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Einführung und/oder Abschaffung von Arbeitsbüchern als Innovation.1


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Einleitung

Identifizieren, Registrieren und Kategorisieren von Personen wird in den Geschichts- und Sozialwissenschaften meist als Set an Praktiken und Technologien konzipiert, durch die, vor allem staatlicherseits, eine Beziehung zwischen Person und Staat konstituiert und dokumentiert wird und die zugleich dazu beitragen, »den Staat«, soziale Tatsachen und Kategorien der Bevölkerung, Gruppen und Personen hervorzubringen. Eine Person als Staatsbürger/in, Arbeiter/in, Steuerzahler/in, Militärpflichtigen etc. zu identifizieren, ist eine fundamentale Operation staatlicher Verwaltung.

Jane Caplan / John Torpey: Introduction, in: Jane Caplan / John Torpey (Hg.): Documenting Individual Identity. The Development of State Practices in the Modern World, Princeton 2001, S. 1–12, hier S. 1.

Mit dem Entstehen einer modernen staatlichen Sozialpolitik seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, mit neuen politischen und sozialen Rechten und Pflichten, gewann die Feststellung der Identität, der Zugehörigkeit, des Status und der Erwerbstätigkeit von Personen noch an Bedeutung.

Zu »political and social citizenship« in dem Zusammenhang vgl. Pieter M. Judson: Citizenship without Nation? Political and Social Citizenship in the Habsburg Empire, in: Contemporanea 21/4 (2018), S. 633–646.

Es wurden neue Formen und Regeln des Identifizierens und Registrierens etabliert, auch der Umfang, in dem Daten, Eigenschaften und Aktivitäten einer Person schriftlich dokumentiert wurden, nahm mit der zunehmenden Involvierung staatlicher Behörden in mannigfaltige Belange des alltäglichen Lebens und der Arbeit zu. Die Frequenz unmittelbarer bürokratischer Interaktionen stieg. Dabei handelt es sich jedoch, wie ich in meinem Beitrag zeigen werde, um keine lineare, konfliktfreie Entwicklung.

Es handelt sich dabei auch nicht um eine in dieser Form universell verbreitete oder zwangsläufige Entwicklung. Zu ignoranten Staaten vgl. etwa Dan Slater / Diana Kim: Standoffish States: Nonliterate Leviathans in Southeast Asia, in: TRaNS: Trans-Regional and -National Studies of Southeast Asia 3/1 (2015), S. 25–44; vgl. auch Colin Hoag: Assembling Partial Perspectives: Thoughts on the Anthropology of Bureaucracy, in: Political and Legal Anthropology Review 34/1 (2011), S. 81–94; Barak Kalir / Willem van Schendel: Nonrecording States, Introduction: Nonrecording States between Legibility and Looking Away, in: Focaal 77 (2017), S. 1–7.

Neben verschiedenen staatlichen Behörden hatten zahlreiche andere Parteien – Arbeitgeber/innen, Vermieter/innen, diverse Organisationen und Körperschaften und nicht zuletzt die Verwalteten selbst – daran teil, (ko-)produzierten Informationen, benutzten Dokumente für ihre Zwecke und übernahmen an sie übertragene Aufgaben mit mehr oder minder großem Enthusiasmus, mit mehr oder minder großer Sachkenntnis und Akkuratesse.

Vgl. dazu etwa Edward Higgs: Identifying the English. A History of Personal Identification 1500 to the Present, London 2011; Andreas Fahrmeir: Conclusion. Cities and States: Papers and Walls, in: Hilde Greefs / Anne Winter (Hg.): Migration Policies and Materialities of Identification in European Cities. Papers and Gates, 1500s to 1930s, New York 2019, S. 289–306, hier S. 301.

Sie folgten dabei auch ihren eigenen Anliegen und Interessen, im Einklang, in Vermeidung oder auch im offenen Widerspruch zu staatlichen Regeln und Verwaltungspraktiken. Identifizierungspraktiken und -techniken waren dabei nicht nur auf unterschiedliche Weise benutzbar, auch die mit diesen Dokumenten assoziierten Rechte und Pflichten, die Konsequenzen, möglichen Sanktionen und Risiken waren unterschiedlich und nicht für alle Staatsbürger/innen gleich, sie wurden konträr wahrgenommen, dargestellt und bewertet.

Diese Aspekte gehören zu einer Innovation. Ingo Schulz-Schaeffer / Arnold Windeler / Birgit Blättel-Mink: Einleitung: Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Innovation, in: Ingo Schulz-Schaeffer / Arnold Windeler / Birgit Blättel-Mink (Hg.): Handbuch Innovationsforschung Sozialwissenschaftliche Perspektiven, Wiesbaden 2021, S. 3–11, hier S. 4.

Vorschriften und Maßnahmen wurden dabei als Neuerung, Veränderung und/oder als Kontinuität dargestellt, legitimiert oder delegitimiert. Eine Analyse der Veränderungen und/oder Innovationen

Um Anachronismen zu vermeiden, spreche ich im Folgenden eher von Neuerung und/oder Veränderung und weniger von Innovation, ein Begriff, der zwar im Untersuchungszeitraum existierte, jedoch eine andere Bedeutung hatte als in der Gegenwart. Zum Innovationsbegriff vs. Innovationsprozess vgl. Marcus Popplow: Die Idee der Innovation – ein historischer Abriss, in: Schulz-Schaeffer / Windeler / Blättel-Mink (Hg.): Handbuch, S. 15–23.

von Identifizierungspraktiken muss deshalb notwendigerweise über die Absichten und das Agieren staatlicher Verwaltung hinausgehen und die verschiedenen Parteien berücksichtigen, deren Praktiken und Perspektiven in ihrem Zusammenhang untersuchen. Dabei sind die Grenzen zwischen staatlichen und anderen Verwaltungspraktiken keineswegs immer offensichtlich und eindeutig gezogen. »Den Staat« kann man nicht voraussetzen, er wurde in diesem Zusammenhang ja nicht nur verändert, sondern in diesen Interaktionen, im Konflikt wie im Konsens hergestellt.

Dazu etwa Pierre Bourdieu: Über den Staat. Vorlesungen am Collège de France 1989–1992, hg. von Patrick Champagne et al., Frankfurt am Main 2014, S. 39.

Bein Beitrag nimmt Arbeitsbücher als Ausgangspunkt, um solche Prozesse und Auseinandersetzungen über Änderungen und/oder Innovationen des Identifizierens und Registrierens zu untersuchen. Diese – im Vergleich etwa zu Reisepässen nur wenig untersuchten Dokumente – waren in der Habsburgermonarchie zwischen 1859 und 1919 großen Teilen der Arbeiterschaft als Identitäts-, Reise- und Arbeitsdokumente vorgeschrieben. Sie eignen sich besonders gut, um die Ko-Produktion, Multifunktionalität, Umstrittenheit und Benutzbarkeit von Identitätsdokumenten zu untersuchen.

Vgl. dazu Waltraud Heindl / Edith Saurer (Hg.): Grenze und Staat. Paßwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie (1750–1867), Wien 2000.

Arbeitsbücher dokumentierten nicht nur die Identität einer Person, einen bestimmten Status in Arbeitsleben und Gesellschaft, sie definierten auch die Art des Arbeitsverhältnisses und die Regeln, denen dieses unterliegen sollten. Arbeitsbücher implizierten darüber hinaus bestimmte Verfahren und Routinen der Erstellung und Handhabung, also Interaktionsprogramme, die Arbeiter/innen, Behörden und Arbeitgeber/innen in Kontakt brachten und in Beziehung setzten.

Vgl. dazu allgemein auch Sebastian Conrad / Elisio Macamo / Bénédicte Zimmermann: Die Kodifizierung der Arbeit: Individuum, Gesellschaft, Nation, in: Jürgen Kocka / Klaus Offe (Hg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt am Main 1999, S. 449–475.

Diese Interaktionen folgten allerdings nicht unbedingt den gesetzlichen Regeln, die Beteiligten gaben ihre etablierten Formen von Identifizierung und Registrierung, ihren Gebrauch oder Missbrauch alter und neuer Dokumente oft nur widerwillig auf. Arbeitsbücher scheinen in diesem Kontext oft nicht Kooperation, sondern unversöhnliche Interessensgegensätze zu manifestieren, ein Umstand, der die konsequente Durchsetzung dieser Dokumente offensichtlich untergrub.

Ich werde in diesem Aufsatz zunächst die historische Entwicklung der gesetzlichen Regelungen kurz skizzieren (Ich beziehe mich hier ausschließlich auf die österreichischen Länder der Monarchie). Welche Kontinuitäten und/oder Neuerungen lassen sich an diesen Dokumenten festmachen? Wie veränderten sich Zuständigkeiten und der Kreis derer, die in die Ausfertigung und Benutzung solcher Dokumente involviert waren? In der Folge werde ich dann die Perspektiven und Interpretationen der wichtigsten involvierten Parteien skizzieren und darstellen, wie die Arbeitsbücher benutzt wurden: von Behörden, Gewerbetreibenden aber auch von den Besitzer/innen dieser Dokumente. Was kann in diesem Zusammenhang als soziale Innovation verstanden werden, was beförderte oder behinderte sie? Zur Rekonstruktion der politischen und praktischen Auseinandersetzungen um diese Dokumente stehen eine Reihe von Quellen zur Verfügung, hier beziehe ich mich primär auf rechtliche Normen, parlamentarische Debatten, die Berichte von Gewerbeinspektoren, zeitgenössische wissenschaftliche Abhandlungen, politische Texte und Zeitungsberichte, amtliche Statistiken über Ausstellung und Streitfälle, Arbeitsbuchprotokolle, die Ausweisdokumente selbst und – hier nur am Rande – autobiografische Texte.

Autobiographische Berichte und Entscheidungen der k.k. Gewerbegerichte stelle ich ausführlicher in folgenden Texten dar: Sigrid Wadauer: Kategorisierung, Kontrolle, Vertrauen? Arbeits- und Identitätsdokumente im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Sigrid Ruby / Anja Krause (Hg.): Sicherheit und Differenz in historischer Perspektive / Security and Difference in Historical Perspective, Baden Baden 2022, S. 265–291; Sigrid Wadauer: Papers and Wages (Habsburg Monarchy/Cisleithania in the 19th and early 20th century), in: Pedro Ramos Pinto / Massimo Asta (Hg.): The Value of Work: Ideas, Measurement, Custom, and Conflict since the 18th Century, London (Erscheint voraussichtlich 2023); Sigrid Wadauer: Contracts under Duress. Work Documents as a Matter and Means of Conflict. (Habsburg Monarchy / Austria in the late 19th and early 20th Century), in: Anamarija Batista / Viola Franziska Müller / Corinna Peres (Hg.): Writing and Visualising Histories of Coercion in Remunerated Labor Relations, London (Erscheint voraussichtlich 2023).

Jede dieser Quellen hat ihre eigene Logik und manifestiert eine andere Perspektive, zusammengenommen erlauben sie es, sich an die Gebrauchsweisen der Dokumente anzunähern.

Gesetzliche Bestimmungen, Form und Inhalt von Arbeitsbüchern

An der Regelung und Gestaltung der Arbeitsbücher lassen sich in historischer Perspektive einige Neuerungen feststellen, manche Aspekte scheinen hingegen eher gleichbleibend und kaum der Veränderung unterworfen. Schriftliche Dokumente, die auf bestimmte Register verweisen, wie Arbeitsbücher (oder die diesen in vielem ähnlichen Dienstbotenbücher)

Dazu etwa Jessica Richter: Die Produktion besonderer Arbeitskräfte. Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst in Österreich (Ende des 19. Jahrhunderts bis 1938), unpublizierte Dissertation, Universität Wien 2017, S. 52–63.

, stellen an sich keine radikal neue Art und Weise des Identifizierens dar

Vgl. dazu Valentin Groebner: Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Europa des Mittelalters, München 2004.

, die Forderung nach Identitäts- und Arbeitsdokumenten als Voraussetzung für (relativ) ungehindertes Reisen und Arbeiten war keine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Schon in der frühen Neuzeit finden sich verschiedene, wie es scheint eher wirkungslose Erlässe und Vorschriften zu den Pässen, Entlassungspapieren oder Zeugnissen, mit denen Handwerker, Gesinde und Dienstboten ihr reguläres Ausscheiden aus einer Stelle belegen sollten. Handwerkskundschaften – zunächst handschriftliche, dann gedruckte, oft aufwändig gestaltete und mit Stadtansichten versehene Urkunden

Klaus Stopp: Die Handwerkskundschaften mit Ortsansichten, Bd.1, Stuttgart 1982; Hannelore Burger: Das Passwesen, in: Heindl / Saurer (Hg.): Grenze, S. 3–87, hier S. 63.

dienten als Nachweis der Arbeit, des Verhaltens. In Kombination mit bestimmten Interaktionsformen, Sprüchen und Gesten fungierten sie auch zunftintern als Beleg der Ausbildung, Zugehörigkeit sowie der mit den Wanderjahren erworbenen Erfahrungen und Weltkenntnis.

Vgl. dazu Sigrid Wadauer: Die Tour der Gesellen. Mobilität und Biographie im Handwerk vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2005, S. 36.

Niemand sollte ohne diese Dokumente in Arbeit genommen werden.

Hugo Morgenstern: Gesindewesen und Gesinderecht in Österreich. (= Mittheilungen des k.k. arbeitsstatistischen Amtes im Handelsministerium. 3. Heft.), Wien 1902, S. 22ff.

Ziel war es, damit der Vagabundage, dem Müßiggang, dem häufigen Stellenwechsel, dem Entlaufen, der »Leutenot« und hohen Löhnen entgegenzusteuern. Das disziplinierende, strafrechtliche und polizeiliche Motiv stand somit im Vordergrund. Im 18. Jahrhunderts normierten die Reichshandwerksordnung und eine Reihe von Verordnungen die Formulierungen, den Inhalt und die Gültigkeitsdauer dieser Handwerkskundschaften, die von den Vorstehern der Innungen und Zünfte ausgestellt wurden. »Um den mancherley Unfügen zu steuern«, etwa Fälschungen zu unterbinden, wurden solche Kundschaften, Arbeitszeugnisse und die Wanderpässe 1827 per Erlass (wirksam ab 1829) in sämtlichen Provinzen des Kaiserstaates

Patent vom 24. Februar 1827. Aufhebung der Kundschaften, Zeugnisse, Wanderpässe für Handwerksgesellen und Arbeiter; Einführung der Wanderbücher, in: Seiner k.k. Majestät Franz des Ersten politische Gesetze und Verordnungen für sämmtliche Provinzen des Österreichischen Kaiserstaates, mit Ausnahme von Ungarn und Siebenbürgen, Wien 1829, S. 231f; Kundmachung 231, in: Seiner k.k. Majestät Franz des Ersten politische Gesetze und Verordnungen für sämmtliche Provinzen des Österreichischen Kaiserstaates, mit Ausnahme von Ungarn und Siebenbürgen, Wien 1828, S. 283–289.

durch Wanderbücher ersetzt und deren Ausstellung den Ortsobrigkeiten übertragen. Mit der Gewerbeordnung und der Aufhebung der Zünfte 1859 wurden anstelle der Wanderbücher recht ähnlich gestaltete Arbeitsbücher eingeführt.

RGBl. 1859/227, § 74 und Anhang.

Damit ging die Produktion dieser Ausweis-, Reise und Arbeitspapiere immer mehr an staatliche Behörden über, die nunmehr diese Dokumente nicht mehr bloß vidierten, kontrollierten und regulierten, sondern selbst auf standardisierten Formularen nach zunehmend präziser ausformulierten, in ganz Cisleithanien gültigen Regeln, einheitlich, für klar festgelegte Gebühren ausfertigen sollten. Arbeits- und Dienstbotenbücher

Diese wurden länderspezifisch in Gesindeordnungen reguliert.

, die mit einem entsprechenden Eintrag versehen, von 1860

RGBl. 1860/66.

bis zum ersten Weltkrieg auch als Reisedokumente im In- und Ausland dienten, können so betrachtet als Beispiel für die zunehmende staatlichen Monopolisierung der »legitimate means of movement« im Sinne Torpeys gelten.

John Torpey: The Invention of the Passport. Surveillance, Citizenship and the State, Cambridge 2000, S. 6, S. 60.

Genossenschaften und Arbeitgeber/innen blieben allerdings regulär in die Produktion und Handhabung der Dokumente involviert: indem sie die Lehre und Beschäftigung bestätigten, Zeugnisse in die Bücher eintrugen und vidierten und die Dokumente während der Anstellung (manchmal auch darüber hinaus) in Verwahrung nahmen. Parallel blieben andere Dokumente in Gebrauch, wie etwa die Zuschickbücher der Genossenschaften

Die Arbeitsvermittlung in Österreich, verfasst und herausgegeben vom statistischen Departement im k.k. Handelsministerium, Wien 1898 (Kapitel »Arbeitsvermittlung bei den gewerblichen Genossenschaften in moderner Zeit«).

oder Ausweispapiere, die die Zugehörigkeit zu einem Beruf und Ansprüche auf Unterstützung belegten.

Der Buchdrucker Karl Steinhardt betont die Bedeutung des »Quittungsbuchs«, in das die Unterstützungen der Buchdruckerorganisation eingetragen wurden und das auch vor der Polizei als Nachweis galt, dass man kein Vagabund war. Karl Steinhardt: Lebenserinnerungen eines Wiener Arbeiters, herausgegeben und eingeleitet von Manfred Mugrauer, Wien 2013, S. 110.

Die Arbeitsbücher ersetzten somit nicht schlagartig die etablierten, spezifischen Verwaltungsinstrumente der Genossenschaften und Berufsverbände. Auch verschiedene Verordnungen zur Hintanhaltung von Fälschungen und zum Verbot des freien Verkaufs der Blanquetten für Arbeits- und Dienstbotenbücher, die sich bis ins späte 19. Jh. finden lassen, weisen darauf hin, dass die praktische Durchsetzung eines staatlichen Monopols auf Ausstellung solcher amtlichen Dokumente nicht linear und problemlos vonstattenging.

Z.B. LGBl. Steiermark 1871/36, 1897/79; LGBl. Oberösterreich 1871/15, LGBl. Kärnten 1879/14.

Die zunehmende Regulierung betraf auch den Kreis der Personen, die über diese Dokumente verfügen sollten, dieser wurde im Laufe des Jahrhunderts gesetzlich eindeutiger geregelt und deutlich erweitert. Kundschaften waren noch zünftigen Handwerkern vorbehalten. Die Gewerbeordnung von 1859 (§§ 73 und 74)

RGBl. 1859/227.

schrieb Arbeitsbücher für alle gewerblichen Gehilfen – Gesellen und Fabriksarbeiter, also »Professionisten« – und in gleichen Dienstverhältnissen stehende Hilfsarbeiter/innen vor. Diese Bestimmung galt unabhängig von geographischer Mobilität oder Wanderschaft. Die Gewerbereform von 1885

RGBl. 1885/22.

verlangte, dass alle gewerblichen Hilfsarbeiter/innen, im Besitz eines Arbeitsbuches sein sollten, und fasste unter dem Begriff nun »alle Arbeitspersonen, welche bei Gewerbsunternehmungen in regelmäßiger Beschäftigung stehen, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes«, also alle Gehilf/innen, Fabrikarbeiter/innen, Lehrlinge, sowie alle regelmäßig, auch zu untergeordneten Hilfsdiensten beschäftigten Arbeitspersonen. Seit 1866

RGBl. 1866/72.

waren Arbeitsbücher auch für Bergarbeiter/innen, ab 1902

RGBl. 1902/156.

auch für Eisenbahnarbeiter/innen vorgeschrieben. Von diesen Bestimmungen unberührt blieben gehobene Bedienstete und das kaufmännische Hilfspersonal, diese mussten über andere Zeugnisse und Dokumente verfügen, sowie auch Lohnarbeiter/innen der »gemeinsten Art«. Was genau darunter zu verstehen war und ob diese nicht doch auch Arbeitsbücher besitzen sollten, war Gegenstand der gewerbepolitischen Diskussionen.

Alfred Ebenhoch / Engelbert Pernerstorfer (Hg.): Stenographisches Protokoll der Gewerbe-Enquête im österreichischen Abgeordnetenhause sammt geschichtlicher Einleitung und Anhang, Wien 1893, S. 144.

Landarbeiter/innen und Dienstbot/innen, deren Abgrenzung von gewerblichem Hilfspersonal oft strittig war, mussten über Dienstbotenbücher verfügen. In der Seefahrt Beschäftigte mussten Seedienstbücher vorweisen können.

Auch sie blieben, wie Gelegenheitsarbeiter/innen, bis in die Zwischenkriegszeit von den neuen Versicherungssystemen ausgeschlossen. Vgl. dazu Hannes Stekl: Soziale Sicherheit für Hausgehilfen, in: Ernst Bruckmüller / Roman Sandgruber / Hannes Stekl: Soziale Sicherheit im Nachziehverfahren. Die Einbeziehung der Bauern, Landarbeiter, Gewerbetreibenden und Hausgehilfen in das System der österreichischen Sozialversicherung, Salzburg 1978, S. 174–224, hier S. 196f; Leo Verkauf: Arbeitsvertrag, in: Ernst Mischler / Josef Ulbrich (Hg.): Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes, Bd. 1, Wien 21905, S. 149–187, hier S. 159.

Arbeitsbücher wurden somit im Laufe des 19. Jahrhunderts für weite Kreise der Arbeiterschaft, aber eben nicht für alle Arbeitenden, nicht für alle Staatsbürger/innen zur Voraussetzung einer formellen Beschäftigung und – auch nach der Abschaffung der Inlandspässe – des legalen Unterwegsseins im Inland gemacht. (Wie bereits erwähnt, konnten Arbeitsbücher mit der entsprechenden Vidierung versehen, auch für Reisen ins Ausland benutzt werden.) Arbeitsbücher verwiesen auf eine zunehmend abstraktere Kategorie der Arbeiterschaft, die in diesen Dokumenten nach gleichen Kriterien beschrieben werden und in ihren Arbeitsverhältnissen (aber auch darüber hinaus) prinzipiell in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern geltenden gleichen Regeln und Gesetzen unterworfen sein sollte.

Die Gewerbeordnung definierte die Rahmenbedingungen für Arbeitsverhältnisse und gab die Richtlinie vor, wenn keine besonderen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag z.B. über Lohn, Kündigung etc. getroffen worden waren. Alois Heilinger: Österreichisches Gewerberecht. Kommentar der Gewerbeordnung, Wien 31909, S. 515; vgl. auch Wadauer: Papers and Wages.

Arbeitsbücher setzten Arbeiter/innen somit gleich, zu Arbeitgeber/innen und »Staat« in Beziehung, zugleich differenzierten sie die Kategorie der Arbeiter/innen und unterschieden diese von anderen Staatsbürger/innen und Erwerbstätigen.

Neuerungen lassen sich auch an der äußeren Gestaltung, der Materialität der Dokumente festmachen. Die Wander- und Arbeitsbücher stellten ein neues, gesetzlich definiertes Format und eine neue Form von Dokumenten dar. Handwerkliche Kundschaften waren Urkunden, einzelne Blätter von großem Format, die mit Ortsansichten versehen waren. Arbeitsbücher hingegen hatten die Form kleiner Büchlein im Oktavformat. Sie umfassten 40 paraphierte Blätter, die mit einem Faden gebunden waren, dessen Ende an der inneren Seite eines steifen Einbandes mit einem Siegel der ausstellenden Behörde befestigt war. Die Zahl der Seiten war im Dokument vermerkt, so sollte das Entfernen einzelner Seiten verhindert werden. Die Arbeitsbücher beinhalteten Angaben zur Person, gegebenenfalls Reisebewilligungen und Einträge über die Arbeitsverhältnisse, auch geltende Rechtsnormen waren abgedruckt.

In manchen Büchern finden sich auch Einträge zu Unterstützungen, die der/die Inhaber/in etwa in Naturalverpflegsstationen oder von anderer Seite erhalten hatten.

Das kleine Format und die Bündelung relevanter Dokumente und Funktionen wurde gelegentlich auch als »praktisch«

Ebenhoch / Pernerstorfer (Hg.): Stenographisches Protokoll, S. 742; in Hinblick auf Reisepässe etwa: Neue österreichische Pässe in’s Ausland, in: Morgen-Post 30/1 (1.1.1880), S. 3.

oder »bequem«

»Außerdem sind im Arbeitsbuch die Zeugnisse des betreffenden Arbeiters in einer für ihn bequemen und guten Art vereinigt und in einer guten Weise zusammengefasst.« Abgeordneter August Einspinner (Deutscher Nationalverband), Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrathes (StenProt), XII. Legislaturperiode, XXI. Session, 161. Sitzung, 20.6.1913, S. 8049.

beschrieben. Diese Bücher – die ja durch viele Hände gingen und oft über viele Jahre benutzt wurden – hielten, wie man aus dem Zustand der überlieferten, oft recht abgegriffenen Exemplare schließen kann, dem Gebrauch im Alltag noch eher stand und waren weit strapazierfähiger als die durch häufiges Falten manchmal recht zerfledderten Ein-Blatt-Dokumente, wie Kundschaften oder auch die vielfach zur Identifizierung verwendeten Heimatscheine.

Auch Heimtatscheine wurden von manchen Gemeinden mit einer Art festen Umschlag versehen. Ein Beispiel für solch ein Format stellen die Heimatscheine von Klosterneuburg oder Tulln aus der Zwischenkriegszeit da, sie sind etwa im Stadtarchiv Tulln (A213) erhalten.

In Hinblick auf die erfassten Daten zur Person zeigt sich im Vergleich verschiedener Formulare eine Tendenz zur Präzisierung und Normierung, jedoch keine radikale Änderung oder lineare Entwicklung. Die Dokumente konnten, je nach Region, ein- oder zweisprachig sein. Sie enthielten Rubriken für den Namen des Inhabers/der Inhaberin, das Geburtsjahr

Ältere Dokumente, deren Gültigkeit zeitlich stärker beschränkt war, enthalten oft nur das Alter. Beispiele für solche Dokumente sind etwa im Bestand Wiener Stadt und Landesarchiv (WStLA), Versorgungshaus Mauerbach, A6 Arbeitsbücher erhalten.

(Tag und Monat der Geburt sind nicht immer angegeben), den Geburtsort, Ehestand, die Beschäftigung sowie die Unterschrift des Inhabers/der Inhaberin und die Fertigung der ausstellenden Gemeindebehörde (Stempel und Unterschrift des Beamten). Arbeitsbücher erfassten auch das Heimatrecht (die Zuständigkeitsgemeinde und den politischen Bezirk), nicht jedoch den Wohnort, der in manchen Wanderbüchern noch angegeben war. Das Religionsbekenntnis war in den Wanderbüchern, in den Arbeitsbüchern erst ab 1885 wieder generell eine Kategorie der Beschreibung. Sprache oder Nationalität (wie auch immer definiert) waren nicht angegeben.

Dazu etwa Karl Renner: Die Rechtsgrundlagen der Amtssprachenfrage, in: Der Kampf 1/3 (1907), S. 102–107, hier S. 106.

Die Auswahl, der Umfang, die Genauigkeit, Zulässigkeit, und Aussagekraft solcher Angaben zur Person verstehen sich nicht von selbst, sie konnten bezweifelt und kritisiert werden. Bereits Kundschaften beinhalteten in vielen Fällen Personenbeschreibungen, ein Dekret von 1808 suchte dies als allgemein verbindlich zu etablieren.

22. Den Kundschaften der Handwerksbursche die Persons-Beschreibung beyzurücken. Decret der vereinten Hofkanzley, vom 14. August an sämmtliche Länderstellen (1808), in: Franz des Ersten politische Gesetze und Verordnungen für die österreichischen, böhmischen und galizischen Erbländer, Bd. 31, Wien 1810, S. 34f.

Die Formulare der Wanderbücher und ebenso der Arbeitsbücher sahen Angaben zu Statur, Gesicht, Haare, Augen, Nase und zu besonderen Kennzeichen des Inhabers/der Inhaberin vor.

Nicht nach dem Anhang des Gesetzes von 1859 (RGBl. 1859/227); allerdings laut der Bestimmungen RGBl. 1860/66 über die Gültigkeit als Reisedokumente; auch die Verordnung über die Formulare für Arbeitsbücher RGBl. 1885/69 sieht ein Signalement vor.

Fotos oder gar Fingerabdrücke waren nicht vorgesehen. Somit nutzten diese Dokumente, die gemeinsam mit Heimatscheinen (die bis 1863 eine Beschreibung der Person enthielten, dann aber nicht mehr)

RGBl. 1863/104.

sicherlich die am weitest verbreiteten amtlichen Dokumente darstellten, keineswegs die modernsten Identifizierungstechniken,

Wie etwa von Ungarn berichtet wurde, vgl. Reform der Dienstbotenordnung, in: Reichspost 24/479 (16.10.1917), S. 3.

wohl aus pragmatischen Gründen. Die Kosten und der Zeitaufwand, den die Beschaffung dieser Dokumente den Arbeiter/innen und Dienstbot/innen verursachten, sollten nach Möglichkeit gering gehalten werden. Dies schloss wohl Fotos aus, wiewohl um die Wende zum 20. Jahrhundert schon verschiedene andere Identitätsdokumente damit ausgestattet waren, so etwa Ausweise für Prostituierte

Amtsblatt der k.k. Polizei-Direktion in Wien für das Jahr 1896, Nr. 100.

, Ermäßigungskarten für Staatsbeamte

Fahr- und Frachtpreisermäßigung für aktive Staatsbedienstete bei Reisen auf den Linien der österreichischen Privatbahnen. H. Minist. Z. 4582, in: Post, und Telegraphen-Verordnungsblatt für das Verwaltungsgebiet des k.k. Handelsministeriums, 20.2.1886, S. 3.

, Postausweiskarten

RGBl. 1906/179.

, ein Gesetzesentwurf von 1897 sah sie auch für Fahrradfahrer vor

Inland, in: Wiener Zeitung 33 (11.2.1897), S. 2.

.

Ab 1885 sollten Arbeitsbücher auch Angaben über Schulbildung, im Fall von Minderjährigen die Einverständniserklärung des Vaters oder Vormundes und dessen Wohnadresse, eventuell auch die Zustimmung der Aufenthaltsgemeinde zum Eingehen eines Lehr- oder Arbeitsverhältnisses enthalten. In Dokumenten für Lehrlinge sollten die Konditionen der Anstellung eingetragen werden. Darüberhinausgehend, das war wohl der umstrittenste Aspekt, sahen Arbeitsbücher (wie bereits davor die Wanderbücher) eine fortlaufende Dokumentation aller Beschäftigungsverhältnisse einer Person vor. Es sollten Arbeitgeber/innen, Arbeitsort, Beschäftigung, Ein- und Austrittsdatum sowie wahrheitsgemäße, aber keine negativen Arbeitszeugnisse

Die Zeugnisse sollten wahrheitsgemäß sein, durften aber auch nicht explizit negativ ausfallen. Eine solche Bestimmung findet sich bereits in Bezug auf Kundschaften, in die aber auch eventuelle Vorstrafen eingetragen werden sollten. Bestimmungen über die Wanderbücher, in: Seiner k.k. Majestät Franz des Ersten politische Gesetze und Verordnungen für sämmtliche Provinzen des Oesterreichischen Kaiserstaates, mit Ausnahme von Ungarn und Siebenbürgen, Wien 1830, S. 283–289, hier Punkt 7, S. 286 und Punkt 12, S. 288.

eingetragen werden. Im Motivenbericht zur Gewerbereform 1885 wird diese Funktion der Arbeitsbücher folgendermaßen begründet:

»Die Arbeitsbücher bilden für eine längere Periode des Arbeitslebens die vollständigste und verläßlichste Nachweisung, welche sowohl für den Arbeitgeber, als für den Arbeitnehmer von entschiedenem Werthe sind. Für den Ersteren bieten sie Anhaltungspunkte über die Eigenschaften des Hilfsarbeiters, sie dienen ihm als Beweis dafür, daß das frühere Arbeitsverhältnis nicht widerrechtlich gelöst wurde. Dem ordnungsliebenden und fleißigen Hilfsarbeiter dienen sie unzweifelhaft zur Empfehlung. Es ist übrigens wohl auch nicht zu verkennen, daß die Arbeitsbücher zur Vermeidung von Contractbrüchen der Hilfsarbeiter, welche so vielfach beklagt werden, beitragen dürften.«

StenProt, VI. Legislaturperiode, IX. Session, Beilage 253, Motive, S. 112.

Arbeitsbücher konstruierten also etwas wie eine Erwerbsbiographie des gewerblichen Hilfsarbeiters/der gewerblichen Hilfsarbeiterin. Die Dokumentation der Arbeitsverhältnisse und des Erwerbsverlaufs sollte nicht nur den Arbeitgeber/innen einen Eindruck geben, sondern Arbeiter/innen als Befähigungsnachweis und zur Arbeitssuche dienen.

Ferdinand Seltsam: Die Rechte und Pflichten der gewerblichen Hilfsarbeiter (Lehrlinge, Gesellen und Fabriksarbeiter) nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung. In populärer Darstellung, Wien 1885, S. 42.

Die Dokumente sollten Freizügigkeit gewährleisten, vor fälschlichen Anschuldigungen der Vagabundage schützen sowie Zugang zu Unterstützungen und Ermäßigungen gewähren. Im Motivenbericht zur Gewerbereform wurde betont, dass mit der Gewerbeordnung insgesamt »eine genaue Regelung der Beziehungen der Gewerbsinhaber zu den Hilfsarbeitern und eine Präcisierung der aus dem Arbeitsvertrage erwachsenen Rechte und Verbindlichkeiten dieser beiden Classenelemente angestrebt« wurde.

StenProt, VI. Legislaturperiode, IX. Session, Beilage 253, Motive, S. 105.

Allerdings, wie hier ebenfalls festgehalten wurde, waren Arbeitsbücher in der Arbeiterschaft verhasst. Sie wurden als Symbol der Erniedrigung und Bevormundung, als Instrument des Zwangs, als »Steckbrief« oder »Fußkette polizeilicher Legitimation«

Isidor Ingwer: Der sogenannte Arbeitsvertrag. Eine sozialpolitische Studie, Wien o.J., S. 24f.

dargestellt. Ihr Ursprung, so die Kritik der Arbeiterbewegung, läge in der »Zunftzeit«, in der Meister noch uneingeschränkte Macht über ihre Gehilfen gehabt hätten.

Das Arbeitsbuch, in: Salzburger Wacht, 12/184 (16.8.1911), S. 1.

Keine anderen Staatsbürger

Ebenhoch / Pernerstorfer (Hg.): Stenographisches Protokoll, S. 321.

, nur Arbeiter und Prostituierte müssten, wie argumentiert wurde, mit Ausweisen versehen sein.

Z.B. Eine sozialistische Volks-Versammlung in Steyer, in: Steyrer-Zeitung 6/23 (20.3.1881), S. 2; Das Arbeitsbuch, in: Salzburger Wacht 12/184 (16.8.1911), S. 1; Arbeiter und der Regierungs-Entwurf einer neuen Gewerbe-Ordnung, in: Wiener Allgemeine Zeitung 312 (12.1.1881), S. 8.

Die Verpflichtung Arbeitsbücher zu besitzen, widersprach nicht nur der Gleichheit der Staatsbürger/innen, sondern auch dem Selbstbild von qualifizierten Handwerkern bzw. Künstlern. Kleinhäusler, die nur gelegentlich Lohnarbeit verrichteten, fühlten sich herabgesetzt,

Die Berichte der Gewerbeinspektoren erschienen 1884–1901 in Wien unter dem Titel »Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit«; 1902–1916 als “Bericht der k.k. Gewerbe-Inspektoren über ihre Amtstätigkeit”, 1920–1937 als »Bericht der Gewerbe-Inspektoren über ihre Amtstätigkeit«. Sie stehen unter https://anno.onb.ac.at/ zur Verfügung, ich beschränke mich im Folgenden auf die Angabe von Jahr und Seite. Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1886, S. 22; 1888, S. 56; 1909 S. CXXff.

wollten sich also nicht unter die Kategorie der gewerblichen Hilfsarbeiter/innen subsumieren lassen.

Über die Produktion und Kanonisierung sozialer Kategorisierungen durch den Staat, vgl. etwa Bourdieu: Über den Staat, S. 29, S. 33f.

Arbeitsbücher würden, wie kritisiert wurde, Arbeiter/innen lediglich der Willkür der Arbeitgeber/innen ausliefern. Diese würden die Dokumente widerrechtlich (als Faustpfand) einbehalten, ungerechtfertigt und aus Launen heraus schlechte Zeugnisse ausstellen oder, da dies ja eigentlich verboten war, Arbeiter/innen durch Zinken, also geheime Zeichen brandmarken.

Vgl. Ebenhoch / Pernerstorfer (Hg.): Stenographisches Protokoll, z.B. S. 86, S. 154f, S. 209, S. 211, S. 283, S. 306, S. 391f, S. 416f; Sammlungen der Entscheidungen der k.k. Gewerbegerichte. Z.B. Gewerbegerichtsentscheidung Nr. 164 (1899), Nr. 791 (1903); Nr. 934 (1901).

(Adelheid Popp schildert analog das Dienstbotenbuch als einen Übelstand im Arbeitsverhältnis der »Haussklavinnen«.

Adelheid Popp: Haussklavinnen. Ein Beitrag zur Lage der Dienstmädchen, Wien 1912, S. 19, S. 26, S. 30.

)

Auch Historiker/innen haben Arbeitsbücher weniger unter dem Aspekt der Normalisierung von Arbeitsverhältnissen denn als Instrument der Disziplinierung

Z.B. Katrin Lehnert: Die Un-Ordnung der Grenze. Mobiler Alltag zwischen Sachsen und Böhmen und die Produktion von Migration im 19. Jahrhundert, Leipzig 2017, S. 207, S. 216.

, des »social sorting«

David Lyon: Identifying Citizens. ID Cards as Surveillance, Cambridge 2009; Peter Becker: The Practice of Control and the Illusion of Evidence. Passport and Personal Identification in Cities of Habsburg Austria, in: Greefs / Winter (Hg.): Migration Policies, S. 217–242, hier S. 218.

und als Instrument der (Migrations-)kontrolle dargestellt.

Z.B. Leo Lucassen: A Many-Headed Monster: The Evolution of the Passport System in the Netherlands and Germany in the Long Nineteenth Century, in: Caplan / Torpey (Hg.): Documenting Individual Identity, S. 235–255; Becker: The Practice of Control.

Arbeitsbücher konterkarierten das liberale Migrationsregime des späten 19. Jahrhunderts. Auch wenn diese Dokumente Arbeitssuche auf einem anonymen überregionalen Markt erlaubten, so stünden sie doch (wie Dienstbotenbücher) nicht zuletzt auf Grund der Bestimmungen zum Kontraktbruch im potentiellen Widerspruch zur Freiheit der Lohnarbeit und zum privatrechtlichen Charakter des Arbeitsvertrages.

Thorsten Keiser beschreibt eine Verschiebung von der Kontroll- zur Marktfunktion der Dokumente: Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne, Frankfurt am Main 2013; zum Arbeitsbuch vgl. auch Alessandro Stanziani: The Legal Status of Labour from the Seventeenth to the Nineteenth Century: Russia in a Comparative European Perspective, in: International Review of Social History 54/3 (2009), S. 359–389.

Wenn Innovation voraussetzt, dass etwas konsensuell als neu oder gar als Verbesserung wahrgenommen und anerkannt wird

Z.B. Kendra Brinken: Gesellschaftliche Bedeutung von Innovation, in: Birgit Blättel-Mink / Raphael Menez: Kompendium Innovationsforschung, Wiesbaden 2006, S. 21–31, hier S. 30; Holger Braun-Thürmann: Innovation, Bielefeld 2005, S. 6.

, kann die Einführung und Verbreitung von Arbeitsbüchern kaum als solche betrachtet werden. Wenig erforscht ist, wie Arbeitsbücher praktisch durchgesetzt und wie effektiv sie als Identifizierung-, Kontroll- und Repressionsinstrument tatsächlich eingesetzt wurden.

Probleme und Hindernisse bei der Durchsetzung der Arbeitsbücher

Die Statistiken des Wiener Konskriptionsamtes weisen darauf hin, dass Arbeitsbücher bis in die 1880er Jahre eigentlich nur relativ selten ausgestellt wurden (siehe Grafik 1), 1869 etwa wurden in Wien weniger als 2000 Arbeitsbücher ausgefertigt. Dies ist, auch wenn die Dokumente gültig blieben, solange Platz für Einträge vorhanden war, und Arbeiter/innen möglicherweise schon mit eigenen Dokumenten zuwanderten, doch insgesamt im Verhältnis zu geschätzt 130.000 Gehilf/innen in Wien

Josef Ehmer: Soziale Traditionen in Zeiten des Wandels. Arbeiter und Handwerker im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main, 1994, S. 255.

bemerkenswert wenig. Erst in den 1890er Jahren stieg die Zahl an. 1900 – es gab laut der statistischen Jahrbücher 455.255

Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien für das Jahr 1901, Wien 1903, S. 68.

Arbeiter/innen in Wien – wurden immerhin schon 40.591 Arbeitsbücher ausgestellt. 1898 wurden fast und 1911 mehr als 50.000 Arbeitsbücher von den Wiener Behörden ausgefertigt. Die Beschwerden, dass Arbeiter/innen in verschiedensten Branchen nach wie vor ohne Arbeitsbuch beschäftigt wurden, verstummten allerdings nicht.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspektoren über ihre Amtstätigkeit im Jahre 1912, S. CCIIIf und 1913, S. CLXXVf.

Morgenstern berichtet über ähnliche Probleme im Zusammenhang mit Dienstbotenbüchern

Zwischen 1875 und 1891 wurden in Wien jährlich durchschnittlich nur rund 6.230 Dienstbotenbücher pro Jahr von der Polizei ausgestellt. Vgl. dazu: Zum Dienstbotenwesen, in: Morgen-Post, 26/28 (29.1.1876), S. 2; Zur Lage der sogenannten Dienstboten, in: Arbeiterinnen-Zeitung 1/13 (1892), S. 3f, hier S. 4; Die Polizeiverwaltung Wiens im Jahre 1878, zusammengestellt und herausgegeben von dem Präsidium der k.k. Polizeidirektion Wien 1880, S. 27.

, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wären aber »durchaus die meisten« Dienstbot/innen (Frauen stellten im häuslichen Dienst die überwiegende Mehrheit dar)

Dazu Richter: Produktion; Raffaella Sarti: Historians, Social Scientists, Servants, and Domestic Workers: Fifty Years of Research on Domestic Care Work, in: International Review of Social History 59/2 (2014), S. 279–314, hier S. 293; Dirk Hoerder / Elise van Nederveen Meerkerk / Silke Neunsinger: Towards a Global History of Domestic and Caregiving Workers, Leiden 2015.

mit Dienstbotenbücher ausgestattet gewesen.

Morgenstern: Gesinderecht, S. 126.

Die Schwierigkeiten in der Durchsetzung solcher Arbeitsund Identitätsdokumente waren einer recht komplexen Konstellation von Interessen der involvierten Parteien geschuldet. Im Folgenden werde ich skizzieren, wie Arbeitsbücher praktisch von den wichtigsten der involvierten Parteien – Behörden, Arbeitgeber/innen und Arbeiter/innen benutzt wurden.

Eine ausgezeichnete Quelle, um die Durchsetzung dieser Identitäts- und Arbeitsdokumente zu untersuchen, stellen die ab jährlich verfassten und publizierten Berichte der Gewerbeinspektoren dar.

Gewerbeinspektoren wurden 1883 etabliert. RGBl. 1883/117.

Auch sie betonten Jahr für Jahr die – allerdings je nach Region und Gewerbe unterschiedliche – insgesamt doch sehr lückenhafte Ausstattung der Arbeiterschaft mit Arbeitsbüchern. Die Hindernisse und Schwierigkeiten in der Durchsetzung waren vielfältig, zu einem guten Teil lagen sie offensichtlich bei den Behörden selbst, an unklaren Bestimmungen und am Mangel staatlicher Verwaltungsstrukturen. Mit der Ausstellung der Dokumente waren Gemeinden, nicht die politischen Behörden betraut. Es gab dabei oft schon in Hinblick auf die administrative Zuständigkeit Klärungsbedarf, wie etwa, ob nun der Wohn- oder Arbeitsort als Aufenthaltsgemeinde zu verstehen war. (Die Ausstellung der Dienstbotenbücher lag hingegen bei der Gemeinde, in der eine Person das Heimatrecht hatte.)

Dazu auch ausführlicher Richter: Produktion, S. 55.

Gewerbeinspektoren beklagten, dass die zuständigen Gemeindevorstände bzw. Gemeindebeamten die gesetzlichen Bestimmungen oft nicht kannten oder nicht beachteten. Es handelte es sich hierbei, vor allem am Land und in kleineren Gemeinden, nicht zwangsläufig um formell ausgebildete Berufsbeamte.

Der Gemeindedienst stünde de lege jedem Dilettanten offen, es gebe keine Regelung der Qualifikation, so etwa ein anonymer Autor in der Zeitschrift für Verwaltung. Es würde, »für Beamte der Gemeinden keinen allgemeinen Befähigungszwang« geben, man ließe »in Gemeindediensten dieselben Geschäfte mitunter von ganz unqualifizierten Elementen verrichten«. Der Gemeindedienst und Staatsinteresse, in: Österreichische Zeitschrift für Verwaltung XLV (25.4.1912), S. 67–70, hier S. 68; Jiří Klabouch: Die Lokalverwaltung in Cisleithanien, in: Adam Wandruszka / Peter Urbanitsch (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. 2: Verwaltung und Rechtswesen, Wien 1975, S. 270–305.

Manche Gemeinden stellten Arbeitsbücher nur an Fremde, nicht jedoch an einheimische, ansässige Arbeiter/innen aus. Andere Gemeinden wollten sie an Fremde gerade nicht ausstellen, da sie fürchteten, dass diese mit dem Arbeitsbuch auch das Heimatrecht in der Gemeinde erwarben und damit auch einen Anspruch auf Armenunterstützung.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1891, S. 306 und 1892, S. 394.

Man fürchtete also, dass die Bestimmungen über die Arbeitsbücher das Recht (bzw. den Anspruch) der Gemeinden,

Zum Status der Gemeinden in Cisleithanien vgl. John Deak: Forging a Multinational State: State Making in Imperial Austria from the Enlightenment to the First World War, Stanford 2015, S. 151f; Klabouch: Die Lokalverwaltung.

über die Zugehörigkeit zum Gemeindeverband zu entscheiden, beschnitt.

Zum Heimatrecht vgl. Ilse Reiter: Ausgewiesen, abgeschoben. Eine Geschichte des Ausweisungsrechts in Österreich vom ausgehenden 18. bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2000.

(Prinzipiell konnten Arbeitsbücher an nicht heimatberechtigte und darüber hinaus selbst an ausländische Arbeiter/innen ausgestellt werden, diese hatten laut Gewerbeinspektorat jedoch häufig nur ihre landesspezifischen Dokumente.) Oft waren nicht ausreichend Blanquetten, also Drucksorten, verfügbar, um den stark schwankenden Bedarf an Ausweisdokumenten zu decken,

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1891, S. 159.

manchmal wurden alte Formulare verwendet.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1885, S. 470; 1886, S. 161.

Es wird von ordnungswidrig eingehobenen Gebühren oder »Trinkgeldern« für die Ausstellung berichtet.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1899, S. LVIII.

Manche Gemeinden insistierten darauf, dass sie und nicht, wie gesetzlich vorgesehen, die Arbeitgeber/innen, die Bücher aufbewahrten. Beklagt wurde auch, dass manche Gemeinden ein Beschäftigungsverhältnis für die Ausstellung von Dokumenten voraussetzten oder, unabhängig von Beschäftigung und Beruf, an Frauen generell nur Dienstbotenbücher ausstellten. Auch für jugendliche Hilfsarbeiter/innen und Lehrlinge wurden – obwohl seit 1885 Vorschrift – nur selten Arbeitsbücher ausgestellt. Manche Personen erhielten also kein Arbeitsbuch, andere verfügten über ein Arbeits- und ein Dienstbotenbuch, was ihren wechselhaften Beschäftigungen, nicht jedoch den Vorschriften entsprach. Darüber hinaus wurden, wie auch von Kritikern immer wieder gegen die Zweckmäßigkeit dieser Dokumente ins Treffen geführt wurde, Arbeits- und Dienstbotenbücher in großer Zahl verloren, vernichtet, durch Duplikate ersetzt und bei Arbeitgeber/innen oder Gemeinden zurückgelassen oder von diesen einbehalten.

Die Gemeinde-Verwaltung der Haupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1905, Wien 1909, S. 427.

In Archiven sind zahlreiche Arbeitsbücher mit keinem oder nur wenigen Arbeitszeugnissen erhalten. Wie es scheint, funktionierte die Protokollierung der Ausstellung und die Kommunikation zwischen verschiedenen Aufenthaltsorten nicht ideal.

Grafik 1

Ausgefertigte Arbeitsbücher (Wien insgesamt, in absoluten Zahlen)

Quellen: Administrations-Bericht des Wiener Bürgermeisters für den Zeitraum vom 9. April 1861–31. Dezember 1862, Wien 1863, S. 87; für das Jahr 1863, Wien 1863, S. 131; für das Jahr 1864, Wien 1865, S. 208; für die Jahre 1865–1866, Wien 1867, S. 200; Die Gemeindeverwaltung der Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren1867–1870, Wien 1871, S. 73; in den Jahren 1871–1873, Wien 1874, S. 72; in den Jahren 1874–1876, Wien 1878, S. 80; in den Jahren 1877–1878, Wien 1881, S. 88; in den Jahren 1880–1882, Wien 1884, S. 190; Verwaltungsbericht für die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien für das Jahr 1883, Wien 1884, S. 24; für das Jahr 1884, Wien 1885, S. 27; für das Jahr 1885, Wien 1886, S. 35; für das Jahr 1886, Wien 1888, S. 32; für das Jahr 1887, Wien 1889, S. 33; für das Jahr 1888, Wien 1890, S. 32; Die Gemeindeverwaltung der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt in den Jahren 1889–1893, Wien 1895, S. 87; in den Jahren 1894–1896, Wien 1898, S. 76; für 1897, Wien 1900, S. 31; für 1898, Wien 1901, S. 38; für 1899, Wien 1902, S. 27; für 1900, Wien 1903, S. 40; für 1901, Wien 1904, S. 34; für 1902, Wien 1904, S. 37; für 1903, Wien 1905, S. 31; für 1904, Wien 1906, S. 54; für 1905, Wien 1907, S. 44; für 1906, Wien 1908, S. 42; für 1907, Wien, 1909, S. 38; für 1908, Wien, 1910, S. 50; für 1909, Wien, 1910, S. 62; für 1910, Wien, 1911, S. 54; für 1911, Wien 1912, S. 68; für 1912, Wien 1913, S. 86; für 1913, Wien 1914, S. 91; Die Gemeindeverwaltung der Stadt Wien in den Jahren 1914–1919, Wien 1923, S. 91. Diese Texte sind verfügbar unter https://www.digital.wienbibliothek.at/

Trotz der gesetzlichen Vorschriften gab es also bis ins 20. Jahrhundert gleichermaßen einen Mangel und eine Überzahl an Ausweisdokumenten, darüber hinaus kursierte auch eine Vielfalt an Dokumenten, die Kontrolle und Überprüfung der Echtheit erschwerte. Obwohl die Formulare gesetzlich für alle im Reichsrat vertretenen Länder vorgeschrieben waren, gab es regionale Unterschiede in der Gestaltung. Es gab ein- und zweisprachige Formulare, die ein- oder zweisprachig und nicht immer in der/den vorgesehenen Sprache/n ausgefüllt wurden. Auch ältere Dokumente (z.B. Wanderbücher) blieben, einmal ausgestellt, in Verwendung. Das Vorgehen bei der Ausfertigung variierte. Manchmal verwiesen die Angaben auf andere Ausweisdokumente (Heimatschein, Taufschein, Lehrzeugnis), manchmal auch nicht. Gelegentlich wurden Einträge in den Dokumenten oder in den Arbeitsbuchprotokollen mit »angeblich« versehen, besonders auch während und nach dem ersten Weltkrieg, Geflüchtete besaßen oft nicht die prinzipiell geforderten Dokumente, die für die Ausstellung eines Arbeitsbuchs Voraussetzung waren.

Arbeitsbuchprotokolle sind etwa im Wiener Stadt- und Landesarchiv erhalten. WStLA, Konskriptionsamt B 10.

Ob jemand Arbeitsbücher erhielt, lag offensichtlich auch im Ermessen des Gemeindebeamten, gelegentlich wurde dort, wo Dokumente und Belege im Arbeitsbuchprotokoll angeführt werden sollten, auch »amtsbekannt« eingetragen.

Z.B. StA Klosterneuburg B 13–1 Arbeits- und Dienstbotenbücher-Verzeichnis für Nichtzuständige 1905–1912.

Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Kinderarbeit beklagten Gewerbeinspektoren, dass häufig nur das Geburtsjahr, nicht jedoch das genaue oder korrekte Geburtsdatum eingetragen wurde.

Arbeitsbücher konnten prinzipiell über viele Jahre in Verwendung bleiben. Die Personenbeschreibung stimmte dann, wie kritisiert wurde, oft nicht mehr mit dem Aussehen des Inhabers/der Inhaberin überein.

Dies sprach aus der Sicht der Kritiker gegen die Verpflichtung, solche Dokumente zu besitzen. Bericht des sozialpolitischen Ausschusses betreffend eine über Antrag des Abgeordneten Dr. Freißler im Sinne des § 33 G.O. an das Haus zu stellende Vorfrage, »ob die Regierung aufzufordern sei, eine Vorlage einzubringen, welche den Erlaß des Arbeitsbuches für erwachsene Arbeiter durch eine geeignete Legitimation vorsieht.« StenProt, XII. Legislaturperiode, XXI. Session, Beilage 1860, 1913, S. 2.

Auch Name, Familienstand, Heimatrecht oder beruflicher Status konnten sich verändern. Solche Angaben wurden oft korrigiert, ohne dass der amtliche Charakter dieser »Durchstreichungen, Radierungen, Korrekturen« immer eindeutig ersichtlich war. Die Inhaber der Dokumente gerieten damit in Verdacht, die Dokumente gefälscht zu haben.

Die Gemeinde-Verwaltung der Haupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1904, Wien 1906, S. 404.

Bei der Umsetzung der Bestimmungen traten also viele Probleme auf, Gewerbeinspektoren stellten große regionale Unterschiede fest. Den Gemeindeverwaltungen im Galizien und der Bukowina wurde seitens der Gewerbeinspektoren gar vorgeworfen, dass sie in »überwiegender Zahl des Lesens und Schreibens und daher auch gesetzesunkundig« wären »und bureaumässig organisirten Aemtern nicht vorstehen« könnten.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1886, S. 418.

In Wien hingegen wurden Jahr für Jahr Mängel, aber auch Fortschritte und Verbesserungen in der Administration dieser Dokumente gemeldet. (Manche Unterschiede lassen sich wohl auch auf die Haltung der Gewerbeinspektoren zurückführen, die diese Berichte verfassten.) Die Zahl der Gewerbeinspektoren war – gemessen am Territorium und an der Zahl der Betriebe – verschwindend klein. Darüber hinaus fehlte es ihnen an Möglichkeiten und Kompetenzen zur effektiven Bekämpfung von Verstößen gegen die Bestimmungen.

Vgl. dazu Ernst Mischler: Gewerbeinspektion, in: Mischler / Ulbrich (Hg.): Österreichisches Staatswörterbuch, Bd. 2, Wien 1906, S. 539–549.

Diese waren auch von Seiten der Arbeitgeber/innen vielfältig, dabei lassen sich Unterschiede in Hinblick auf Region, Branchen und Betriebsformen feststellen.

Jemanden ohne Arbeitsbuch einzustellen, war gesetzlich verboten. Die Vertreter von Industrie und Gewerbe insistierten auch politisch – etwa im Kontext der 1893 veranstalteten Gewerbe-Enquête – auf der Unverzichtbarkeit der Arbeitsbücher als Information über Qualifikationen, Erfahrung und Tauglichkeit, als Grundlage von Identifizierung, der Kontrolle und des »Vertrauens«.

Ebenhoch / Pernerstorfer (Hg.): Stenographisches Protokoll.

Praktisch wurde jedoch, wie aus den Berichten der Gewerbe-Inspektoren hervorgeht, immer wieder darüber hinweggesehen, wenn jemand keine oder nicht die vorgeschriebenen Dokumente vorweisen konnte: in Branchen, wie der Zuckerindustrie oder dem Gastgewerbe, in denen es saisonal große Schwankungen im Arbeitskraftbedarf gab ebenso wie im Baugewerbe, wo Poliere selbständig ihre Hilfskräfte im Tagelohn anwarben und wo zahlreiche ausländische Arbeiter/innen beschäftigt waren, die nur ihre landesspezifischen Dokumente vorweisen konnten. In der Ziegelindustrie arbeitete oft ganze Familien, häufig war nur das Familienoberhaupt mit Dokumenten ausgestattet.

Z.B. die Berichte der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1889, S. 327; 1891, S. 18f; 1893, S. 9, S. 22f; 1909, S. CXXff; 1910, S. CXXXIXff etc.

In Wäschereien wurden gewerbliche Arbeiterinnen als Dienstbotinnen mit Dienstbotenbücher angestellt, womit sie von den entsprechenden – wesentlich günstigeren – gesetzlichen Regelungen ausgeschlossen waren.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1913, S. CLXXVf.

Auch in Steinbrüchen, Schuhfabriken, Brauereien etc. wurden Arbeiter/innen ohne die vorgeschriebenen Dokumente beschäftigt. Die Nichteinhaltung der Bestimmungen wurde mit Konkurrenzdruck, mangelnder Zeit, Unkenntnis der Bestimmungen oder Versagen der Behörden erklärt. Ein Kleingewerbetreibender rechtfertigte fehlende Ausweisdokumente und Arbeiterverzeichnisse damit, er kenne seine Leute ohnehin.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit im Jahre 1889, S. 85.

Nicht immer war unstrittig, ob es sich um einen Haushalt oder Betrieb, um Familienangehörige oder um eine Arbeitskraft handelte und welcher Art das Arbeitsverhältnis war.

Vgl. Richter: Produktion, Kapitel 4.

Zum Teil wurden gesetzliche Regelungen ignoriert, staatliche Eingriffe und Kontrollen offensichtlich boykottiert und hintertrieben, zum Teil schienen die Vorgaben auch den Strukturen betrieblicher oder genossenschaftlicher Verwaltungen zu widerlaufen.

Arbeitgeber/innen erschwerten – absichtlich oder unabsichtlich – die Kontrolle der Arbeitsbücher seitens der Gewerbeinspektoren indem sie die Dokumente am falschen Ort verwahrten, sie übergaben sie oft auch der Genossenschaft oder der Gemeinde, es wird von Verlust, Zerstörung und Verwechslungen berichtet. Die Gewerbegenossenschaften beharrten immer wieder darauf, die Arbeitsbücher an Stelle der Arbeitgeber/innen zu verwahren oder insistierten auf der Verwendung eigener Dokumente, die ihnen die Kontrolle der Arbeitsvermittlung, der Genossenschafts-Zugehörigkeit und damit verbundener Anspruchsberechtigungen erleichtern sollten.

Ein normenkonformer Umgang mit Arbeitsbüchern und eine korrekte Führung der Arbeiterverzeichnisse scheinen am ehesten noch in manchen Großbetrieben durchgesetzt, wo sich staatliche Vorgaben gut in die betriebliche Verwaltung fügten, wo betriebseigene Verwaltungsbeamte damit befasst waren. Dabei erwies sich die Anwendung von (mehr oder minder) modernen Hilfsmitteln wie Stempel mit vorformulierten Arbeitszeugnissen und Unterschriften, Mitarbeiterverwaltung mit Hilfe von Vordrucken und Durchschlagspapier, mit Evidenzblättern in einem Shannon, also einer Kartothek anstelle eines Registers in Buchform als praktisch, aber nicht per se gesetzeskonform.

Bericht der k.k. Gewerbe-Inspektoren über ihre Amtstätigkeit im Jahre 1908, S. CXXXIIf.

Im Kontrast dazu zeigten sich Kleinbetriebe oft wenig fähig oder geneigt die vorgeschriebenen Prinzipien der Verwaltung und Registrierung der Arbeiter/innen anzunehmen. Darüber hinaus verfügten Arbeitgeber/innen und ihre Organisationen über verschiedenste (legale oder illegale) Möglichkeiten der Kontrolle, der Disziplinierung und der Bindung der Arbeiter an den Betrieb (z.B. durch die Form der Lohnauszahlung, Vorschüsse oder Kautionen), sie waren dabei nicht unbedingt auf Arbeitsbücher angewiesen.

Zum Arbeitsbuch im Zusammenhang mit Kontraktbruch vgl. Wadauer: Contracts under Duress.

Die möglichen Sanktionen von Verstößen gegen die Gewerbeordnung – im Fall der Arbeitgeber/innen nur Geldstrafen und nicht auch Haftstrafen, wie dies für Gehilf/innen galt

Vgl. Dazu Ingwer: Arbeitsvertrag, S. 17.

– waren offensichtlich wenig wirksam. Es gab eine »schwer zu überwindende Lässigkeit« gegenüber manchen Vorschriften.

Diesen Ausdruck verwendet Stöger in Bezug auf die Nicht-Errichtung vorgeschriebener genossenschaftlicher Krankenkassen. Otto Stöger: Arbeiterkrankenversicherung, in: Mischler / Ulbrich (Hg.): Österreichisches Staatswörterbuch, Bd. 1, Wien (2. Auflage) 1905, S. 226–262, hier S. 228.

In der zeitgenössischen Literatur finden sich auch Schilderungen der Probleme aus Sicht der Arbeiterschaft. In vielen Berichten werden Abhängigkeit und existenzielle Bedrohung sowie ein grundlegendes Misstrauen der Arbeiter/innen gegenüber Arbeitgeber/innen deutlich. Mit der Durchsetzung der Dokumente nahm die Möglichkeit der missbräuchlichen Verwendung seitens der Arbeitgeber/innen zu. Dazu waren nicht einmal die vieldiskutierten Zinken, negative Arbeitszeugnisse oder fehlendes explizites Lob notwendig. Schon die Dokumentation des Erwerbsverlaufs für sich erschien als unzulässige Kontrolle und gab den/die Arbeiter/in der willkürlichen Interpretation ihrer Arbeit preis.

Vgl. dazu Isidor Ingwer: Die Rechtsstreitigkeiten vor dem Gewerbegerichte, Wien 1899, 201f; Rudolf Brichta: Das Dienstzeugnis. Eine gewerbepolitische Studie, in: Juristische Blätter XXXV/10 (1906), S. 109–112.

Ein kurzfristiges Arbeitsverhältnis, häufiger Stellenwechsel oder längere Erwerbslosigkeit machten verdächtig, der Eintrag »Austritt am 2. Mai« reichte aus, um jemanden der Arbeiterbewegung zuzuordnen. Mit solchen Arbeitsdokumenten konnte es – wie etwa aus Wenzel Holeks oder Alfons Petzolds autobiografischen Schilderungen hervorgeht – außerordentlich schwer sein, Arbeit zu finden.

Wenzel Holek: Lebensgang eines deutsch-tschechischen Handarbeiters. Mit einem Vorwort herausgegeben von Paul Göhre, Jena 1909, S. 248; Alfons Petzold: Das rauhe Leben. Der Roman eines Menschen, Berlin 1920, S. 271, S. 304, S. 307, S. 332f.

Ohne Arbeitsbuch konnten Arbeiter/innen legal bestenfalls Gelegenheitsarbeit annehmen, sie fanden keine Aufnahme in Naturalverpflegsstationen für wandernde Arbeitssuchende.

Vgl. dazu Sigrid Wadauer: Der Arbeit nachgehen? Auseinandersetzungen um Lebensunterhalt und Mobilität (Österreich 1880–1938), Wien 2021, Kapitel II. 1.

Ohne Arbeitsbuch angetroffen zu werden, konnte, wie der Jurist Isidor Ingwer kritisierte, zu Verhaftung, zu langen Haftstrafen, zu Abschiebung oder gar zur Internierung in einer Zwangsarbeitsanstalt führen.

Ingwer: Arbeitsvertrag, S. 26.

Die Berichte der Gewerbeinspektoren und die Entscheidungen der Gewerbegerichte

Sammlungen der Entscheidungen der k.k. Gewerbegerichte, Wien 1900–1920.

dokumentierten zahlreiche und vielfältige Streitfälle über das Ausstellen, Ausfertigen und Aushändigen und Zurückhalten der Dokumente. Gewerbeinspektorate und -gerichte fungierten als Informations- und Anlaufstellen für Arbeiter/innen wie Arbeitgeber/innen, sie machten Konflikte und Mängel in der Umsetzung der Bestimmungen erst in ihrem Ausmaß greifbar und offiziell.

Korrekte/vorteilhafte Kategorisierung der Tätigkeit, die Dokumentation der ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der Nachweis berufsspezifischer Erfahrung war von Bedeutung, wenn es darum ging, eine gleichwertige oder bessere Anstellung zu finden oder das Meisterrecht zu erwerben. Die Kategorisierung und Registrierung von Erwerbsverhältnissen war auch in Hinblick auf neu etablierte Versicherungsleistungen relevant. Dementsprechend wurde über Einträge zu Beruf und Beschäftigung, über Form und Formulierungen der Zeugnisse gestritten. (Siehe Grafik 2 und 3) In dieser Hinsicht waren die Dokumente für Ihre Besitzer wertvoll.

Allerdings sahen nicht alle Arbeiter/innen die Möglichkeit einer beruflichen Verbesserung. Auch die mit dem Status des gewerblichen Hilfsarbeiters/der Hilfsarbeiterin verknüpften rechtlichen Rahmenbedingungen oder Versicherungsansprüche wurden nicht zwangsläufig als Fortschritt und Vorteil betrachtet. Kranken- und Unfallkassen hieß es etwa in den Beschlüssen des ersten Parteitags der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1888, würden die Kosten der Unterstützung von den Gemeinden auf die Arbeiter/innen übertragen, die Möglichkeiten der Mitsprache wären gering.

Verhandlungen des Parteitages der österreichischen Sozialdemokratie in Hainfeld, hg. von Julius Popp / G. Häfner, Wien 1889, S. 49 ff.

Die zahlreichen in Archiven erhaltenen Dokumente, die Arbeiter/innen bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses oft einfach zurückgelassen oder derer sie sich auf andere Art entledigt hatten, zeugen von dieser Geringschätzung der Dokumente und von den Anstrengungen und praktischen Möglichkeiten, die Arbeitsbücher zu vermeiden oder zu manipulieren. Auch in Zeitungsberichten und autobiografischen Erzählungen finden sich immer wieder Schilderungen des Fälschens und Zerstörens der Dokumente.

Zum Beispiel Julius Deutsch: Ein weiter Weg. Lebenserinnerungen, Zürich 1960, S. 49; Holek: Lebensgang, S. 248.

Vielleicht trugen solche Möglichkeiten, ungestraft wieder Kontrolle über die eigene Dokumente bzw. die Dokumentation des Erwerbs zu erlangen, die auch in den Autobiografien prominenter Sozialdemokraten offen geschildert werden, zu der von Isidor Ingwer beklagten »Indolenz« des Proletariats gegenüber Arbeitsbüchern bei.

Ingwer: Arbeitsvertrag, S. 25f; Die Indolenz gegenüber der Abschaffung wird auch in einem Artikel der Arbeiterinnen-Zeitung thematisiert: Die Modistin am Weg zur Arbeit, in: Arbeiterinnen-Zeitung 28/8 (15.4.1919), S. 5.

Sieht man von den lebensgeschichtlichen Texten ab, die im unmittelbaren Umfeld der Arbeiterbewegung entstanden sind und eine politische Öffentlichkeit adressieren, so werden die Dokumente – oft gar nicht oder nur en passant erwähnt. Der praktische Umgang der einzelnen Arbeiter/innen mit diesen Dokumenten kann nicht zwangsläufig aus den offiziellen politischen Statements der (sozialdemokratischen) Arbeiterbewegung oder der Vertreter der Gehilfenausschüsse abgeleitet werden, er scheint keineswegs einheitlich, so wie ja auch die Erwerbs- und Lebensverhältnisse, Erwartungen und Perspektiven nicht einheitlich waren.

Grafik 2

Gewerbeinspektorate – Anzeigen in absoluten Zahlen

Die absoluten Zahlen der Anzeigen auf Grund des Gewerbe-Inspektorats-Gesetzes bzw. der Gewerbeordnung war insgesamt, gemessen an der Zahl der inspizierten Betriebe, sehr gering. Die Zahl der Anzeigen wegen Aufnahme ohne Arbeitsbuch schwankte zwischen 90 und 200/Jahr, dies waren aber immerhin bis zu 28,5% aller Anzeigen. Mit der Etablierung von Gewerbegerichten wurden diese die primäre Anlaufstelle für solche Konflikte. Angaben über Anzeigen, Beschwerden und Parteienverkehr in den Berichten der (k.k.) Gewerbe-Inspectoren über ihre Amtsthätigkeit: für das Jahr 1894, S. 6f; 1895, S. 4f; 1896, S. XXIVf; 1897, S. XXIIIf; 1898, S. XXf; 1899, S. XXXVIf; 1900, S. XXIVf; 1901, S. XLXf, S. LIIf; 1902, S. 74–79; 1903, Tabelle A, S. 56f; 1904, Tabelle A, S. LIV; 1905, Tabelle A, S. LXVII; 1906, S. LXXII, S. LXXVIf; 1907, S. LXXVIIIf, S. LXXXIIf; 1908, S. LXVIII, S. LXXIVf; 1909, S. Lf, S. LIVf; 1910, S. LVI–LIX; 1911, S. LXXIV–LXXVII; 1912, S. CII–CV; 1913, S. XlI, S. LII–LVI; 1914, S. LIV–LIX; 1915, S. XLVI–XLIX, S. LIIIf; 1916, S. LX–LIII, S. LVIIIf; 1919, S. LXIVff; 1920, S. XXVIII–XXXI; 1921, S. XXIV–XXXVII, S. XXX; 1923, S. 26–31; 1924, S. 26–31; 1925, S. XX–XIII.

Grafik 3

Zahl der Streitfälle vor den Wiener Gewerbegerichten das Aushändigen oder den Inhalt des Arbeitsbuches (oder Zeugnisses) betreffend

Quelle: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 1898–1914 (Gewerblich Angelegenheiten, Gewerbliche Gerichte), verfügbar unter https://www.digital.wienbibliothek.at/

Die Durchsetzung von Arbeitsbüchern begegnete somit zahlreichen Schwierigkeiten: fehlende Klarheit der gesetzlichen Bestimmungen, uneinheitliches, nicht unbedingt regelkonformes, dem Weberschen Idealtypus der Bürokratie entsprechendes Agieren der involvierten Gemeindebehörden und Körperschaften, Widersetzlichkeit oder Widerstand seitens der Arbeiterschaft sowie pragmatisches Agieren, Mängel betrieblicher Verwaltung und unterschiedlichste Gesetzesverstöße seitens der Arbeitgeber/innen. Arbeitsbücher waren für viele Zwecke benutzbar, es gab auch viele Möglichkeiten, sie zu vermeiden. Wenn die Einführung von Arbeitsbüchern als Innovation amtlicher Arbeits- und Identitätsdokumente begriffen werden soll, so wurde diese mit eher mäßigem Erfolg realisiert.

Die Abschaffung der Arbeitsbücher als Neuerung

Nicht nur die Einführung, sondern auch die Abschaffung der Dokumente erwies sich als eher langwierig. Sozialdemokratische Abgeordnete brachten dazu wiederholt Anträge zur ersatzlosen Abschaffung im Abgeordnetenhaus des Reichstags ein. Sie führten eine ganze Reihe an Argumenten ins Treffen und bezeichneten dies als Schritt der Modernisierung, der nicht bloß Arbeiter/innen sondern allen involvierten Parteien, dem Staat, ja dem gesamten Land zugutekommen würden. Arbeitsbücher wären ein »jahrhundertealter Schandfleck des österreichischen Arbeitsrechtes«,

Antrag des Abgeordneten Smitka, Palme und Genossen, betreffend die Beseitigung der Arbeitsbücher (Entlaßscheine, Seedienstbücher). StenProt, XII. Legislaturperiode, XXI. Session, Beilage 70, 1911, S. 1.

»eine Plage für den Arbeitgeber, eine Fessel für den Arbeiter, ein Gegenstand unendlicher Prozesse, eine unpraktische Einrichtung, die fortwährend Schaden stiften, ohne nur den geringsten Nutzen zu haben.«

Antrag des Abgeordneten Smitka, S. 2.

Das Arbeitsbuch sei »das Merkmal der Sklaverei, der Hörigkeit, der gelbe Fleck, der allen denen angeheftet wird, die als Ausgestoßene, als Minderwertige, als Kontrollbedürftige angesehen werden. Es erregt von neuem immer wieder die Vorstellung von der Zweiteilung der Gesellschaft, in die Teilung von Kontrollbedürftigen und Kontrollosen.«

Antrag des Abgeordneten Smitka, S. 3.

Diese Gegensätze immer vor Augen zu führen, wäre nicht im Interesse der bürgerlichen Gesellschaft. Die Stigmatisierung und Diffamierung durch Einträge und Zinken wäre eines modernen Rechtsstaates unwürdig. Die Abschaffung wurde also als gesamtgesellschaftliches Interesse evoziert, sie wäre »eine Forderung der Gerechtigkeit, des Rechtes, des gesunden Menschenverstandes«

Abgeordneter Seitz, StenProt, XII. Legislaturperiode, XXI. Session, 161. Sitzung, 20.6.1913, S. 8056f.

, ein Fortschritt. Besonders hervorgehoben wurde auch, dass in anderen Ländern mit florierender Industrie, in England, Deutschland und in Amerika längst keine Arbeitsbücher mehr in Verwendung wären und dass anerkannte Experten der Sozialpolitik die Abschaffung empfehlen würden. Arbeitsbücher würden unnötig Ressourcen der Arbeitsgerichte binden, Arbeiter/innen von der Verwertung ihrer Arbeitskraft abhalten, sie wären schlicht überflüssig, da sie als Kontrollinstrument nicht ihren Zweck erfüllten. Selbst zur Identifizierung wären sie nicht geeignet, da die Inhaber ja nach einigen Jahren nicht mehr der Beschreibung entsprechen würden, die Dokumente könnten somit auch von anderen Personen benutzt werden. Es wäre außerdem ein leichtes, sich ein neues zu beschaffen.

Bereits 1902 empfahl der Arbeitsbeirat des Abgeordnetenhauses die Abschaffung von Arbeitsbüchern.

Im Zusammenhang mit den Arbeitsverträgen im Eisenbahnbau. Vgl. Antrag des Abgeordneten Smitka, S. 3.

1910 beschloss das Abgeordnetenhaus zunächst einmal die Regierung aufzufordern, nach Anhörung des Arbeits-, Industrie-, und Gewerbebeirates einen Gesetzesentwurf vorzulegen, in welchem die Frage der Arbeiterlegitimation auf moderner Grundlage gelöst werde. In die Erörterung und Lösung der Frage wurden also spätestens seit der Gewerbe-Enquête von 1893

Ebenhoch / Pernerstorfer (Hg.): Stenographisches Protokoll, S. 144.

Vertreter der Arbeitgeber/innen und Arbeiter/innen systematisch eingebunden.

Ein solches Kooperieren von Arbeitgebern und Arbeitnehmern war nicht völlig neu, es findet sich schon in Einrichtungen von Genossenschaften oder den Gewerbegerichten. Vgl. dazu Gerald Stourzh: Zur Institutionengeschichte der Arbeitsbeziehungen und der sozialen Sicherung. Eine Einführung, in: Gerald Stourzh / Margarete Grandner (Hg.): Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, Wien 1986, S. 13–37; Ingwer: Die Rechtsstreitigkeiten, S. 247.

Als Kompromissvorschlag stand zur Diskussion, die »odiose Bezeichnung des Arbeitsbuches« abzuschaffen und eine Arbeiterlegitimation einzuführen, welche die Identifizierung der Person gewährleiste und aus der die Qualifikationen, Anstellungen und Arbeitserfahrungen des Arbeiters ersichtlich wären.

Bericht des sozialpolitischen Ausschusses betreffend eine über Antrag des Abgeordneten Dr. Freißler im Sinne des § 33 G.O. an das Haus zu stellende Vorfrage, »ob die Regierung aufzufordern sei, eine Vorlage einzubringen, welche den Erlaß des Arbeitsbuches für erwachsene Arbeiter durch eine geeignete Legitimation vorsieht«. StenProt, XII. Legislaturperiode, XXI. Session, Beilage 1860, 1913, S. 3; Sitzungs-Protokolle des ständigen Arbeitsbeitrates. 1913 und 1914. (33. bis 35. Sitzung), Wien 1914, 34. Sitzung, S. 96.

Zumindest für Minderjährige unter 24 Jahren sollte »die Natur des bisherigen Arbeitsbuches« beibehalten werden.

Arbeitsbeirat, 34. Sitzung, S. 96.

Das neue Dokument sollte aber in der Hand des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin bleiben, der »Deponierungszwang« aufgehoben werden.

Abgeordneter Hummer, StenProt, XII. Legislaturperiode, XXI. Session, 161. Sitzung, 20.6.1913, S. 8059.

Auch die Regierung lehnte die Abschaffung der Arbeitsbücher nicht grundsätzlich ab.

Ein Regierungsvertreter habe überraschenderweise sogar angegeben, man würde sich durch Argumente überzeugen lassen. Allerdings beharrte man auf der Beibehaltung von Entlaßscheinen und Seedienstbüchern. Arbeitsbeirat, 34. Sitzung, S. 97 und S. 94.

Nachdem die Bestimmungen bezüglich Arbeitsbüchern im ersten Weltkrieg vielfach übergangen wurden, indem Arbeiter/innen ohne solche Dokumente beschäftigt wurden, beschloss die provisorische Nationalversammlung 1919 endlich die Abschaffung.

Abgeordneter Hanusch, StenProt der provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich, Bd. 1, I. Session, 15. Sitzung am 25.1.1919, S. 553. (Dafür spricht auch die geringe Zahl der Anzeigen in dieser Zeit, vgl. Grafik 2). StGBl. 1919/42.

Dies war eines von vielen Gesetzen durch die, den Kräfteverhältnissen der Nachkriegszeit Rechnung tragend, neue soziale Rechte, Arbeiter/innenschutz und auch Mitbestimmung von Arbeiter/innen etabliert wurden.

Zur Entwicklung der Sozialgesetzgebung vgl. Emmerich Tálos / Karl Wörister: Soziale Sicherung im Sozialstaat Österreich. Entwicklung – Herausforderungen – Strukturen, Baden-Baden 1994.

Ersetzt wurden Arbeitsbücher durch Ausweiskarten, die lediglich den Charakter als gewerblicher Hilfsarbeiter/in bestätigten und nicht mehr dem/der Arbeitgeber/in ausgehändigt werden mussten.

StGBl. 1919/106. Zur Ausfertigung dieser Dokumente, die für Inund Ausländer/innen ausgestellt wurden, war eine Bestätigung des Dienstgebers über die Verwendung, ein Meldezettel und ein Ausweisdokument erforderlich. Konnte der/die Hilfsarbeiter/in Alter oder Heimatrecht nicht durch Dokumente bestätigen, so wurden diese Angaben mit dem Vermerk »laut Angabe« versehen.

Das Dokument enthielt eine Personenbeschreibung, ab 1928 auch ein Foto.

BGBl. 1928/45, § 1. Nun konnte, wenn trotz der vorgelegten Dokumente ein Zweifel an der Identität bestand, auch ein Zeuge zur Beglaubigung verlangt werden. Die Beschäftigung war nun nur mehr auf Verlangen einzutragen. Auch der Wohnort zur Zeit der Ausstellung war nun anzugeben.

Dienstbotenbücher, wurden 1920 zunächst nur in Städten über 5.000 Einwohner durch eine mit Foto versehene Dienstkarte ersetzt, erst 1926 wurde dies auf alle anderen Orte ausgeweitet.

StGBl. 1920/101 § 26; StGBl. 1920/144; BGBl. 1926/72.

Allerdings wurden Arbeitsbücher für Landarbeiter/innen in verschiedenen Bundesländern bald wieder eingeführt.

Z.B. für Niederösterreich: NÖ LGBl. 1936/37.

Das NS-Regime etablierte vom Arbeitsamt ausgestellte Arbeitsbücher neuerlich mit dem Ziel der Steuerung des Arbeitsmarktes.

Z.B. für Niederösterreich: NÖ LGBl. 1936/37.

Zu den neuen Ausweiskarten für gewerbliche Hilfsarbeiter(innen) ist bemerkenswert wenig in den Quellen zu finden, in der zeitgenössischen Presse wurden sie kaum erwähnt, anders als Arbeitsbücher scheinen sie kaum archivwürdig gewesen zu sein. Mit dem Wegfall der Bezeichnung »Arbeitsbuch«, mit der Separierung der Arbeitszeugnisse und damit, dass sie im Besitz des/der Arbeiter/in verblieben, scheinen die Arbeitsund Identitätsdokumente ihre disziplinierenden, schädlichen und »odiosen« Aspekte tatsächlich eingebüßt zu haben. Allerdings verschwanden Arbeitsbücher mit der gesetzlichen Abschaffung nicht schlagartig. 1919 berichten die Gewerbeinspektoren aus den Aufsichtsbezirken Linz und St. Pölten, dass Arbeiter/innen dieser »Neuerung« »vielfach mit Gleichgültigkeit« begegneten.

30.10.1939, DRGBL. I S. 2180; Stefanie Werner / Harald Degner / Mark Adamo: Hitlers gläserne Arbeitskräfte. Das Arbeitsbuch als Quelle von Mikrodaten für die historische Arbeitsmarktforschung, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 52/2 (2011), S. 175–192; Karsten Linne: Von der Arbeitsvermittlung zum »Arbeitseinsatz«. Zum Wandel der Arbeitsverwaltung 1933–1945, in: Marc Buggeln / Michael Wildt (Hg.): Arbeit im Nationalsozialismus, Berlin 2014, S. 53–70.

Arbeitsbücher wurden nach wie vor gerne benutzt und entgegengenommen. Sie wurden in verschiedensten Zusammenhängen, etwa in Wahlordnungen, neben diversen anderen Dokumenten (vom Reisepass über den Heimatschein, dem Schulzeugnis bis zur Tramway-Jahreskarte) als Möglichkeit der Legitimierung genannt.

Bericht der Gewerbe-Inspektoren Österreichs über ihre Amtstätigkeit im Jahre 1919, S. CXXIIf.

Es dauerte, bis Arbeiter/innen mit den neuen Dokumenten ausgestattet waren. Arbeitgeber/innen verlangten auch weiterhin Arbeitszeugnisse, diese blieben als Nachweis beruflicher Erfahrung, als Befähigungsnachweise und beruflichen Aufstieg relevant.

Z.B. Bundesgesetz vom 11. Juli 1923 über die Wahlordnung zum Nationalrat, BGBl. 1923/367, § 59.

Mit der weiteren (aber immer noch lückenhaften) Durchsetzung von Versicherungssystemen, die an formelle Arbeitsverhältnisse geknüpft waren, entstanden neue Arten der amtlichen Dokumentierung von Arbeit. Wer aber erwerbslos herumwanderte und den Verdacht auf Mittellosigkeit erregte, musste nach wie vor einen Nachweis der Identität, des redlichen Erwerbs oder zumindest der Bemühung um Arbeit in Händen halten, um Schwierigkeiten mit der Polizei zu vermeiden.

Etwa: Bekanntmachung, in: Österreichische Buchdrucker-Zeitung 47/25 (11.12.1919), S. 1.

Die Bestimmungen betreffend Vagabundage wurden erst mit der Justizreform der 1970er Jahre aufgehoben.

Vgl. dazu Josef Gutmann: Die Wiedereinführung der Dienstbotenbücher, in: Öffentliche Sicherheit, 14/7 (1934), S. 28.

Arbeitsbücher wurden aber auch, wie aus Nachlässen zu schließen ist, oft aufbewahrt, selbst wenn längst schon nicht mehr gültig waren und benötigt wurden, vielleicht fungierten sie auch als persönliches Erinnerungsstück.

Schluss

Veränderungen und Innovationen sind stets auch eine Frage der Interpretation, der Auseinandersetzung und des Konsenses. Arbeitsbücher waren amtliche Dokumente mit diversen Funktionen, ihre Benutzung implizierte ein Interaktionsprogramm, das Behörden, Arbeitgeber/innen und Arbeiter/innen in Kontakt brachte und in Beziehung setzte. An ihnen lassen sich durchaus Aspekte der Neuerung feststellen: die klarere Normierung staatlicherseits etwa (vom Personenkreis über die administrative Zuständigkeit bis hin zur Gestaltung), oder ihr Bezug auf die für ganz Cisleithanien geltende Gewerbe- und Arbeitsgesetzgebung, die dadurch vollzogene Formalisierung und Dokumentierung von Arbeitsverhältnissen.

Vgl. Bundesgesetz vom 11. Juli 1974 über die Anpassung von Bundesgesetzen an das Strafgesetzbuch, BGBl. 1974/422 (Strafanpassungsgesetz), Artikel XI, Abs. 2, 6 und 8.

Von Zeitgenoss/innen wurden Arbeitsbücher aber höchst kontrovers diskutiert. Als Instrument zur Sicherung der bestehenden Ordnung und Arbeitsverhältnisse betrachtet, wurden sie als nützlich und notwendig, aber ebenso als überkommen, überflüssig, schädlich oder repressiv wahrgenommen. Arbeitsbücher waren Gegenstand von wie Mittel in Auseinandersetzungen und Konflikten.

Ich habe an anderer Stelle Arbeits- und Dienstbotenbücher unter anderen Perspektiven und Fragestellungen diskutiert und auch verglichen und dabei etwa Fragen von Sicherheit, Zwang oder die (häufig geschlechterspezifischen) Arbeitsverhältnisse in den Mittelpunkt gestellt, siehe Fußnote 11.

Den Bemühungen der Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen wurde mit Zustimmung, offener Widersetzlichkeit und Protest, mit Pragmatismus aber auch mit Gleichgültigkeit begegnet. Auch die verschiedenen Behörden und Körperschaften agierten, wie ich ausgeführt habe, weder einheitlich noch zwangsläufig im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Arbeiter/innen sahen sich durch Arbeitsbücher wie durch ihr Fehlen in ihrer Existenz bedroht, es gab aber durchaus Möglichkeiten, sich den Zwängen und Sanktionen zu entziehen. Arbeits- und Dienstbotenbücher waren gewiss nicht die einzige Weise, Personen zu erfassen, zu registrieren und zu identifizieren. Die offenkundig recht schwierige Durchsetzung der Bestimmungen deutet jedoch darauf hin, dass eine »ununterbrochene Evidenz«

Kendra Briken: Gesellschaftliche (Be-)Deutung von Innovation, in: Birgit Blättel-Mink / Raphael Menez: Kompendium der Innovationsforschung, S. 21–31, hier S. 30.

der Bevölkerung im Untersuchungszeitraum (noch) in weiter Ferne lag und eine »Durchstaatlichung« noch nicht allzu weit fortgeschritten, in dieser spezifischen Form wohl auch nicht zwangsläufig war. Die vielfältigen Schwierigkeiten in der Umsetzung der Bestimmungen und die damit einhergehenden Konflikte sind allerdings auch deshalb so gut rekonstruierbar, weil mit dem Gewerbeinspektorat und den Gewerbegerichten neue Behörden eingerichtet worden waren, die zwar offensichtlich noch nicht die Macht hatten, die Bestimmungen effektiv durchzusetzen, die aber Mängel und Konflikte in Arbeitsverhältnissen dokumentierten und die als amtlicher Adressat und Anlaufstelle für Beschwerden der Arbeiter/innen wie der Arbeitgeber/innen fungierten. Enquêten und Ausschüsse dokumentierten auch das Bestreben, zur Lösung der Konflikte zwischen Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen beizuragen, zu vermitteln. Publikationen der Arbeiterschaft weisen auf Ungleichheit und Missstände hin, dokumentieren aber auch die Möglichkeiten, diese öffentlich zu machen und anzuprangern. Ungleich schwerer zu rekonstruieren ist hingegen das stillschweigende Hinnehmen, die von der Arbeiterbewegung beklagte Indolenz der Arbeiterschaft. Dabei müssen auch solche Haltungen und Praktiken, wie machtlos diese auch scheinen mögen, als Teil jener komplexen Konstellationen, die Veränderungen begünstigten und/oder behinderten, begriffen werden. Ziel meiner weiteren Forschung wird es sein, das Gewicht und den Zusammenhang der Aspekte, die für die Wahrnehmungen und Gebrauchsweise solcher Dokumente eine Rolle spielten, noch genauer zu untersuchen: von Beruf und Art des Beschäftigungsverhältnisses über Geschlecht, Alter, Laufbahn und Ambition, politische Haltung, Branche, Betriebsgröße bis hin zu regionalen Unterschieden.

Die Benutzbarkeit und Vermeidbarkeit der Dokumente für alle involvierten Parteien waren nicht bloß Hindernis für die konsequente Etablierung der Dokumente, sie erschwerten auch ihre Abschaffung. Letztlich gelang es der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung (als moralisch/politischem Entrepreneur,

Stephan Gruber: Ununterbrochene Evidenz. K.K. Polizeibehörden und die Dokumentation von Identitäten 1782–1867, unpublizierte Dissertation, Universität Wien 2013.

wenn man so will) jedoch nach vielen Versuchen, Arbeitsbücher als »jahrhundertealten Schandfleck«, als eine für alle Parteien dysfunktionale Einrichtung zu delegitimieren und einen Konsens über die Notwendigkeit der Reform der gesetzlichen Bestimmungen herzustellen. Die Abschaffung der Arbeitsbücher und die Einführung anderer, als neutraler wahrgenommener Identitäts- und Arbeitsdokumente an ihrer Stelle konnten als »Neuerung«, Modernisierung und als eine von Experten empfohlene Anpassung an internationale Standards durchgesetzt werden.

eISSN:
2519-1187
Idioma:
Inglés