Die zweibändige Studie des Politikwissenschaftlers Thomas Ellwein Thomas Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie 1815–1918, Opladen 1993; Bd. 2: Die öffentliche Verwaltung im gesellschaftlichen und politischen Wandel 1919–1990, Opladen 1997.
Ellweins Publikation wurde verschiedentlich rezensiert, Bernd Wunder, »Paradigmenwechsel in der deutschen Verwaltungsgeschichtsschreibung?«, in: Erk Volkmar Heyen, Guido Melis (Hg.), Informations- und Kommunikationstechniken der öffentlichen Verwaltung, JEV 9 (1997), S.307–314; Michael Th. Greven, »Eine regionale Verwaltungsgeschichte aus doppelter Perspektive. Mehr als eine regionale Verwaltungsgeschichte – Thomas Ellweins Opus Magnum«, in: Neue Politische Literatur 42 (1997), S. 187–199; Michael Ruck, »Beharrung im Wandel. Neuere Forschungen zur deutschen Verwaltung im 20. Jahrhundert«, Teil I, in: Neue Politische Literatur 42 (1997), S. 200–256. Zum Konzept einer »Kulturgeschichte der Verwaltung« siehe Peter Becker, »Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Verwaltung«, in: Nico Randeraard, Erk Volkmar Heyen (Hg.), Formation und Transfer städtischen Verwaltungswissens, JEV 15 (2003), S.311–336; Stefan Fisch, »Verwaltungskulturen – Geronnene Geschichte?«, in: Die Verwaltung 33 (2000), S.303–323; Alf Lüdtke (Hg.), Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien, Göttingen 1991.
Die vorliegende ›Relektüre‹ betrachtet zunächst Ellweins Wirken und Verwaltungsverständnis aus allgemeiner Perspektive. Sodann werden Struktur und Gedankengang von
Als studierter Jurist, als – auch historisch forschender – Politik- und Verwaltungswissenschaftler sowie erfahrener Verwaltungspraktiker und Politikberater begegnet Thomas Ellwein (1927–1998) dem Thema »Verwaltung« sozialwissenschaftlich-interdisziplinär. Zu Werdegang und Wirken Ellweins siehe: Gerhard Lehmbruch, »Thomas Ellwein und die Konstanzer Politik- und Verwaltungswissenschaft«, in: Wolfgang Seibel, Arthur Benz (Hg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik. Beiträge zu Ehren von Thomas Ellwein, Opladen 1995, S. 11-16; Joachim Jens Hesse, »Thomas Ellwein (1927–1998)«, in: Eckhard Jesse, Sebastian Liebold (Hg.), Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung. Von Abendroth bis Zellentin, Baden-Baden 2014, S. 187–201; Eckardt Opitz, »Ellwein, Thomas«, in: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Göttingen 2003, S.117 f.; Wolfgang Seibel, »Thomas Ellwein«, in: Politische Vierteljahresschrift 39 (1998), S. 113f. Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S. 38–49, S. 59–64; Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S.38f.; Lehmbruch, »Thomas Ellwein«, S.12, S.13 f.; Vgl. auch Thomas Ellwein, Regieren und Verwalten. Eine kritische Einführung, Opladen 1976, S.40. Neben der Publikation »Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit« hat Ellwein eine Reihe von Aufsätzen und Rezensionen zur Verwaltungsgeschichte verfasst. Unter anderem: Thomas Ellwein, »Geschichte der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Zwei gegenläufige Prozesse: Zentralisierung und Orientierung an ›Land und Leuten‹«, in: Ders. (Hg.), Verwaltung und Politik in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart, u.a. 1986, S.9–23; Ders., »Entwicklungstendenzen der deutschen Verwaltung im 19. Jahrhundert«, in: Ders., et al. (Hg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft 1 (1987), S.13–54; Thomas Ellwein, »Verwaltungsgeschichte und Verwaltungstheorie«, in: Ders., et al. (Hg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft 3 (1989), S. 465–475.
Ellwein begreift die Frage nach Aufgaben und Funktionen der Verwaltung als Ausgangspunkt für weiterführende Analysen, Lehmbruch, »Thomas Ellwein«, S. 13 f., bezeichnet Staatsaufgaben als »Angelpunkt der Problemstellung« in Ellweins Forschungsansatz. Vgl. auch Ellweins Problemwahrnehmung bezüglich der zentralen Bedeutung von Aufgaben und – auch politischen – Funktionen von Verwaltung als Ausgangspunkt für eine empirische Verwaltungsforschung: Werner Jann, »Praktische Fragen und theoretische Antworten: 50 Jahre Policy-Analyse und Verwaltungsforschung«, in: Politische Vierteljahresschrift 50 (2009), S. 477-505, hier S. 479; Jörg Bogumil, Werner Jann, Frank Nullmeier, »Perspektiven der politikwissenschaftlichen Verwaltungsforschung«, in: Dies. (Hg.), Politik und Verwaltung. PVS-Sonderheft, Wiesbaden 2006, S. 9–26, hier S. 10. Vergleiche hierzu beispielsweise die verwaltungssoziologische Systematik bei Renate Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg 1978, S.8 f. Mayntz unterscheidet die beiden Betrachtungsebenen der gesamtgesellschaftlichen Systemperspektive (Kapitel zwei bis sechs) sowie der organisationssoziologischen Perspektive (Kapitel sieben und acht). Hinsichtlich der analytischen Ebene bestimmt sie die makrosoziologische Frageebene mit Bezug auf die Merkmale des administrativen Systems, einerseits, und den Umwelt- und Außenbeziehungen, andererseits. Im Hinblick auf die theoretischen Ansätze der Verwaltungssoziologie unterscheidet Mayntz den »funktionalen Aspekt« nach der Aufgabenerfüllung und den »politischen Aspekt« nach der Eigenmacht der Verwaltung sowie ihren Außenbeziehungen (S. 10 f.).
In Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S. 38–51. Ellwein, »Entwicklungstendenzen der deutschen Verwaltung im 19. Jahrhundert«, S. 15; Thomas Ellwein, »Geschichte der öffentlichen Verwaltung«, in: Klaus König, et al. (Hg.), Öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1981, S. 37–51, hier S.40. Siehe auch: Ellweins Kritik an Kurt G. A Jeserich, et al., Deutsche Verwaltungsgeschichte, fünf Textbände und ein Registerband, Stuttgart 1983 ff.; Ellwein, »Verwaltungsgeschichte und Verwaltungstheorie«, S.470 ff.
Die Publikation ist als Regionalstudie zu Ostwestfalen-Lippe angelegt und untersucht vier Verwaltungsebenen. Zum einen geht es um die mittlere und untere Ebene der staatlichen Verwaltung: die Regierungsbezirke mit den Regierungspräsidien sowie die Landkreise mit den Landräten. In Bezug auf die Landkreise wird neben der staatlichen Landkreisverwaltung auch die kommunale Kreisselbstverwaltung behandelt. Zum anderen liegt der Fokus auf der Ebene der kommunalen Selbstverwaltungen der Städte und Gemeinden; den Schwerpunkt legt Ellwein auf die Bereiche Ortspolizei, Armenwesen und Finanzverwaltung, hier insbesondere die Einkommenssteuerveranlagung. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Themenfelder Organisation, Personal, Aufgaben und Funktionen, Verwaltungsmittel und -verfahren, Arbeitsweise der Verwaltung. Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S. 76 f.
Da Ellwein sowohl den Modernisierungsprozess der Verwaltung im 19. und 20. Jahrhundert als auch die Verwaltung im Kontext der politischen Systeme beleuchtet, bewegt sich seine Studie auf zwei zeitlichen Untersuchungsebenen. Ebenda, S.108. Ebenda, Kapitel 10. Ebenda, Kapitel 15. Ebenda, S.77.
Mit der Untersuchung von Modernisierungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung des 19. und 20. Jahrhunderts erweitert sich Ellweins Verwaltungsgeschichte um eine zweite Zeitebene. Dabei wird der Begriff der »Modernisierung« Den Begriff ›Fortschritt‹ vermeidet Ellwein aufgrund seiner Offenheit und Erklärungsbedürftigkeit. Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S. 77–79. Ebenda, S.78. Ebenda, Kapitel 10.
Grundsätzlich ist zur Studie außerdem noch anzumerken: Die Vielfalt der Perspektiven – mehrere Analyse- und Zeitebenen überlagern sich – und die hohen konzeptionellen Ansprüche machen diese knapp 1000-seitige Publikation zu einer komplexen und vielschichtigen Lektüre, die hinsichtlich Argumentationsgang und Struktur eine Herausforderung darstellt: Die einzelnen Kapitel verzweigen sich labyrinthisch in Unterabschnitte und Exkurse, nicht selten ohne erkennbaren Zusammenhang aneinandergereiht und erst sehr viel später wieder gedanklich verknüpft.
In konzeptioneller Hinsicht ist für das von Ellwein erarbeitete Verwaltungsverständnis zunächst die kritische Auseinandersetzung mit Verwaltungsauffassungen grundlegend: Er dekonstruiert »staatszentrierte Ansätze« einer klassischen Verwaltungslehre (Max Weber) und einer juristischen Rechts- und Staatswissenschaft (Ernst Forsthoff), die Staat und Verwaltung jeweils als eine »Einheit« begreifen und deren Verwaltungsverständnis auf einer »Rationalitätsannahme« beruht. Ebenda, Kapitel 1 und 2.
Ellweins Kritik zufolge gibt es erstens keine rationale Begründung der Aufgaben von Staat und Verwaltung, wenn man einmal von der Rechts-, Friedens- und Ordnungsfunktion absieht. Zweitens lassen sich Befehl und Gehorsam beziehungsweise Programm und Vollzug in der Verwaltung in keinen rationalen Zusammenhang bringen. Die Umsetzung von Gesetzen und politischen Programmen folgt, so Ellwein, keiner rationalen Gesetzmäßigkeit, sondern ist durch ein Vollzugsdefizit gekennzeichnet, das er auf drei Aspekte zurückführt: Erstens sind politische Vorgaben für die Verwaltung oder ist deren Handlungsprogramm nicht so eindeutig und kontrollierbar wie idealtypisch angenommen; für die umsetzende Verwaltungsstelle bleiben immer noch Interpretationsspielräume. Zweitens führt das Nebeneinander der Führungsfunktionen für den Verwaltungsvollzug und die Bereitstellung der Ressourcen dazu, dass sie einander nicht entsprechen. Drittens ist die ›moderne‹ Verwaltung so ausdifferenziert, dass zwischen den einzelnen Verwaltungseinheiten Zielunterschiede bestehen; unter diesen Voraussetzungen ist der Koordinationsbedarf von der politischen Führung kaum zu erfüllen. Ebenda, S.44.
Ellwein strebt nun ein Verwaltungsverständnis an, das diese Kritikpunkte berücksichtigt. Hierzu entwickelt er den sehr weit gefassten Ansatz einer »lebenden Verwaltung«, der auch dem Anspruch einer Verwaltungsgeschichte gerecht werden soll, die kontinuierlichen, strukturellen Veränderungen im Bereich der öffentlichen Hand im Kontext ihres weiteren politischen und gesellschaftlichen Umfelds darzustellen. Ebenda, Kapitel 1 und 2. Ebenda, S.75. Vgl. zur Themenkonjunktur in der Verwaltungswissenschaft: Werner Jann, »Verwaltungswissenschaft, Policy-Forschung und Managementlehre«, in: Bernhard Blanke, et al. (Hg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, Wiesbaden 42011, S. 67–75, hier S. 68 ff.; Jann, »Praktische Fragen und theoretische Antworten«; Jörg Bogumil, Werner Jann (Hg.), Verwaltung und Verwaltungswissenschaft in Deutschland. Einführung in die Verwaltungswissenschaft, Bd. 36: Lehrbuch, Wiesbaden 22009. Zur Konjunktur normativer »Bilder« von Verwaltung: Werner Jann, »Politik und Verwaltung im funktionalen Staat«, in: Ders. (Hg.), Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft. Carl Böhret zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1998, S.253–280.
Um seine Studie thematisch einzugrenzen, arbeitet Ellwein als spezifisches Element einer ›modernen‹ »lebenden Verwaltung« den ständigen Differenzierungsprozess heraus Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S. 64–76. Ebenda, S.72 f. Ebenda, S.73 f.
Neben dem kontinuierlichen Differenzierungsprozess ist der angesprochene Bezug der Verwaltung zu
ihrem gesellschaftlichen und politischen Umfeld ein weiteres Merkmal einer »lebenden Verwaltung«. Ebenda, S.64–76.
Den wechselseitigen Beziehungen zwischen der Verwaltung und ihrer Umwelt – hier insbesondere ihrer Klientel, also den Bürgern – einen signifikanten Stellenwert einzuräumen, ist ein Schlüsselelement von Ellweins politikwissenschaftlichem Wirken. Bezeichnenderweise lautet der Titel der Festschrift zu seinem 60. Geburtstag: Adrienne Windhoff-Héritier, »Einleitung«, in: Adrienne Windhoff-Héritier, Verwaltung und ihre Umwelt. Festschrift für Thomas Ellwein, Opladen 1987, S. 5–10, hier S. 5 f. Zum Verständnis von Kommunikations-, Aushandlungs- und Kooperationsbeziehungen zwischen Verwaltung und Bürgern siehe: Joachim Eibach, Der Staat vor Ort. Amtmänner und Bürger im 19. Jahrhundert am Beispiel Badens, Frankfurt am Main, New York 1994, S. 16 f.; und Rüdiger von Krosigk, Bürger in die Verwaltung! Bürokratiekritik und Bürgerbeteiligung in Baden. Zur Geschichte moderner Staatlichkeit im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Bielefeld 2010, S. 15; Peter Becker (Hg.), Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 1: 1800–2000, Bielefeld 2011, S.13 f.; Stefan Haas, Mark Hengerer, »Zur Einführung. Kultur und Kommunikation in politisch-administrativen Systemen der Frühen Neuzeit und der Moderne«, in: Dies. (Hg.), Im Schatten der Macht. Kommunikationskulturen in Politik und Verwaltung 1600–1950, Frankfurt am Main 2008, S.9–22, hier S. 10; Stefan Haas, Die Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Reformen 1800–1848, Frankfurt am Main, New York 2005.
In einem weiteren Schritt zeigt Ellwein vier innerliche und äußerliche »Kraftfelder« auf, die im Untersuchungszeitraum auf die und in der Verwaltung wirkten und ein Spannungsfeld zwischen Kräften des Wandels und der Beharrung bildeten; das Nebeneinander von »Freiraum« und »Bindung« machte Verwaltung in einer »komplexen Umwelt« überhaupt erst möglich. Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, S. 55. Ebenda, S.56.
Die institutionellen Traditionen einer Verwaltung bilden ein erstes Kraftfeld. Ebenda, S.56–58. Ebenda, S. 59–61. Ebenda, S.61 f. Ebenda, S.62–64, hier S.63.
Mit der Erarbeitung von sechs Verwaltungstypen schließt Ellwein sein Konzept einer »lebenden Verwaltung« ab. Ebenda, S.79.
Ausgehend vom Verständnis des »Verwaltens als Tätigkeit« unterscheidet er in einem ersten Schritt Verwaltung als »Tätigkeitszusammenhang« und Verwaltung als »Institutionengefüge«. Durch diese Differenzierung lässt sich Verwaltung als ›Funktion‹ darstellen. Im zweiten Schritt verweist Ellwein auf den historischen Differenzierungsprozess: So kam es erstens zur Herausbildung von Funktionen der öffentlichen Verwaltung, die sich von anderen Funktionen des Staates, wie der Rechtsprechung, unterscheiden. Zweitens erfolgte mit Bezug auf die Verwaltung eine fachliche und schließlich eine herrschaftsbezogene Differenzierung. Ebenda, S.80.
1)Die Alle Kursivsetzungen entsprechen Kursivsetzungen bei Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung, S. 79 f.; zur Entwicklung siehe S. 257 ff., 453 ff.
So weit zu den methodischen und konzeptionellen Aspekten des »Lebendige Verwaltung«-Ansatzes; im Folgenden seien nun einige Entwicklungslinien nachgezeichnet, wie Ellwein sie für die Verwaltung in seiner historischempirischen Untersuchung zur Verwaltungsgeschichte von Ostwestfalen-Lippe ausmacht. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf ›modernisierender‹ Verwaltungsentwicklung sowie auf verallgemeinernden Grundsätzen der Verwaltungsentwicklung.
Mit Blick auf den Zeitraum von 1815 bis 1870 stellt Ellwein fest: Mit der Ausbildung einer professionellen Verwaltung hatte auch das bürokratische Element zugenommen. Dennoch verfügte ein Beamter, je nachdem in welchem Verwaltungstyp er arbeitete, über unterschiedliche Spielräume – das »bürokratische Korsett« variierte. Insbesondere für Ämter, die nicht im Büro, sondern vor Ort arbeiteten – wie dem des Landrats –, galt, dass sie sich dem »bürokratischen Zugriff« der vorgesetzten Stelle ein Stück weit entziehen konnten. »Mit dem Amt verband sich also eine Position, die man unterschiedlich ausfüllen und nutzen konnte.« Ebenda, S.251.
Die Leistung der Verwaltung lag vor allem in den Bereichen, in denen die Verwaltung »schon immer« tätig war: »In diesen Bereichen wird beraten, gefördert, gehandelt, weiterentwickelt. Es wird nur selten prinzipiell nachgedacht und kaum geplant.« Ebenda, S.257. Ebenda.
Bezüglich der Verwaltungsfunktionen stellt Ellwein fest: Verwaltung bildete keine »Einheit«, sondern es war unterschiedliches Verhalten möglich. Dieser Punkt ist wichtig im Hinblick auf das Verhältnis von zentraler und lokaler Verwaltung sowie von politischem Programm und dessen Vollzug. Verwaltungshandeln variierte zwischen den sechs Verwaltungstypen mit verschiedenen Zwischenstufen. Ebenda, S.257–259. Ebenda, S.257 f.
Die Verwaltung erreichte im Zeitraum bis 1870 allenfalls die erste Entwicklungsstufe einer ›modernen‹ Verwaltung im Sinne des Bestehens unterscheidbarer Verwaltungsfunktionen, die von hauptamtlich bestellten Verwaltern wahrgenommen wurden. Die Verwalter nahmen hier eine »Mittelstellung« zwischen Auftraggeber und Verwalteten ein. Auch wurde die Verwaltung zunehmend im Sinne von Auftrag und Vollzug auf der Grundlage von Instruktionen und Regeln organisiert. Wie nahe die einzelnen Verwaltungsstellen diesem Ideal kamen, variierte noch stark. Ebenda, S.77.
Die zweite Entwicklungsstufe, die sich durch Arbeitsteilung und Spezialisierung auszeichnet, wurde – mit Ausnahme der größeren Städte und Regierungepräsidien sowie einzelner Verwaltungsbereiche, in denen eine allmähliche Spezialisierung einsetzte (Polizei, Bauwesen etc.) – nur selten erreicht. Ebenda, S.260 ff. Ebenda, S.262. Ebenda, S.260 ff.
Für den Zeitraum 1871 bis 1918 Ebenda, S.446–474. Ebenda, S.446 f. Ebenda, S.447.
Mit zunehmender Komplexität nahmen, was die Arbeitsweise anging, bürokratische Routinen und Elemente insgesamt zu, auch wenn es in einzelnen Bereichen gerade auf örtlicher Ebene noch Defizite gab. Des Weiteren wurden die Bereiche der Planung und Organisation größer. Auch intensivierten sich bürokratische Elemente bei der Einwirkung der Verwaltung auf andere Bereiche (wie beispielsweise Gewerbeaufsicht, Steuererklärung und Baugesuche). Schließlich erhielt der Staat durch die »Bürokratieverflechtung« gesicherte Kenntnisse über seine Bürger, um damit zentrale Funktionen effizient durchsetzen zu können. Er trat in unmittelbaren Kontakt mit seinen Bürgern. So bildeten Personenstands- und Meldewesen sowie Kataster- und Grundbuchwesen eine solide Grundlage für die Durchsetzung staatlicher Normen bezüglich Schul-, Militär-, Unterhalts- und Steuerpflicht. Ebenda, S.450.
Im Hinblick auf die Verwaltungsleistung im Untersuchungszeitraum hebt Ellwein die »identitätsstiftende« Wirkung der allgemeinen Verwaltung hervor – für ein dezentrales Land wie Preußen von großer Bedeutung. Ebenda, S.450 f. Ebenda, S.451.
Der befehlsmäßigen Verwaltung kam 1870 insgesamt noch keine große Bedeutung im Hinblick auf Verwaltungsfunktionen zu; denn die großen Fachverwaltungen wie Post und Bahn sowie Infrastrukturverwaltung, in denen sie zum Tragen gekommen wäre, spielten noch keine sonderliche Rolle. Dagegen nahm seit 1870 in der allgemeinen Verwaltung die Befehlsverwaltung in Einklang mit der Professionalisierung zu – vor allem dort, wo es um eine systematische Erfassung von Angaben zu Individuen ging, so in Bezug auf Schul-, Wehr-, Steuer- und Meldepflicht, und auch in Bezug auf Besitzverhältnisse und Betriebseinrichtungen. Ebenda, S.453.
In erster Linie traf Ellwein auf Vollzugsverwaltung – ein Verwaltungstypus mit besonderer Wirkungsweise. Die Verwaltung vollzog zwar die entsprechenden Gebote, doch nahm sie im Prozess der Umsetzung Anpassungen vor, sodass sie das Gebotene leisten und erfüllen konnte und zugleich gegenüber den Bürgern durchsetzbar war. Dies betraf insbesondere die Orts- und Gesundheitspolizei. Je mehr jedoch die Gemeinden in diesem Bereich vom Staat eingespannt wurden, desto stärker vermischten sich Vollzugs- und Ressourcenverwaltung. Durch die Inanspruchnahme der Gemeinden durch den Staat verschwammen auch die Grenzen zur politischen beziehungsweise autonomen Verwaltung. Insofern gilt: Je nachdem, ob man den Schwerpunkt bei der Selbstverwaltung in den großen Städten auf den Aspekt der Verwaltung oder der politischen Konnotation legt, erscheint diese entweder als autonome oder als politische Verwaltung. Ebenda, S.454 f.
Die Unterscheidung von Verwaltungstypen erlaubte es Ellwein, den Fokus vor allem auf den Prozess der Umsetzung von Verwaltungsgeboten und hier insbesondere auf das Spannungsfeld zwischen Verwaltungsauftrag und tatsächlichem Verwaltungshandeln zu legen. Wie er feststellte, bewegte sich Verwaltung »zwischen dem, was sie soll, dem was sie kann, und dem, was sie will. Gelingt es der Verwaltungsführung, das Soll eindeutig zu fassen und das Können zu determinieren, ist das Wollen weithin ausgeschlossen. Diese Formel lässt sich beliebig variieren.« Ebenda, S. 454.
Eine ›moderne‹ Verwaltung der zweiten Entwicklungsstufe wurde im Sinne einer organisatorischen Ausdifferenzierung in den meisten Fachverwaltungen und weithin in der allgemeinen Verwaltung bis 1918 erreicht. In der allgemeinen Verwaltung kam es zu einer organisatorischen Ausdifferenzierung durch Arbeitsverteilung und Aufgabenteilung. In Ämtern auf dem Lande wurde sie indes nur begrenzt erreicht. Ebenda, S.455. Ebenda, S.77.
Unterschiede gab es in diesem Punkt zwischen der allgemeinen Verwaltung und dem ›Behördenbündel‹ der größeren Städte. Hier musste das Zusammenwirken von Bürgern und Fachleuten in Einklang gebracht werden. Keinen mindernden Einfluss hatte die Mitwirkung von Bürgern auf die Verwaltungsspezialisierung und die qualitative Professionalisierung. Ein Spannungsfeld tat sich hingegen bezüglich der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle und einer Zusammenführung von Verwaltungsaufgaben auf. Ebenda, S.455 f.
Ellwein stellt die Modernisierung der Verwaltung auf der zweiten Entwicklungsstufe am Beispiel der Entwicklung von Organisation und Personal (Besoldung, Qualifikation, Laufbahn), Arbeitsweise, Leistung und Funktion dar. Für vier Bereiche belegt er ein Wachstum der Verwaltung: 1) Es erfolgte ein Ausbau der Stadt-, Kreis- und Amtsverwaltungen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. 2) Es kam zu einer ständigen Veränderung und Erweiterung des Aufgabenbestandes und der Aufgabenarten. 3) Organisation und Personal nahmen zu. 4) Mit der Arbeitsteilung schritt die organisatorische und arbeitstechnische Spezialisierung voran. Weiterhin gewann die Selbstverwaltung auf der zweiten Entwicklungsstufe an Gewicht. Ebenda, S.447 f.
»Der Staat als Zufall, Notwendigkeit und Wille« – auf diese Formel kommt Ellwein am Ende des ersten Bandes, in dem er die Ursachen für die historische Aufgabenentwicklung auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen in Ostwestfalen-Lippe zu erklären versucht. Hinter der Aufgabenentwicklung sieht er keine systematischen oder rationalen Entscheidungen und auch kaum eine »erkennbare Grenze« zwischen Staat und Gemeinde. Ebenda, S.457.
Das Spektrum erstreckt sich von Aufgaben, die »notwendig« zum Staate gehören (wie beispielsweise Existenzsicherung, Rechtssetzung, Streitschlichtung, Rechtsdurchsetzung, Rechtssicherung, Maß-, Münz- und Eichwesen) bis hin zu solchen, die »zufällig« hinzugekommen sind. Zu Letzteren rechnet Ellwein kommunale Versorgungsaufgaben sowie Aufgaben, die der Staat wahrnehmen kann, aber nicht muss (wie beispielsweise Wirtschaftsförderung, Kultur, Feuersicherung, Armenfürsorge, Wohlfahrtspflege, Gesundheitsvorsorge, Arbeitsvermittlung). Ebenda, S.466. Ebenda, S.467.
Ellwein beendet den ersten Band mit einem Exkurs zur Herrschafts-, Klientel- und Verwaltungsorientierung; es geht um den Aspekt der Nutzung von Spielräumen durch Behörden im Verwaltungsvollzug. Zwei Ursachen belegt Ellwein: Zum einen entsprach die Ressourcenzuweisung oftmals nicht dem Bedarf für die Ausführung der Aufgabe; deshalb kam es notwendigerweise zu einer Anpassung der Ausgabenausführung an die verfügbaren Ressourcen. Zum anderen ergaben sich Spielräume, da Befehle oftmals nicht so eindeutig waren, dass der Vollzug schon festgelegt war. Ebenda, S.470. Ebenda, S.471. Ebenda, S.472.
Ellwein beginnt seinen zweiten Band mit einem Rückblick auf die Verwaltung im Kaiserreich und geht der Frage nach, welche strukturellen und kulturellen Besonderheiten die öffentliche Verwaltung im frühen 20. Jahrhundert prägten.
Eine erste Besonderheit lag in dem Gebot der »Gesetzmäßigkeit« der Verwaltung: Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die Rechtsstaatlichkeit unter dem Paradigma der »Gesetzmäßigkeit der Verwaltung« ausgebaut. Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit, Bd. 2: Die öffentliche Verwaltung im gesellschaftlichen und politischen Wandel, S. 15.
Im Zeichen des Konstitutionalismus war nur eine parlamentarische Mitwirkung an der Gesetzgebung vorgesehen, jedoch keine parlamentarische Mitwirkung an der Regierung, die gleichzeitig eine Mitkontrolle der Verwaltung bedeutet hätte. Das restriktive Wahlrecht gewährte lediglich eine beschränkte Mitwirkung der Bürger im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Der Föderalismus wiederum übertrug den einzelnen Bundesstaaten neben einer selbstständigen Verwaltung außerdem die Verwaltung im Auftrag des Bundes, was eine korrekte Ausführung der Bundesaufgaben erforderte. Ebenda, S.14 f.
Unter diesen Bedingungen fiel der »Gesetzmäßigkeit der Verwaltung« Ebenda, S.15. Ebenda, S.16 ff. Ebenda, S.16 f.
Eine zweite Besonderheit lag im Verhältnis von Staat und Gemeinde – dies war auch für das Bild der Verwaltung in Ostwestfalen-Lippe im frühen 20. Jahrhundert von besonderem Interesse: Die Gemeinde wurde vom Staat zwar in die staatliche Aufgabenerfüllung mit eingebunden, doch in personeller und organisatorischer Hinsicht nicht in die Staatsverwaltung integriert. Ebenda, S.24 ff. Ebenda, S.25 f. Ebenda, S.26.
Ein dritter Aspekt, der für das Verständnis und die Herausbildung einer »deutschen« Verwaltungskultur gegen Ende des Kaiserreichs von Bedeutung war, lag in der Verrechtlichung der Verwaltung, wie sie vor dem Hintergrund einer begrenzten Mitwirkungsmöglichkeit bei der parlamentarischen Gesetzgebung und einer weitergehenden Bürgerbeteiligung in der kommunalen Selbstverwaltung mit Auswahl des Führungspersonals und der Aufgaben erfolgte. Auf der Ebene der Gemeinden hatte die Verrechtlichung der Verwaltung auch deren Verselbstständigung zur Folge. Die staatliche Verwaltung erlangte eine gewisse Selbstständigkeit, da sie durch den höheren und gehobenen Dienst regelgemäß geführt wurde und ihr Personal durch seine Verwaltungserfahrung und Qualifikation eine gewisse Unabhängigkeit erlangt hatte. Des Weiteren kam der Verfahrenskontrolle – sowohl der verwaltungsinternen als auch der verwaltungsgerichtlichen – eine große Bedeutung zu. Ebenda, S.34.
Mit dem Ende des Deutschen Kaiserreichs gerät der Wechsel der Staatsformen und die Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung mit den Zäsuren 1918, 1933 und 1945/49 sowie die verstärkte thematische Ausrichtung der Verwaltungsgeschichte auf das Verhältnis zwischen Verwaltung und Politik in den Blickpunkt der Untersuchung. Ellwein fragt hier insbesondere nach den langfristigen Wirkungen der wechselnden Staatsformen – Republik und Nationalsozialismus – auf die Verwaltungsentwicklung. Ebenda, S.14.
In Bezug auf Entwicklungstendenzen der Verwaltung im 20. Jahrhundert stellt Ellwein vorab vier Aspekte heraus: Erstens kam es in der Verwaltung zu einer Aufgabenvermehrung infolge einer Intensivierung der Aufgabenwahrnehmung, die zweitens in einer Vergrößerung der Organisation, Vermehrung des Personals sowie einer Veränderung der Verfahrens- und Arbeitsweisen zum Ausdruck kam. Ebenda, S.45. Ebenda, S.46. Im Original kursiv gehalten. Ebenda, S.46.
Unter der Überschrift »Verwaltung im Wechsel der Staatsformen« Ebenda, S. 51–102.
In der Weimarer Republik lagen die zentralen Entwicklungen im Aufgabenzuwachs der Verwaltung. Insbesondere im Bereich der Kommunalverwaltung nahmen Personal und Organisation zu. Hiermit gingen eine weitere Binnendifferenzierung und erhöhter Koordinationsbedarf der Verwaltung einher. Insgesamt gewann die Verwaltung an Eigenständigkeit. Ebenda, S.65. Ebenda, S.66. Ebenda, S.68.
Im Hinblick auf das Ende der Weimarer Republik und den Wechsel der Staatsform 1933 hin zum Nationalsozialismus unterstreicht Ellwein die »deutliche Kontinuität« der Verwaltungsstrukturen über 1933 hinaus. Damit relativiert er zugleich die Bedeutung des NS-Regimes für die langfristige Verwaltungsentwicklung. Dem Nationalsozialismus spricht er – wie auch der Weimarer Republik – eine »planmäßige Verwaltungspolitik« ab. Ebenda, S.91.
Ellwein kommt zu dem Ergebnis, dass Verwaltung, erstens, immer unter dem Druck des hier und jetzt Notwendigen arbeitet. Sie lebt in ihren Routinen, verteidigt diese und integriert Neuerungen so weit es geht. Routinen haben auch den Übergang von rechtsstaatlicher Verwaltung zum Unrechtsstaat erleichtert. Zweitens, jede Verwaltung lebt in ihrer Tradition – und diese war zur Zeit der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus 1933 jedenfalls keine demokratische oder republikanische Tradition, sondern eine, die Gemeinsamkeiten mit dem und Vorteile im neuen Regime fand und diesem »keinesfalls in toto entgegen« stand. Drittens musste Verwaltung nach 1933 Unrecht tun und/oder hinnehmen. Schließlich, viertens, gab es innerhalb der Verwaltung keinen nennenswerten Widerstand gegen Unrecht. Ebenda, S.100 ff.
Die Umbruchzeiten 1918/19 und 1933 stellt Ellwein am Beispiel der Staatsverwaltung, der Finanzverwaltung sowie der Kommunalverwaltung in Ostwestfalen-Lippe dar.
Bezüglich der Staatsverwaltung in den Jahren 1919 bis 1933 stellt Ellwein eine Kontinuität in der Behördenstruktur sowie nur geringe Veränderungen bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben fest. Allerdings entsprach die Entwicklung der Behördenstruktur nach 1919 nicht der Aufgabenentwicklung; vielmehr kommt es im Verhältnis von Politik und Verwaltung beziehungsweise von Staat und Gemeinde zu einer weitreichenden inhaltlichen Veränderung: Staatlicher Politik wohnte zunehmend das Moment aktiver Einflussnahme auf gesellschaftliche Entwicklungen inne. Dieses neue Verständnis von gesellschaftlicher Gestaltung kam unter anderem im zweiten Teil der Weimarer Reichsverfassung, »Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen«, und folglich in einer vermehrten Gesetzgebung mit dem Versuch einer steuernden Wirkung zum Ausdruck. Ebenda, S.151 ff. Ebenda, S.154. Ebenda, S.164–192.
Die Kommunalverwaltung nahm in den 1920er-Jahren nicht nur schneller zu als die Staatsverwaltung, sondern differenzierte sich auch stärker aus. Auch erfuhr sie erhebliche Veränderungen infolge einer Reihe von Modernisierungsprozessen: Ebenda, S.193. Ebenda, Bsp. Bielefeld, S.212 ff. Ebenda, S.215.
Allerdings stellte die Kommunalverwaltung für Ellwein eine vergleichsweise schwierig zu untersuchende Verwaltungsebene dar; denn hier nahm die Ausdifferenzierung von Einrichtungen mit Betriebscharakter – wie Schlachthof, Markthalle, Krankenhaus – und die teilweise Ausgliederung zu. Diese Prozesse waren statistisch (beispielsweise im Vergleich von 1910 mit 1930) nur schwer fassbar. Ebenda, S.216. Ebenda, S.213 f.
Bei der Aufgabenentwicklung bestand trotz der politischen Zäsur von 1918 Kontinuität, wobei vor allem der Wohlfahrtsbereich zur Zunahme von Verwaltungsaufgaben auf verschiedenen Verwaltungsebenen der kommunalen Selbstverwaltung beitrug (Kreise, Städte, Ämter und Gemeinden). Ebenda, S.218 ff. Ebenda, S.236. Ebenda, S.218. Ebenda, S. 220, S. 237 ff., S. 249 ff. Ebenda, S.236.
Am Beispiel der Intensivierung der Sozialpolitik zur Zeit der Weimarer Republik stellt Ellwein das Wechselspiel von Staat und Gemeinde dar. Während der Staat regelnd den Rahmen für die soziale Absicherung setzte, führte die Gemeinde die konkrete Leistung der Fürsorge aus. Die umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit des Reiches erläutert Ellwein an drei Beispielen: Gesetz über Jugendwohlfahrt (1922); Verordnung über Fürsorgepflicht (1924) sowie Reichsgrundsätze über Voraussetzung sowie Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (1924); Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (1927). Ebenda, S.252. Ebenda, S.251 f. Ebenda, S.262.
Mit Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus in Ostwestfalen-Lippe nach 1933 ist das Verhältnis von Partei und Staat von besonderer Bedeutung. Insbesondere geht Ellwein auf die Folgen der Umsetzung des Führerprinzips auf der Gemeindeebene ein Ebenda, S.275 ff., S.292. Ebenda, S.270 f. Ebenda, S.270 ff. Ebenda, S.274; auch S.298 ff. Ebenda, S.284.
In der staatlichen Verwaltung veränderte sich – anders als in der Kommunalverwaltung – rein organisatorisch hingegen nichts – auch wenn es innerhalb der bestehenden Strukturen zu wesentlichen Verschiebungen gekommen ist. Ebenda, S.292, S.320. Ebenda, S.298 ff. Ebenda, S.308 ff.
Abschließend geht es Ellwein in Bezug auf die öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland um die Trias aus Gesellschaft, Politik und Verwaltung. Neben dem politisch-administrativen System hatte seit 1945 die Gesellschaft mit ihren tief greifenden Veränderungen als Einflussfaktor für die öffentliche Hand dramatisch an Bedeutung gewonnen. Mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland sieht Ellwein einen »überforderten Staat« Ebenda, S.334.
Auch bei diesen Überlegungen ist Ostwestfalen-Lippe noch ein thematischer Schwerpunkt; es werden die Entwicklungen der Staatsverwaltung (Kapitel 24) und die Entwicklung in den Gemeinden und ihren Verbänden (Kapitel 25) dargestellt. Doch vor allem wird Ostwestfalen-Lippe nun im Kontext der allgemeinen Entwicklungen des politisch-administrativen Systems in Deutschland betrachtet.
In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland stellt Ellwein fest, dass es bis dato weder eine Systematik noch einen Konsens über eine Systematik öffentlicher Aufgaben gibt und dass die »Unterscheidung zwischen Staatsaufgaben und Gemeindeaufgaben weder zwingend noch folgerichtig und außerdem ihre ständige Vermischung ein Problem der Verwaltungsentwicklung ist.« Ebenda, S.448. Zur Staatsverwaltung: Ebenda, S.439–448 Ebenda, S.458 ff.
Als Hauptproblem der öffentlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland diagnostiziert Ellwein eine Überforderung der öffentlichen Hand, was auf übermäßige Anforderungen infolge der »nahezu revolutionär[en]« Veränderungen in der Gesellschaft zwischen 1945 und 1990 durch Bevölkerungswachstum, Veränderung der Bevölkerungsstruktur sowie der Individualisierung seit den 1970er-Jahren zurückzuführen ist. Ebenda, S.326. Ebenda, S.354. Ebenda, S.346. Ebenda, S.335. Ebenda, S.336, S.349 ff.
Ellwein gelingt mit
Die konzeptionellen Überlegungen, die thematischen Exkurse, die Interdisziplinarität und Perspektivenvielfalt, die Anlage einer detaillierten Regionalstudie, die Zielstellung einer Geschichte des ›modernen‹ Staates – all das bietet zahlreiche Anschlussmöglichkeiten für institutionalistische, organisationssoziologische, kulturwissenschaftliche und interdisziplinäre Ansätze in der Verwaltungsgeschichtsschreibung. Ellweins Publikation
Inhalt The Logic of Simplifying Public Administration in Hungary, 1900–1910 »A stupid dread of innovation«: Wandel, Zeitlichkeit und das Problem der Innovation in frühneuzeitlichen Verwaltungen M-Government: Recht und Organisation mobilen Verwaltens Antonio Serra, Early Modern Political Economist: From Good Government as Individual Behavior to Good Government as Practical Policy An Unbound Prometheus? Bureaucracy, Technology, Technocracy, and Administrative Innovation The Motives for and Consequences of the Introduction of Typewriters and Word Processing in the British Civil Service Die Gestaltung von Wandel und Innovation im Mehrebenensystem der Militärverwaltung Österreich-Ungarns um 1900 Innovation durch Technik? Rohrpostsysteme als Medientechnologien der Verwaltung im 20. Jahrhundert »Typewriting Medicine« – Bürotechnologische Innovationen und klinische Verwaltung am Beispiel der Charité Berlin, 1890–1932 Assessment as innovation: The case of the French administration in the nineteenth century Bürokratie, Wandel und Innovation – verwaltungshistorische Perspektiven McKinsey auf der Hardthöhe: Unternehmensberater im Bundesministerium der Verteidigung 1981/82 Ein neues Gedächtnis für die Verwaltung: born digitals und die Wissenschaft. Ein TagungsberichtEinführung und/oder Abschaffung von Arbeitsbüchern als Innovation. 1 The Only Game in Town? New Steering Models as Spaces of Contestation in 1990s Public Administration