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Theory-practice transfer in health care - by scientific reflection of occupational area to care experts / Theorie-Praxis-Transfer in der Gesundheitsversorgung – durch wissenschaftliche Berufsfeldreflexion zum Versorgungsexperten


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EINLEITUNG

Die Akademisierung der praktischen Gesundheitsberufe ist seit einigen Jahren ein zu beobachtender Trend. Insbesondere von politischer Seite gefordert, haben sich Hochschulen und Universitäten aufgemacht, akademische Weiterbildungen und auch ganze Studiengänge für die Gesundheitsbranche zu entwickeln. Es entsteht der Eindruck, dass Entwicklungslinien der Akademisierung im Gesundheitsbereich gesichert und gewiss sind. Doch sowohl die praktische Gesundheitswirtschaft als auch die diesbezügliche Wissenschaft stehen in diesem Feld der Akademisierung vor großen Herausforderungen.

So muss die Praxis Arbeitsfelder in der Patientenversorgung definieren, die es bislang in dieser Form noch nicht gab. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das noch nicht definierte und ausgestaltete praktische Berufsfeld von akademisierten Pflege- und Therapiekräften. Hier sind Fragen zum genauen Berufsprofil offen, die aber heute schon mit Akademikern praktisch ausgefüllt werden sollen. Die Hochschulen und Universitäten stehen gleichermaßen vor der Herausforderung, für ein noch nicht definiertes Berufsfeld zu qualifizieren. Die Wissenschaft hat die Fragen nach den genauen Inhalten und der Abgrenzung akademisierter Gesundheitsberufe zu anderen, seit langem etablierten Tätigkeitsbereichen in der Patientenversorgung zu beantworten und weiterführend zukünftigen Entwicklungen aufzuzeigen. Hier erwächst der Bedarf nach einer weitergehenden Arbeitsforschung in den akademisierten, praktischen Gesundheitsberufen. Der in diesem Beitrag vorgestellte Ansatz kombiniert die Weiterqualifizierung mit der Arbeitsforschung im Berufsfeld. Ziel ist es, Weiterbildungsmodule zu konzipieren, bei denen das praktische Arbeitsfeld mit den jeweiligen Inhalten der Module systematisch in Bezug gesetzt wird. Grundlage hierzu sind didaktische Ansätze der Theorie-Praxis-Relation aus dualen Studiengängen. Zentrales Instrument ist eine reflexionsorientierte Fallstudie, die von den Teilnehmern der Weiterbildung für jedes Modul erstellt wird, in der die Teilnehmer theoriebasierte Inhalte des Moduls aufgreifen und dazu nutzen, ihr jeweiliges praktisches Arbeitsfeld mit der fachlichen Perspektive des Moduls zu reflektieren. Die Teilnehmer werden so zu Praxisforschern und die Weiterbildung gleichzeitig zu einer wissenschaftlichen Berufsfeldreflexion, aus der die Praxis Impulse zur Weiterentwicklung erhält.

HERAUSFORDERUNGEN DER AKADEMISIERUNG DER GESUNDHEITSBERUFE

Der demografische Wandel und die (dadurch bedingten) Veränderungen der Mortalität und Morbidität der Gesellschaft, der deutlich werdende Wandel der Versorgungsbedarfe sowie die zunehmende Technisierung der Gesundheitsversorgung indizieren eine weitere Komplexitätssteigerung in der Gesundheitsbranche. Um den Herausforderungen der Komplexitätszunahme zu begegnen, müssen die bisher zugeschriebenen Kompetenzen der jeweiligen Gesundheitsberufe überdacht und neue Berufsprofile entwickelt werden. Umgestaltungen in den Versorgungsstrukturen, Veränderungen des Qualifikationsmix beim Personal in den Gesundheitsberufen und eine stärkere Vernetzung verbunden mit einer multiprofessionellen Zusammenarbeit sind zu erwarten (Robert Bosch Stiftung 2013, S. 2). So stellt der deutsche Wissenschaftsrat (Wissenschaftsrat 2012, S. 30) fest, dass für die Frage nach den künftig erforderlichen personellen Ressourcen nicht der Ersatzbedarf infolge der Alterung des derzeitigen Personals, sondern der durch den demografischen und epidemiologischen Wandel sowie den medizinischen Fortschritt entstehende Mehrbedarf an Versorgungsleistungen entscheidend ist. Dabei wirken die akademischen Berufe in einem prinzipiell auf allen Ebenen arbeitsteilig organisierten Gesundheitswesen zusammen, wobei die Frage der Aufteilung von Aufgaben und Verantwortungen im Gesundheitswesen von Rechtsunsicherheiten geprägt ist. Allerdings ist neben der Komplexität der Versorgungsaufgabe insbesondere die Qualifikation der Berufe und ihrer einzelnen Angehörigen maßgebend für die im juristischen Einzelfall zu klärende Frage, ob eine Aufgabe von Beschäftigten der Gesundheitsfachberufe und gegebenenfalls mit welchen Sorgfaltspflichten für die Ärztinnen und Ärzte übernommen werden kann oder nicht. Die Qualifikation kann vor diesem Hintergrund als wesentlicher Treiber betrachtet werden, um andere Berufe – auch rechtlich – vermehrt in die Lage zu versetzen, Aufgaben der Gesundheitsversorgung eigenständig zu übernehmen (Wissenschaftsrat 2012, S. 33 f.).

Die in den letzten Jahrzehnten stark angestiegene Komplexität in der Gesundheitsversorgung hat dazu geführt, dass sich zum einen die einzelnen Berufe weiter ausdifferenziert und sich daraus zum anderen neue Anforderungen an die Fähigkeiten zur Reflexion des eigenen Handelns und – damit stark zusammenhängend – an die Fähigkeiten zur beruflichen Zusammenarbeit entwickelt haben (Wissenschaftsrat 2012, S. 42). In den anglo- amerikanischen Ländern wird schon seit geraumer Zeit in diesem Zusammenhang auf die Ausbildung so genannter „reflective practitioners“ hingewiesen (Schön 1983). Stattgefundene Entwicklungen in den Gesundheitsfachberufen in Deutschland firmieren häufig unter dem Begriff der „Akademisierung“. Diese Entwicklung wird oft vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Berufsqualifizierung betrachtet. Darüber hinaus umfasst der mit der Akademisierung verbundene Prozess der wissenschaftlichen Disziplinbildung auch den Auf- und Ausbau von eigenständiger Forschung und – damit eng verbunden – von wissenschaftlichen Karrierewegen (Wissenschaftsrat 2012, S. 65). Dabei steht nicht nur die Grundlagenforschung im Fokus, sondern gerade auch die anwendungsorientierte Forschung. So hebt der Gesundheitsforschungsrat das Erfordernis hervor, die pflege-, therapie- und hebammenwissenschaftlichen Forschungspotenziale stärker zu nutzen. Mit Blick auf die Herausforderungen für die künftige Gesundheitsversorgung wird dabei insbesondere die anwendungsorientierte Forschung hervorgehoben. Die Evidenzbasierung pflegerischer, therapeutischer und geburtshelferischer Interventionen (Translationsforschung), die systematische Überprüfung des Nutzens derselben (Klinische Forschung) und etwaige, darauf basierende Überführungen in die Routineversorgung (Versorgungsforschung) werden in den Vordergrund gestellt (Ewers et al., 2012, S. 29 f.; Wissenschaftsrat 2012, S. 67).

Vor diesem Hintergrund hält es der Wissenschaftsrat (Wissenschaftsrat 2012, S. 78) für erforderlich, dass künftig auch ein Teil der Angehörigen der Gesundheitsfachberufe in die Lage versetzt wird, ihr eigenes pflegerisches, therapeutisches oder geburtshelferisches Handeln auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis zu reflektieren, die zur Verfügung stehenden Versorgungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Evidenzbasierung kritisch zu prüfen und das eigene Handeln entsprechend anzupassen. Die gewachsene Komplexität erfordert vermehrt so genannte reflective practitioners. Ebenfalls an Bedeutung gewinnt die Fähigkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit in multidisziplinären Teams. Mit Blick auf die mittel- und langfristige Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe weist der Wissenschaftsrat (2012, S. 79) darauf hin, dass die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe sich nicht in der Einrichtung neuer Studiengänge erschöpfen kann. Hochschulische Qualifizierungswege in den Gesundheitsversorgungsberufen sind durch Elemente einer interprofessionellen Ausbildung so zu verzahnen, dass eine angemessene Vorbereitung der Absolventinnen und Absolventen auf eine Tätigkeit in der stark arbeitsteilig und kooperativ organisierten Gesundheitsversorgung gewährleistet werden kann. Für die Bildung eigenständiger wissenschaftlicher Disziplinen ist darüber hinaus auch der Auf- und Ausbau genuiner, von anderen Disziplinen hinreichend abgrenzbarer Forschung unabdingbar.

Anstatt nun Forschung und Berufspraxis zu trennen, soll im Folgenden ein Ansatz aufgezeigt werden, wie die Akademisierung der Praktiker im bereits mehrfach zitierten Sinne des reflective practitioners mit einer anwendungsorientierten Forschung im Berufsfeld der Gesundheitsversorgung verbunden werden kann. Ziel ist es, ein Konzept der akademischen Weiterbildung aufzuzeigen, das

die Hemmschwelle zum Einstieg in Akademisierungsprozesse für Personen aus den Gesundheitsfachberufen reduziert,

eine systematische Kompetenzentwicklung gewährleistet (Kompetenzrahmen),

den Praktikern ermöglicht, reale Probleme aus der Praxis in den Prozess einzuspielen (Reflexion der erlebten Praxis),

ermöglicht, Problemlösungsansätze zu entwickeln und diese in ihrer Wirkung zu analysieren,

die Kompetenzentwicklung der Praktiker vom Übergang der beruflichen in die akademische Ausbildung unterstützt,

weiterführend für den Bachelor- und Masterbereich anwendbar ist,

darüber hinaus im Sinne eines praxisbasierten, akademisierten Lernprozesses „lebenslang“ umsetzbar und für eine Beteiligung der akademisierten Praktiker attraktiv ist,

eine Verzahnung von Qualifizierungswegen ermöglicht,

die nachhaltige Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis systematisiert und auf personaler Ebene individualisiert (Versorgungsexperte) und

die systematische Forschung in den jeweiligen Berufsfeldern unterstützt.

DUALE UND (ECHTE) BERUFSBEGLEITENDE STUDIENGÄNGE ALS KONZEPTIONELLER GRUNDRAHMEN

Das Angebot an dualen Studiengängen ist seit den ersten Initiativen der Kombination einer betrieblichen mit einer wissenschaftsorientierten, akademischen Bildung in den siebziger Jahren stark angewachsen. Insbesondere in den letzten Jahren ist ein rasantes quantitatives Wachstum zu erkennen. „Duale Studiengänge sind nicht nur weiterhin „in“, das Angebot wird auch immer vielfältiger. Das große Interesse bei Jugendlichen, Betrieben sowie (Fach-)Hoch- schulen und Berufsakademien an dieser Ausbildungsform, die hohen Praxisbezug mit wissenschaftlichem Anspruch verknüpft, ist ungebrochen.“ (Bundesinstitut für Berufsbildung BiBB, 2015).

Wesentliches übergeordnetes Merkmal dualer Studiengänge ist die Integration von mindestens zwei Lernorten in das Studium: die Hochschule bzw. Berufsakademie und einen Lernort Betrieb (je nach Studienrichtung Unternehmen unterschiedlicher Branchen, Sozial-, Gesundheits-, Pflegeeinrichtungen etc.). Dabei ist die Hochschule der wissenschaftlichen Erkenntnis und zumindest im Falle von Universities of Applied Sciences der wissenschaftlich korrekten anwendungsorientierten Aufbereitung der Erkenntnisse verpflichtet, während der Betrieb auf die praxistaugliche Anwendung von Wissen und Fertigkeiten in verbindlichen Handlungsstrukturen orientiert ist. Die Verzahnung dieser beiden unterschiedlichen Perspektiven und ihre Relation bilden den eigentlichen Kern des dualen Studiums (Arens- Fischer et al. 2011).

Das starke Wachstum des Angebots an dualen Studiengängen weist auf ein zunehmendes Engagement der Arbeitgeber hin, bereits während des Studiums einen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses zu leisten. Das in den letzten Jahren stark gewachsene Angebot an dualen Studiengängen in der Pflege kann als ein entsprechender Beleg gewertet werden. Das Beispiel der Ausbildung akademisierte Pflegekräfte ist beeindruckend, da man es hier mit einer „doppelten Unsicherheit“ zu tun hat: Zum einen ist das Berufsfeld von akademisierten Gesundheitskräften in der Praxis noch nicht vollumfänglich definiert und ausdifferenziert. So sind die Arbeitsplätze und das Arbeitsumfeld sowie die betriebliche Organisation noch nicht gestaltet und definiert. Zum anderen scheinen die Pflegekräfte selbst verunsichert zu sein, da sie ihr genaues Tätigkeitsspektrum noch nicht kennen und zudem die Kompetenzen der akademisierten Pflegekräfte nicht im Bereich des Transfers und der Mitgestaltung von Veränderungsprozessen liegen. Trotzdem erfreuen sich die dualen Studienangebote sowohl seitens der Studieninteressierten als auch seitens der Einrichtungen in der Pflegeversorgung großer Nachfrage und deuten darauf hin, dass das Berufsfeld für neue Qualifikationen und berufliche Tätigkeiten veränderungsfähig ist.

Es werden drei unterschiedliche Formate des dualen Studiums unterschieden (Wissenschaftsrat 2013, S. 9). Bei ausbildungsintegrierenden Studiengängen ist eine Berufsausbildung (gemäß Berufsbildungsgesetz) systematisch im Studiengang angelegt. Es gibt eine strukturell-institutionelle Verzahnung von Studium und Ausbildung (organisatorisch, durch Kontakt von Hochschule, Praxispartner und ggf. den Berufs- oder Fachschulen als einem dritten Kooperationspartner im dualen Studium) sowie eine Anrechnung von Teilen der Ausbildung als Studienleistungen. Dieses Studienformat kommt ausschließlich im Bachelorbereich zur Anwendung.

Bei praxisintegrierenden Studiengängen sind Praxisanteile systematisch und in größerem Umfang gegenüber nicht dualen Studiengängen mit obligatorischen Praktika im Studium angelegt und mindestens strukturellinstitutionell mit dem Studium verzahnt (organisatorisch, durch Kontakt von Hochschule/Berufsakademie und Praxispartner). Es gibt eine Anrechnung der Praxisanteile als Studienleistungen. Dieses Format wird im Bachelor-und Masterbereich angewandt.

Berufsintegrierende Studiengänge sind als Voll- oder Teilzeitstudium konzipiert, das mit einer fachlich verwandten Berufstätigkeit verbunden ist und einen gestalteten Bezugsrahmen bzw. inhaltliche Verzahnungselemente von Studium und Beruf aufweist. Der Arbeitgeber ist über die Studienaufnahme informiert und tauscht sich über die Inhalte regelmäßig mit der oder dem Studierenden aus. Berufsintegrierende Studiengänge finden Anwendung im Bachelor- und Masterbereich (Wissenschaftsrat 2013, S. 9).

Um duale Studiengänge von einer normalen Berufsausbildung einerseits und ausbildungs-, praxis- und berufsbegleitenden Studiengängen andererseits eindeutig abzugrenzen, müssen duale Studiengänge drei konstitutive Dimensionen erfüllen (Wissenschaftsrat 2013, S. 25): Es muss eine strukturell-institutionelle Beziehung der Lernorte Hochschule und Praxiseinrichtung vorliegen, der wissenschaftliche Anspruch muss gewährleistet sein und der Praxisbezug muss kontinuierlich z.B. durch eine entsprechende Theorie-Praxis-Relation sichergestellt werden.

„Die als begleitend bezeichneten Studienangebote (ausbildungsbegleitend, praxisbegleitend und berufsbegleitend) erheben nicht den Anspruch, beide Lernorte systematisch und curricular zu verzahnen, es werden keine Kooperationsverträge zwischen Hochschule und Praxispartner vorausgesetzt und die Praxisphasen nicht durch die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer betreut. Mitunter sind die Arbeitgeber nicht einmal über das Studium ihrer Auszubildenden bzw. Angestellten informiert“ (Wissenschaftsrat 2013, S. 8). Diese Beschreibung begleitender Angebote grenzt diese deutlich von integrierenden ab.

Der mitunter festzustellende Fall der mangelnden Information der Arbeitgeber über das Studium von Mitarbeitern ist insofern für die Gestaltung begleitender Studienangebote bedeutsam, als im Studium von den Studierenden dann nicht erwartet werden darf, dass sie in Referaten oder Projektarbeiten Bezüge zu ihrem jeweiligen Arbeitsfeld und -umfeld des arbeitgebenden Betriebs herstellen. Dieses würde gegen arbeitsrechtliche Bedingungen verstoßen. Insofern könnte es hilfreich sein, in begleitende und nebentätige Studienangebote zu unterscheiden – also beispielsweise in berufsbegleitende und nebenberufliche Studiengänge. Danach würden begleitende Angebote zum einen eine fachlich-inhaltliche Nähe zwischen Studium und praktischem Tätigkeitsfeld und zum anderen das Einverständnis des Arbeitgebers zur Nutzung des betrieblichen Tätigkeitsfeldes als Bezugsgrundlage für Aufgaben im Studium bedingen, ohne dass eine weitergehende Förderung oder Betreuung seitens des Arbeitgebers notwendig wird. Nebentätige Angebote würden keine inhaltliche Nähe erfordern und bedürfen auch nicht der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber.

Aber gerade die relationale Bezugnahme von Wissenschaft und Praxis ist für das hier zu konzipierende Konzept der Versorgungsexperten von Bedeutung, so dass im Folgenden integrierende und in diesem Sinne „echte“ begleitende Studienkonzepte zu Grunde gelegt werden. Die Betreuung solcher Studienformate stellt auch an die betreuenden Stellen höherwertige Anforderungen, um die Hemmnisse für den Übergang von der beruflichen in die akademische Qualifizierung abzubauen (Arens-Fischer et al. 2015).

KOMPETENZRAHMEN

Die oben definierten Merkmale greifen die besondere Situation dualer und (echter) berufsbegleitender Studiengänge auf, indem sie die Verknüpfung der Lernorte (Hochschule und Versorgungseinrichtung) und weiterführend den wissenschaftlichen Anspruch einerseits und den Praxisbezug des Studiums andererseits als prägend herausarbeiten. Dabei kann die wissenschaftliche Verpflichtung zur Erkenntnisorientierung im Studium durchaus als ein Spannungsfeld zu alltagstauglichen Anforderungen der Arbeits-, Zeit- und Verfahrensökonomie empfunden werden (BMBF 2010, S. 48). Dies wird auch empirisch dadurch indiziert, dass im (subjektiven) Urteil von am dualen Studium beteiligten Unternehmen die Kompetenzen von Absolventinnen und Absolventen dualer im Vergleich mit denen „klassischer“ Studiengänge in Bezug auf das berufspraktische Wissen deutlich stärker, aber hinsichtlich des theoretischen Fachwissens eher schwächer ausfallen (Kupfer 2013, S. 27). Für die Entwicklung entsprechender Studien-/ Weiterbildungskonzepte ist es also wesentlich, den wissenschaftlichen Anspruch des dualen und berufsbegleitenden Studiums auch im Outcome des Kompetenzspektrums sicherzustellen.

Im Rahmen dieses Beitrags liegt der Fokus auf den individuellen und personengebundenen Kompetenzen, die formeller oder informeller Natur sein können. Bei informell erworbenen Kompetenzen handelt es sich um nicht zertifizierte Handlungsdispositionen, die Gegenstand der beruflichen Qualifikationstrajektorie sind und keinen genuin akademischen Background aufweisen. Das Ziel des hier fokussierten Studienmodells soll es daher sein, diese nicht zertifizierten, praxisbasierten Handlungsdispositionen reflektierbar und auch für die formale Kompetenzentwicklung anschlussfähig zu machen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist ein Umdenken in der Rolle einer Hochschule anzustreben, das sich in einer engeren Dialogführung zwischen praktischer und akademischer Kompetenzentwicklung manifestiert. Statt diese institutionell und rechtlich zu separieren, wird auch in dualen Studiengängen der Akzent auf die Verzahnung beider Hemisphären der Kompetenzentwicklung mit einer entsprechenden Studierenden- und Unternehmensbetreuung gelegt.

Um nun die spezielle Situation dualer Lehr-Lern-Arrangements abzubilden, wird sich der weithin akzeptierten Grundanschauung angeschlossen, wonach Kompetenzen nicht beliebige Handlungsfähigkeiten in allen nur erdenkbaren Lern- und Handlungsgebieten (Domänen) sind, sondern solche Fähigkeiten und Dispositionen, die ein sinnvolles und fruchtbares Handeln in offenen und komplexen Situationen erlauben, die also ein selbstorganisiertes Handeln unter gedanklicher und gegenständlicher Unsicherheit ermöglichen (Erpenbeck und von Rosenstiel 2007, S. XI). Weiterführend wird einem akademisch bzw. wissenschaftlichen Kompetenzverständnis der Hochschulbildung durch Betonung der Erkenntnisorientierung gefolgt, indem ein systematisches, methodenkritisches sowie theorie- und erkenntnisgeleitetes Herantreten an theoretische und praktische Situationen im Bewusstsein der Vorläufigkeit von Erkenntnis, verbunden mit der Selbstorganisation und Reflexion des eigenen problemlösungs- und erkenntnisgeleiteten Handelns (Schaper 2012, S. 29), bei der Kompetenzfeststellung Berücksichtigung finden muss, um wissenschaftlichen Anspruch nachweisen zu können.

Als Kompetenzrahmen wird auf das Kompetenzmodell KoMo-Dual zurückgegriffen, das speziell für duale Studienkonzepte entwickelt wird (Arens-Fischer et al. 2016b). Dies bildet insbesondere auch das indizierte Spannungsfeld zwischen der wissenschaftlichen Verpflichtung zur Erkenntnisorientierung und der betrieblichen, praxisbasierten Handlungs-/ Nützlichkeitsorientierung ab (s. Abb. 1).

Abbildung 1

Kompetenzrahmen KoMo-Dual (Arens-Fischer et al. 2016b)

Insofern steht der Kompetenz zu wissenschaftlichem Denken und Handeln auch die Nützlichkeit als eigenständiges instrumentales Kompetenzfeld gegenüber, das die Art und Weise der Verknüpfung der beiden Lernorte Hochschule und Praxisbetrieb zur Erzielung verwertbarer Ergebnisse für den Praxisbetrieb durch den Studierenden zum Gegenstand hat. Ein wesentlicher Teil der Kompetenzentwicklung der Studierenden im dualen Studium besteht darin, die beiden Lernorte und das dort erworbene Wissen wechselseitig mit dem wissenschaftlichen und praxisbasierten Anspruch gleichermaßen aufeinander zu beziehen und daraus abgeleitete Fähig- und Fertigkeiten selbstständig und umfassend zu integrieren. KoMo-Dual ist so angelegt, dass es auch die für Akkreditierungs- und Evaluationsverfahren relevanten Anforderungen abdeckt und anschlussfähig an den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) und den Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR) ist. Die im Kompetenzmodell dargestellten Niveaustufen ermöglichen es auch, das Bachelor- vom Masterniveau zu differenzieren. So ist für das Masterniveau eine deutlich stärkere innovative Leistung zu erwarten (Arens-Fischer et al. 2016b).

THEORIE-PRAXIS-RELATION ALS GRUNDLAGE FÜR DIE VERBINDUNG VON WISSENSCHAFT UND PRAXIS

Das Kernelement und zugleich die Herausforderung dualer Studienkonzepte ist die Theorie- PraxisVerzahnung. Vereinfachend wird dieses häufig gleichgesetzt mit der Verzahnung der beiden Lernorte im dualen Studium, von denen einer, die Hochschule, eher dem Bereich „Theorie“ und der andere, die Arbeitsstätte, eher dem Bereich „Praxis“ zuzuordnen ist (MeyerGuckel et al. 2015, S. 22). Dabei wird festgestellt, dass die Verzahnung von Theorie und Praxis nicht so einfach herzustellen ist und der Einfluss der Partnerunternehmen auf die Theoriephasen an den Hochschulen und der Einfluss der Hochschulen auf die Praxisphasen in den Unternehmen/Praxiseinrichtungen nur gering ausgeprägt ist (Hähn 2015, S. 42 f.).

So wird es als Hindernis einer gelingenden Kooperation gesehen, dass Hochschule und Berufspraxis aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen (Wissenschaft/Bildung und Wirtschaft/Verwaltung) zwei ebenso unterschiedlichen Funktionslogiken folgen (Kupfer et al. 2014, S. 19 f.), in der die Hochschule der wissenschaftlichen Freiheit folgt und die Praxispartner eher darauf bedacht sind, die Studierenden in die regulären Betriebsabläufe einzubinden. Insofern wird die Auffassung vertreten, dass Austauschprozesse zwischen Hochschule und Partnerorganisation vor allem in informeller Form erfolgen und auf organisatorischer Ebene begrenzt bleiben und lediglich die Studierenden selbst als die integrierende Instanz zur Verknüpfung der Lernorte auf inhaltlicher Ebene verbleiben (Meyer-Guckel et al. 2015, S. 22 f.).

Diesen eher als Schwäche dualer Studienkonzepte herausgearbeiteten Merkmalen kann hier nicht gefolgt werden, sondern sie werden im Gegensatz gerade auch als zentrale Stärke verstanden.

Die Zugehörigkeit der beiden Partner, Hochschule und Praxiseinrichtung, zu unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen mit ihrer Verpflichtung zu unterschiedlichen Funktionslogiken weist auf das oben bereits dargestellte Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse (Erkenntnisorientierung) und betrieblichem Nützlichkeitsinteresse (Handlungsorientierung). So kann die Hypothese vertreten werden, dass gerade aus diesem Spannungsfeld die Kompetenzentwicklung positiv befördert wird (Arens-Fischer et al. 2016b). Auch die zentrale Stellung der Studierenden als integrierende Instanz in der Verbindung von Theorie und Praxis kann im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung nicht kritisch verstanden werden. Würde insbesondere in ausbildungsintegrierenden Studiengängen das praktische Lernen im Praxisbetrieb quasi 1:1 abgestimmt sein auf Vorlesungsinhalte im Studium, hieße das, dass im Unternehmen neben dem operativen Anpassungslernen der Betriebsabläufe lediglich ein Üben und Veranschaulichen der praktischen Umsetzung einzelner Vorlesungselemente im Vordergrund stehen würde. Hier darf die Frage gestellt werden, ob das denn in Einklang mit einem akademischen Kompetenzverständnis zu bringen ist und nicht eher einer klassischen Berufsausbildung entspricht. Und gerade für berufsintegrierende Studienkonzepte mit berufstätigen Personen als Zielgruppe wäre dieses Verständnis von Theorie-Praxis-Vernetzung wohl eher unvereinbar und darüber hinaus für eine Beteiligung der Berufspraxis nicht attraktiv.

Aus Sicht des wissenschaftlichen Kompetenzverständnisses der Hochschulbildung liegt die Betonung der Erkenntnisorientierung darin, ein systematisches, methodenkritisches sowie theorie- und erkenntnisgeleitetes Herantreten an theoretische und praktische Situationen im Bewusstsein der Vorläufigkeit von Erkenntnis, verbunden mit der Selbstorganisation und Reflexion des eigenen problemlösungs- und erkenntnisgeleiteten Handelns zu erreichen (s.o.). Duale Studiengänge eröffnen durch die Vernetzung der beiden Lernorte und des damit strukturell angelegten wechselseitigen Bezugs von Theorie und Praxis auch die Möglichkeit, wissenschaftliche Konzepte auf komplexe Anforderungskontexte der Praxis des zweiten Lernortes anzuwenden und bieten daher grundsätzlich Raum zu wissenschaftlicher Analyse, Reflexion und zur Synthese als Gestaltungsvorschläge zur Veränderung der Arbeitspraxis (Arens-Fischer et al. 2011).

In diesem Sinne bekommt der Praxisbetrieb aus wissenschaftlicher Perspektive eher den Status eines praxisbasierten Erfahrungsraumes, der mit den zur Anwendung kommenden handlungsorientierten Strukturen, Prozessen, Konzepten, Methoden und Instrumenten reflektiert werden kann und soll.

Damit ergibt sich das Ziel des Theorie-Praxis-Transfers dahingehend, dass die Studierenden das Fachwissen, das fachübergreifende Wissen und die Kompetenzen entwickeln,

um ihr jeweiliges Berufsfeld im allgemeinen und

um ihr jeweiliges berufliches Arbeitsfeld und Arbeitsumfeld (bezogen auf den Arbeitsplatz und die Organisation)

mit dessen zur Anwendung kommenden Konzepten, Methoden und Instrumenten sowie

den Entscheidungsprozessen und -strukturen auf Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit zu analysieren.

Dazu begreifen die Studierenden ihr Berufsfeld und ihr Arbeits(um)feld als wissenschaftlichen Reflexionsgegenstand und Reflexionskontext, in dem praktizierte handlungspragmatische Arbeitsregeln nur so lange Gültigkeit haben, wie sie ihre wissenschaftlich vorläufige Richtigkeit (Erkenntnisorientierung) und ihre Nützlichkeit (Handlungsorientierung) beweisen (Arens-Fischer et al. 2016a).

Um dabei der Theorie-Praxis-Relation und damit auch der Vernetzung der beiden Lernorte die systematisierende Grundlage zu geben, wird in jedem Modul der akademischen Bildung der Bezug zur Praxis eingefordert. Die Studierenden sollen die Modulinhalte nutzen, um ihre Arbeitspraxis auf Probleme hin zu analysieren. Diese sollen dann mit den Lehrinhalten bearbeitet werden. So wird eine wissenschaftliche Berufsfeldreflexion auf Grundlage der Lehrinhalte initiiert.

WISSENSCHAFTLICHE BERUFSFELDREFLEXION

Der hier vertretene Ansatz zur Akademisierung der Gesundheitsfachberufe greift das oben dargestellte duale Theorie-Praxis-Konzept direkt auf. Angestrebt wird eine Integration von akademischer Weiterbildung mit einer systematischen Reflexion des jeweilig individuellen Arbeitsfeldes und Arbeitsumfeldes der Teilnehmer/-innen auf akademischer Grundlage. Das zugrunde liegende methodisch-didaktische Konzept sieht die Bildung von akademisierten Weiterbildungsmodulen vor, in denen das Erfahrungswissen systematisch genutzt werden kann und in denen eine Reflexion des praktischen Arbeitsfeldes mit den jeweiligen Perspektiven der Lehrinhalte stattfindet.

Ziel ist es hierbei, dass sich in den Modulen praktisches und akademisches Wissen gleichberechtigt begegnen, um Arbeitsstrukturen, -prozesse, -methoden und -technologien sowohl aus wissenschaftlicher als auch handlungsorientierter Perspektive zu analysieren. Dazu ist für jedes Modul die Anfertigung einer reflexionsorientierten Transferstudie (RTS) vorgesehen, die die Studierenden auf Basis der Lehrinhalte in ihrem jeweiligen Berufsfeld mit direktem Bezug zum jeweiligen Arbeitsbereich erstellen.

In einem ersten Lernabschnitt erarbeiten sich die berufstätig Studierenden mit den wissenschaftlich Lehrenden wesentliche Lehrinhalte. Diese dienen als Basis für die Analyse des Praxisfeldes auf geeignete Themen für die RTS. Die Themenvorschläge werden mit den Lehrenden abgestimmt. In der Regel ist jedes Thema individuell. Es erfolgt dann eine weitgehend autonome Bearbeitung der praxisbasierten Fallstudie im jeweiligen Arbeitsfeld der Studierenden nach dem Standard des wissenschaftlichen Arbeitens. Dabei können die Themen unterschiedlich komplex sein. So wird eine RTS, die im Rahmen eines berufsintegrierenden/-begleitenden Bachelorstudiums bearbeitet wird, in der Regel weniger komplex sein als eine für ein Masterstudium. Die Studierenden werden während der Erstellung der RTS von der Fachstudienberatung betreut. Wesentlich ist hier die Einhaltung des wissenschaftlichen Standards in der Problembearbeitung. Die praxisbasierten reflexionsorientierten Studien enthalten in der Regel einen Analyse- und einen Syntheseteil, so dass die Studierenden auch Ansätze zur Problemlösung für ihr jeweiliges Arbeitsfeld aufzeigen. Fester Bestandteil des Moduls ist die Präsentation und der Diskurs der Arbeitsergebnisse in der Studiengruppe zusammen mit den anderen Teilnehmer/-innen und dem wissenschaftlichen Personal. Hierzu müssen die Studierenden seitens ihrer Arbeitgeber berechtigt sein, da Bezug auf Inhalte der Arbeitsorganisation genommen wird. Deshalb kann diese Form der akademischen Weiterbildung ausschließlich für berufsintegrierende und echte berufsbegleitende (im obigen Sinne) Studienformate zur Anwendung gelangen. Gelingt es den Studierenden auf wissenschaftlicher Grundlage, die Veränderungsfähigkeit ihres jeweiligen Problemhintergrundes in ihrem Arbeitskontext nachzuweisen, entstehen für die Arbeitgeber wichtige Impulse zur Weiterentwicklung ihrer Organisationen. Inwieweit diese Impulse dann im jeweiligen Arbeitsfeld tatsächlich umgesetzt werden, liegt dann in der Regel nicht nur bei den Studierenden, sondern eben auch bei den Entscheidungen der Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten. Gleichwohl wird mit diesem Ansatz ein Konzept zur gekoppelten Personal-und Organisationsentwicklung praktisch umsetzbar. Die Berufspraxis erhält wissenschaftsbasierte und praxisnahe Impulse zur Entwicklung des Arbeitsfeldes (Bottom-up) und des individuellen Arbeitsplatzes der Teilnehmenden, die sich gleichzeitig weiterentwickeln und qualifizieren. Dies wird als wissenschaftliche Berufsfeldreflexion (WBR) definiert, die sich aus der Summe der individuellen Problembearbeitungen im Zuge dieser Weiterbildungen ergibt.

Im Fokus steht hier also nicht ein klassischer Vorlesungscharakter (Lehrende – Studierende), der mit einer Klausur endet, sondern der gegenseitige Austausch, bei denen die Lehrenden in den Diskurs mit den Studierenden treten. Die Lehrenden und damit die Wissenschaft im Allgemeinen erhalten so wichtige Impulse aus der Berufspraxis, die für die weitere wissenschaftliche Reflexion zugänglich werden und wieder in die Lehrmodule eingespeist und damit Eingang in die Berufspraxis finden können. Die in die Weiterbildungsmodule eingebrachten Probleme sind somit Gegenstand der Arbeits- und Berufsfeldforschung und dienen der anwendungsorientierten, fachbezogenen Forschung. Die wissenschaftlich Lehrenden erhalten über die Beiträge der Weiterbildungsteilnehmenden eine wertvolle Datenbasis für die systematische Forschung. Durch die kontinuierliche Verzahnung von Theorie und Praxis soll ferner erreicht werden, dass sich zum einen Personen aus der beruflichen bzw. fachschulischen Ausbildung leichter wissenschaftlichen Betrachtungen öffnen und zum anderen das Modell sich als Grundlage des lebensbegleitenden Lernens auch über Bachelor-und Masterstudiengänge hinaus eignet und für die Berufstätigen zu einer kontinuierlichen Begleitung wird.

Abbildung 2

Weiterentwicklung durch die Reflexion des Berufsfeldes (Wissenschaftliche Berufsfeldreflexion)

LEBENSBEGLEITENDES LERNEN ZUR/ZUM VERSORGUNGSEXPERTIN/-EXPERTEN

Im Idealbild begleitet die Hochschule die Berufspraxis über die Weiterbildungsmodule quasi ein Berufsleben lang. Der Einstieg in dieses Modell kann direkt mit einem dualen, ausbildungsintegrierenden Studium erfolgen, ist aber auch im Anschluss an eine berufliche Erstausbildung möglich. Auch Übergangsmodule im Sinne einer propädeutischen Ausbildung können in diesem Weiterbildungssystem Eingang finden und Theorie mit Praxis im Sinne einer Relation vernetzen.

Die aufzugreifende Praxisreflexion ist dem Niveau der Ausbildung entsprechend anzupassen. Der Bachelor-und Masterabschluss sind wichtige Etappen im lebensbegleitenden Lernprozess, der aber eben nicht mit diesen Abschlüssen enden muss (s. Abbildung 3). Gleichwohl kann dieser Prozess auch immer wieder unterbrochen werden, wenn andere Ereignisse im Leben wichtiger werden.

Abbildung 3

Der lebensbegleitende Prozess des Lernens zur/zum Versorgungsexperten/in

Die akademisierten Berufspraktiker haben in dem Lehrund Diskursangebot der Hochschule einen Partner für die Reflexion von Situationen, Entwicklungen und Problemen im Arbeitskontext des Berufsfeldes. Durch diese kontinuierliche Verzahnung mit der Wissenschaft erlangen die Teilnehmenden im Verlauf Expertenstatus. Mit Experten sind Personen gemeint, die über außergewöhnliches Wissen („what they know“) und Kompetenzen („what they can do“) in einer bestimmten Domäne verfügen. Experten sind in der Lage, ihre mentalen Modelle gekoppelt mit ihrem situativen Verständnis dazu zu nutzen, Vorhersagen und Erwartungen für und an zukünftige Entwicklungen zu formulieren (Phillips et al. 2007, S. 302). Experten verfügen über eine exponierte Kompetenzstellung und verstehen sich als Dienstleister und Problemlöser im Auftrag eines Kunden, wenn diesem die Rolle eines Falls, Klienten, Patienten oder Mandanten zugewiesen wird (Rasche et al. 2012, S. 227). Mit dem Begriff des Versorgungsexperten ist hier eine Person gemeint, die in der Gesundheitsversorgung tätig ist und einen Expertenstatus erlangt hat.

Versorgungsexperten arbeiten in der Gesundheitsversorgung ihrer jeweiligen Berufe und verfügen über ein tiefgehendes Wissen. Sie verfügen über die Kompetenzen zur wissenschaftlich reflektierten Gestaltung des jeweiligen Arbeitsfeldes und zur Weiterentwicklung des Berufsfeldes. Als Experten in ihren Arbeitsfeldern erkennen sie die Veränderungsbedürftigkeit beruflicher Prozesse und Strukturen, definieren (ggf. in Kooperation mit der Hochschule) Problemfelder und generieren berufsfeldorientierte Forschungs-/Entwicklungsfragen. Das Berufsfeld wird von den Versorgungsexperten problembasiert auf Veränderungsfähigkeit analysiert. Dazu werden die erlernten Inhalte der Weiterbildung (ggf. unter Anleitung der HS) genutzt und (hypothesengeleitete) Konzept-/Modellentwicklungen für Veränderungen entwickelt. Durch die reflexionsorientierten Transferstudien werden die entwickelten Modelle und Konzepte im Arbeitsbereich der Berufspraxis exploriert. Es begegnen sich Wissenschaft und Praxis in diesen Prozessen auf Augenhöhe.

Im Rahmen dieses Kreislaufes beschäftigen sich Versorgungsexperten immer wieder mit der Reflexion von Arbeitsstrukturen, -prozessen, -methoden und -technologien und entwickeln so kontinuierlich ihren Arbeitsplatz und das Berufsfeld weiter. Durch den Diskurs mit den Vertretern/-innen der Wissenschaft erweitern sie ihre Kompetenzen weiter.

Diese systematische Integration von Forschungs- und Entwicklungsfragen in das individuelle Arbeitsfeld sollte längerfristig gedacht werden, da Lernprozesse an Hochschulen nicht immer mit einem Zertifikat oder dem Erreichen eines akademischen Grades beendet sein müssen. Sie können vielmehr lebenslang und lebenszyklen-übergreifend gestaltet sein und sind auf allen Stufen und für alle Altersgruppen zu erweitern, um so auch eine Anschlussfähigkeit an frühere oder spätere Sequenzen der Berufstätigkeit zu berücksichtigen (Hanft et al. 2015, S. 14). Sowohl für die Wissenschaftsvertreter/-innen an den beteiligten Hochschulen als auch für die Teilnehmenden aus der Berufspraxis dürfte diese wechselseitige Vernetzung nicht nur erkenntnis- und nutzensteigernd, sondern vor allem spannend sein.

eISSN:
2296-990X
Languages:
English, German
Publication timeframe:
Volume Open
Journal Subjects:
Medicine, Clinical Medicine, other