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Measures to reduce stress in the workplace – results from focus group interviews with health professionals / Maßnahmen zur Reduktion von Stress am Arbeitsplatz – Resultate aus Fokusgruppeninterviews mit Gesundheitsfachpersonen


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EINLEITUNG

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen stellt die Gesundheitssysteme vor eine große Herausforderung gut qualifiziertes Gesundheitspersonal zu rekrutieren und im Beruf halten zu können (Marć, Bartosiewicz, Burzyńska, Chmiel, & Januszewicz, 2019; WHO, 2016). In der Schweiz wird mit einem zusätzlichen Bedarf an 36’500 Pflege- und Betreuungspersonen bis 2030 gerechnet (Merçay, Grünig, & Dolder, 2021). Gründe dafür sind die demografische Entwicklung, die sich ständig verbessernden Möglichkeiten in der medizinischen Versorgung, die anstehenden Pensionierungen der Baby-Boomer-Generation (ca. 27’500 Pflegende) sowie frühzeitige Berufsaustritte (Merçay et al., 2021). Der drohende Mangel betrifft auch medizinisch therapeutische Berufe (Kägi, Lobsiger, Morlok, Frey, & Oswald, 2014; Rüesch et al., 2014) und den ärztlichen Dienst (Hostettler & Kraft, 2020). Ein personeller Engpass an qualifiziertem Gesundheitspersonal kann zur Folge haben, dass das anfallende Arbeitsvolumen vom derzeit bestehenden Personal bewältigt werden muss.

Stress am Arbeitsplatz und schlechte Rahmenbedingungen können sowohl die Gesundheit (bspw. erhöhte Stress-und Burnout-Symptome) als auch die Zufriedenheit der verbleibenden Gesundheitsfachpersonen negativ beeinträchtigen und zu einer Zunahme an frühzeitigen Berufsaustritten führen (Hammig, 2018; Peter, Hahn, Schols, & Halfens, 2020). Zudem kann dies auch die Sicherheit am Arbeitsplatz für Mitarbeitende und die Sicherheit für Patientinnen und Patienten beeinträchtigen. Simon, Sharma und Gerfin (2020) zeigten auf, dass mit abnehmender Anzahl an qualifizierten Pflegefachpersonen die Wahrscheinlichkeit für ein unerwünschtes Ereignis, wie eine erhöhte Mortalität oder ein Delir ansteigt. Weiter fehlt es primär an qualifizierten Pflegefachpersonen (Merçay et al., 2021). Eine Personalbesetzung mit unzureichend qualifiziertem Personal steht auch im Zusammenhang mit einer erhöhten Mortalität (Aiken et al., 2014).

Hinzu kommen weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Gesundheit und Zufriedenheit von Gesundheitsfachpersonen am Arbeitsplatz haben können. Zentrale Stressoren und deren Zusammenhang mit Stressreaktionen und Langzeitkonsequenzen für das Schweizer Gesundheitspersonal sind bekannt (Peter, Hahn, et al., 2020). Dazu zählen beispielsweise eine hohe Arbeitslast (Arbeitstempo und Menge), eine fehlende Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, mangelnde Flexibilität in der Dienst- und Ferienplanung, lange Arbeitszeiten, Schichtarbeit und fehlende Entwicklungsmöglichkeiten (Dhaini et al., 2016; Hausler, Bopp, & Hammig, 2018; Peter, Hahn, et al., 2020).

Dem nationalen Versorgungsbericht für Gesundheitsberufe ist zu entnehmen, dass «der wachsende Personalbedarf bei Weitem nicht durch die derzeitige Zahl an Ausbildungsabschlüssen gedeckt werden kann» (Dolder & Grünig, 2016, S.8). So wird unter anderem empfohlen Maßnahmen zum Personalerhalt zu verstärken, welche die Belastung am Arbeitsplatz reduzieren (Addor et al., 2016; Dolder & Grünig, 2016). Eine systematische Übersicht von Maßnahmen zur Reduktion von Belastung am Arbeitsplatz deutet jedoch darauf hin, dass bisherige Maßnahmen, wie kognitive Verhaltenstherapie oder Ansätze zur geistigen und körperlichen Entspannung, wenig bis keine Reduktion von Belastung am Arbeitsplatz erzielen konnten, wobei ein Grund die geringe Qualität der Studien sei (Ruotsalainen, Verbeek, Mariné, & Serra, 2015). Ein Ansatz für die erfolgreiche Umsetzung neuer Maßnahmen ist der frühzeitige Miteinbezug des Personals (Wiskow et al., 2010). Ein frühzeitiger Miteinbezug beginnt bereits bei der Wahl der entsprechenden Maßnahme. Um nachhaltige Interventionen zur Reduktion der Arbeitsbelastung nutzbringend entwickeln und einsetzen zu können, müssen somit die konkreten Wünsche und Empfehlungen des Gesundheitspersonals für Lösungsansätze identifiziert werden. Ziel dieser Studie ist mittels qualitativer Fokusgruppeninterviews Ideen für mögliche Lösungsansätze seitens des Gesundheitspersonals zu erfassen und zu beschreiben.

METHODE
Design

Zur Bearbeitung der Frage, welche Maßnahmen aus Sicht des Gesundheitspersonals zur Reduzierung der Belastung am Arbeitsplatz beim Gesundheitspersonal in der Schweiz beitragen, wählte das Forschungsteam einen qualitativen Ansatz mit der Durchführung von Fokusgruppeninterviews. Als Basis zur Beschreibung der Studie diente die COREQ-Checkliste (Consolidated criteria for Reporting Qualitative research) (Tong et al., 2007). Das Forschungsteam setzte sich aus acht Forschenden aller Sprachregionen (Deutsch, Französisch und Italienisch) der Schweiz zusammen (drei PhD., zwei MScN, drei BScN aus den Bereichen Pflege, Gesundheitswissenschaften und Arbeitspsychologie). Der qualitative Ansatz ermöglicht es, die Sichtweisen der Teilnehmenden in einer anregenden Gesprächsatmosphäre in Erfahrung zu bringen, um diese gemeinsam auf Passung und Relevanz diskutieren zu können. Zur Auswertung der Fokusgruppeninterviews verwendete das Forschungsteam die Knowledge-Mapping-Methode von Pelz, Schmitt und Meis (2004), in welcher bereits während der Fokusgruppeninterviews eine Verifizierung der festgehaltenen Lösungsansätze mit den Teilnehmenden erfolgt. Das Knowledge Mapping gehört zu den inhaltsanalytischen Methoden und eignet sich zur grafikgestützten Ergebnispräsentation von Fokusgruppen, wobei die relevanten Ergebnisse mittels Cluster visualisiert werden (Pelz et al., 2004). Diese Studie war Teil der nationalen Studie «Work-related Stress Among Health Professionals in Switzerland» (STRAIN) (Peter, Hahn, et al., 2020). Ziel der STRAIN-Studie war es, Stress am Arbeitsplatz bei Schweizer Gesundheitsfachpersonen zu erfassen und mittels gezieltem Interventionsprogramm zu reduzieren. Die in dieser Studie identifizierten Maßnahmen flossen direkt in das STRAIN-Interventionsprogramm für Führungspersonen ein. An der STRAIN-Studie nahmen zwischen 2017–2021 insgesamt 26 Akutspitäler und Rehabilitationskliniken, 12 Psychiatrien, 86 Alters- und Pflegeheime sowie 41 Spitex-Organisationen aus allen Sprachregionen der Schweiz teil.

Stichprobe

Gesundheitspersonal aus den Bereichen Pflege, den medizinisch-technisch-therapeutischen Berufen (MTTB) und dem ärztlichen Dienst, die in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens (Akutspitäler, Psychiatrien, Alters- und Pflegeheime, spitalexterne Pflege) arbeiten, wurden in die Stichprobe eingeschlossen. Die Gelegenheitsstichprobe erfolgte über die Kontaktpersonen der teilnehmenden Organisationen aus der STRAIN-Studie sowie aus dem Netzwerk des Forschungsteams. Jede Organisation, die in der STRAIN-Studie teilnahm, hatte dem Forschungsteam eine interne Kontaktperson zugewiesen, welche die Kommunikationsunterlagen an ihr Gesundheitspersonal weiterleitete. Potenzielle Teilnehmende erhielten per E-Mail über die Kontaktperson oder das Forschungsteam einen Flyer mit detaillierten Informationen zum Ziel, Vorgehen und zur Durchführung und Nutzen der Fokusgruppeninterviews. Interessierte Teilnehmende konnten sich direkt beim Forschungsteam anmelden.

Interviewleitfaden und Datensammlung

Den Interviewleitfaden entwickelte das Forschungsteam deduktiv auf Basis des STRAIN-Fragebogens in Deutsch und testete ihn in einer Pilot-Fokusgruppe, bevor er in die beiden weiteren Landessprachen Französisch und Italienisch übersetzt wurde. Der STRAIN-Fragebogen basiert auf dem theoretischen «Model of causes and consequences of work-related stress» (Kompier & Marcelissen, 1990; Leka & Jain, 2010). Das Modell beschreibt die Zusammenhänge von Risikofaktoren, Stressreaktionen und Langzeitkonsequenzen im Kontext von Belastung am Arbeitsplatz. Der Fragebogen setzt sich aus international etablierten Skalen zusammen. Eine ausführliche Beschreibung des Fragebogens wurde andernorts publiziert (Golz, Peter & Hahn, 2018; Peter, Hahn, et al., 2020). Der Leitfaden setzt sich aus den folgenden fünf Themenschwerpunkten zusammen, die in Bezug auf Arbeitsbelastung von besonderer Relevanz sind (Peter, Hahn, et al., 2020): (1) Rahmenbedingungen der Arbeit, (2) Anforderungen im Job, (3) Führung und Management, (4) Kommunikation und Zusammenarbeit sowie (5) Arbeitsgestaltung/Arbeitsinhalte. Jeder Themenschwerpunkt umfasste wiederum 3–4 Themen, zu denen die Moderation jeweils einleitende Fragen stellte (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1

Themen des STRAIN-Fragebogens inkludiert in den Interviewleitfaden.

Beim Themenschwerpunkt «Rahmenbedingungen» zum Thema «Arbeitszeiten/Schichtmodelle» stellte die Moderation beispielsweise folgende Frage zum Einstieg: «Wie könnten die vorhandenen Arbeitszeiten und Dienstplanmodelle konzipiert und umgesetzt werden, dass sie Belastungen reduzieren?» Der Diskussionsschwerpunkt der Fokusgruppeninterviews lag auf umsetzbaren Lösungsansätzen zur Verbesserung der Arbeitsbelastung.

Die Fokusgruppeninterviews wurden von ChG, CG und KP sowie zwei Forschenden aus der italienischen bzw. französischen Schweiz ab einer Mindestanzahl von vier und bis zu einer maximalen Anzahl von neun Teilnehmenden an einem Standort der Forschungsgruppe durchgeführt oder in einer Organisation, die an der STRAIN-Studie teilnahm. Die Datensammlung erfolgte mittels der Knowledge-Mapping-Methode (Pelz et al., 2004). Die semistrukturierten Fokusgruppeninterviews waren leitfadengestützt in Form einer moderierten Diskussion, wobei die Moderation jeweils von einer Wissenschaftlichen Assistenz (Bachelor of Science in Pflege) pro Sprachregion (für Deutschschweiz: FR) begleitet wurde. Die Wissenschaftliche Assistenz visualisierte die Aussagen der Teilnehmenden auf einem Flipchart pro Themenschwerpunkt, sodass die Teilnehmenden ihren Standpunkt in der Visualisierung wiedererkennen konnten. Zentrale Aussagen ordnete die Wissenschaftliche Assistenz in umliegenden Clustern um einen der fünf Themenschwerpunkte an und verband die Aussagen je nach Relevanz oder Beziehung zueinander durch Linien. Vor jedem Wechsel der Themenschwerpunkte evaluierte die Moderation gemeinsam mit den Teilnehmenden, inwiefern die zusammenfassende Visualisierung die diversen Diskussionsaspekte angemessen abbildet (Konsensfindung). Zusätzlich zur visualisierten Zusammenfassung nahm die Wissenschaftliche Assistenz die Fokusgruppeninterviews mittels Diktiergeräte auf, um bei nachfolgender Analyse Unklarheiten in der Interpretation der Visualisierung besser diskutieren zu können. Die Autorinnen (FR, ChG, KP) und der Autor (CG) sowie die Forschenden aus der italienischen und französischen Schweiz kennen das Schweizer Gesundheitswesen, d. h. sie verfügen über eigene Erfahrung zu den diskutierten Inhalten, arbeiten jedoch ausschließlich in der Forschung. Die Moderatorinnen und Moderatoren verfügen über mehrjährige Erfahrung in der Durchführung von Interviews und der angewandten Methode. Sie standen zu den Teilnehmenden in keiner persönlichen Beziehung.

Datenanalyse

Beim Knowledge-Mapping-Ansatz beginnt die Datenanalyse bereits bei der Durchführung der Fokusgruppeninterviews, da in diesem Schritt die Aussagen zusammengefasst visualisiert werden. Die Sicherstellung einer korrekten Interpretation der Aussagen erfolgt in den Evaluationen pro Themenschwerpunkt mit den Teilnehmenden. Im Anschluss an die Fokusgruppeninterviews fasste die Wissenschaftliche Assistenz die einzelnen Visualisierungen pro Themenschwerpunkt in MS Visio® in «Focusgroup Illustration Maps» zusammen (Pelz et al., 2004), wodurch sich thematische Cluster identifizieren liessen, die von den Teilnehmenden als besonders wichtig eingestuft wurden, respektive mehrmals genannt wurden und somit in der schriftlichen Zusammenfassung pro Themenschwerpunkt stärker gewichtet wurden. «Das Erstellen eines Focusgroup Illustration Maps lässt sich mit der inhaltsanalytischen Methode der Zusammenfassung vergleichen» (Pelz et al., 2004, S.11), da das gesammelte Material auf den wesentlichen Inhalt reduziert wird und durch Abstraktion sich die Cluster herauskristallisieren. Aufgrund der Synthese in den «Focusgroup Illustration Maps» konnten ergänzend zu den Clustern thematische Häufigkeiten in Excel berechnet werden, die Hinweise auf relevante Lösungsansätze lieferten.

Ethische Überlegungen

Das Forschungsteam reichte die vorliegende Studie bei der zuständigen Ethikkommission ein, welche die Studie nach Prüfung gemäß Schweizerischem Humanforschungsgesetz als nicht bewilligungspflichtig einschätzte (Referenznummer: Req-2016-00616). Die Teilnehmenden wurden vor Durchführung der Interviews betreffend Zielsetzung und Vorgehen schriftlich und mündlich von der Moderation informiert. Sie wies auf Freiwilligkeit der Teilnahmen, die Anonymisierung der erhobenen Daten sowie auf den jederzeit möglichen Abbruch der Teilnahme ohne Begründung und nachteilige Konsequenzen hin. Im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens einer Teilnehmerin oder eines Teilnehmers zog das Forschungsteam die Daten bis zu diesem Zeitpunkt in die Analyse mit ein. Eine vorgängig schriftlich unterzeichnete Zustimmung war Voraussetzung für die Teilnahme.

Ergebnisse

Die Interviews fanden zwischen Juni und November 2018 mit einer Dauer von 60 bis 90 Minuten statt. Gesamthaft nahmen 128 Gesundheitsfachpersonen an insgesamt 24 Fokusgruppeninterviews teil. Die Mehrheit der Teilnehmenden war weiblich (78 %, n = 100) und aus den Berufsgruppen der Pflege oder MTTB (84 %, n = 108). Hinsichtlich der Versorgungsbereiche war die Mehrheit der Teilnehmenden in einem Akutspital tätig (35 %, n = 44), gefolgt von Psychiatrie (25 %, n = 32), Alters- und Pflegeheime (23 %, n = 30) und der spitalexternen Pflege (23 %, n = 22). 13 der Fokusgruppeninterviews fanden in der Deutschschweiz, sechs in der französischsprachigen Schweiz und fünf in der italienischen Schweiz statt. Detaillierte Informationen zu den Angaben der Teilnehmenden können der Tabelle 1 entnommen werden.

Stichprobe Fokusgruppeninterviews.

Sprache Setting Beruf Anzahl (%)
Deutsch Akutspital Ärztlicher Dienst 3 (2)
Pflege /MTTB 24 (19)
Psychiatrie Ärztlicher Dienst 9 (7)
Pflege/MTTB 12 (9)
Alters- und Pflegeheime Pflege/MTTB 15 (12)
Spitalexterne Pflege Pflege 10 (8)
Italienisch Akutspital Pflege/MTTB 5 (4)
Psychiatrie Pflege/MTTB 6 (5)
Ärztlicher Dienst 2 (2)
Alters- und Pflegeheime Pflege/MTTB 5 (4)
Spitalexterne Pflege Pflege 6 (5)
Französisch Akutspital Ärztlicher Dienst 3 (2)
Pflege/MTTB 9 (7)
Psychiatrie Ärztlicher Dienst 3 (2)
Alters- und Pflegeheime Pflege/MTTB 10 (8)
Spitalexterne Pflege Pflege 6 (3)

Die Darstellung der Ergebnisse gliedert sich anhand der fünf Themenschwerpunkte aus dem Interviewleitfaden (siehe Abb. 1). In Tabelle 2 werden die fünf am häufigsten genannten Lösungsansätze der Interviewteilnehmenden pro Themenschwerpunkt über alle Fokusgruppen hinweg gelistet, gefolgt von einer Synthese der Ergebnisse.

Fünf am meisten genannte Lösungsansätze pro Themenschwerpunkt

Themenschwerpunkt Lösungsansatz Anzahl Interviews (%)
Rahmenbedingungen Individuelle Wünsche in die Planung miteinbeziehen 19 (79)
Frühzeitige Dienst- und Ferienplanung 8 (33)
Pool-Mitarbeitende 7 (29)
Gerechte Entlöhnung 6 (25)
Personal in Ausbildung nicht wie qualifiziertes Personal einsetzen 4 (17)
Anforderungen im Job Administration durch Sekretariat 10 (42)
Debriefing im Team nach Vorfall 8 (33)
Personalbestand nach Arbeitsaufwand 6 (25)
Aufnahmestopp 2 (8)
Fitness & Massageangebote 2 (8)
Führung und Management Weiterbildungsangebote 19 (79)
Positive Fehlerkultur 18 (75)
Positive Feedback-Kultur 15 (63)
Unterstützung seitens Vorgesetzten 9 (38)
Wertschätzung & Verständnis 9 (38)
Kommunikation und Zusammenarbeit Ausreichend Zeit für Dokumentation 6 (25)
Flache Hierarchie 5 (21)
Interprofessionelle Sitzungen 4 (17%)
Offene, transparente Kommunikation 4 (17)
Neue Mitarbeitende begleitend einführen 3 (13)
Arbeitsinhalte Klare Rollen-/Aufgabenverteilung 19 (79)
Miteinbezug in die Rekrutierung von Mitarbeitenden 4 (17)
Home Office für administrative Arbeiten 3 (13)
Mehr Entscheidungsspielraum 1 (4)
Gewisse Medikamente selbst abgeben können 1 (4)

Bei jedem Themenschwerpunkt gab es mindestens einen Lösungsvorschlag, der besonders häufig genannt wurde. Zu den Rahmenbedingungen äusserten beispielsweise die Teilnehmenden in 19 von 24 Interviews den Lösungsansatz, individuelle Wünsche in die Dienst- und Ferienplanung miteinfließen zu lassen und in die Planung miteinbezogen zu werden.

Rahmenbedingungen
Dienstplan- und Arbeitsplanmodelle

Allen Teilnehmenden war es wichtig, in die frühzeitige Dienst- und Ferienplanung einbezogen zu werden. Individuelle Wünsche und Bedürfnisse sollten berücksichtigt und kurzfristige Umplanungen (bspw. aufgrund von Krankheitsausfällen, Anpassung des Personals an Patientenbestand) möglichst vermieden werden. Aufgrund der längeren Erholungsphase war es ein Wunsch, mehr als nur einen Tag am Stück dienstfrei zu haben. Den Wechsel von Spät- auf Frühdienst favorisierten die Teilnehmenden grundsätzlich weniger, da es zu wenig Erholung biete. Besonders Pflegenden aus dem Bereich Alters- und Pflegeheim war es ein Anliegen, dass geteilte Dienste vermieden werden, die den Tag insofern aufteilen, dass die freien Blöcke nicht viel Freizeitplanung ermöglichen.

Um personelle Engpässe auszugleichen, nannten die Teilnehmenden einen Mitarbeitenden-Pool als mögliche Maßnahme, sodass fehlende Dienste kurzfristig durch Pool-Mitarbeitende besetzt werden können und dadurch das bestehende Personal nicht zusätzlich belastet wird. Alternativ äusserten sie die Idee, «Flexi-Tage» einzuführen, sogenannte freie Tage, die gekauft (unbezahlte Tage) werden können.

Arbeitsstruktur

Mitarbeitende aus dem ärztlichen Dienst wünschten sich zur Verbesserung der Rahmenbedingungen klar definierte Tagesstrukturen, strukturierte Schichtübergaben mit fixen Pausen- und Dienstzeiten sowie einer Verringerung der administrativen Tätigkeiten. Die Annahme der Teilnehmenden war, dass die Möglichkeit für Homeoffice beispielsweise bei administrativen Tätigkeiten den arbeitsbedingten Stress reduzieren, da sie dort ungestört vom Tagesgeschäft die administrativen Aufgaben erledigen können. Mittels Digitalisierung könnten auch einzelne Prozesse optimiert werden, wie beispielsweise die Anweisungen oder Verordnungen an andere Berufsgruppen, sodass nicht alles telefonisch erfolgt, was als großer Stressfaktor empfunden wurde, da die eigene Arbeit häufig durch interne Anrufe unterbrochen werden müsste.

MTTB-Teilnehmende aus dem Akutsetting wünschten sich, dass alle zu verrichtenden Tätigkeiten in die Arbeitsplanung einfliessen, sodass das Ausmass der Arbeit besser geplant werden kann und nicht unter ständigem Zeitdruck gearbeitet werden müsse. So seien die Laufzeiten zwischen den Zimmern der Patienteninnen und Patienten sowie der Aufwand für die Dokumentation der geleisteten Arbeit miteinzuplanen.

Besonders für Pflegende in der spitalexternen Pflege war es ein Anliegen, dass ausreichend Parkmöglichkeiten bei den Klientinnen und Klienten zur Verfügung stehen, auf denen sie mit einer Spezialregelung parken können. Dies, da Mitarbeitende der spitalexternen Pflege in manchen Regionen für die Parkgebühren einerseits aufkommen mussten und andererseits keine freien Parkplätze zur Verfügung standen, wodurch Umwege und lange Laufwege entstanden, die nicht verrechnet werden konnten.

Work-Life-Balance/Erholung

Aus den Gruppeninterviews mit Mitarbeitenden aus dem Langzeitbereich wurde ersichtlich, dass die gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen zu Pausen- und Ruhezeiten eingehalten werden sollten, wie beispielsweise keine Anrufe an den freien Tagen oder in den im Tagesplan festgelegten Pausenzeiten. Ebenfalls sollten Anrufe in der Freizeit sowie Pflichtanlässe an dienstfreien Tagen vermieden werden.

Mitarbeitenden aus dem Psychiatrie-Setting war es ein Anliegen, dass zwischen den Dienstzeiten die Abteilung für Pausen verlassen werden darf und bei Ferienabwesenheit für Vertretung gesorgt ist. Befragte aus dem ärztlichen Dienst wünschten sich, um die Erholungsphasen zwischen den Arbeitszeiten zu verbessern, Pausenzeiten ohne Unterbrechung, das heisst ohne Erreichbarkeit über Piepser oder Telefon. Ebenso favorisierten sie eine zeitnahe Kompensation von Überstunden. Dies, da sich die Überstunden über einen längeren Zeitraum anhäufen würden und personell nicht mehr kompensiert werden könnten.

Gemäss Aussagen von Pflegenden und Mitarbeitenden aus der MTTB wäre es schätzenswert, wenn die Möglichkeit für unbezahlte Urlaubstage bestehen würde, sodass das Personal zusätzliche Tage zur Erholung erhalten kann. In einer von zwei Fokusgruppen mit Mitarbeitenden aus dem ärztlichen Dienst erachteten die Teilnehmenden ein zusätzliches Angebot eines institutionellen Fitnessstudios sowie einem Krippen- und Hortangebot für Mitarbeitende mit angepassten Öffnungszeiten als unterstützende Maßnahme zur besseren Work-Life-Balance.

Lohn

Beim Thema Lohn fiel vor allem das Stichwort «Gleichheit» in verschiedenen Zusammenhängen. Grundsätzlich sollte eine individuelle und leistungsangepasste Entlohnung angestrebt werden. Die Teilnehmenden wünschten sich, dass absolvierte Weiterbildungen, Erfahrungsstufen sowie Zusatzfunktionen lohnrelevant sind, wie beispielsweise die Fachverantwortung oder die Berufsbildung von Lernenden. Besonders Mitarbeitende aus dem ärztlichen Dienst favorisierten nationale Lohnniveaus. Sogenannte Lohnbänder sollten die entsprechende Einschätzung für Mitarbeitende und Vorgesetzte transparent gestalten und zur kantonal übergreifenden Gleichberechtigung führen. Dies da in der Schweiz kantonal unterschiedliche Gehälter für die gleichen beruflichen Tätigkeiten bezahlt würden.

Anforderungen im Job
Quantitative Anforderungen

Zur Verringerung der quantitativen Arbeitslast könnte gemäß Aussagen von Pflegenden die fortlaufende Anpassung des Personalbestandes an den Bedarf respektive nach Aufwand pro Patientin und Patient beitragen, da oft unterbesetzt dasselbe Arbeitsvolumen geleistet werden müsse. In eine ähnliche Richtung gingen die Aussagen der Hebammen sowie von Mitarbeitenden der MTTB. Eine klar definierte Mindestbesetzung an Personal sollte als Grenze definiert werden. Käme es zu einer Unterschreitung der Mindestbesetzung, wäre das Schliessen von Betten oder einen Aufnahmestopp an Patientinnen und Patienten die Folge, da beispielsweise eine Hebamme nur eine gewisse Anzahl an Geburten gleichzeitig betreuen könne. Das Einführen von einem Aufnahmestopp bei personellen Engpässen favorisierten vor allem Mitarbeitende aus dem psychiatrischen Setting. Die befragten Hebammen erwogen einen Aufnahmestopp oder ein Rotationssystem zum Kompensieren von Behandlungsspitzen als geeignete Maßnahme.

Mitarbeitende aus dem ärztlichen Dienst erachteten es als sinnvoll, dass durch mehr Hilfs- und Assistenzpersonal sowie das Delegieren von administrativen Tätigkeiten die quantitative Arbeitslast verringert werden könnte, wie beispielsweise das Vorbereiten von Austrittsunterlagen.

Emotionale Anforderungen

Ein Debriefing im Team nach belastenden Situationen wurde von verschiedenen Gesundheitsfachpersonen als hilfreich erachtet, um das Erlebte und das eigene Handeln zu reflektieren und ohne Sorge einer Konsequenz darüber sprechen zu können. Alternativ könnte ein internes Care-Team beziehungsweise ein psychologischer Dienst zur Verfügung stehen. Im psychiatrischen Setting erwähnten die Mitarbeitenden der Pflegeberufe sowie der MTTB folgende Maßnahmen zur Reduktion der emotionalen Belastung: Betreuungstandem bilden zur Therapie/Pflege von Patientinnen und Patienten, Förderung des regelmäßigen Austausches im Fachteam sowie Intervision und Supervisionen. Die Fokusgruppe mit Personen aus dem ärztlichen Dienst favorisierte ein Angebot mit Supervision/Coaching am Arbeitsplatz sowie interne Weiterbildungsangebote in den Bereichen Palliation und Angehörigenarbeit.

Körperliche Anforderungen

Grundsätzlich verlangten die Teilnehmenden ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze mit Stehpulten sowie Angebote zur Entspannung wie Massagen, Hypnosetherapien von Seiten des Arbeitgebers. Mitarbeitende vom ärztlichen Dienst wünschten sich Pikett-Zimmer mit entsprechenden Ruhemöglichkeiten, um sich in freien Minuten zur Regenerierung zurückziehen zu können.

Die körperlichen Anforderungen waren vor allem in den Interviews mit Pflegenden aus der spitalexternen Pflege und Alters- und Pflegeheimen ein Thema. Besonders den Mitarbeitenden aus den Alters- und Pflegeheimen war es ein großes Anliegen, ausreichend Hilfsmittel für die Mobilisation von bettlägerigen Patientinnen und Patienten zur Verfügung zu haben. Bei den Mitarbeitenden der spitalexternen Pflege fehlte es häufig an den geeigneten Hilfsmitteln vor Ort, beispielsweise bei der Mobilisierung von korpulenten Patientinnen und Patienten. Eine Lösung wäre ein zusätzlicher Dienst, der die nötigen Hilfsmittel an Ort und Stelle bringen würde oder dass jeder Stützpunkt mit einem Lager an geeigneten Hilfsmitteln aufgerüstet würde.

Führung und Management
Feedback- und Fehlerkultur

Vor allem eine positive Fehler- und Feedback-Kultur war den Gesundheitsfachpersonen aus allen Bereichen und Berufsgruppen wichtig, da aus Fehlern gelernt werden sollte. Voraussetzung dafür sei die Definition von gemeinsamen Werten und Zielen sowie eine flache Hierarchie. Die vorgesetzten Personen sollten über das Befinden der Mitarbeitenden informiert sein. Werte wie Respekt und Wertschätzung spielten dabei eine zentrale Rolle. Besonders Mitarbeitende aus der Pflege und den medizinisch-therapeutischen Berufen betonten, wie wichtig es ihnen sei, dass sie in Entscheidungen einbezogen werden und Mitspracherecht bei der Anstellung von neuen Mitarbeitenden haben. Positiv auf den Teamzusammenhalt auswirkend würden sich regelmäßige Teamanlässe.

Unterstützung von Vorgesetzten

Mitarbeitende aus den Berufsgruppen «Pflege» und «Hebammen» wünschten sich verstärkt Unterstützung von Vorgesetzten und wollten sich nicht erst bei der Äußerung von Problemen ernst genommen fühlen. Die Gesundheitsfachpersonen erachteten die Unterstützung durch die Vorgesetzten als wichtig, sei es, wenn Personal im Alltag benötigt wird oder zur Stärkung der Mitarbeitenden in Krisensituationen.

Entwicklungsmöglichkeiten/Weiterbildungsangebote

Den Wunsch nach Weiterbildungsangeboten äußerten alle Berufsgruppen, wie das Angebot einer qualifizierenden Weiterbildung im Aggressionsmanagement oder der interprofessionellen Kommunikation. Es genüge allerdings nicht nur das Angebot, sondern es solle auch aktiv genutzt werden. Besonders von den Führungspersonen erhofften sich die Mitarbeitenden aus der Pflege und den MTTB Unterstützung und Beratung. Mitarbeitende aus dem ärztlichen Dienst erlebten Karriereplanung dann als befriedigend, wenn die Entwicklungsmöglichkeiten auf individueller und angemessener Ebene erfolgten. Hierzu diskutierten die Teilnehmenden, dass Mitarbeitende zukünftig selbst über ihr Weiterbildungsbudget verfügen sollten. Vorausgesetzt wurde zudem, dass die Führungsperson sich selbst entsprechend weiterbilde, sodass sie die nötigen Qualifikationen für die Führungsposition besäße. Als geeigneter Rahmen für die persönliche Karriereplanung sahen die Teilnehmenden das jährlich durchgeführte Mitarbeitergespräch.

Kommunikation und Zusammenarbeit
Zusammenarbeit im Team

In allen Fokusgruppeninterviews wünschten sich die Teilnehmenden einen regelmäßigen Austausch im Team sowie interprofessionell. Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit im Team sei grundsätzlich eine offene und transparente Kommunikation bezüglich Entscheidungen und Maßnahmen. Dafür brauche es vermehrt Kommunikationstrainings für das Gesundheitspersonal.

Teilnehmenden aus der spitalexternen Pflege war es ein Anliegen, dass der Austausch im Team gefördert wird. Als mögliche Maßnahmen nannten sie die Erstellung eines Infohefts, das Einrichten einer Feedback-Box oder einen regelmäßigen Teamrapport. Ergänzend entstand die Idee, dass auch mittels Digitalisierung, beispielsweise mit der Entwicklung einer App mit GPS-Ortung der Teamkolleginnen und Teamkollegen, eine Verbesserung der Zusammenarbeit im Team erreicht werden könnte.

Interprofessionelle Zusammenarbeit:

Für die Pflegenden setzt eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit gemeinsam definierte Ziele voraus. Dazu sei das Schaffen von interprofessionellen Austauschgefäßen von Relevanz.

Teilnehmende aus dem ärztlichen Dienst im Akut-Setting betonten, dass flache Hierarchien die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen fördern könnten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wäre es sinnvoll, wenn alle Berufsgruppen in der Direktion vertreten wären. Weiter könnten gemeinsame Pausen- und Essenszeiten ebenfalls förderlich für den interdisziplinären Austausch respektive für das gegenseitige Verständnis sein. Digitale Hilfsmittel, wie der Einsatz von SMS anstelle von Telefonanrufen könnten ebenfalls die Zusammenarbeit positiv beeinflussen, um Unterbrechungen bei der Arbeit zu vermeiden. Im Psychiatrie-Setting nannten die Teilnehmenden des ärztlichen Diensts für das Gelingen einer guten interprofessionellen Zusammenarbeit eine gründliche Einführung neuer Mitarbeitenden, ein Mitspracherecht bei der Anstellung neuer Mitarbeitenden sowie ein zeitnah verfügbares Angebot für Coaching oder Supervision bei Problemsituationen.

Mitarbeitende aus dem Bereich der spitalexternen Pflege wünschten sich eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem hausärztlichen Dienst. Als mögliche Maßnahmen wurden gemeinsame Standards sowie wöchentliche Absprachen genannt.

Arbeitsgestaltung
Entscheidungsspielraum/Handlungsmöglichkeiten

Befragte Pflegende sowie Mitarbeitende von den MTTB aus dem Psychiatrie-Setting erwähnten, dass der Handlungsspielraum dann verbessert werden könnte, wenn Führungspersonen eigene Praxis- und Berufserfahrung mitbringen und dadurch mehr Verständnis für die Situation der Arbeitnehmenden zeigen. Pflegende der spitalexternen Pflege wünschten sich einen ihren Kompetenzen entsprechenden Handlungsspielraum, respektive eine Kompetenzerweiterung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. So empfanden sie es beispielsweise als störend, dass Pflegende in Bezug auf das Verbandsmaterial von der Verordnung des jeweiligen Hausarztes abhängig sind.

Rollenklarheit/Rollenkonflikte

Pflegende im Akut-Setting und Alters- und Pflegeheimen wünschten sich eine klare Aufgabenverteilung entsprechend ihren Kompetenzen. Gerade in Bezug auf die Berufspositionen «Fachfrau/-mann Gesundheit» sowie «Pflegefachfrau/-mann» wurde eine klare Rollenverteilung entsprechend dem jeweiligen Kompetenzprofil als notwendig eingestuft, da es im Alltag sonst zu Kompetenzüberschreitungen käme und es Unklarheiten im Team bezüglich der Verantwortlichkeiten gäbe. Dies sei durch eine Ausarbeitung der einzelnen Kompetenzprofile klar definierbar.

Arbeitsinhalte

Teilnehmende aus den MTTB erläuterten, dass die Arbeit schwierig zu gestalten sei, da die erwartete Qualität nicht definiert sei. Wenn sie bspw. längere Wegzeiten oder generell kürzere Behandlungszeiten zur Verfügung hätten, werde trotzdem dasselbe Behandlungsresultat erwartet. Diesbezüglich wünschten sich die Mitarbeitenden eine übergeordnete Definition der geforderten Versorgungsqualität.

Mitarbeitende aus dem Psychiatrie-Setting erachteten es als wichtig, dass innerhalb des Teams klar geregelt ist, wer bei welchen Patientinnen und Patienten die Fallführung übernimmt, um Doppelspurigkeit zu vermeiden. Zur Verbesserung der Arbeitsinhalte nannten sie den Einsatz mobiler Geräte (beispielsweise Laptops oder Tablets) sowie das Delegieren administrativer Arbeiten. Personen aus dem ärztlichen Dienst wünschten sich zur Arbeitsgestaltung in erster Linie mehr Selbstbestimmung bei der Terminvergabe für Therapien/Behandlung von Patientinnen und Patienten. Ebenso erachteten sie eine gut funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie gegenseitige Unterstützung im Team bei hoher Belastung als hilfreich.

DISKUSSION

Erstmals liegen Wünsche und Empfehlungen für Lösungsansätze zur Reduktion der Arbeitsbelastung aus Sicht des Schweizer Gesundheitspersonals organisationsund Sprachregion übergreifend vor. Die Ergebnisse liefern Hinweise, wo zukünftige Interventionen ansetzen könnten und geben auch Hinweise, welche Maßnahmen berufsgruppenübergreifend zentral sind. Spezifische Problemsituationen sowie entsprechende Lösungsansätze zeigten sich teilweise über alle Berufsgruppen und Settings hinweg. Diese könnten einen Hinweis auf besonders zentrale Themen geben, bei denen gesamthaft ein Handlungsbedarf besteht, da durch wirkungsvolle Maßnahmen gleich mehrere Berufsgruppen und Gesundheitsorganisationen davon profitieren können. Berufsgruppenspezifische Maßnahmen passend auf das Arbeitsfeld und die Rollen der jeweiligen Gesundheitsberufe sind jedoch ebenso zentral (Peter, Hahn, et al., 2020). Daher können einerseits organisationsübergreifende Maßnahmen zentral sein (bspw. positive Feedback- und Fehlerkultur) sowie auch spezifische Maßnahmen, welche auf das Arbeitsfeld der verschiedenen Gesundheitsberufe passend zugeschnitten werden (bspw. Die GPS-Ortung und der Austausch in einer App für die spitalexterne Pflege).

Gesundheitsfachpersonen aus allen befragten Berufsgruppen und Arbeitsbereichen im Gesundheitswesen äußerten den Wunsch nach einem größeren Miteinbezug in der Dienst- und Ferienplanung. Dieser Bedarf ist nicht überraschend, denn der fehlende Miteinbezug kann beim Personal zu Unrechtserfahrung führen (Uhde, Schlicker, Wallach, & Hassenzahl, 2020). Der allgemeine Wunsch dieses Miteinbezugs deckt sich mit den Resultaten von Peter, Hahn, et al. (2020), die einen positiven Zusammenhang zwischen der Möglichkeit des Tauschs von einzelnen Schichten mit einer besseren Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben beschrieben. Durch diesen Miteinbezug kann ein partizipatives Management sich förderlich auf die Arbeitszufriedenheit und die Bindung zur Arbeitsstelle auswirken (Asamani, 2016). Ergänzend dazu besteht der Bedarf nach einem Mitarbeitenden-Pool, durch den freie Dienste mit Personal ausserhalb des Teams besetzt werden können (Dziuba-Ellis, 2006), damit nicht das bestehende Gesundheitspersonal aus den freien Tagen zur Arbeit aufgerufen werden. Dies, weil das bestehende Gesundheitspersonal bereits ein hohes Maß an Überzeit leisten muss (Peter & Hahn, 2020) und die Hoffnung besteht, dadurch nicht mehr zum Einspringen durch die Vorgesetzten gedrängt zu werden, obschon keine gesetzliche Pflicht seitens des Arbeitnehmers besteht (Herrmann & Woodruff, 2019). Aus der Literatur geht hervor, dass Pools für die Kompensation von langfristigen Ausfällen zur erwünschten Entlastung des festen Teams führen. Für den kurzfristigen Einsatz bedarf es jedoch eines flexiblen Pools, in welchem prospektiv von den Pool-Mitarbeitenden Wunschdienste angegeben werden (Träger & Krüger, 2020).

Ein weiteres berufs- und organisationsübergreifendes Thema ist der Lohn. Hier steht jedoch nicht der generelle Wunsch nach einer höheren Entlohnung im Zentrum, sondern der Wunsch nach einer fairen Verteilung und Gleichheit. Besonders in den Pflegeund Betreuungsberufen scheint der Wunsch nach einer höheren Entlöhnung präsent (Schaffert & Robin, 2019), da die Schweizer Pflegelöhne verglichen mit dem nationalen Durchschnittslohn im internationalen Vergleich schlecht abschneiden (Platz 31) (OECD, 2019). Für den Pflegeberuf allgemein scheinen dabei die Gründe ausschlaggebend, dass der Pflegeberuf hauptsächlich von Frauen ausgeübt wird, die grundsätzlich schlechter in der Entlohnung abschneiden, sowie das geringe Ansehen des Berufs in der Gesellschaft (Koebe, Samtleben, Schrenker, & Zucco, 2020).

In Bezug auf den Wunsch nach einer Entlastung der administrativen Tätigkeiten scheint es unterschiedliche Ansätze zu benötigen, da gerade der ärztliche Dienst nachweislich mehr Zeit mit Dokumentation verbringt, aufgrund der stetigen Zunahme an Formularen für die Vergütung der Leistungen (Melnick et al., 2019; Read-Brown et al., 2017). Pflegende werden jedoch teilweise, neben der Dokumentation, auch für patientenferne, administrative Aufgaben der Küche, der Materialbewirtschaftung, der Reinigung, der Labore, der Pharmazie sowie der Entsorgung beauftragt (Bekker, Coetzee, Klopper, & Ellis, 2015; Briatte, Allix-Béguec, Garnier, & Michel, 2019). So bietet sich für den ärztlichen Dienst einerseits eine personelle Unterstützung an, an welche die administrativen Tätigkeiten delegiert werden können, wie die Rolle der «Physician Assistants» (Ballweg & Hooker, 2017) oder eines Sekretariats. Für die Pflege scheint es hingegen eine klare Trennung der pflegerelevanten Tätigkeiten von sonstigen administrativen und logistischen Tätigkeiten zu benötigen (Bekker et al., 2015), ergänzend zum übergeordneten Lösungsansatz, die elektronische Patientendokumentation nutzerfreundlich und entlastend zu gestalten (Momenipour & Pennathur, 2019).

Ein weiterer Ansatzpunkt konnte bei den Weiterbildungsangeboten identifiziert werden. Zentral scheint dabei nicht der Bedarf nach zusätzlichen Angeboten, sondern nach einer aktiveren Förderung und Miteinbezug in die Wahl der Weiterbildung zu bestehen. Auch hier gibt es zwischen dem ärztlichen Dienst und den anderen Gesundheitsberufen Unterschiede, da nur für den ärztlichen Dienst jährlich obligatorisch Stunden für die Fortbildungen vorgesehen sind als Voraussetzung für das weitere Ausüben des Berufs (Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung, 2020). Das kann möglicherweise ein Grund dafür sein, dass für die Pflege und MTTB, die Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf geringer ausfallen als für den ärztlichen Dienst (Peter, Hahn, et al., 2020). Zudem erwarteten die Teilnehmenden neben der eigenen Weiterbildung, dass die Vorgesetzten die nötigen Qualifikationen für ihre Führungsfunktion mitbringen. Hier scheint es demnach vereinzelt eine Diskrepanz zwischen Führungsfunktion und Kompetenz zu geben, was sich auf die Belastung am Arbeitsplatz des Gesundheitspersonals mit direktem Patientinnen- und Patientenkontakt auswirkt (Harms, Credé, Tynan, Leon, & Jeung, 2017; Peter, Schols, Halfens, & Hahn, 2020).

Unsere Resultate weisen darauf hin, dass gerade in Alters- und Pflegeheimen eine Unklarheit bezüglich der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen besteht. Durch fehlende qualifizierte Pflegefachpersonen kann es zu ungünstigen Verschiebungen in den Rollen und Verantwortungen kommen (Griffiths et al., 2019; Needleman, Liu, Shang, Larson, & Stone, 2020). Das in Alters- und Pflegeheimen vornehmlich tätige Hilfeund Betreuungspersonal könnte somit Aufgaben über den eigenen Kompetenzen übernehmen, was sich schlussendlich in der Sicherheit für Patientinnen und Patienten zeigt (Simon et al., 2020).

STÄRKEN UND LIMITATIONEN

Die Studie identifiziert mögliche Maßnahmen zur Reduktion der Arbeitsbelastung aus Perspektive der Gesundheitsfachpersonen und umfasst eine ausreichend große, multiprofessionelle, Bereichs- und Sprachregion übergreifende Stichprobe. Die Breite der Stichprobe ermöglicht einen umfassenden Einblick in die gemeinsamen sowie unterschiedlichen Prioritäten an Lösungsansätzen zur Reduktion der Arbeitsbelastung. Die gewählte Methode ermöglichte einerseits eine Zusammenstellung der Häufigkeiten sowie eine inhaltliche Auswertung der genannten Lösungsansätze.

Obschon die Häufigkeiten einen Hinweis auf relevante Handlungsfelder geben können, kann daraus nicht geschlossen werden, dass gerade dort ein erwünschter Effekt durch gezielte Maßnahmen erreicht werden kann. Eine weitere Schwäche der Studie könnte sein, dass aufgrund der Gelegenheitsstichprobe in den teilnehmenden Organisationen ein Bias vorliegt, da sich bevorzugt Mitarbeitende mit einem Bedürfnis zur Mitteilung gemeldet haben könnten. Zudem wurde bei der Entwicklung des Interviewleitfadens bereits eine thematische Eingrenzung vorgenommen, was das Aufkommen von Lösungsansätzen bereits eingrenzte. Die Eingrenzung bewies sich jedoch als passend, da vor Abschluss der Fokusgruppeninterviews auf die Frage nach ergänzenden Themen, keine erwähnt wurden.

SCHLUSSFOLGERUNG

Das Gesundheitspersonal in der Schweiz hat klare Vorstellungen, wie aus seiner Sicht die Arbeitsbelastung reduziert werden könnte. Wichtig für eine erfolgreiche Verbesserung der Rahmenbedingungen ist dabei der Miteinbezug in die Dienst- und Ferienplanung z. B. entscheiden zu können, wann man frei haben möchte oder wie die Dienste verteilt werden. Das aktive Fördern von Entwicklungsmöglichkeiten zeigt sich ebenfalls als wichtiges Thema. Des Weiteren besteht der Bedarf nach einer positiven Fehler- und Feedback-Kultur, sodass Fehler angesprochen und daraus gemeinsam gelernt werden kann. Zudem sind klare Rollen- und Aufgabenverteilungen wichtig, sodass einerseits Überschreitungen der fachlichen Kompetenzen vermieden werden und andererseits klar ist, wer für was verantwortlich ist und zu einer Situation für fachliche Unterstützung hinzugezogen werden kann. Die Studienergebnisse bieten Führungspersonen und Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen Lösungsvorschläge und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Resultate machen zudem deutlich, wie wichtig die Rolle der Mitarbeitenden in allen Phasen der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur effektiven Reduktion von Stress am Arbeitsplatz und Verbesserung der Rahmenbedingungen ist. Gesundheitsorganisationen können durch diese Studie in Bezug auf Vielfalt und Lösungsansätzen sensibilisiert werden und daraus folgern, dass das Gesundheitspersonal eine wichtige Ressource für die Festlegung von Lösungsansätzen ist. Für die Forschung können die Ergebnisse der Studie als Grundlage für die Entwicklung und Wahl von Maßnahmen dienen, die in nachfolgenden Interventionsstudien auf deren Effekt evaluiert werden können. Hierbei gilt darauf zu achten, welche Maßnahme für welches Setting und welche Berufsgruppe, beziehungsweise übergreifend, relevant sein könnte.

Die Studie bietet eine Grundlage für die Praxis zur Identifikation von Handlungsfeldern und für die Forschung zur Entwicklung wirkungsvoller sowie nachhaltiger Maßnahmen zur Förderung des Personalverbleibs im Gesundheitswesen.

eISSN:
2296-990X
Languages:
English, German
Publication timeframe:
Volume Open
Journal Subjects:
Medicine, Clinical Medicine, other