheitlich positive Bilanz gezogen werden. Eine noch offene Baustelle ist die konsekutive Ausbildung nach dem Bachelor-Diplom. Zusammengefasst können wir feststellen:

POSITIV

Es gibt keine 2-Klassen-Professionals, die Fachkompetenz der Bachelor-Absolventen/-innen ist durchgehend anerkannt. Dafür brauchte es aber eine Übergangszeit von drei bis fünf Jahren.

Die Evidenzorientierung ist in den Berufen angekommen.

Ein Qualitäts-Impact auf das gesamte Berufsfeld ist feststellbar.

Die Internationalisierung der Studienprogramme ist konsequent etabliert.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit hat sich in der Gesundheitsversorgung intensiviert, zumal sowohl die Health Professionals innerhalb als auch mit anderen Disziplinen zunehmend gemeinsam an den Fachhochschulen unter einem Dach zusammen studieren.

Die Forschung ist an den Fachhochschulen implementiert.

Der Staff der Fachhochschulen ist akademisiert.

Das Tätigkeitfelder Lehre und Forschung hat an Attraktivität gewonnen. So zeigt z. B. die Studie von Kulnik et al. (2020) eine deutlich ausgeprägtere Forschungsaffinität von Bachelor-Absolventen/-innen als von Absolventen/-innen der Vorläuferausbildungsstruktur.

NEGATIV

Vom Bachelor zum PhD ist die Durchgängigkeit strukturell wohl prinzipiell gewährleistet, aber leider noch nicht in den spezifischen Berufen, wie dies beispielsweise andernorts selbstverständlich ist. In Österreich führt der Weg immer noch über die medizinischen Wissenschaften, Sportwissenschaften sozialwissenschaftliche Disziplinen oder andere.

Es gibt keine berufsspezifischen öffentlich finanzierten Master-Studiengänge, derzeit gibt es disziplinspezifisch lediglich privat zu finanzierende Master-Lehrgänge.

Die Anzahl der Master- und PhD-Abschlüsse ist sehr überschaubar, die Forschungsaktivitäten wachsen zu langsam.

Forschungsförderung ist für Gesundheitsberufe an Fachhochschulen schwierig zu bekommen.

INSGESAMT IST DIE AKADEMISIERUNG ABER EIN GROSSER GEWINN FÜR:

die Berufe insgesamt als auch für die einzelnen Health Professionals

das Gesundheitswesen

die einzelnen Leistungsempfänger/-innen

Gesellschaft insgesamt

Das Ziel der Akademisierung auf sämtlichen Stufen gemäß dem Bologna-Zyklus ist aber noch nicht vollumfänglich erreicht. Hier sind noch wesentliche Schritte zu gehen.

eISSN:
2296-990X
Languages:
English, German
Publication timeframe:
Volume Open
Journal Subjects:
Medicine, Clinical Medicine, other