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Grundherrschaftliche Verwaltung, Staat und Raum in den böhmischen und österreichischen Ländern der Habsburgermonarchie vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis 1848

   | Aug 08, 2018

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Einleitung

Der Staat, das Bewußtsein der Staatsbürgerschaft, war dem Bauer ebenso fern und fremd, wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit einer großen Nation. Die nahestehende Obrigkeit füllte sein Denken und Fühlen vollständig aus. Nur fern, wie über den Wolken erschien ihm der Kaiser und die Regierung in Wien. […] Nur durch das Bezahlen der Steuer und des Militärwesens, stand er mit dem Staat in Beziehung.

Hans Kudlich: Rückblicke und Erinnerungen, 3 Bde., Wien 1873, hier Bd. 1, S. 58.

Nach den Memoiren von Hans Kudlich, aus denen das einleitende Zitat stammt, spielte der Staat im Bewusstsein der Bauern in dessen Heimat Österreichisch-Schlesien im Vormärz kaum eine Rolle. Der dominante Herrschaftsträger auf der Ebene der Lokalverwaltung war demnach die Grundherrschaft. Diese übte ihrerseits seit den theresianisch-josephinischen Reformen – so die ubiquitäre Ansicht der Verfassungsgeschichte – »Herrschaft im Namen und im Auftrag des Staates« aus.

Werner Ogris: »Joseph II.: Staats- und Rechtsreformen«, in: Peter F. Barton (Hg.): Im Zeichen der Toleranz. Aufsätze zur Toleranzgesetzgebung des 18. Jahrhunderts in den Reichen Joseph II., ihren Voraussetzungen und ihren Folgen, Wien 1981, S. 109–151, hier S. 123.

Das Ziel des folgenden Beitrages ist es, dieses hier von zwei unterschiedlichen Standpunkten und mit abweichender Akzentuierung beschriebene Verhältnis zwischen dem Staat, den Grundherrschaften und den Untertanen aus einer räumlichen Perspektive zu beleuchten.

In den letzten beiden Jahrzehnten kam es in fast allen sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen zu einer Hinwendung zum Raum als wissenschaftlicher Agenda.

Überblicksmäßig zur Raumdebatte Stephan Günzel / Franziska Kümmerling (Hg.): Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2010. Zur Geschichte, Theorie und Praxis der historischen Raumanalyse Susanne Rau: Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen, Frankfurt am Main 2013; zu den verschiedenen Disziplinen Doris Bachmann-Medick: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek 2006, S. 305–317. Eine soziologische Einführung bietet Martina Löw: Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2001.

Trotz der Konjunktur in der Verwendung theoretischer Raumkonzepte hat sich bis dato kein transdisziplinäres Raumparadigma etabliert, vielmehr werden zahlreiche verschiedene disziplinäre Ansätze unter dem gleichen Begriff verfolgt.

Jörg Döring / Tristan Thielmann: »Einleitung: Was lesen wir im Raume? Der Spatial Turn und das geheime Wissen der Geographen«, in: Jörg Döring / Tristan Thielmann (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008, S. 7–45, hier S. 10–13; Rau: Räume, S. 10.

Eine weitgehende Übereinstimmung herrscht darin, dass Räume nicht in einem physisch-territorialen Sinn als objektiv und gegeben, sondern als sozial konstituiert und historisch wandelbar gesehen werden: »Raum meint soziale Produktion von Raum als einem […] oft widersprüchlichen gesellschaftlichen Prozess, eine spezifische Verortung kultureller Praktiken, eine Dynamik sozialer Beziehungen, die auf die Veränderbarkeit von Raum hindeuten«.

Bachmann-Medick: Cultural Turns, S. 289 (Zitat), 291f.

Eine Subströmung der Raumdiskussion beschäftigt sich mit Techniken und Formen der Raumrepräsentation, wie zum Beispiel mit Verfahren der Kartierung, wobei nicht nur Karten im engeren physischen Sinn gemeint sind, sondern Karten als Ordnungsmuster und Modell zur Organisation von Wissen betrachtet werden.

Kirsten Wagner: »Topographical Turn«, in: Stephan Günzel / Franziska Kümmerling (Hg.): Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2010, S. 100–109; Stephan Günzel: »Spatial TurnTopographical TurnTopological Turn. Über die Unterschiede zwischen den Raumparadigmen«, in: Jörg Döring / Tristan Thielmann (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008, S. 219–237, hier S. 222–224; Bachmann-Medick: Cultural Turns, S. 299–302.

Für die Verwaltungsgeschichte bietet sich ein raumanalytischer Zugang an, weil das Verwaltungshandeln immer in Räumen – sowohl territorialen als auch sozialen – stattfindet, wobei die Verwaltungen selbst als Vermittlungsinstanz zwischen Raum und jenen Institutionen fungieren, in deren Auftrag sie tätig werden.

Siehe Einleitung, Abschnitte 3 und 4.

Im vorliegenden Fall sind das der Landesfürst beziehungsweise der im Entstehen begriffene Staat, die Grundherren und die sich im Wesentlichen aus diesen zusammensetzenden ständischen Korporationen. Über die Dimension des Raumes sollen die Verflechtung und die Abgrenzung der unterschiedlichen, wechselweise kooperierenden und konkurrierenden Herrschaftsträger verschiedener Ebenen sichtbar gemacht werden.

Ausgehend von diesem theoretischen Konzept werden im folgenden Beitrag drei Themenbereiche angesprochen: Das erste Kapitel widmet sich der räumlichen Dimension der grundherrschaftlichen Verwaltung. Im Fokus stehen dabei die verschiedenen mit der Grundherrschaft in Zusammenhang stehenden Herrschaftsrechte und ihr räumlicher Bezug zueinander. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Stellung der Grundherrschaften im Staatsbildungsprozess, der in der Habsburgermonarchie eng mit der Reformära der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbunden ist. Es werden dabei unterschiedliche Aspekte des Vordringens des Staates in die Fläche und deren Auswirkungen auf die grundherrschaftliche Verwaltung behandelt. Im dritten Kapitel wird schließlich das Spannungsfeld zwischen Staat, Grundherrschaften und Untertanen im Vormärz beleuchtet, wobei es vor allem darum gehen wird, deren Stellung zueinander anhand von Beispielen aus der Verwaltungspraxis auszuloten.

Räume der grundherrschaftlichen Verwaltung

Der Terminus ›Grundherrschaft‹ ist inhaltlich schwer zu fassen; zum einen, weil die Grundherrschaft und deren rechtstheoretische Begründung im Lauf der Zeit starken Veränderungen unterworfen waren, und zum anderen, weil die heutige Verwendung des Begriffes im Sinne einer Wirtschafts- und Sozialverfassung eines politischen Systems nicht der Quellensprache entstammt, sondern eine Schöpfung der Gesellschaftstheoretiker des späten 18. und des 19. Jahrhunderts ist.

Zu den folgenden Ausführungen zur Grundherrschaft vgl. Werner Rösener: »Grundherrschaft«, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, Berlin 220 1 2, Sp. 581–589; Hellmuth Feigl: Die niederösterreichische Grundherrschaft vom ausgehenden Mittelalter bis zu den theresianisch-josephinischen Reformen, St. Pölten 21998, S. 15–22; Klaus Schreiner: »›Grundherrschaft‹. Entstehung und Bedeutungswandel eines geschichtswissenschaftlichen Ordnungs- und Erklärungsbegriffs«, in: Hans Patze (Hg.): Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, 2 Bde., Sigmaringen 1983, Bd. 1, S. 11–74.

In den zeitgenössischen Rechtskommentaren wird als ›Grundherrschaft‹ ein im Gültbuch eingetragener herrschaftlicher Besitz verstanden, mit dem in dieser Eigenschaft verschiedene obrigkeitliche Rechte verbunden waren.

Franz Joseph Schopf: Die Grundobrigkeiten, deren Wirkungskreis und Amtshandlungen. Aus den gesetzlichen Vorschriften zum Gebrauche der Gültenbesitzer und Beamten mit besonderer Rücksicht auf Steiermark dargestellt, 2 Bde., Graz 1845, hier Bd. 1, S. 1; Johann Ludwig Ehrenreich von Barth-Barthenheim: Das politische Verhältniß der verschiedenen Gattungen von Obrigkeiten zum Bauernstande im Erzherzogthume Oesterreich unter der Ens, 5 Bde., Wien 1818–1820, hier Bd. 1, S. 57–69.

In Anlehnung an das römische Recht wurde zwischen Obereigentum und Nutzungseigentum am Boden unterschieden.

Als Beispiel für das Rechtsinstitut des Ober- und Nutzungseigentums in den zeitgenössischen Rechtskommentaren vgl. Johann Tschinkowitz: Darstellung des politischen Verhältnisses der verschiedenen Gattungen von Herrschaften zur Staatsverwaltung, zu ihren Beamten und Unterthanen in der k. k. österreichischen Monarchie mit besonderer Rücksicht auf die Provinzen Steyermark, Kärnthen und Krain, 2 Bde., Graz 1827, hier Bd. 2, S. 24–32.

Der Grundherr vergab Grund und Boden an den Bauern, der dafür Abgaben und Dienste zu verrichten hatte. Daraus abgeleitet wurde das Untertänigkeitsverhältnis, mit dem verschiedene Herrschaftsrechte des Grundherrn gegenüber den auf den Gütern lebenden Personen einhergingen. Die spezifische Ausprägung der Grundherrschaft unterschied sich zwischen den habsburgischen Ländern und teilweise auch innerhalb dieser erheblich, der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt auf den beiden Ländern Österreich ob und unter der Enns sowie auf Böhmen und Mähren.

Es handelte sich bei den Grundherren um eine sozial heterogene Gruppe, die reiche Kirchenfürsten beziehungsweise deren Hochstifte, Prälaten und deren Stifte, Pfarrer, Benefiziaten, Hocharistokraten, Kleinadelige, fromme Stiftungen, Spitäler oder Schulen umfasste.

Feigl: Grundherrschaft, S. 13f.

In der hier untersuchten Periode kamen auch gut situierte Bürger dazu, die sich die Herrschaften als reine Wertanlage anschafften und deshalb oft keine engere Beziehung zu ihrem Besitz hatten.

Ernst Bruckmüller: Sozialgeschichte Österreichs, Wien 22 001, S. 213f.; Karl Gutkas: Geschichte des Landes Niederösterreich, St. Pölten 61983, S. 376.

Der bei weitem größte Teil der Untertanenhäuser in den böhmischen und österreichischen Ländern war in der Hand des Adels, der Hochstifte und Klöster. Im Land ob der Enns besaßen beispielsweise im Jahr 1750 der Adel (inklusive des Landesfürsten sowie der Hochstifte) und die Klöster zusammen 88,9 Prozent der Untertanenstellen, die zahlreichen kleinen Pfarrgrundherrschaften 2,8 Prozent, die wohltätigen Stiftungen 2,1 Prozent sowie andere nicht in den Landständen vertretene Gültenbesitzer 1,7 Prozent. Weitere 4,5 Prozent des Häuserbestandes entfielen auf die landesfürstlichen Städte, von denen einige auch selbst die Grundobrigkeit über bäuerliche Untertanen innehatten.

Georg Grüll: »Die Herrschaftsschichtung in Österreich ob der Enns 1750«, in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 5 (1957), S. 311–340, hier S. 314. Unter den insgesamt 2891 Häusern, die den landesfürstlichen Städten zugeordnet wurden, fanden sich 2572 Stadthäuser und 319 bäuerliche Untertanenhäuser, für die die jeweilige Stadt die Grundobrigkeit ausübte. Zur Verteilung in Böhmen vgl. Eduard Maur: »Der böhmische und mährische Adel vom 16. bis zum 18. Jahrhundert«, in: Helmuth Feigl / Willibald Rosner (Hg.): Adel im Wandel. Vorträge und Diskussionen des elften Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Horn 2. – 5. Juli 1990, Wien 1991, S. 17–33, hier S. 20.

Ein Teil der Städte sowie fast alle Märkte waren patrimonial, das heißt, sie waren einer adeligen oder geistlichen Herrschaft untertan. Märkte und Städte unterschieden sich von den dörflichen Siedlungen durch wirtschaftliche Vorrechte sowie durch eine verschieden ausgeprägte Autonomie in der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit, wobei der Übergang zwischen Dörfern und Märkten fließend war. Es gab Märkte, deren Rechtsstellung sich kaum von Dorfgemeinden unterschied, andere konnten die grundherrschaftlichen Bindungen weitgehend abschütteln, womit die meisten grundherrlichen Rechte auf die Gemeindeorgane übergingen.

Feigl: Grundherrschaft, S. 107–114.

Die autonome Verwaltung von grundherrschaftlichen Städten und Märkten bleibt im Folgenden unberücksichtigt.

Ein nicht näher bekannter zeitgenössischer Herrschaftsbeamter beschrieb in einem Traktat über die unterschiedlichen grundherrschaftlichen Verhältnisse in Böhmen und dem Land unter der Enns ein Charakteristikum der grundherrschaftlichen Verwaltung in den österreichischen Ländern: »Nirgends [in Niederösterreich] bildet eine Herrschaft, sie sey groß oder klein, einen ordentlichen Distrikt, allenthalben sind die Unterthanen fremder Herrschaften mit eingemengt. Die Größe der Herrschaften wird nach der Anzahl der besitzenden Untertanen berechnet«.

Neuber: Gedrängte Uebersicht der Verfassung herrschaftlicher Wirthschaftsämter und der Verhältnisse zwischen Obrigkeiten und Unterthanen in Oesterreich unter der Enns im Vergleich mit Böhmen, Wien 1813, S. 13; vgl. Ralph Melville: Adel und Revolution in Böhmen. Strukturwandel von Herrschaft und Gesellschaft in Österreich um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Mainz 1998, S. 40.

Den Grundherrschaften fehlte, wie Otto Brunner festgestellt hat, das für moderne Verwaltungen konstitutive »bürokratische Prinzip der Flächenhaftigkeit« im Sinne einer territorialen Geschlossenheit der Verwaltungsbezirke und einer Ausschließlichkeit der Herrschaftsbefugnisse.

Der Begriff wurde von Otto Brunner eingeführt, wobei er das Nichtvorhandensein der »Flächenhaftigkeit« und die »irrationale« Zersplitterung der Herrschaftsrechte als typisches Merkmal für vormoderne Verwaltungen betrachtet; Otto Brunner: Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612–1688, Salzburg 1949, S. 318.

Neben der besonders für die österreichischen Länder typischen Streulage der Besitzungen resultierte die Zersplitterung auch aus der Tatsache, dass mit der Grundherrschaft diverse Obrigkeitsgattungen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten verbunden waren, die sich jeweils auf verschiedene Räume oder Personen bezogen. Durch die Vermischung von Obrigkeitsgattungen und Abgabenforderungen (etwa Zehent) unterstand ein Untertan nicht selten zwei, drei oder noch mehr Grundherrschaften. Ein besonders ausgeprägtes Beispiel für die Gemengelage der Untertanen war etwa die niederösterreichische Ortschaft Jedersdorf, deren 193 Häuser und rund 1200 Einwohner 29 verschiedenen Obrigkeiten unterstanden.

Franz Xaver Schweickhardt: Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, durch umfassende Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten etc. etc., topographisch-statistisch-genealogisch-historisch bearbeitet und nach den bestehenden vier Kreis-Vierteln gereiht, Viertel OberWienerwald, Bd. 9, Wien 1837, S. 9.

Ähnlich waren die Verhältnisse in Oberösterreich, wo es elf Herrschaften gab, deren Besitz sich auf 40 oder mehr Pfarren erstreckte.

Grüll: »Herrschaftsschichtung«, S. 327.

Typisch war die Streulage der Untertanen auch bei Stiftsherrschaften, deren Besitz sich zu einem wesentlichen Teil aus Schenkungen zusammensetzte, die diese über die Jahrhunderte von unterschiedlichen Personen oder Institutionen erhalten hatten.

Feigl: Grundherrschaft, S. 199–204.

Die böhmischen Länder wiesen diesbezüglich eine andere Struktur auf, hier waren die meisten Dominien wesentlich größer und räumlich geschlossener,

Melville: Adel und Revolution, S. 22–33; vgl. Ralph Melville: »Adel und Grundherrschaft in Böhmen an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters 1780–1850«, in: Helmuth Feigl / Willibald Rosner (Hg.): Adel im Wandel. Vorträge und Diskussionen des elften Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Horn 2. – 5. Juli 1990, Wien 1991, S. 75–87; Ralph Melville: »Grundherrschaft, rationale Landwirtschaft und Frühindustrialisierung. Kapitalistische Modernisierung und spätfeudale Sozialordnung in Österreich von den theresianisch-josephinischen Reformen bis 1848«, in: Herbert Matis (Hg.): Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Berlin 1981, S. 295–313, hier S. 300–312.

sie hatten in ihren fest umgrenzten Distrikten alle grundobrigkeitlichen und ›öffentlichen‹ Herrschaftsrechte in ihrer Hand. De facto waren die böhmischen Herrschaften in ihrem Gebiet mit einem Verwaltungs- und Gerichtsmonopol ausgestattet (mit Ausnahme der hohen Strafgerichtsbarkeit). In Ansätzen war hier das Prinzip der Flächenhaftigkeit moderner Verwaltungen realisiert.

Melville: Adel und Revolution, S. 33–35, 39f.

Die Durchschnittsgrößen der Herrschaften waren in Böhmen infolge eines jahrhundertelangen Konzentrationsprozesses des Grundbesitzes, der mit den Konfiskationen nach dem Ständeaufstand seinen Höhepunkt erreichte, aber auch im 18. und 19. Jahrhundert noch weiter andauerte, wesentlich höher als in den österreichischen Ländern.

Melville: Adel und Revolution, S. 31–33; Maur: »Adel«, S. 17–24.

Durch die Einziehung bäuerlicher Güter und die damit verbundene Vergrößerung des herrschaftlichen Eigenbesitzes entwickelten sich die Grundherrschaften in den böhmischen Ländern im 17. Jahrhundert zu Gutsherrschaften. Die Arbeitsleistung für die Bewirtschaftung der großen Eigenwirtschaften musste von den Untertanen, die im Vergleich zu den österreichischen Ländern in rechtlicher Hinsicht wesentlich ungünstiger gestellt waren, im Wege der Robot aufgebracht werden.

Die Literatur zur Gutsherrschaft ist äußerst umfangreich, siehe dazu die Verweise bei Josef Löffler: »Die Verwaltung der Herrschaften und Güter der Fürsten von Liechtenstein in den böhmischen Ländern (von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1948)«, in: Christoph Maria Merki / Josef Löffler: Das Haus Liechtenstein in den böhmischen Ländern vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Güter, Rechte, Verwaltung, Vaduz 2013, S. 169–372, hier S. 239–245. Zu den unterschiedlichen Robotverhältnissen Herbert Knittler: »Zwischen Ost und West. Niederösterreichs adelige Grundherrschaft 1550–1750«, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 4 (1993), S. 191–217, hier S. 196–201.

Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion im Vormärz verwandelte diese Gutsherrschaften in agrarkapitalistische Betriebe. Darüber hinaus spielten auch der Bergbau und das Hüttenwesen, aus denen sich eine moderne Schwerindustrie entwickelte, eine bedeutende Rolle.

Melville: Adel und Revolution, S. 21, 50–53, 55–57.

Die Haupteinnahmequelle der Herrschaften in den böhmischen Ländern war die Eigenwirtschaft (inklusive Robot), die untertänigen Abgaben waren demgegenüber ein vernachlässigbarer Faktor.

Melville: Adel und Revolution, S. 54.

In den Alpen- und Donauländern war zwar in der Frühen Neuzeit ebenfalls ein Prozess der »Ökonomisierung« der Grundherrschaften festzustellen – Alfred Hoffmann hat dafür den Begriff der »Wirtschaftsherrschaft« geprägt –,

Alfred Hoffmann: Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, Bd. 1: Werden, Wachsen, Reifen. Von der Frühzeit bis zum Jahre 1848, Salzburg 1952, S. 98.

hier verblieb aber der Großteil des Bodens in bäuerlichem Besitz und die Belastung mit Robot war aufgrund der kleineren herrschaftlichen Eigenbetriebe wesentlich geringer.

Melville: Adel und Revolution, S. 58–60; Knittler: »Zwischen Ost und West«, S. 195, 202f.

Den größten Anteil unter den Einnahmequellen der österreichischen Herrschaften machten deshalb, auch noch im Vormärz, die Feudalrenten in Form von unterschiedlichen Natural- und Geldabgaben aus (das nordöstliche Niederösterreich nahm hier eine Sonderstellung ein, die dortigen Verhältnisse tendierten eher zu jenen in Böhmen).

Melville: Adel und Revolution, S. 48–50.

Die unterschiedlichen Herrschaftstypen und die verschiedenartigen Untertanenverhältnisse zwischen den böhmischen und den österreichischen Ländern zeigten sich auch in der Struktur der Herrschaftsverwaltung. Entsprechend den unterschiedlichen ökonomischen Ausrichtungen dominierte auf den Grundherrschaften in den österreichischen Ländern bei den obersten Beamten juristisch geschultes Personal, während in den böhmischen Ländern eine agrarökonomische Ausbildung üblich war.

Neuber: Gedrängte Uebersicht, S. 12f., 25–28.

Die Anzahl der Beamten variierte naturgemäß stark nach Größe der Dominien. Kleine Herrschaften hatten meist nur ein bis zwei Beamte, die die verschiedenen Aufgaben mit Ausnahme der Justiz, welche in diesen Fällen häufig an benachbarte Dominien delegiert wurde, in Personalunion ausübten. Die großen böhmischen Herrschaften hatten hingegen oft bis zu zehn Beamte und eine beträchtliche Anzahl an Dienstpersonal für die Bewirtschaftung der Eigenbetriebe. An der Spitze einer herrschaftlichen Administration stand meistens ein ›Verwalter‹ oder ›Oberbeamter‹ (in den böhmischen Ländern ›Amtmann‹), der sowohl die Verwaltung der wichtigsten ›öffentlichen‹ Aufgaben als auch die Oberaufsicht über die herrschaftliche Eigenwirtschaft besorgte. Für die Justizverwaltung war ein geprüfter Justiziar zuständig, wobei in den österreichischen Ländern die Funktion des Oberbeamten und jene des Justiziars nicht selten von einer Person ausgeübt wurden. Ähnlich verhielt es sich beim Steuereinnehmer, dessen Posten bei kleinen und mittleren Dominien meist mit einem anderen Amt, häufig jenem des für die Einhebung der untertänigen Abgaben verantwortlichen Rentmeisters, verbunden war. Je nach Bedarf fanden sich im Beamtenapparat weitere Amtsträger, welche teilweise in ihrem Bereich ebenfalls ›öffentliche‹ Aufgaben übernahmen.

Zu den Herrschaftsbeamten siehe den niederösterreichischen Dominienschematismus (erschienen 1834, 1842, 1844–1848), hier verwendet: Carl von Gochnat, Nieder-Oesterreichischer Dominien-Schematismus für das Jahr 1847, Wien 1847. Als Beispiel für die böhmischen Länder vgl. Löffler: »Verwaltung«, S. 257–302; für Stiftsherrschaften Josef Löffler: »Erstlichen ist er ihro gnaden, herrn praelathen, mit allen threüen aydlich unterworffen. Instruktionen und Ordnungen für die Amtsträger der Stiftsherrschaft Klosterneuburg in der Frühen Neuzeit«, in: Anita Hipfinger et al. (Hg.): Ordnung durch Tinte und Feder? Genese und Wirkung von Instruktionen im zeitlichen Längsschnitt vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Wien 2012, S. 227–254, hier S. 244–249; weiters Thomas Winkelbauer: »Haklich und der Korruption unterworfen. Die Verwaltung der liechtensteinischen Herrschaften und Güter im 17. und 18. Jahrhundert«, in: Evelin Oberhammer (Hg.): Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, Wien 1990, S. 86–114, hier S. 96–105.

In Abgrenzung zu den Justiziaren wurden alle anderen herrschaftlichen Beamten in der zeitgenössischen Rechtsliteratur allgemein als ›Wirtschaftsbeamte‹ bezeichnet, unabhängig davon, ob ihre Geschäfte die herrschaftliche Eigenwirtschaft oder die ›öffentliche‹ Verwaltung zum Gegenstand hatten.

Franz Joseph Schopf: Die Rechte auch Pflichten der Grundherren und der Wirkungskreis der grundobrigkeitlichen Wirtschaftsämter im Lande Böhmen, 3 Bde., Praha 1847, hier Bd. 1, S. 107f.

Im engeren Sinn meint ›Wirtschaftsamt‹ allerdings nur jene Beamten, die mit ökonomischen Aufgaben betraut waren, für die ›öffentlichen‹ Aufgaben gab es Bezeichnungen wie ›Oberamt‹, ›Grundbuchsamt‹, ›Waisenamt‹ und so fort, wobei der Amtsbegriff in dieser Verwendung noch einen personalen Charakter hatte, er meinte die einer Person übertragenen Pflichten.

Vgl. Sandro-Angelo Fusco et al.: »Verwaltung, Amt, Beamter«, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon der politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 7, Stuttgart 1992, S. 1–96, hier S. 85–88.

Grundherren, die mehrere Herrschaften besaßen, installierten meistens auf einem dieser Dominien eine Zentralverwaltung, die den anderen Herrschaftsverwaltungen hinsichtlich der Eigenwirtschaft übergeordnet war. Bei den großen Besitzkomplexen des Hochadels gab es eigene Zentralbehörden, denen oft auch noch Mittelbehörden als Aufsichtsorgane untergeordnet waren.

Zur liechtensteinischen Verwaltung vgl. Löffler: »Verwaltung«, S. 197–239, 303–322; Hannes Stekl: Österreichs Aristokratie im Vormärz. Herrschaftsstil und Lebensformen der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg, Wien 1973, S. 39–56.

In der Rechtstheorie hatte sich seit den Verwaltungsreformen Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei der ›politischen‹ Verwaltung – gemeint ist die innere Verwaltung – und bei der Gerichtsbarkeit nicht um ein aus dem Grundbesitz abgeleitetes ›Privatrecht‹ handle, sondern dass hier die Grundherren im übertragenen Wirkungsbereich staatlicher Verwaltung agierten.

Bohuslav Rieger: »Grundherrschaft«, in: Ernst Mischler / Josef Ulbrich (Hg.): Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes, Bd. 1, Wien 21905, S. 34–43, hier S. 34.

In den zahlreichen vormärzlichen Kommentaren zum Verwaltungsrecht

In Auswahl: Barth-Barthenheim: Verhältniß; Anton Engelmayr: Die Unterthans-Verfassung des Erzherzogthumes Oesterreich ob und unter der Enns, 3 Bde., Wien 1826; Anton Engelmayr: Die Unterthans-Verfassung des Königreichs Böhmen, 2 Bde., Wien 1830–1831; Franz Joseph Schopf: Die Landwirthschaft in den deutschen, böhmischen und galizischen Provinzen des österreichischen Kaiserstaates in ihrer gesetzlichen Verfassung dargestellt, 3 Bde., Wien 1835; Franz Joseph Schopf: Die organische Verwaltung der Provinz Böhmen und die landesverfassungsmäßigen Verhältnisse der Bewohner als Einleitung zur politischen Gesetzeskunde, Praha 1847; Schopf: Grundobrigkeiten; Schopf: Rechte; Tschinkowitz: Darstellung.

wird die patrimoniale Obrigkeit als ein »Organ der Staatsverwaltung«

Schopf: Verwaltung, S. 22.

bezeichnet, in Widerspruch dazu wird allerdings konsequent zwischen grundherrlichem Verwaltungshandeln infolge landesfürstlicher Delegation einerseits und grundherrschaftlicher Verwaltung aus eigenem Recht andererseits unterschieden. Tatsächlich lag diese juristische Unterscheidung in solcher Trennschärfe nicht vor, der Staat hatte praktisch überall regulierend eingegriffen, es gab aber weiterhin zahlreiche Rechte, die sich aus dem ›Patrimonialverhältnis‹ ableiteten.

Melville: Adel und Revolution, S. 19.

Zu Letzteren zählten die aus der eigentlichen Grundobrigkeit erwachsenden Ansprüche, nämlich die für die Verleihung des Grundes zu leistenden Abgaben und die Robot. Die wichtigsten Abgaben waren der Grundzins, diverse Naturaldienste sowie die regional sehr unterschiedlich ausgeprägten Besitzwechselabgaben. Dazu kamen verschiedene, meist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom Staat reglementierte, vielfach auch aufgehobene personenbezogene Rechte, wie die Disziplinargewalt des Grundherrn, die Konsenspflicht bei Heiraten und bei der Berufswahl, die Obervormundschaft des Grundherrn über die Waisenkinder oder die eingeschränkte Freizügigkeit der Untertanen.

Feigl: Grundherrschaft, S. 29–74.

Der umfangreichste ›öffentlich-rechtliche‹ Verwaltungsbereich war die sogenannte Ortsobrigkeit, welche die ›politische‹ Verwaltung ausübte. Darunter fielen unter anderem die Sicherheitspolizei, das Sanitätswesen, die Markt- und Gewerbepolizei, das Forst- und Jagdwesen, die Armenversorgung, das Militärwesen (Konskription, Rekrutierung, Einquartierung), die Aufsicht über die Dorfgemeinden und die Steuereinhebung. In den meisten Ländern der Habsburgermonarchie hatten in der Frühen Neuzeit alle Grundherrschaften die Ortsobrigkeit über die eigenen Untertanen, auch jene in Gemengelage, inne. In Niederösterreich und in der Steiermark hingegen gab es die sogenannte Dorfobrigkeit – der Begriff ist in funktionaler Hinsicht mit dem erst im 18. Jahrhundert geprägten juristischen Begriff der Ortsobrigkeit gleichzusetzen –, die in Ortschaften mit gemischten Untertanen die politische Verwaltung auch für die nicht zur eigenen Grundherrschaft gehörigen Untertanen ausübte.

In Ober- und Innerösterreich ging man ab Mitte der 1770er Jahre dazu über, die politische Verwaltung – zunächst das Konskriptionswesen, später auch die anderen Materien – den größeren Dominien zu übertragen, die diese als sogenannte Distriktskommissariate (Oberösterreich) oder Bezirkskommissariate (Steiermark) über ein fest umgrenztes, mehrere Grundherrschaften oder Pfarren umfassendes Gebiet ausübten. Die dahinterstehende Logik, die ›öffentliche‹ Verwaltung überschaubarer zu machen, war aus staatlicher Sicht konsistent, aus Sicht der Untertanen nicht unbedingt. Für jene Untertanen, die vormals in keinem Verhältnis zu der zum Kommissariat ernannten Herrschaft standen, kam dadurch nämlich noch eine weitere Obrigkeit dazu. In den böhmischen Ländern war diese Frage nicht virulent, weil dort die Orts- und Grundobrigkeit – wie geschildert – die gleichen territorial geschlossenen Räume umfassten.

Feigl: Grundherrschaft, S. 89–105; Rieger: »Grundherrschaft«, S. 41–43. Siehe auch die oben zitierten Rechtskommentare.

Im Bereich der Gerichtsbarkeit ist zu unterscheiden zwischen der hohen Gerichtsbarkeit und der Patrimonialgerichtsbarkeit. Die hohe Gerichtsbarkeit (in den vormärzlichen Kommentaren ›politische Strafgerichtsbarkeit‹) über die schweren, mit dem Tod oder Leibesstrafen bedrohten Verbrechen oblag der Landgerichtsobrigkeit, die nur wenige Grundherren innehatten. Hier war tendenziell auch in den österreichischen Ländern das Territorialitätsprinzip vorherrschend, die Gerichtssprengel waren mehr oder weniger fest umgrenzt, im 18. Jahrhundert kam es auch zu einer Arrondierung der Landgerichtsbezirke. Da das Landgericht die einzige defizitäre Obrigkeitsgattung war, war es – mit Ausnahme des damit verbundenen Prestigegewinns – für die Grundherren auch nicht sonderlich attraktiv. Im Vormärz gab es beispielsweise in Niederösterreich 190 Landgerichte, in Oberösterreich 98, in der Steiermark 118 und in Kärnten 31.

Schopf: Landwirthschaft, Bd. 1, S. 42.

Salzburg, das erst 1805 beziehungsweise endgültig 1816 erworben wurde, und Tirol wichen diesbezüglich ab, hier waren die Landgerichte schon seit dem Spätmittelalter in der Hand des Landesfürsten. In Böhmen wurde die Landgerichtsbarkeit bereits 1765 den Grundherrschaften entzogen und den Magistraten der königlichen Städte übertragen.

Feigl: Grundherrschaft, S. 137–146; Rieger: »Grundherrschaft«, S. 40f.

Die Patrimonialgerichtsbarkeit, die aus der Ortsgerichtsbarkeit und dem sogenannten adeligen Richteramt bestand, oblag dahingegen allen Grundherren. Mit der Jurisdiktionsnorm Josephs II. (1782) wurde allerdings die Ortsgerichtsbarkeit in Ortschaften mit gemischten Untertanen für einen gesamten Ort in den Händen einer Grundherrschaft konzentriert (unter Beibehaltung der formalen Gerichtsbefugnis der nicht berücksichtigten Grundherren). Dem Ortsgericht war die Zivilgerichtsbarkeit in Streitsachen zwischen den Untertanen aufgetragen, es durfte nur von geprüften Justiziaren besetzt werden. Das adelige Richteramt, das die nicht streitige Zivilgerichtsbarkeit (Waisen- und Verlassenschaftsangelegenheiten) umfasste, wurde hingegen ebenso wie das Grundbuchswesen und geringere Fälle der Zivilgerichtsbarkeit in Streitsachen (Schuldklagen, wenn die Schuld eingestanden wurde) von Wirtschaftsbeamten abgehandelt, die ebenfalls eine Prüfung ablegen mussten. Ebenso oblag diesen die niedere Strafgerichtsbarkeit (im Strafgesetzbuch von 1803 firmieren diese Delikte unter dem Begriff der ›schweren Polizeiübertretungen‹), das heißt die Gerichtsbarkeit über alle Delikte, die nicht mit Leibes- oder Lebensstrafen bedroht waren, wie zum Beispiel die häufig vorkommenden Injurienhändel. Nicht selten wurde aber auch das Richteramt in diesem Bereich den Justiziaren übertragen.

Feigl: Grundherrschaft, S. 147–178; Rieger: »Grundherrschaft«, S. 38–40;Engelmayr: Unterthans-Verfassung Oesterreich, Bd. 1, S. 202, 214–217.

Abgesehen von den hier im Überblick dargestellten Obrigkeitsgattungen, zu denen noch regionale Sonderformen wie die Bergobrigkeiten und die Forstobrigkeiten in Weinbeziehungsweise Waldgebieten kamen, gab es noch weitere obrigkeitliche Rechte wie den Zehent oder die Vogtei, die die Untertänigkeitsverhältnisse noch weiter vermengten.

Feigl: Grundherrschaft.

Die unterschiedlichen Herrschaftstypen manifestierten sich auch deutlich in den zeitgenössischen topografischen Beschreibungen der einzelnen Kronländer. Jene für die böhmischen Länder sind nach Grundherrschaften gegliedert und bieten eine ausführliche Beschreibung der Herrschaften inklusive der Herrschaftsgrenzen. Die Topografie Mährens von Gregor Wolny beinhaltet auch ein Kartenwerk, das die Grenzen der Dominien ausweist.

Gregor Wolny: Die Markgraffschaft Mähren, topographisch, statistisch und historisch geschildert, 6 Bde. und ein Kartenband, Brno 1835–1842; vgl. Melville: Adel und Revolution, S. 35f.

Die Topografien für die österreichischen Länder sind hingegen nach anderen Einheiten, zum Beispiel Ortschaften, gegliedert, die Herrschaften selbst werden bei jenem Ort, in dem der Herrschaftssitz lag, beschrieben, wobei es meist aufgrund der Zersplitterung nicht einmal möglich war, Flächenangaben über die Grundherrschaften auszuweisen.

Melville: Adel und Revolution, S. 41f. Als Beispiel vgl. Benedikt Pillwein: Geschichte, Geographie und Statistik des Erzherzogthums Oesterreich ob der Enns und des Herzogthums Salzburg, 5 Bde., Linz 1827–1839.

Hinsichtlich der räumlichen Dimension der herrschaftlichen Verwaltung lässt sich zusammenfassend festhalten: Zurückgehend auf die mehr oder weniger zufällige Segmentierung, Umschichtung und Neubildung von Herrschaftsrechten im Spätmittelalter

Rösener: »Grundherrschaft«, Sp. 581–589; Schreiner: »Grundherrschaft«, S. 26, 29.

waren die Grundherrschaften in den österreichischen Ländern durch Streubesitz sowie durch fragmentierte und sich überschneidende obrigkeitliche Rechte geprägt. Obwohl es durchaus Bestrebungen seitens der Grundherren gab, ihre Herrschaftsbereiche zu arrondieren,

Feigl: Grundherrschaft, S. 202.

blieb die Gemengelage der Untertanen bei den Grundherrschaften in den österreichischen Ländern bis zur Aufhebung der Grunduntertänigkeit im Jahr 1848 charakteristisch. Punktuelle staatliche Eingriffe, zum Beispiel durch die Zusammenführung der Ortsgerichtsbarkeit in Dörfern mit vermischten Untertanen oder durch die Bildung von Distriktskommissariaten, mochten die aus Sicht des Staates irrationale Verwaltungseinteilung zwar verbessern, es konnten aber keine ›flächenhaften‹ Verwaltungsstrukturen modernen Typs entstehen, solange die ›öffentliche‹ Verwaltung und die Gerichtsbarkeit bei den Grundherrschaften mit ihren nach wie vor bestehenden, aus dem Patrimonialverhältnis abgeleiteten und von den gleichen Beamten verwalteten Herrschaftsrechten verblieben und die grundherrschaftliche Besitzstruktur weiterhin ein wichtiger Faktor für die räumliche Einteilung verschiedener Verwaltungsbereiche war.

Generell dürfte die Verschränkung von ›öffentlichen‹ und herrschaftlichen Aufgaben bei einzelnen Beamten dazu beigetragen haben, dass die beiden Sphären für die Untertanen nicht unbedingt unterscheidbar waren; so war es in den österreichischen Ländern mitunter üblich, dass die herrschaftlichen Abgaben und die landesfürstlichen Steuern gleichzeitig und ohne separierte Rechnung eingehoben wurden.

Neuber: Gedrängte Uebersicht, S. 23f.

In den böhmischen Ländern bezogen sich die grundherrschaftlichen Rechte und die ›öffentliche‹ Verwaltung weitgehend auf kongruente Räume, durch die Vermischung beider Sphären war aber das Flächenprinzip moderner Verwaltungen, dem die Ausschließlichkeit inhärent ist,

Siehe Einleitung, Abschnitt 4.

ebenfalls nur im Ansatz ausgebildet. Auch in Böhmen blieb daher »die feudale Verknüpfung von ›Herrschaft‹ und ›Wirtschaft‹« bis 1848 ein »charakteristisches vormodernes Strukturmerkmal« der Grundherrschaft,

Melville: »Grundherrschaft«, S. 301.

und die Organisation des Raumes basierte auch dort – trotz territorial relativ geschlossener Verwaltungseinheiten – weiter letztendlich auf der Logik des Untertanenverbandes.

Die Stellung der Grundherrschaften im Staatsbildungsprozess

Das »Vorrücken des Staates in die Fläche« im Sinne einer Intensivierung staatlicher Tätigkeit war – so ein kürzlich erschienener Sammelband – ein »europäisches Phänomen des langen 19. Jahrhunderts«.

Jörg Ganzenmüller / Tatjana Tönsmeyer: »Einleitung: Vom Vorrücken des Staates in die Fläche. Ein europäisches Phänomen des langen 19. Jahrhunderts«, in: Jörg Ganzenmüller / Tatjana Tönsmeyer (Hg.): Vom Vorrücken des Staates in die Fläche. Ein europäisches Phänomen des langen 19. Jahrhunderts, Köln 2016, S. 7–31.

Dieser Prozess stellte sich für die Habsburgermonarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts differenziert dar: Analog zur gesamteuropäischen Entwicklung ist eine deutliche Ausweitung staatlicher Verwaltungstätigkeit festzustellen, zu nennen ist hier besonders das ausufernde repressive Polizeisystem,

Ignaz Beidtel: Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung 1740–1848, hg. von Alfons Huber, 2 Bde., Innsbruck 1896–1898, hier Bd. 2, S. 77–125, 315–321. Zu Beidtels Verwaltungsgeschichte vgl. Otto Brunner: »Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich im Spiegel von Ignaz Beidtels Geschichte der Österreichischen Staatsverwaltung«, in: Werner Conze (Hg.): Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815–1848, Stuttgart 1962, S. 39–78, hier S. 42–46, 59f.; Friedrich Walter: Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte von 1500 bis 1955. Aus dem Nachlaß, hg. von Adam Wandruszka, Wien 1972, S. 134f.

aber auch andere Bereiche wie beispielsweise die Verwaltung des Sanitätswesens

Die einschlägigen Verwaltungsbestimmungen sind unzählig; vgl. Joseph Johann Knolz: Darstellung der Medicinal-Verfassung in den k. k. Staaten Oesterreichs, in Beziehung auf den Wirkungskreis der Kreiswundärzte, der Civil-, Stadt- und Landwundärzte, und der Landesthierärzte. Zum Gebrauche für Kreis-, Civil-, Stadt- und Landwundärzte, öffentliche Sanitäts-Individuen, Ärzte, Dominien, Kreisämter und Behörden überhaupt, Wien 1829, S. 133–382; Engelmayr: Unterthans-Verfassung Böhmen, Bd. 1, S. 104–122.

oder jene der Verkehrsinfrastruktur

Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 2, S. 358–362.

erfuhren einen starken Ausbau. Aber anders als etwa in den Rheinbundstaaten oder in Preußen, wo die Verdichtung staatlicher Tätigkeit eng mit durchgreifenden Staats- und Verwaltungsreformen verbunden war,

Vgl. Paul Nolte: Staatsbildung als Gesellschaftsreform. Politische Reformen in Preußen und den süddeutschen Staaten 1800–1820, Frankfurt am Main 1990. Siehe auch in diesem Band die Beiträge von Rüdiger von Krosigk über das Großherzogtum Baden und von Anna Gianna Manca über Preußen.

scheiterte eine grundlegende Umgestaltung des Staatsgefüges in der Habsburgermonarchie an der Reformresistenz Kaiser Franz’ II./I., der – in seinen Ansichten vom Trauma der Französischen Revolution geprägt – das Festhalten am bestehenden System als politische Maxime geradezu internalisiert hatte.

Walter: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 120, 124–126; Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 2, S. 213–216.

Die Staatsorganisation und im Besonderen die lokale und regionale Verwaltungsstruktur der Habsburgermonarchie basierten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiterhin auf den Grundlagen, die durch die theresianischjosephinischen Reformen geschaffen worden waren,

Rudolf Hoke: »Österreich«, in: Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / GeorgChristoph von Unruh (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, Stuttgart 1983, S. 345–399, hier S. 354–368; Ernst C. Hellbling: Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Wien 1974, S. 326–330; Walter: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 124–139.

ähnlich tief greifende Veränderungen wurden erst wieder mit der Etablierung neuer Lokalverwaltungs- und Gerichtsbehörden infolge der Auflösung der Grundherrschaft im Jahr 1848 vorgenommen.

Vgl. Brigitte Mazohl: »Die Zeit zwischen dem Wiener Kongress und den Revolutionen von 1848/49«, in: Thomas Winkelbauer (Hg.): Geschichte Österreichs, Stuttgart 2015, S. 359–390, hier S. 360. Siehe auch den Beitrag von Thomas Stockinger in diesem Band.

Nachdem die Niederlagen in den beiden Schlesischen Kriegen sowie im Österreichischen Erbfolgekrieg nachdrücklich die politische, militärische und finanzielle Schwäche des habsburgischen Staatswesens vor Augen geführt hatten, wurde ab 1749 ein umfassender Reformprozess in Gang gesetzt, durch den im Wege einer Verwaltungsreform die Verfassung der Habsburgermonarchie eine grundlegende Veränderung erfuhr. Das primäre Ziel war zunächst die Steigerung der Steuereinnahmen zur Finanzierung einer schlagkräftigen Armee. Die Grundprinzipien der gegen den vehementen Widerstand der ständischen Eliten durchgesetzten Reform waren eine Zentralisierung des aus Ständestaaten zusammengesetzten Staates, die Überwindung des Partikularismus der einzelnen Länder durch Vereinheitlichung der unterschiedlichen Rechtstraditionen und eine Einschränkung der Herrschaftsbefugnisse der intermediären Gewalten auf Landes- und Lokalebene. Auf der höchsten Ebene wurde eine Reihe länderübergreifender Zentralbehörden geschaffen, parallel dazu wurden in den einzelnen Ländern die ständischen Selbstverwaltungskörper durch die Errichtung von landesfürstlichen Behörden zurückgedrängt, und auf der regionalen Ebene wurden Kreisämter zur Kontrolle der Grundherrschaften installiert.

Zu den theresianischen Reformen vgl. Brigitte Mazohl: »Vom Tod Karls VI. bis zum Wiener Kongress (1740–1815)«, in: Thomas Winkelbauer (Hg.): Geschichte Österreichs, Stuttgart 2015, S. 290–358, hier S. 322–335; Oskar Lehner: Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte mit Grundzügen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Linz 42007, S. 131–161; Wilhelm Brauneder: Österreichische Verfassungsgeschichte, Wien 102005, S. 79–111; Karl Vocelka: Österreichische Geschichte 1699–1815. Glanz und Untergang der höfischen Welt. Repräsentation, Reform und Reaktion im habsburgischen Vielvölkerstaat, Wien 2001, S. 354–389; Hamish M. Scott: »Reform in the Habsburg Monarchy, 1740–90«, in: Hamish M. Scott (Hg.): Enlightened Absolutism. Reform and Reformers in Later Eighteenth-Century Europe, Basingstoke 1990, S. 145–187, 356, hier S. 152–160; Peter G. M. Dickson: Finance and Government under Maria Theresia 1740–1780, 2 Bde., Oxford 1987, hier Bd. 2, S. 1–79; Christoph Link: »Die Habsburgischen Erblande, die böhmischen Länder und Salzburg«, in: Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, Stuttgart 1983, S. 468–552, hier S. 516–547; Alois Brusatti: »Reform der Finanzverwaltung als Verfassungsreform«, in: Walter Koschatzky (Hg.): Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlaß der 200. Wiederkehr des Todestages der Kaiserin, Salzburg 1979, S. 165–167; Werner Ogris: »Staats- und Rechtsreformen«, in: Walter Koschatzky (Hg.): Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlaß der 200. Wiederkehr des Todestages der Kaiserin, Salzburg 1979, S. 56–66; Hellbling: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 287–302; Walter: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 89–108; Friedrich Walter: Die theresianische Staatsreform von 1749, Wien 1958, S. 34–60; Friedrich Walter: Die österreichische Zentralverwaltung, Abt. 2: Von der Vereinigung der österreichischen und böhmischen Hofkanzlei bis zur Errichtung der Ministerialverfassung (1749–1848), Bd. 1/1: Die Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung in der Zeit Maria Theresias, Wien 1938; Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 3–190.

Als Ausgangsbasis für die Einrichtung der Kreisämter dienten die in Böhmen im Jahr 1502 geschaffenen Kreishauptmannschaften, die in ihren Vorläufern bis in das Hochmittelalter zurückreichten. Diesen oblagen Aufgaben im Gerichtswesen, in der Verwaltung sowie in der militärischen Organisation, und sie waren zunächst sowohl dem König als auch den Ständen verpflichtet. Nach dem Ständeaufstand des Jahres 1620 wurden die Kreishauptmannschaften allerdings dem Einfluss der Stände entzogen, zwischen 1748 und 1751 wurden sie als nunmehrige Kreisämter endgültig verstaatlicht.

Bohuslav Rieger: »Kreisverfassung in Böhmen«, in: Ernst Mischler / Josef Ulbrich (Hg.): Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes, Bd. 3, Wien 21907, S. 250–271, hier S. 259f.

Nach böhmischem Beispiel wurden zwischen 1748 und 1754 in den österreichischen Erbländern ebenfalls Kreisämter installiert, auch hier griff man bei der Konstituierung der Verwaltungsbezirke auf die in den einzelnen Ländern bereits seit dem Spätmittelalter bestehenden ständischen Organisationseinheiten der Viertel zurück, bei denen es sich ursprünglich um Einrichtungen des ständischen Landesdefensionswesens handelte.

Gernot P. Obersteiner: Theresianische Verwaltungsreformen im Herzogtum Steiermark. Die Repräsentation und Kammer (1749–1763) als neue Landesbehörde des aufgeklärten Absolutismus, Graz 1993, S. 213f.; Gernot P. Obersteiner: »Kreisamt und Kreishauptmann in der Steiermark nach 1748«, in: Herwig Ebner / Horst Haselsteiner / Ingeborg Wiesflecker-Friedhuber (Hg.): Geschichtsforschung in Graz. Festschrift zum 125-Jahr-Jubiläum des Instituts für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz, Graz 1990, S. 195–208; Franz Stundner: »Die Kreisämter als Vorläufer der politischen Behörden erster Instanz«, in: Johannes Gründler (Hg.): 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Österreich. Festschrift, Wien 1970, S. 9–17; Rieger: »Kreisverfassung«, S. 260.

Abgesehen von der Teilung vier größerer Kreise in Böhmen und einer teilweisen Veränderung der Verwaltungsgrenzen in der nördlichen Steiermark wurden die alten ständischen Verwaltungsbezirke territorial weitgehend unverändert in das staatliche Verwaltungsgefüge einverleibt, sodass es in Böhmen 16, in Mähren und in Tirol jeweils sechs, in der Steiermark fünf, in den Ländern ob und unter der Enns sowie in Krain jeweils vier, in Kärnten drei (später auf zwei reduziert) und in Schlesien zwei Kreise gab. Der Flächeninhalt der böhmischen Kreise bewegte sich ungefähr zwischen 2300 und 4600 Quadratkilometern bei einer Einwohnerzahl zwischen 150.000 und 460.000 (Stand 1846),

Die gerundeten Bevölkerungszahlen beziehen sich auf das Jahr 1846; vgl. Georg Norbert Schnabel: Tafeln zur Statistik von Böhmen, Praha 1848, Tafeln 1 und 2.

die Bevölkerungszahlen der Kreise in den österreichischen Erbländern lagen bei vergleichbaren Flächen eher im unteren Bereich der genannten Spanne für Böhmen, teilweise auch darunter.

Siehe dazu die Zahlen für die einzelnen Länder bei Kurt Klein: »Historisches Ortslexikon. Statistische Dokumentation zur Bevölkerungs- und Siedlungsgeschichte«, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Research Groups. Demography of Austria, online unter: https://www.oeaw.ac.at/vid/research/research-groups/demography-of-austria/historisches-ortslexikon/ (21. 5. 2016): Niederösterreich, Teil 1, S. 4-7; Oberösterreich, Teil 1, S. 4-7; Tirol, S. 3; Kärnten, S. 3.

Der im Entstehen begriffene habsburgische Staat hatte sich also bei der Einrichtung von regionalen Verwaltungsbezirken der vormaligen ständischen Verwaltungseinheiten bemächtigt und diese mit eigenen Behörden ausgestattet, deren primäre Aufgabe es nun war, die Ständemitglieder in ihrer Verwaltungstätigkeit als Grundherren zu kontrollieren. Die Mediatisierung bereits bestehender Verwaltungssprengel hatte den Vorteil, dass diese territorialen Einheiten allgemein bekannt und auch im Bewusstsein der ländlichen Bevölkerung verankert waren. So hatten sich die Untertanen während der Bauernaufstände in Ober- und Niederösterreich im 16. und 17. Jahrhundert verschiedentlich selbst nach den Landesvierteln organisiert.

Zum Beispiel wurden Beschwerdeschriften einzelner Viertel vorgebracht; vgl. Josef Löffler: Der zweite Oberösterreichische Bauernaufstand 1594–1597 im Mühlviertel. Versuch einer systematischen Darstellung, Saarbrücken 2009, S. 99f.

Die Kompetenzen der Kreisämter waren breit gefächert, sie hatten die Vollziehung der landesfürstlichen Verordnungen durch die Grundherrschaften zu überwachen, sie waren die Beschwerdeinstanz gegenüber der grundherrschaftlichen Verwaltung, und ihnen oblag das Marsch- und Quartierwesen, die Kontrolle der Steuereinhebung und der gesamte Bereich der ›Publica et Politica‹, worunter etwa die allgemeine Sicherheit, die Aufsicht über die Pfarren und die Religionsausübung, das Sanitätswesen, die Kontrolle der Richterwahlen, die Feuerpolizei, die Überwachung der Lebensmittelpreise und -qualität sowie der Maße und Gewichte fielen.

Obersteiner: Verwaltungsreformen, S. 225–229; Obersteiner: »Kreisamt und Kreishauptmann«, S. 201–203; Josef Redlich: Das österreichische Staats- und Reichsproblem. Geschichtliche Darstellung der inneren Politik der habsburgischen Monarchie von 1848 bis zum Untergang des Reiches, Bd. 1: Der dynastische Reichsgedanke und die Entfaltung des Problems bis zur Verkündigung der Reichsverfassung von 1861, Leipzig 1920, S. 431–438.

Für den Staatsbildungsprozess bedeutend war, dass mit den Kreisämtern, die regelmäßig an ihre vorgesetzten Behörden berichten mussten, eine Informationsquelle installiert wurde, die das bis dahin bestehende Wissensmonopol der Grundherrschaften über lokale Zustände durchbrach.

Redlich: Staats- und Reichsproblem, Bd. 1, S. 437f.; vgl. Peter Becker: »Kommunikation, Netzwerke, Öffentlichkeit. Überlegungen zu einer Kommunikationsgeschichte der Verwaltung«, in: Christina Antenhofer / Lisa Regazzoni / Astrid von Schlachta (Hg.): Werkstatt Politische Kommunikation. Netzwerke, Orte und Sprachen des Politischen, Göttingen 2010, S. 305–333, hier S. 306.

Der Aufgabenbereich der Kreisämter wurde in der Folge immer mehr ausgedehnt, sie erhielten Einfluss auf den Straßenbau, das Postwesen, die Zünfte, den Handel, die Baupolizei und so fort, sodass sich bis Mitte der 1760er Jahre die Ansicht durchgesetzt hatte, »dass Alles, was nicht ausdrücklich andern Verwaltungszweigen zugewiesen sei, in den Wirkungskreis der politischen Behörden gehöre«.

Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 32.

Die Kreisämter mit ihren räumlich geschlossenen Sprengeln waren die erste staatliche Behörde modernen Typus auf der untersten Ebene, nichtsdestoweniger waren sie nicht Lokalverwaltung im engeren Sinn, sondern ihre Stellung war die einer untergeordneten Instanz der Zentral- und Landesbehörden, während die eigentliche Lokalverwaltung bis 1848 bei den Grundherrschaften verblieb.

Redlich: Staats- und Reichsproblem, Bd. 1, S. 434f.

Unter Joseph II. wurden die Kontrollbefugnisse der Kreisämter gegenüber den Grundherrschaften noch einmal konsequent ausgeweitet.

Stundner: »Kreisämter«, S. 14; Rieger: »Kreisverfassung«, S. 262.

Mit der zunehmenden Steigerung der Aufgaben vermehrte sich auch der Personalstand bei den Kreisbehörden erheblich: An der Spitze stand der Kreishauptmann, der innerhalb seiner Kompetenzfelder in der Verwaltungspraxis einen durchaus weitgefassten Gestaltungsspielraum in seiner Amtsführung hatte.

Corinna von Bredow: »Gestaltungspotentiale in der Verwaltungspraxis der niederösterreichischen Kreisämter 1753–1799«, in: Arndt Brendecke (Hg.): Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte, Köln 2015, S. 201–221; vgl. Redlich: Staats- und Reichsproblem, Bd. 1, S. 435, der den Kreishauptmännern eine »Art tribunizischer Gewalt« zuspricht.

In den 1750er Jahren waren ihm ein Kreisamtssekretär, ein oder zwei Adjunkten und eventuell ein Kanzlist beigestellt,

Obersteiner: »Kreisamt und Kreishauptmann«, S. 201.

die josephinische Instruktion für die niederösterreichischen Kreisämter aus dem Jahr 1783 sah hingegen neben dem Kreishauptmann und dem Kreissekretär bereits mehr als ein Dutzend weitere Bedienstete vor.

Stundner: »Kreisämter«, S. 14. Vorgesehen waren drei Kreiskommissäre, ein Führungskommissär, zwei Kanzlisten, drei Kreisboten, drei Landdragoner und eine Anzahl an Praktikanten.

Seit Joseph II. fungierten die Kreisämter auch als Ausbildungsstätte der Beamten. Jeder junge Staatsdiener sollte zu Beginn seiner Laufbahn bei einem Kreisamt die Verwaltungspraxis vor Ort erlernen, bevor er zu höheren Funktionen in Länder- oder Zentralbehörden berufen wurde. Da diese Vorgabe in der Amtspraxis auch weitgehend eingehalten wurde,

Waltraud Heindl: Bürokratie und Beamte in Österreich, Bd. 1: Gehorsame Rebellen. 1780–1848, Wien 22003, S. 39f.

drangen in die Leitungsfunktionen zunehmend Leute vor, die die lokale Verwaltungswirklichkeit auch aus eigener Anschauung kannten. Abgesehen vom Ausbau fachlicher Hilfsdienste (etwa im Sanitätswesen) blieben die Kreisämter in der unter Joseph II. eingerichteten Form im Wesentlichen bis 1848 unverändert.

Stundner: »Kreisämter«, S. 15f.

Den größten Widerstand unter den Reformmaßnahmen Maria Theresias rief die Steuerreform hervor, weil die Maßnahmen gleich in zweifacher Hinsicht zulasten der ständischen Eliten gingen. Einerseits wurde das Steuerbewilligungsrecht der Stände beschnitten, indem diesen die zu bewilligenden Steuern in den Landtagsrezessen auf zehn (in einigen Ländern auf drei) Jahre im Vorhinein vorgeschrieben wurden,

Dickson: Finance and Government, Bd. 2, S. 16–20.

andererseits wurde die Steuerfreiheit des adeligen und geistlichen Grundbesitzes beseitigt, wenngleich der Eigenbesitz der Grundherren (›Dominikalbesitz‹) gegenüber den an untertänige Bauern zur Bewirtschaftung vergebenen Gütern (›Rustikalbesitz‹) auch weiterhin deutlich günstigeren Steuersätzen unterlag.

Obwohl die Steuerreform staatlicherseits gegen die Interessen der Landstände durchgesetzt wurde, war man bei deren Umsetzung, insbesondere bei der Erfassung des Grundbesitzes für die Neuanlage der Operate, auf die Kooperation der Grundherren angewiesen. Zwischen 1748 und 1756 wurde eine Steuerrektifikation (Steuerberichtigung) durchgeführt, die teilweise auf Kapitalschätzungen und teilweise auf Selbstbekenntnissen der Grundeigentümer (›Fassionen‹) beruhte. Mit dem Theresianischen Kataster wurde erstmals der gesamte Grundbesitz in den österreichischen und böhmischen Ländern verzeichnet, aufgrund unterschiedlicher Erfassungsmodalitäten sind die Daten aber nur mit Vorbehalt vergleichbar. Tendenziell waren die Schätzungen zu gering, und mangels Personal und Kooperationsbereitschaft der Grundherren wurde die beabsichtige Überprüfung der fatierten Daten durch Lokalkommissionen in keinem Land bei mehr als einem Viertel der Güter realisiert. Die sogenannte ›Subrepartition‹, das heißt die Berechnung der individuellen Steuerlast auf Basis des Katasters, wurde von den grundherrschaftlichen Beamten vorgenommen, auch die Steueroperate selbst waren nach Grundherrschaften angelegt.

Werner Drobesch: »Bodenerfassung und Bodenbewertung als Teil einer Staatsmodernisierung. Theresianische Steuerrektifikation, Josephinischer Kataster und Franziszeischer Kataster«, in: Histoire des Alpes 14 (2009), S. 165–183, hier S. 166; Bernhard Hackl: »Die Gülteinlagen und die Theresianischen sowie Josephinischen Steuerfassionen in den österreichischen Ländern«, in: Josef Pauser / Martin Scheutz / Thomas Winkelbauer (Hg.): Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16. – 18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, Wien 2004, S. 365–377, hier S. 369–372 (Hackl hat auch drei Studien zur Steuerrektifikation in einzelnen Ländern vorgelegt, siehe dazu das Literaturverzeichnis des zitierten Beitrages auf S. 376); Franz von Mensi: »Finanzgeschichte«, in: Ernst Mischler / Josef Ulbrich (Hg.): Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes, Bd. 2, Wien 21906, S. 36–62, hier S. 49–51.

Diesbezüglich vollzog erst die ab 1785 überhastet vorgenommene Grundsteuerregulierung Josephs II. einen radikalen Bruch,

Lorenz Mikoletzky: »Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II.«, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24 (1971), S. 310–346.

an die Stelle der Grundherrschaften traten mit den neu geschaffenen Katastralgemeinden staatliche Verwaltungseinheiten für die Grundsteuererfassung. Das in Parzellen eingeteilte Land wurde nun in allen Ländern nach einheitlichen Kriterien vermessen – unter anderem wurde das Joch zu 1600 Quadratklaftern als ausschließliches Flächenmaß festgelegt – und nicht wie noch in der theresianischen Fassion geschätzt. Die Vermessung selbst wurde freilich auch hier von den Grundherrschaften respektive den Gemeinderichtern und Geschworenen, teilweise unter Beteiligung von Ingenieuren, durchgeführt.

Drobesch: »Bodenerfassung«, S. 167–169; Hackl: »Gülteinlagen«, S. 372f.; Mikoletzky: »Steuer- und Urbarialregulierung«, S. 318f., 323f.

Die aufwendige Vermessung war für die Grundherrschaften eine enorme Herausforderung, bei der Stiftsherrschaft Klosterneuburg standen beispielsweise mehrere Beamte wegen der Landesaufnahme so lange nicht für den regulären Dienst zur Verfügung, dass die Stiftsverwaltung wegen der Geschäftsrückstände zusammenzubrechen drohte, was wiederum den Anstoß zu einer schon länger diskutierten Reform der Stiftsverwaltung gab.

Gerald Höller: »Das Rechnungswesen der Stiftsherrschaft Klosterneuburg. Zur Funktion des grundherrlichen Rentamtes im 18. und 19. Jahrhundert«, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N. F. 15 (1994), S. 149–270, hier S. 177f.

Mit der Steuer- und Urbarialreform Josephs II. sollten alle bisherigen Geld- und Naturalabgaben gänzlich aufgehoben und durch eine einzige Geldabgabe ersetzt werden: 70 Prozent des geschätzten Bruttoertrages sollten beim Bauern für Selbstversorgung, Aussaat und Investitionen verbleiben, rund 13 Prozent sollten an den Staat gehen und etwa 17 Prozent an die Grundherren, was für diese einen beträchtlichen Einkommensverlust bedeutete.

Feigl: Grundherrschaft, S. 263; Ernst Bruckmüller: »Die Grundherrschaft«, in: Alfred Hoffmann / Viktor Stampfl / Ernst Bruckmüller (Hg.): Bauernland Oberösterreich. Entwicklungsgeschichte seiner Land- und Forstwirtschaft, Linz 1974, S. 28–62, hier S. 54f.; Sergij Vilfan: »Die Agrarsozialpolitik von Maria Theresia bis Kudlich«, in: Dan Berindei et al. (Hg.): Der Bauer Mittel- und Osteuropas im sozioökonomischen Wandel des 18. und 19 Jahrhunderts, Köln 1973, S. 1–52, hier S. 12f.

Obwohl die am 1. November 1789 in Kraft getretene Steuerregulierung nach nur wenigen Monaten wegen massiven Widerstandes der Stände wieder aufgehoben werden musste, war sie – zumindest was die Katastrierung betraf – für die Zukunft wegweisend. Als im Jahr 1817 nach langen Vorarbeiten mit der Anlage des Franziszeischen Katasters begonnen wurde, griff man als administrative Einheit auf die Katastralgemeinden des Josephinischen Katasters zurück.

Die Erstellung des Franziszeischen Katasters für die gesamte Monarchie war ein gewaltiges Unterfangen, das insgesamt 44 Jahre in Anspruch nahm. Die Katastralvermessung, die auf einer wissenschaftlich fundierten Triangulierung aufbaute, wurde von ausgebildeten Geometern vorgenommen, die eigentliche Steuerschätzung von Schätzungskommissionen.

Drobesch: »Bodenerfassung«, S. 169–182; Roman Sandgruber: »Der Franziszeische Kataster als Quelle für die Wirtschaftsgeschichte und historische Volkskunde«, in: Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 3 (1979), S. 16–28, hier S. 21–24.

Diese ermittelten anhand naturräumlicher, wirtschaftlicher und sozialer Parameter die Ertragsverhältnisse und die Produktionskosten einer Katastralgemeinde, auf deren Basis der steuerbare Reinertrag der einzelnen Parzellen berechnet wurde. Der Franziszeische Kataster war der entscheidende Schritt zur Ausbildung eines modernen Steuerstaates in der Habsburgermonarchie. Mit ihm wurde das Steuersystem der österreichischen Kronländer vereinheitlicht, der Einfluss der Stände auf das Steuerwesen zurückgedrängt, und durch eine genaue Messung des agrarischen Reinertrags wurde einigermaßen Steuergerechtigkeit hergestellt. Als Nebeneffekt der Katastererstellung erschloss sich der Staat umfangreiche Daten über die ökonomischen und sozialen Verhältnisse sowie über das Bevölkerungswesen in den einzelnen Provinzen.

Drobesch: »Bodenerfassung«, S. 178, 182.

In einem engen kausalen Zusammenhang mit dem Steuerwesen stand die Erschließung des Raumes für militärische Belange, einerseits durch die für die Soldatenrekrutierung wichtigen Volkszählungen (›Seelenkonskriptionen‹), andererseits durch das groß angelegte Kartierungsprojekt der ›Josephinischen Landesaufnahme‹. Zwischen 1764 und 1787 wurde das gesamte Gebiet der Monarchie durch das Militär kartografiert. Neben einem umfassenden Kartenwerk wurden auch verschiedene Zusatzinformationen, beispielsweise über die Verkehrswege, die Vegetation oder die Bodenbeschaffenheit in ergänzenden Textbänden festgehalten, sodass es sich dabei um eine weit über den militärischen Bereich hinausgehende und für allerlei Steuerungsziele verwendbare Informationsquelle handelte.

Johannes Dörflinger: »Vom Aufstieg der Militärkartographie bis zum Wiener Kongress (1684–1815)«, in: Ingrid Kretschmer / Karel Kriz (Hg.): Österreichische Kartographie. Von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis zum 21. Jahrhundert, Wien 2004, S. 75–167, hier S. 77–79; Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München 2017, S. 693f.

Die ersten beiden Volkszählungen, die alle österreichischen und böhmischen Länder der Habsburgermonarchie umfassten, wurden in den Jahren 1753/1754 und 1762 jeweils als weltlich-geistliche Doppelzählungen durch die Pfarrer und parallel dazu durch die grundherrschaftlichen Beamten durchgeführt, wobei Letztere jeweils auch eine Häuserzählung vorzunehmen hatten.

Anton Tantner: Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen. Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie, Innsbruck 2007, S. 34–48; Michael Hochedlinger / Anton Tantner: ›…der größte Teil der Untertanen lebt elend und mühselig‹. Die Berichte des Hofkriegsrates zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Habsburgermonarchie 1770–1771, Innsbruck 2005, S. XXII–XXXm.

Mit der Seelenkonskription des Jahres 1770/1771, die im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Rekrutierungssystems stand, wurde hinsichtlich des betriebenen Aufwandes eine neue Dimension erschlossen. Anstatt der Pfarrer und der Herrschaftsbeamten bediente man sich nun bei der Ausführung Sonderkommissionen, die sich aus Militärs und Zivilbeamten zusammensetzten.

Zur Volkszählung 1770/1771 vgl. Tantner: Ordnung, S. 67–172; Hochedlinger / Tantner: Berichte, S. XXXVO–LHI.

Für den Staatsbildungsprozess sind zwei Besonderheiten dieser Volkszählung hervorzuheben. Erstmals wurden bei ihr auch die Häuser durchnummeriert. Zur Empörung der ständischen Eliten erfasste man dabei alle Gebäude, auch die Schlösser des Adels und die Klöster. Der Staat unterwarf dadurch alle Güter und Menschen einer einheitlichen Quantifizierung und propagierte damit auf einer abstrakten Ebene ein homogenes ›Staatsgebiet‹ und ein dazugehöriges ›Staatsvolk‹, die es abseits der Konskriptionstabellen in der Realität freilich noch lange nicht gab.

Vgl. Stollberg-Rilinger: Maria Theresia, S. 693.

Das zweite Spezifikum waren die sogenannten ›politischen Anmerkungen‹, welche die Kommissionen nun über die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Lage der Untertanen zu verfassen hatten. Verschärft durch die extreme Hungersnot, die Anfang der 1770er Jahre in den böhmischen Ländern herrschte, zeigten diese Berichte ein verheerendes Bild von der sozialen Lage. Die Untertanen, die grundsätzlich den Zählungen mit Misstrauen begegneten, weil trotz Verschleierung erkennbar war, dass diese mit der verhassten Soldatenrekrutierung in Verbindung standen, wussten die ihnen meist wohlgesinnten Kommissionen durchaus in ihrem Sinne zu nutzen. Die von den Kommissären an die Zentralbehörden kommunizierten Missstände führten dazu, dass die in der Wirtschaftspolitik vorherrschende kameralistische Lehre grundsätzlich infrage gestellt wurde.

Stollberg-Rilinger: Maria Theresia, S. 697–699; Tantner: Ordnung, S. 153–160; Hochedlinger / Tantner: Berichte, S. LIV–LXXV.

Die in den Berichten geschilderten Zustände, die im Jahr 1775 in Böhmen zu einem regelrechten Bauernaufstand führten, zeigten aber auch, dass die Kreisämter in der Praxis bis zu diesem Zeitpunkt vielfach noch nicht in der Lage waren, großflächige Missstände struktureller Natur abzustellen.

Für Schilderungen über die missliche Lage des Bauernstandes und die Untertanenbeschwerden in Böhmen vgl. Hochedlinger / Tantner: Berichte, S. 42–86.

Auch hinsichtlich des geografischen Wissens mangelte es den Kreisämtern noch häufig, weshalb die Kommissionen mangels zuverlässiger Karten bei der Ortsbereisung auf die Kenntnisse von Herrschaftsbeamten, Schulmeistern oder Mesnern zurückgreifen mussten.

Hochedlinger / Tantner: Berichte, S. XLV f.

Als unmittelbare Folge der Seelenkonskription, die den hohen Grad an Analphabetismus in der Landbevölkerung ins Bewusstsein gerückt hatte, wurde ab 1770 und dann verstärkt nach der Auflösung des Jesuitenordens im Jahr 1773 eine Reform des Schulwesens ins Auge gefasst. Im Dezember 1774 erließ Maria Theresia die »Allgemeine Schulordnung«, mit der eine sechsjährige Unterrichtspflicht für Buben und Mädchen eingeführt wurde. In der Folge wurde das flache Land mit einem dichten Netz an Volksschulen (›Trivialschulen‹) überzogen, und trotz der Akzeptanzprobleme, die es sowohl bei den Eliten als auch bei den Untertanen gab, war die theresianische Schulreform der »Schlussstein der wirtschaftlichen, moralischen und religiösen Disziplinierung der Untertanen«. Die staatlicherseits durchgesetzte Schulreform war langfristig ein starkes Instrument der Zentralisierung, durch den nun verpflichtenden Unterricht in Deutsch als Zweitsprache in den böhmischen Ländern führte sie auch zu einer kulturellen Vereinheitlichung der böhmischen und der österreichischen Länder.

Stollberg-Rilinger: Maria Theresia, S. 706–715, das direkte Zitat S. 706.

Ein weiterer Bereich, der mit dem Staatsbildungsprozess in enger Verbindung stand, war die Untertanengesetzgebung.

Den prägnantesten Überblick bietet nach wie vor Bohuslav Rieger: »Untertans- und Urbarialverhältnisse«, in: Ernst Mischler / Josef Ulbrich (Hg.), Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes, Bd. 1, Wien 21905, S. 43–58; vgl. Scott: »Reform in the Habsburg Monarchy«, S. 177–187.

Landesfürstliche Patente, welche die Lage der Untertanen verbessern sollten, waren zwar schon seit dem 16. Jahrhundert häufig, aber erst mit der verstärkten Kontrolle durch die Kreisämter konnten die Normen auch gegen sabotierende Herrschaftsbeamte wirksamer durchgesetzt werden.

Herbert Matis: »Die Rolle der Landwirtschaft im Merkantilsystem - Produktionsstruktur und gesellschaftliche Verhältnisse im Agrarbereich«, in: Herbert Matis (Hg.): Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Berlin 1981, S. 269–293, hier S. 289.

Den Sozialreformen lagen zwar auch humanitäre Ideen zugrunde, in erster Linie waren es aber handfeste fiskalische, volkswirtschaftliche und populationistische Erwägungen, die den im Entstehen begriffenen Staat veranlassten, unmittelbar in das Verhältnis zwischen Untertanen und Grundherren einzugreifen. Die theresianische Bauernschutzpolitik war grosso modo eine Ansammlung von Einzelmaßnahmen,

Matis: »Rolle der Landwirtschaft«, S. 288.

deren gemeinsames Ziel die Sicherung der »Kontributionsfähigkeit« der Untertanen war.

Thomas Winkelbauer: Robot und Steuer. Die Untertanen der Waldviertler Grundherrschaften Gföhl und Altpölla zwischen feudaler Herrschaft und absolutistischem Staat (vom 16. Jahrhundert bis zum Vormärz), Wien 1986, S. 185–188.

Der Weg dorthin verlief über die Schaffung eines homogenen Untertanenverbandes und die Schwächung der intermediären Gewalten.

Ogris: »Staats- und Rechtsreformen«, S. 62.

Um die Marktproduktion zu steigern, wurde den Bauern im Jahr 1751 der freie Zugang zum Markt garantiert, 1770 fiel auch das grundherrliche Vorkaufsrecht (›Anfeilzwang‹), und die Zwangsabnahme herrschaftlicher Produkte wurde verboten.

Bruckmüller: Sozialgeschichte, S. 207f.; Vilfan: »Agrarsozialpolitik«, S. 8.

In den 1770er Jahren wurden nacheinander für die einzelnen Länder Robotpatente mit einer festgelegten Maximalrobot erlassen, deren Einhaltung von staatlichen Kommissionen zu überwachen war. Da die bis dahin abgeforderte Robotleistung zwischen den Ländern stark variierte und auch die neu festgelegten Maximalwerte voneinander abwichen, entfalteten die Patente eine unterschiedliche Wirkung: In Böhmen war die Beschränkung der Robot auf maximal drei Tage pro Woche für viele Bauern eine Verbesserung, während beispielsweise die in Niederösterreich festgelegte Maximalrobot von 104 Tagen im Jahr auch vor dem Robotpatent nur bei wenigen Grundherrschaften überschritten worden war.

Feigl: Grundherrschaft, S. 259; Josef Kočí: »Die Reformen der Untertänigkeitsverhältnisse in den böhmischen Ländern unter Maria Theresia und Joseph II.«, in: Richard Georg Plaschka et al. (Hg.): Österreich im Europa der Aufklärung. Kontinuität und Zäsur in Europa zur Zeit Maria Theresias und Josephs II. Internationales Symposion in Wien, 20. – 23. Oktober 1980, Bd. 1, Wien 1985, S. 121–137, hier S. 131f.; Vilfan: »Agrarsozialpolitik«, S. 8–10; Rieger: »Untertans- und Urbarialverhältnisse«, S. 48–50, 56f.

Bezüglich der Rechtsstellung der Bauern gab es ab Ende der 1760er Jahre Bestrebungen, das in Ober- und Niederösterreich vorherrschende und für die Bauern günstige Erb- und Kaufrecht auf jene Länder auszudehnen, in denen ungünstige Leiheformen wie die Freistift dominierend waren, was vor allem in den innerösterreichischen Ländern auch geschah.

Bruckmüller: Sozialgeschichte, S. 205f.

Die grundherrschaftliche Verwaltung wurde ebenfalls sukzessive das Ziel landesfürstlicher Eingriffe. Im Zuge der theresianischen Steuerreform wurde die Amtsausübung der grundherrschaftlichen Beamten, die die landesfürstlichen Steuern einhoben (›Kontributionseinnehmer‹), staatlicherseits umfassend reglementiert. Den Grundherren wurde damit der unmittelbare Einfluss auf deren Amtsausübung entzogen, sie hatten aber weiterhin eine interne Kontrollpflicht und hafteten auch für ein etwaiges Fehlverhalten der Steuerbeamten.

Löffler: »Verwaltung«, S. 267f.

Die Landesfürstin griff auch ordnend in das Dienstverhältnis zwischen Herrschaftsbeamten und Grundherren ein, bei Konflikten durfte sich die Herrschaft nicht mehr selbst Recht verschaffen, sondern es musste das Kreisamt eingeschaltet werden. Diesem oblag auch die Kontrolle der zahlreichen Schutzbestimmungen, die gegen Unterdrückung der Untertanen durch Herrschaftsbeamte erlassen wurden.

Löffler: »Verwaltung«, S. 270f.

Die Verschriftlichung der Verfahren in Polizei-, Justiz- und anderen ›öffentlichen‹ Angelegenheiten, die Bindung der herrschaftlichen Verwaltung an die landesfürstlichen Gesetze ohne Rücksicht auf das lokale Herkommen und die Unterordnung der herrschaftlichen Ämter unter die staatlichen Behörden führten zu einer Machtverschiebung von den Herrschaftsbesitzern hin zu ihren Amtsträgern. Konsequenz dieser Verdichtung staatlichen Handelns im Bereich der Lokalverwaltung war, dass die herrschaftlichen Ämter auf die Dauer als unterste Instanz in die Verwaltung des sich formierenden Staates integriert wurden.

Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 161–163; vgl. Alois Brusatti: »Die Stellung der herrschaftlichen Beamten in Österreich in der Zeit von 1780 bis 1848«, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 45 (1958), S. 505–516, hier S. 506.

Mit den Rechtsreformen und der Untertanengesetzgebung Josephs II. erhielt dieser Prozess, der von den Herrschaftsbesitzern nicht sonderlich bekämpft wurde, solange deren wirtschaftliche Interessen nicht tangiert wurden,

Brusatti: »Stellung«, S. 507.

einen vorläufigen Abschluss. Am 1. November 1781 erging das Untertanenpatent für die böhmischen Länder, mit dem die Leibeigenschaft aufgehoben wurde. Damit einher ging auch die Beseitigung der auf den Untertanenverband gegründeten Freiheitsbeschränkungen bezüglich Eheschließung, Berufswahl und Freizügigkeit.

William E. Wright: Serf, Seigneur and Sovereign. Agrarian Reform in Eighteenth-Century Bohemia, Minneapolis 1966, S. 74–76; Rieger: »Untertans- und Urbarialverhältnisse«, S. 52.

Das Patent wurde in analoger Form auch in den meisten anderen Provinzen publiziert. Da ein zu Böhmen vergleichbares persönliches Abhängigkeitsverhältnis in den Alpen- und Donauländern kaum mehr vorkam, waren diese Patente hier eher deklaratorischer Natur, sie wirkten aber in der bäuerlichen Bevölkerung bewusstseinsbildend auf dem Weg zur staatsbürgerlichen Gesellschaft.

Bruckmüller: Sozialgeschichte, S. 205.

Anfang September 1781 wurde mit dem Untertanenverfahrens- und dem Untertanenstrafpatent – Ersteres regelte die Verfahren bei Streitfällen zwischen Untertanen und Herrschaften, Letzteres schränkte die Strafbefugnisse der Obrigkeiten ein – eine deutliche Stärkung der Rechtsstellung der Untertanen gegenüber den Grundherren herbeigeführt. Begleitend erfolgte auch ein Ausbau der Befugnisse des unter Maria Theresia eingeführten Untertansadvokaten, der den Untertanen im Streitfalle helfen sollte, ihre Ansprüche gegen die Grundherrschaft vor Gericht durchzusetzen.

Helmut Gebhardt: »Advocatus Subditorum. Zur Einrichtung der Untertansadvokaten von 1750 bis 1848«, in: Kurt Ebert (Hg.): Festschrift zum 80. Geburtstag für Hermann Baltl, Wien 1998, S. 139–154, hier S. 140–148; vgl. Löffler: »Verwaltung«, S. 272, hier auch die Zitate zu den Gesetzessammlungen und den einschlägigen zeitgenössischen Rechtskommentaren.

Im Gefolge der josephinischen Rechtsreformen

Gernot Kocher: »Die Rechtsreformen Josephs II.«, in: Helmut Reinalter (Hg.): Josephinismus als Aufgeklärter Absolutismus, Wien 2008, S. 125–161; Gernot Kocher: »Zum Wechselspiel von Rechtsordnung und Sozialordnung in der theresianisch-josephinischen Gesetzgebung und Judikatur«, in: Richard Georg Plaschka et al. (Hg.): Österreich im Europa der Aufklärung. Kontinuität und Zäsur in Europa zur Zeit Maria Theresias und Josephs II. Internationales Symposion in Wien, 20. – 23. Oktober 1980, Bd. 1, Wien 1985, S. 377–396, hier S. 386f.; Ogris: »Joseph II.«.

griff der Staat nun auch in die innere Organisation der Herrschaftsverwaltung ein, indem er die Zuständigkeitsbereiche der mit ›öffentlichen‹ Aufgaben betrauten Beamten festlegte und Qualifikationsnachweise vorschrieb. Die Justizverwaltung durfte mit einigen Ausnahmen (Grundbuch, Verlassenschaftsabhandlungen, Vormundschaftswesen und geringere Klagsachen) nur mehr von rechtskundigen Beamten, den sogenannten Justiziaren, ausgeübt werden.

Löffler: »Verwaltung«, S. 273–275;Brusatti: »Stellung«, S. 509f.; Rieger: »Grundherrschaft«, S. 35; Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 307–311.

Auch von den Wirtschaftsbeamten wurde eine (agrar-)ökonomische Prüfung verlangt, die sie bei den mit einem offiziösen Charakter ausgestatteten Ackerbaugesellschaften zu absolvieren hatten. Diese übten auch eine Aufsichtsfunktion über die grundherrschaftliche Beamtenschaft aus. Unter Franz II./I. wurde auch eine Prüfung für das Richteramt über die ›schweren Polizeiübertretungen‹ und in Österreich generell für die Ausübung der politischen Verwaltung vorgeschrieben.

Rieger: »Grundherrschaft«, S. 35.

Im Jahr 1787 wurde den Grundherren jeglicher Einfluss auf die Amtstätigkeit der Beamten, soweit es die ›öffentliche‹ Verwaltung und die Gerichtsbarkeit betraf, verboten. Es war ihnen aber gestattet, die Tätigkeit der Beamten zu kontrollieren, da sie auch für deren Amtshandlungen hafteten.

Schopf: Rechte, Bd. 3, S. 16f.; vgl. auch Bd. 1, S. 107f., 123–125.

Die Grundherren hatten bei der Einstellung der Beamten prinzipiell freie Hand, vorausgesetzt diese hatten die vorgesehenen Prüfungen absolviert und erfüllten die vorgeschriebenen Voraussetzungen. Die Beamten konnten auch jederzeit ohne Begründung entlassen werden, was insofern problematisch war, als sie in eine schwierige Abhängigkeitsposition gerieten, falls ein Grundherr rechtswidrigen Einfluss auf die Verwaltungsgeschäfte ausüben wollte.

Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 153–156; Bd. 2, S. 31f., 114f.; vgl. Brusatti: »Stellung«, S. 511.

Im Übrigen konnte der Herrschaftsbesitzer den Aufbau seiner Verwaltung weiterhin selbst festlegen, er konnte die ›öffentlichen‹ Aufgaben entweder auf einen Oberbeamten übertragen oder auf mehrere Individuen aufteilen, und es gab auch bezüglich des Rangverhältnisses oder der Titel der Beamten keine staatlichen Vorgaben. Wenn der Grundherr die entsprechenden Prüfungen abgelegt hatte, konnte er die Verwaltung auch nach wie vor selbst ausüben, was allerdings nur selten vorkam.

Schopf: Rechte, Bd. 1, S. 107–109.

Trotz dieser Einschränkungen war der Staat mit der ausschließlichen Bindung des herrschaftlichen Beamtenapparats in der ›öffentlichen‹ Verwaltung an die landesfürstliche Gesetzgebung gewissermaßen auch in institutioneller Hinsicht bis auf die lokale Ebene vorgedrungen.

Angesichts der mit der Einstellung besonders qualifizierter Beamter verbundenen Kosten war es vielen kleineren Grundherrschaften nicht mehr möglich, die Verwaltung selbstständig auszuüben, weshalb die Polizeiangelegenheiten und die Gerichtsbarkeit oft an benachbarte Dominien oder im Falle von Pfarrherrschaften auch an die Magistrate von Märkten oder Städten delegiert wurden.

Gochnat: Dominien-Schematismus 1847. Besonders bei den Pfarrherrschaften ist häufig vermerkt, dass sie von anderen Herrschaften mitverwaltet werden.

Regelmäßig kam die Abtretung bei der Gerichtsbarkeit vor, viele Justiziare waren gleich für mehrere Grundherrschaften zuständig, der Amtssitz war allerdings so zu wählen, dass die Grenzen des Sprengels nicht weiter als zwei Stunden Gehweg entfernt lagen.

Rieger: »Grundherrschaft«, S. 39. Bei größeren Besitzkomplexen war es üblich, für mehrere Herrschaften einen Justiziar zu beschäftigen; vgl. Löffler: »Verwaltung«, S. 273f.

Neben der Etablierung länderübergreifender Zentralbehörden und der Errichtung eines gemeinsamen Zollgebietes im Jahr 1775

Bernhard Hackl: »Die staatliche Wirtschaftspolitik zwischen 1740 und 1792: Reform versus Stagnation«, in: Helmut Reinalter (Hg.): Josephinismus als Aufgeklärter Absolutismus, Wien 2008, S. 191–271, hier S. 248.

war das Vorrücken des Staates in die Fläche zu Lasten der Grundherrschaften ein wesentlicher Bestandteil jenes Prozesses, mit dem die böhmischen und österreichischen Länder – jene der ungarischen Krone, die österreichischen Niederlande und die italienischen Territorien blieben davon weitgehend unberührt – zu einem »Kernstaat«

Walter: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 101.

der Habsburgermonarchie verschmolzen. Dieses Vorrücken des Staates lässt sich aus raumanalytischer Sicht in drei Ebenen gliedern. Auf einer ersten Ebene erfolgte die Durchdringung des Raumes in einem territorialen Sinn, namentlich durch die Einrichtung der Kreise als geschlossene Verwaltungsbezirke. In diese Kategorie fällt auch die Eingliederung der herrschaftlichen Beamten in den staatlichen Verwaltungsaufbau, allerdings mit der grundlegenden Einschränkung, dass diese weiterhin sowohl staatliche als auch grundherrschaftliche Aufgaben wahrnahmen und deren Verwaltungsräume nicht der Logik moderner geschlossener Verwaltungseinheiten folgten.

Auf einer zweiten Ebene verlief das Ausgreifen des Staates durch Intensivierung und Verdichtung staatlicher Tätigkeit, vornehmlich sind hier die vielen Maßnahmen im Rahmen der Untertanengesetzgebung und die Reform des Schulwesens zu nennen. Auf einer dritten Ebene erfolgte die Aneignung des Raumes durch den Staat mittels einer systematischen Beschaffung von Informationen durch standardisierte Verfahren. Mit den Steuerkatastern, den topografischen Aufnahmen und den Volkszählungen wurden mehrere Ziele verfolgt. Zunächst ging es einmal darum, sich Wissen über das Land und die Bevölkerung zu verschaffen, um auf die Ressourcen und das Rekrutenreservoir zugreifen zu können. Erst das in Tabellen geordnete Wissen schuf abstrakte Informationen, die der Staat für seine Gestaltungszwecke einsetzen konnte. Mit der Verzeichnung der persönlichen Daten der gesamten Bevölkerung unterwarf man diese dem Zugriff des Staates, erst dadurch wurde der Einzelne jederzeit kontrollierbar und im eigentlichen Sinne ein Staatsuntertan. Indem der Staat bei der Zählung alle Personen ohne Rücksicht auf die ständische Zugehörigkeit einheitlich behandelte, hatte dieses Verwaltungsverfahren zumindest auf symbolischer Ebene einen nivellierenden Effekt. Schließlich ist auch die Vereinheitlichung zwischen den einzelnen Ländern zu nennen, die einerseits durch die standardisierten Verfahren selbst vorangetrieben wurde, andererseits wurde es erst durch diese möglich, die Bevölkerungsstruktur, das Steuerwesen und andere Materien statistischen Vergleichen zu unterziehen.

Stollberg-Rilinger: Maria Theresia, S. 693, 697; Hochedlinger / Tantner: Berichte, S. LVII-LXIV; vgl. Lars Behrisch: »Vermessen, Zählen, Berechnen des Raums im 18. Jahrhundert«, in: Lars Behrisch (Hg.): Vermessen, Zählen, Berechnen. Die politische Ordnung des Raums im 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2006, S. 7–25.

Das Verhältnis zwischen Untertanen, Grundherrschaften und Staat im Vormärz

Im Vormärz galt die Untertansverfassung für die bürgerliche Umwelt bereits als ein Anachronismus. Mit Ausnahme der großen Gutsbesitzer, die aus Prestigegründen an der Patrimonialgerichtsbarkeit festhielten, setzte sich in den österreichischen Ländern – im Gegensatz zu Böhmen – auch unter den Herrschaftsinhabern immer mehr die Ansicht durch, dass es besser wäre, die Rechtspflege, das Polizeiwesen und die ›Politica‹ an den Staat abzugeben.

Feigl: Grundherrschaft, S. 264; Brusatti: »Stellung«, S. 507, 512; Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 2, S. 268, 384. Zu Böhmen vgl. Melville: »Adel und Grundherrschaft«, S. 84f.

Ab 1833 waren auch die niederösterreichischen Stände zu diesem Schritt bereit, weil sich die Grundherrschaften nicht mehr in der Lage sahen, die an sie gestellten polizeilichen Aufgaben, zum Beispiel die Kontrolle der Bettler und Vagabunden, zu erfüllen und die Kosten dafür zu tragen.

Viktor Bibl: Die niederösterreichischen Stände im Vormärz. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Revolution des Jahres 1848, Wien 1911, S. 131–134.

Auch die Hofkommission in Justizsachen trat wiederholt mit diesbezüglichen Forderungen in Erscheinung, eine Umsetzung scheiterte aber an der im Staatsrat vorherrschenden konservativen Grundhaltung, nichts am Staatsgefüge zu verändern.

Brusatti: »Stellung«, S. 512; Bibl: Stände, S. 120f.

Die Mängel des Systems waren freilich auch dort bekannt. Es gab schließlich einen direkten Vergleich, da in jenen Gebieten, die während der Napoleonischen Kriege abgetreten werden mussten (Tirol, Salzburg, Teile Oberösterreichs, Kärntens und Krains sowie das Küstenland), nach der Wiedereingliederung in die Monarchie 1815/1817 die dort unter französischer oder bayerischer Herrschaft abgeschafften Patrimonialgerichte nicht wieder eingesetzt und stattdessen landesfürstliche Land- oder Pfleggerichte eingerichtet wurden, denen auch die Lokalverwaltung zugewiesen wurde.

Hoke: »Österreich«, S. 371; Bibl: Stände, S. 162; Rieger: »Grundherrschaft«, S. 43f. Salzburg kam erst mit dem Frieden von Pressburg im Jahr 1805 zur Habsburgermonarchie.

Die Übertragung von immer mehr mit Kosten verbundenen Aufgaben an die Grundherrschaften rief unter den niederösterreichischen Landständen ab den 1830er Jahren erheblichen Widerstand hervor. So führte die an sich banale, für die Grundherrschaften aber in der Ausführung kostenintensive Anordnung, dass eichenhölzerne Orientierungssäulen an allen Wegscheiden und Kreuzungen anzubringen seien, zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Kompetenzbereiche zwischen den niederösterreichischen Landständen und der Regierung, weil die Stände darin ein Präjudiz für die Delegierung weiterer Aufgaben erblickten.

Bibl: Stände, S. 129–143, zu den Wegmarken S. 130, 138.

Die Maßnahme an sich wurde von den Ständen gar nicht abgelehnt, sie gestanden der Regierung durchaus zu, den Raum mittels Wegzeigern auszustecken und damit als unter ihrer Verwaltung stehend auszuweisen, der Konfliktpunkt war die Finanzierung derartiger Polizeivorkehrungen, die ihrer Ansicht nach nicht der Ortsobrigkeit obliege.

Im Zuge dieser Kontroverse verfassten die Landstände eine Petition, die in der Forderung gipfelte, dass für die Besorgung der öffentlichen Sicherheit »eine allgemeine Staatsanstalt« ins Leben gerufen werden solle, weil die Herrschaften nicht mehr in der Lage seien, die Polizeiaufgaben ordnungsgemäß auszuüben.

Bibl: Stände, S. 156; vgl. auch S. 133.

Für den kritischen Zeitgenossen Victor von Andrian-Werburg war die »politische und administrative Gewalt der Grundherrschaften […] für diese nichts weiter als eine Last, und eine Quelle unaufhörlicher Plackereien und Reibungen mit den staatlichen Behörden«.

Victor von Andrian-Werburg [anonym]: Oesterreich und dessen Zukunft, 2 Bde., Hamburg 1843–1847, hier Bd. 2, S. 126.

Dass die Grundherrschaften aus strukturellen Gründen nicht imstande waren, die an sie gestellten Anforderungen im Bereich der Sicherheitspolizei zu erfüllen, wurde auch von den staatlichen Behörden anerkannt und unverhohlen ausgesprochen, sie verwiesen bezüglich einer Neuregelung aber auf »günstigere Zeitverhältnisse«.

Bibl: Stände, S. 149–154.

Eine besondere Erschwernis war auch der hohe bürokratische Aufwand bei einfachen Verwaltungsverfahren, welcher darauf zurückzuführen war, dass man den Herrschaften keinen Ermessensspielraum zubilligte, weshalb diese häufig wegen Einzelfallentscheidungen Anfragen an das Kreisamt stellen oder dort sogar die Akten noch vor der Entscheidung vorlegen mussten.

Beidtel: Staatsverwaltung, Bd. 2, S. 33–35.

Die staatlichen Anforderungen an die grundherrschaftliche Verwaltung hatten sich im Vormärz noch einmal erheblich erhöht, insbesondere das Berichtswesen an die Kreisämter nahm enorme Ausmaße an. Alle zwei Wochen musste von den Herrschaftsbeamten ein Fremdenrapport verfasst werden, monatlich waren ein Viktualien- und ein Polizeirapport, eine Liste über abgeschaffte Fremde, eine Milchpreiserhebung, eine Liste der alten Steuerrückstände, eine Futterpreiserhebung und in den Sommermonaten ein Erntebericht an das Kreisamt abzuliefern. Dazu kamen zahlreiche einzureichende Quartalsberichte wie etwa Ausweise über die schweren Polizeiübertretungen, die Steuerrückstände und die Zivilbeschäftigung übergetretener Soldaten, eine Tabelle über die durch unbekannte Täter verübten Verbrechen, die Evidenzhaltung des Katasters und der Liste der entlassenen Polizeiübertreter und Verbrecher, eine Kriminaltabelle et cetera.

Österreichisches Staatsarchiv (Wien) [ÖStA], Haus-, Hof- und Staatsarchiv [HHStA], Familienarchiv Auersperg [FA Auersperg], Karton B-24-34, »Tabelle über die periodischen Eingaben«, ca. 1841.

Zusammen mit einer Reihe von halbjährlichen und den rund 50 jährlich zu verfassenden Eingaben muss allein das Berichtswesen einen beträchtlichen Anteil der Arbeitszeit des Verwaltungspersonals eingenommen haben. Neben dem unmittelbaren Nutzen, den diese Menge an aggregierten Daten für den politischen Entscheidungsprozess bot, ist diese bürokratische Pflichtübung in ihrer endlosen Regelmäßigkeit auch selbst als ein Instrument der Staatsbildung zu sehen, mit welchem die für die Implementation der landesfürstlichen Normen auf lokaler Ebene zuständigen Herrschaftsbeamten durch einen ständigen Kommunikationsprozess an die staatlichen Verwaltungsbehörden gebunden wurden.

Während also in den österreichischen Ländern – kaum in Böhmen – innerhalb der ständischen Eliten durchaus ein Interesse daran bestand, dass der Staat die öffentliche Verwaltung unmittelbar übernehme, zeigte dieser aus finanziellen Erwägungen sowie aus einem grundsätzlichen Beharren auf den bestehenden Strukturen diesbezüglich keine Ambitionen. Die bestehende Verwaltungsorganisation brachte aber die Ambivalenz mit sich, dass sich der Staat zwar durch die Instrumentalisierung der Herrschaftsbeamten für staatliche Zwecke den Raum erschlossen hatte, er selbst aber in der alltäglichen Verwaltungspraxis gegenüber den Untertanen kaum sichtbar in Erscheinung trat.

Seit sich in der Frühen Neuzeit Verwaltung und Gerichtsbarkeit von den Taidingversammlungen zunehmend in die Amtskanzleien verlagert hatten, mussten die Untertanen für Amtshandlungen dort erscheinen, wenngleich es die Taidinge noch als Wahlversammlungen für die Gemeindeorgane,

Zum Beispiel Stiftsarchiv Klosterneuburg [StAKl], Karton 86, Nr. 2, 3, 4, 12, 13, 14: Banntaidingprotokolle verschiedener Ortschaften, 1813–1818; vgl. Feigl: Grundherrschaft, S. 243–246.

teilweise auch als gemeindlichobrigkeitliche Verlautbarungstreffen gab.

Bruckmüller: Sozialgeschichte, S. 142.

Die Amtskanzleien waren je nach Herrschaft in mehr oder weniger repräsentativen Adelssitzen, in prunkvollen Klöstern oder aber auch in kleinen Pfarrhöfen oder Häusern in Ortschaften untergebracht, jedenfalls handelte es sich dabei für alle erkennbar um grundherrschaftliche Gebäude. Der Staat griff auch hier normierend ein, so waren die Grundherren beispielsweise verpflichtet, in den Verwaltungsräumlichkeiten feuersichere Behältnisse für die Aufbewahrung der Grundbücher zur Verfügung zu stellen. Ebenso obligatorisch war die Anschaffung einer feuer- und einbruchsicheren Truhe, die der Aufbewahrung der Kassen, insbesondere der Waisen- und Depositenkasse, sowie der Urkunden diente.

Schopf: Grundobrigkeiten, Bd. 1, S. 41f.

In der Waisenkasse war das Geldvermögen der untertänigen Waisenkinder verwahrt. Das Geld, das aus dem Verkauf von Liegenschaften aus dem Erbe der Waisen stammte, wurde von den Grundherrschaften für diese durch Vergabe verzinster Darlehen veranlagt. Die Grundherrschaft in ihrer Funktion als Kreditraum ist im Übrigen bis dato nicht erforscht, angesichts der großen Summen, die durch die Waisenkassen veranlagt wurden, dürfte es sich hier aber um einen bedeutenden Faktor des regionalen Kreditwesens gehandelt haben.

Feigl: Grundherrschaft, S. 50; Neuber: Gedrängte Uebersicht, S. 11, 24. Zu den Summen in liechtensteinischen Waisenkassen vgl. Löffler: »Verwaltung«, S. 228.

Trotz des engen staatlichen Regelungsrahmens, der bis hin zu einer Norm über die Beschaffenheit der Geldtruhen reichte, war die Verwaltung der Waisengelder letztendlich eine grundherrschaftliche Angelegenheit, was auch immer wieder zu Konflikten führte.

Corinna von Bredow: »Die niederösterreichischen Kreisämter als Scharnier zwischen Landesregierung und Untertanen – Kommunikationsprozesse und Herrschaftspraxis«, in: Stefan Brakensiek / Corinna von Bredow / Birgit Näther (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014, S. 25–36, hier S. 32.

Obwohl in den Amtskanzleien die Herrschaftsbeamten in vielen Bereichen im Auftrag des Staates auftraten, wurde diese Tatsache kaum durch materielle Dinge oder Symbole gegenüber den Untertanen kenntlich gemacht. Neben den Kruzifixen an den Wänden, den obligatorischen Büromöbeln und den Schreibmaterialien fanden sich in den Amtskanzleien regelmäßig Utensilien zur Besiegelung,

Für die folgenden Ausführungen zu den in den Kanzleien vorhandenen Gegenständen wurden Kanzleiinventare der Stiftsherrschaft Klosterneuburg sowie der Herrschaften Asparn (im Besitz der Grafen Breuner) und Rohrau (im Besitz der Grafen Harrach) – allesamt in Niederösterreich gelegen – verwendet: StAKl, Karton 400, Nr. 8, »Verzeichnis über die Einrichtung in den Kanzleien des Stiftes«, ca. 1787–1800; Niederösterreichisches Landesarchiv [NÖLA], Herrschaftsarchiv Asparn [HA Asparn], Karton 4, Nr. 62, »Kanzleiinventar für das Jahr 1844«, 31.12.1844; ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv [AVA], Familienarchiv Harrach [FA Harrach], WA Bücher Ö 922, 1837.

wobei bei allen Ausfertigungen, auch im ›öffentlich-rechtlichen‹ Wirkungsbereich, ausschließlich grundherrschaftliche Siegel zum Einsatz kamen.

Zum Beispiel NÖLA, Herrschaftsarchiv Raabs, Karton 6: Kriminalakten, 1799–1819; Karton 7: Kriminalakten, 1828–1848.

Andere Gegenstände wie beispielsweise Messketten und Gewichte oder Messvorrichtungen für die Ermittlung der Körpergröße von Rekruten wurden zwar teilweise oder im letzteren Fall ausschließlich für staatliche Verwaltungsaufgaben verwendet, aber in der Praxis wurden sie eben von Beamten, die vom Grundherren eingesetzt wurden, angewandt. Ebenso wurden die Delinquenten von diesen in die Arrestzellen gesteckt, vorhandene Strafbänke mit Angurtriemen, Fesselinstrumente oder Peitschen wurden zwar im Idealfall nur auf Basis der staatlichen Normen eingesetzt, die damit hantierenden Gerichtsdiener waren aber grundherrschaftliche Amtsträger, weshalb diese Objekte von den Untertanen mit den Grundherrschaften verbunden wurden. In den oben erwähnten ›politischen Anmerkungen‹, die anlässlich der Volkszählung 1770/1771 von den eingesetzten Kommissären verfasst wurden, findet sich beispielsweise eine Beschwerde eines böhmischen Untertanen, wonach sich in der Amtskanzlei seiner Herrschaft eine Richterbank befinde, auf der eine nackte weinende Person aufgemalt sei, was unter den Dorfbewohnern Angst auslöse.

Tantner: Ordnung, S. 69.

In den herrschaftlichen Kanzleiräumlichkeiten befanden sich weder staatliche Hoheitszeichen, noch war dort regelmäßig ein Bild des Kaisers angebracht,

In der Kanzlei der Herrschaft Rohrau fand sich ein bronzenes Bildnis des zum Zeitpunkt der Inventarerstellung bereits verstorbenen Kaisers Franz II./I. und ein (vermutlich bemaltes) Glas, das einen Besuch des Monarchen dokumentierte, es handelte sich aber wohl eher um Erinnerungsstücke als um Objekte, die die Souveränität der vom Monarchen abgeleiteten Staatsgewalt ausdrückten: ÖStA, AVA, FA Harrach, WA Bücher Ö 922, 1837.

sehr wohl aber hing in manchen Kanzleien ein Porträt des Grundherrn an der Wand. In der Stiftskanzlei Klosterneuburg zierte außerdem ein Bild des Klostergründers und niederösterreichischen Landespatrons, des heiligen Leopold, die Amtsräumlichkeiten.

StAKl, Karton 400, Nr. 8, »Verzeichnis über die Einrichtung in den Kanzleien des Stiftes«, ca. 1787–1800; ÖStA, AVA, FA Harrach, WA Bücher Ö 922, 1837.

Hinsichtlich materieller Dinge war der Staat in den Herrschaftskanzleien vor allem durch Gesetzesbücher und Rechtskommentare vertreten, in einem Inventar der niederösterreichischen Herrschaft Asparn finden sich zum Beispiel 278 einschlägige Werke mit einem Schwerpunkt auf allgemeiner Verwaltung und Zivilrecht.

Die Bücher wurden folgenden Rechtsbereichen zugeordnet: allgemeine Verwaltung 129 Werke, Ziviljustiz 104, Kriminaljustiz 9, Ortsobrigkeit 4, Steuerbezirksobrigkeit 3, Gefälle und Regalien 1, Landwirtschaft 16, Schäferei 9, Viehzucht 1, Forstamt 2: NÖLA, HA Asparn, Karton 4, Nr. 62, »Kanzleiinventar für das Jahr 1844«, 31. 12. 1844.

Gerade die vorhandenen Rechtskodizes zeigten aber auch wiederum die paradoxe Stellung, in der sich die grundherrschaftliche Verwaltung im Vormärz befand. Das nach einem Jahrzehnte andauernden Kodifikationsprozess im Jahr 1811 erlassene Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geht von tendenziell gleichen, das heißt ständisch ungebundenen Staatsbürgern aus, deren private Rechte, zum Beispiel das Recht auf Eigentum, staatlich garantiert sind, während in der öffentlich-rechtlichen Sphäre mit der Grundherrschaft eine Institution verankert war, die trotz aller staatlichen Eingriffe weiterhin über eine aus ihrem autonomen Wirkungsbereich abgeleitete Hoheitsgewalt über die Untertanen verfügte.

Mazohl: »Zeit«, S. 360–362; vgl. Engelmayr: Unterthans-Verfassung Oesterreich, Bd. 1, S. 1: »Alle Mitglieder eines Staates, ohne Rücksicht auf ihre persönliche Eigenschaft, sind Unterthanen dieses Staates, und in dieser Ansicht besteht unter allen Unterthanen gar kein Unterschied«.

Diese Diskrepanz wird auch im ABGB selbst sichtbar, es verweist in § 1146 bezüglich der über die privatrechtlichen Bestimmungen hinausgehenden Normen im Verhältnis von Ober- und Nutzungseigentümern auf die Landesverfassungen und die Verwaltungsgesetze.

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, 3 Bde., Wien 1811, hier Bd. 2, § 1146: »In wie fern die Nutzungseigenthümer gegen die Obereigenthümer noch in andern Verhältnissen stehen, und welche Rechte und Verbindlichkeiten ins besondere zwischen den Gutsbesitzern und den Gutsunterthanen bestehen, ist aus der Verfassung jeder Provinz, und den politischen Vorschriften zu entnehmen«.

Das einzige Objekt in den Amtskanzleien, das die staatliche Hoheitsgewalt repräsentierte und sich auch unmittelbar an die Untertanen wandte, war eine Ediktanschlagtafel, die sich in der Regel gut zugänglich in einem Vorraum befand. Dass der Staat in der Verwaltungspraxis kaum sichtbar war, liegt in der Tatsache begründet, dass es sich letztendlich bei der Besorgung der ›öffentlichen‹ Aufgaben um Auftragsverwaltung handelte, die vom Grundherrn bezahlt wurde und deshalb in der Außenwirkung auch als patrimoniale Einrichtung erschien. Dies hatte allerdings auch zur Folge, dass in der Wahrnehmung der Untertanen auch missliebige staatliche Maßnahmen in erster Linie mit den Herrschaftsbeamten, die sie auszuführen hatten, verbunden wurden.

Die herrschaftlichen Beamten hatten ebenso wie die der Kreisämter einen schlechten Ruf, sie galten als korrupt und bestechlich, und es kamen – wohl begünstigt durch die geringe Besoldung – auch tatsächlich viele derartige Delikte vor.

Es finden sich dazu in den Herrschaftsakten zahlreiche Belege, zum Beispiel ÖStA, HHStA, FA Auersperg, Karton B-23-30, Prozesse der Herrschaft mit Beamten, 1805–1846; Liechtenstein - The Princely Collections (Hausarchiv Liechtenstein Wien), Karton H 784, Akten zur Veruntreuung, 1840. Außerdem vgl. Kudlich: Rückblicke, Bd. 1, S. 46, 49. Zur Veruntreuung bei den Kreisamtsbeamten vgl. Heindl: Gehorsame Rebellen, S. 46. Weiters vgl. Winkelbauer: »Haklich«, S. 99-102.

In den zeitgenössischen Theaterstücken werden die Herrschaftsbeamten regelmäßig in einem ungünstigen Licht dargestellt,

Brusatti: »Stellung«, S. 508.

besonders nachdrückliche Beispiele von Willkür und Überheblichkeit der Herrschaftsbeamten finden sich auch in der politischen Memoirenliteratur. So berichtet Hans Kudlich, dass auf der schlesischen Herrschaft Jägerndorf (Krnov) »der Bauer Hanel« noch knapp vor 1848 fünf kräftige Stockstreiche erhalten habe, weil »er in der geheiligten Nähe des Patrimonialbeamten Franz Ohnhäuser beim Ackern unter Geräusch respectswidrigen Gasen den Abzug erlaubt hatte«.

Kudlich: Rückblicke, Bd. 1, S. 51.

Es lässt sich nur schwer prüfen, ob solche Vorkommnisse generalisierbar sind, weil die Beschwerdeakten einerseits nur normabweichendes Verhalten und nicht die alltägliche Praxis wiedergeben und andererseits wohl viele alltägliche Übergriffe nicht aktenkundig wurden. Drakonische Bestrafungen für Beamtenbeleidigungen finden sich jedenfalls häufig in den Quellen,

Zum Beispiel NÖLA, Kleinere Herrschaften, Karton 4, Nr. 11, »Schwerer Polizey Uibertrettungs-Act in betreff des Joseph Arninger, Genzlehner in Kleinwatzdorf wegen dem dißherrschaftlichen Oberbeamten und Gerichtsdiener zugefügten Ehrenbeleidigungen«, 9.12.1809; »Schwerer Polizey Uibertrettungs-Act des Johann Monschein, Joseph Sauberer, Philipp Seidl, Franz Engelmayer und Karl Schober sämtlich von Rohrbach wegen dem Ortsrichter von Rohrbach Joseph Frey zugefügter Ehrenbeleidigung«, 3.4.1813. Mehrere Fälle auch in ÖStA, AVA, Inneres HK Allgemein A, Karton 1253, Misshandlung von Untertanen, 1793–1848.

ebenso wenig fehlt es an Belegen dafür, dass die Unterdrückung von Untertanen durch Herrschaftsbeamte durchaus ein strukturelles Phänomen war. Eine anonyme Eingabe eines »patriotischen Landsbeamten in einer Gebürgsgegend in Oesterreich ob der Enns«, der offenbar keine unmittelbaren Interessen verfolgte, weil er niemand direkt beschuldigte, listet beispielsweise zahlreiche, in seiner Gegend allgemein verbreitete Missstände auf, die mehrere Bereiche der grundherrschaftlichen Verwaltungstätigkeit betrafen, beispielsweise die Bemessung der Richteramtstaxen, die Einteilung zu Vorspanndiensten oder die Einhebung von Abgaben.

ÖStA, AVA, Inneres HK Allgemein A, Karton 1253, »Unterthänigste Anzeige verschiedener Unterthansbedrükungen in Österreich ob der Enns von einem ungenannten patriotischen Beamten«, 1.5.1793.

Das Narrativ, dass es sich bei den Herrschaftsbeamten um die eigentlichen Unterdrücker handle, scheint jedenfalls allgemein verbreitet gewesen zu sein.

Brusatti: »Stellung«, S. 508.

Es gibt zeitgenössische Berichte, wonach Herrschaftsbeamte versuchten, die Kreisbeamten mit Geschenken, Einladungen und dergleichen zu bestechen,

Kudlich: Rückblicke, Bd. 1, S. 46; vgl. Heindl: Gehorsame Rebellen, S. 46.

im Allgemeinen konnten die Untertanen bei Beschwerden an das Kreisamt aber – so zumindest der Befund für Niederösterreich – mit guten Erfolgsaussichten bei kurzer Bearbeitungszeit rechnen,

Karl Grünberg: Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien, 2 Bde., Leipzig 1893–1894, hier Bd. 1, S. 362.

wenngleich sich in den Quellen auch Ermahnungen der Zentralbehörden wegen großer Rückstände bei der Behandlung der Untertanenbeschwerden finden.

ÖStA, AVA, Inneres HK Allgemein A, Karton 1253, Dekret an sämtliche Landesstellen bezüglich Untertanenbeschwerden, 20. 8. 1812.

Nach Ansicht der niederösterreichischen Stände trafen die Kreisämter vielfach sogar gesetzeswidrige Entscheidungen zugunsten der Untertanen.

Bibl: Stände, S. 137–141; vgl. auch S. 107-128.

Jedenfalls schufen die Untertanenbeschwerden eine Nachfrage nach Entscheidungen der staatlichen Behörden, die dadurch in die Lage versetzt wurden, in lokale Verhältnisse regulierend einzugreifen, womit der Staatsbildungsprozess einen bedeutenden Impuls seitens der Untertanen erhielt.

Vgl. Stefan Brakensiek: »Einleitung: Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit«, in: Stefan Brakensiek / Corinna von Bredow / Birgit Näther (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014, S. 9–24, hier S. 15.

Als Beispiel für eine erfolgreiche Untertanenbeschwerde gegen herrschaftliche Amtsträger sei ein Vorfall angeführt, der sich im Jahr 1822 auf der böhmischen Herrschaft Wodierad (Polní Voděrady) zutrug. Der dortige Amtsverwalter Alois Cypraz hatte den 17-jährigen Wenzel Baurek wegen des Verdachts auf Wilddiebstahl eigenmächtig verhört, obwohl er dazu nicht befugt war, weil er die vorgeschriebene Prüfung nicht absolviert hatte. Auf Basis der von Cypraz angefertigten Akten wurde der junge Mann vom Justiziar der Kreisstadt Kauržim (Kouřim), Alois Holly, ohne weitere Einvernahme zu einem 24-stündigen Arrest und zehn Stockhieben verurteilt. Der Justiziar hatte dabei sowohl gegen die Bestimmung, dass Untersuchungen nur von befugten Personen vorgenommen werden dürfen, als auch gegen die Norm verstoßen, dass bei der Strafbemessung das Alter und der Gesundheitszustand des Angeklagten zu berücksichtigen seien. Beide Beamten wurden nach einem längeren Verfahren zu sechstägigen Arreststrafen verurteilt, wobei sich auch das Kreisamt Verfahrensfehler zu Schulden kommen ließ, weil es die beiden Beamten bestrafte, ohne sie angehört zu haben.

ÖStA, AVA, Inneres HK Allgemein A, Karton 1253, »Bericht des böhmischen Guberniums an die Hofkanzlei«, 15. 9. 1821, und weitere beiliegende Akten.

Das Verhältnis zwischen den staatlichen Kreisämtern, Grundherrschaften und Untertanen ist von Corinna von Bredow als institutionalisierte Dreieckskommunikation beschrieben worden. Demnach konnte »durch die Präsenz des Kreisamtes vor Ort und aufgrund der stetigen Kommunikationsprozesse mit betroffenen Untertanen ein Drohpotential gegenüber den lokalen Amtsträgern aufgebaut und erhalten werden«.

Bredow: »Kreisämter«, S. 36.

In etlichen Fällen trifft dieser Befund zweifellos zu, tendenziell scheint das Konzept aber zu stark auf Konflikte zu fokussieren, die als Rechtssache beim Kreisamt anhängig wurden. Angesichts der geringen Anzahl verhandelter Fälle spricht aber sehr viel dafür, dass die Kreisämter in alltäglichere Konflikte zwischen Untertanen und Grundherrschaften nicht einbezogen wurden, was sowohl die Wirkmächtigkeit des Drohpotenzials als auch jene der Kommunikationsprozesse relativiert. So gab es im Jahr 1781 im niederösterreichischen Kreisamt ober dem Wienerwald pro Monat rund fünf Gesuche von Untertanen,

Bredow: »Kreisämter«, S. 29.

was bei ungefähr 33.000 Untertanenstellen und 193.000 Einwohnern

Klein: Ortslexikon, online unter: https://www.oeaw.ac.at/vid/research/research-groups/demography-of-austria/historisches-orts-lexikon/ (21. 5. 2016): Niederösterreich, Teil 1, S. 5.

nicht für einen stetigen Kommunikationsprozess des Kreisamtes mit einem relevanten Teil der Untertanen spricht. Die direkte Kommunikation zwischen Untertanen und Kreisämtern war nämlich nur punktuell, die staatlichen Kreisämter hatten zwar als Kontrollbehörden den Umgang der Herrschaften mit den Untertanen zu überwachen und Missstände abzustellen, in unmittelbaren Kontakt mit den Untertanen selbst traten sie aber üblicherweise erst im Falle einer Beschwerde, als Rekurs- und Appellationsinstanz oder wenn die Grundherrschaft militärische Assistenz anforderte.

Der Großteil der Prozesse zur Aushandlung von Herrschaft

Vgl. Stefan Brakensiek: »Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Praktiken lokaler Justiz, Politik und Verwaltung im internationalen Vergleich«, in: Stefan Brakensiek / Heide Wunder (Hg.): Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa, Köln 2005, S. 1–21.

fand im Alltag zwischen Untertanen und grundherrschaftlichen Beamten ohne Beteiligung des Kreisamtes statt, sei es nun im Rahmen der herrschaftlichen Verwaltung im engeren Sinne, zum Beispiel bei der regelmäßigen Einhebung der Abgaben und der Abforderung der Robot, oder bei den Polizei- oder Gerichtshandlungen, die im Auftrag des Staates vollzogen wurden. Nichtsdestoweniger fanden die Untertanen Möglichkeiten, durch Nichtkooperation die Implementation verschiedener Normen zu beeinflussen. Wenn beispielsweise die Bauern die Robotverpflichtung durch die Stellung schlechter Pferde und mangelnden Einsatz nur widerwillig erfüllten – man ging bei Robotarbeitern ungefähr von der halben Produktivität von Lohnarbeitern aus –,

Milan Myška: »Der Adel der böhmischen Länder. Seine wirtschaftliche Basis und ihre Entwicklung«, in: Armgard von Reden-Dohna / Ralph Melville (Hg.): Der Adel an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters 1780–1860, Stuttgart 1988, S. 169–189, hier S. 177; Werner Stark: »Niedergang und Ende des landwirtschaftlichen Großbetriebs in den böhmischen Ländern«, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 146 (1937), S. 416–449.

dann war das ein probates und häufig angewandtes Mittel, die eigenen Interessen gegenüber der Herrschaft durchzusetzen. Trotzdem führten solche Fälle in der Regel nicht zu Verfahren vor dem Kreisamt, dieses wurde seitens der Grundherrschaften erst eingeschaltet, wenn tatsächliche Robot- oder Abgabenverweigerung vorlag.

Verschiedene Fälle von Robot- und Abgabenverweigerung in ÖStA, AVA, Inneres HK Allgemein A, Karton 1253, Misshandlung von Untertanen, 1793-1848.

Darüber hinaus gab es auch Konstellationen, in denen der vom Staat geschaffene vertikale Verwaltungsaufbau das Entstehen einer Dreieckskommunikation grundsätzlich kaum zuließ. Als Beispiel sei der Bau eines Mauthauses im Jahr 1790 in Kollerschlag an der Grenze zwischen Oberösterreich und dem Hochstift Passau genannt. Dieses sollte an einer günstig gelegenen Stelle, von der aus man die grenzüberschreitenden Verkehrswege überblicken konnte, errichtet werden, um den in der Grenzregion grassierenden Schmuggel zu unterbinden. Die Untertanen wehrten sich erbittert dagegen und brachten verschiedene Einwände gegen den Bau beim Pfleger der zuständigen Herrschaft Rannariedl und beim örtlichen Mauteinnehmer vor. Das Kreisamt Freistadt, dessen Sitz rund 70 Kilometer Wegstrecke entfernt lag, richtete daraufhin eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des Pflegers der benachbarten Herrschaft Götzendorf ein, die die Beschwerden der Untertanen vor Ort untersuchen sollte. Dass Herrschaften im Auftrag des Kreisamtes tätig wurden, war keine Seltenheit, es war den Kreisämtern angesichts der flächenmäßigen Ausdehnung ihrer Sprengel und ihres Personalstandes schlicht nicht möglich, alle Amtshandlungen vor Ort selbst vorzunehmen. Dass jene Herrschaftsbeamten, die von den Kreisämtern kontrolliert werden sollten, auch unmittelbar in deren Auftrag mit Vollmacht amtshandelten, stärkte deren Position zum Nachteil der Untertanen.

Bei der örtlichen Verhandlung, zu der sich auf Veranlassungen der Beschwerdeführer auch Bewohner eines benachbarten Marktes einfanden, kam es laut dem Pfleger beinahe zu Widerstandshandlungen der Untertanen. Auch der Hinweis, dass der Bau im höchsten Interesse des Staates sei, konnte auf ihre »von Zorn und Unwillen entbrante Gemüther nicht die geringste Würkung machen«. Vielmehr forderten die Betroffenen von ihm eine schriftliche Zusicherung, dass ihnen der durch den Bau entstehende Schaden ersetzt werde, und sie kündigten auch an, dass sie sich mit einer Supplikation an den Kaiser wenden würden. Für den Pfleger von Götzendorf war klar, dass die Einwände gegen den Bau vorgeschoben seien, und die tatsächliche »Triebfeder der Widersetzung« die durch das geplante Mauthaus beabsichtigte Kontrolle der Schmugglerwege sei. Er meinte außerdem, dass die Widerspenstigkeit wohl nur durch die Androhung einer Militärexekution gebrochen werden könne. Ob es dazu gekommen ist, wissen wir nicht, jedenfalls hat das Kreisamt den Bau des Hauses kurz darauf befohlen.

Der Pfleger war hier als Stellvertreter des Kreisamtes tätig, in seiner Vollmacht wurde ihm explizit aufgetragen, dass er dafür sorgen solle, dass der Bau nicht verzögert werde. Wenn man seinem Bericht Glauben schenkt, kam er dieser Anweisung auch mit Vehemenz nach. So ließ er über die Einwände der Bauern nicht einmal ein Protokoll anfertigen, weil diese ohnehin bekannt seien.

Oberösterreichisches Landesarchiv, Herrschaftsarchiv Götzendorf, Karton 33, Protokoll des Lokalaugenscheines, 25. 4. 1790; Kaufprotokoll des Grundes von Friedrich Kasberger, 28. 4. 1790; Kaufprotokoll des Grundes von Ulrich Perger, 28. 4. 1790; Bericht des Einnehmers an das Bankalgefällen-Oberamt Linz, 30. 4. 1790; Schreiben des Kreisamtes: Einsetzung der Kommission und Vollmacht für den Pfleger von Götzendorf, 10. 5. 1790; Bericht des Pflegers von Götzendorf an das Kreisamt, 17. 5. 1790; Schreiben des Kreisamtes, 7. 6. 1790; Abschrift der Relation über den Mauthausbau in Kollerschlag, 12. 6. 1790; Schreiben des Kreisamtes, 21.7. 1790.

Der Vorgang zeigt, dass in jenen Fällen, in denen die grundherrschaftlichen Beamten ein unmittelbar ausführendes Organ kreisamtlicher Anordnungen waren, der Handlungsspielraum der Untertanen gering war, es verblieb nur der kostspielige Rechtsweg über die nachgeordneten Instanzen oder eine Eskalation des Konflikts durch Widerstandshandlungen.

Besonders häufig kam es zu Widerstand in der Robotfrage, die auch im Vormärz wie schon in den Jahrhunderten zuvor einer der größten Konfliktherde zwischen Grundherrschaften und Untertanen war.

Zahlreiche Beispiele für Auseinandersetzungen um die Robot bei Georg Grüll: Bauer, Herr und Landesfürst. Sozialrevolutionäre Bestrebungen der oberösterreichischen Bauern von 1650 bis 1848, Linz 1963, S. 442–604..

Unter Joseph II. wurde die Ablöse der Robot durch Geld stark forciert.

Bruckmüller: Sozialgeschichte, S. 206f.; Grünberg: Bauernbefreiung, Bd. 1, S. 367.

Infolge der Geldentwertung während der Napoleonischen Kriege wollten viele Herrschaften diese Verträge aufheben oder anpassen,

Zum Beispiel die Auseinandersetzungen auf der niederösterreichischen Herrschaft Hadres um die Aussetzung der Robotreluition: ÖStA, AVA, Inneres HK Allgemein A, Karton 1253, Bericht der niederösterreichischen Regierung an die Hofkanzlei, 10. 9. 1822; Dekret an die niederösterreichische Regierung, 27. 9. 1822; und weitere beiliegende Akten.

was ebenso wie die nach wie vor weitverbreitete Naturalrobot zu zahlreichen Auseinandersetzungen führte, die auch kollektive Widerstandshandlungen bis hin zu einem richtigen Robotaufstand im Jahr 1821 in Mähren zur Folge hatten.Die Konfliktlösung bei derartigen Auseinandersetzungen konnte auf unterschiedliche Weise verlaufen, von einer gütlichen Einigung zwischen Untertanen und Grundherren über die Einschaltung des Kreisamtes und womöglich auch der Wiener Zentralbehörden bis hin zum Einsatz militärischer Gewalt.

Bruckmüller, Sozialgeschichte, S. 214f. Verschiedene Widerstandshandlungen in Niederösterreich bei Thomas Stockinger: Dörfer und Deputierte. Die Wahlen zu den konstituierenden Parlamenten von 1848 in Niederösterreich und im Pariser Umland (Seine-et-Oise), Wien 2012, S. 274; zu den anderen Ländern Helmut Bleiber: »Bauernbewegungen und bäuerliche Umwälzung im Spannungsfeld zwischen Revolution und Reform in Deutschland 1848/49«, in: Manfred Kossok / Werner Loch (Hg.): Bauern und bürgerliche Revolution, Berlin 1985, S. 199–220, hier S. 201f.

Im Allgemeinen wird man festhalten können, dass es situativ unterschiedliche Konstellationen im Verhältnis zwischen Untertanen, Grundherrschaften und Kreisamt gab. Im Verwaltungsalltag standen einander – auch wenn die Kreisämter als Kontrollbehörde und potenzielle Beschwerdeinstanz indirekt einen gewissen Einfluss ausübten – die grundherrschaftlichen Beamten und Untertanen gegenüber. Die Untertanen fanden hier durchaus Möglichkeiten, auf die Verwaltungspraxis Einfluss zu nehmen, wobei trotz der Tatsache, dass ein gewisses Maß an Kooperationswilligkeit der Untertanen bei der erfolgreichen Durchsetzung von Herrschaft unabdingbar war, explizit darauf hingewiesen werden sollte, dass es sich um ein höchst asymmetrisches Machtverhältnis handelte.

Eine Dreieckskonstellation ergab sich erst, wenn sich eine der beteiligten Parteien an das Kreisamt wandte und dieses aus der Position des unbeteiligten Dritten als mit Hoheitsgewalt ausgestattete Vermittlungsinstanz auftreten konnte, was in der Praxis eine Stärkung des Staates vor Ort bedeutete und für die Untertanen durchaus gute Chancen bot, sich in einem Konfliktfall durchzusetzen. In einer dritten Konstellation traten die grundherrschaftlichen Verwaltungen unmittelbar im Auftrag der Kreisämter als Ausführungsorgane staatlicher Anordnungen auf. In diesen Fällen, in denen die Machtmittel des Staates und jene der Grundherrschaften gleichzeitig wirksam wurden, waren die Möglichkeiten der Untertanen, sich gegen das Verwaltungshandeln zur Wehr zu setzen, relativ gering. Andererseits zeigt diese Konstellation auch sehr deutlich, dass der Staat in der Verwaltungspraxis aufgrund der Weitmaschigkeit der Kreisamtsorganisation auf die Grundherrschaften unmittelbar angewiesen war.

Schluss

Die Durchstaatlichung des Raumes im Rahmen der Reformen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte zu vielfältigen Eingriffen in die grundherrschaftliche Verwaltung. Durch die Einrichtung der Kreisämter wurde der Patrimonialverwaltung eine unmittelbare Kontrollinstanz übergeordnet, die grundherrschaftlichen Beamten wurden durch einen engen Regelungsrahmen selbst in den staatlichen Verwaltungsaufbau integriert, und schließlich versuchte der Staat auch punktuell, die Verwaltungsräume zu homogenisieren. Nichtsdestoweniger war die grundherrschaftliche Verwaltung in den österreichischen Ländern auch im Vormärz durch eine Fragmentierung der Herrschaftsräume und durch vielfältige Überschneidungen der Obrigkeitsgattungen gekennzeichnet. In den böhmischen Ländern waren zwar die verschiedenen Verwaltungsbereiche räumlich geschlossener, aber auch dort dominierte bei der räumlichen Einteilung die grundherrschaftliche Besitzstruktur als Ordnungsprinzip des Raumes.

Der Staat erschloss sich den Raum außerdem durch eine Intensivierung und Verdichtung staatlicher Tätigkeit sowie durch eine systematische Beschaffung von Informationen durch die Erstellung von Katastern, durch Volkszählungen und durch Mappierungsprojekte, mit denen er sich einen Zugriff auf die Ressourcen und auf die Untertanen verschaffte. Gleichzeitig wurde es erst durch die gesammelten abstrakten Informationen möglich, den Raum aus den Büros der Behörden heraus lesbar zu machen

Thomas Ellwein: Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie, Opladen 1993, S. 73f.

und diesen dem Gestaltungsanspruch des Staates zu unterwerfen.

Trotz der Tatsache, dass die grundherrschaftlichen Verwaltungsapparate hinsichtlich der Polizeimaterien und der Gerichtsbarkeit de facto in den staatlichen Behördenaufbau integriert waren, blieben sie eine von den Grundherren besoldete Auftragsverwaltung, die besonders in der Außenwirkung als patrimoniale Einrichtung erschien. Insofern ist das einleitende Zitat von Hans Kudlich, wonach der Staat im Denken der Untertanen kaum eine Rolle spielte, durchaus nachvollziehbar. Dies hing auch damit zusammen, dass sich die alltägliche Verwaltung – auch wenn es sich um staatliche Agenden handelte – vor allem zwischen grundherrschaftlichen Beamten und den Untertanen abspielte. Erst wenn in Konfliktsituationen eine der Parteien das Kreisamt anrief, trat mit diesem eine unmittelbar staatliche Einrichtung als vermittelnde Instanz auf den Plan, wobei durch dieses Eingreifen der Staatsbildungsprozess eine Legitimation erfuhr. Andererseits gab es aber auch Konstellationen, in denen der Staat die grundherrschaftlichen Beamten mangels eigener Mittel in Stellvertretung des Kreisamtes einsetzte, was deren Stellenwert als lokale Verwaltungsinstanz verdeutlicht.

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eISSN:
2519-1187
Language:
English