In Deutschland gibt es vielfältige Formen der Landnutzung mit sehr unterschiedlichen und teilweise konkurrierenden Zielsetzungen. Darüber hinaus haben globale Veränderungen wie der Klimawandel, wirtschaftliche Entwicklungen oder eine stark divergierende Bevölkerungsentwicklung bereits großen Einfluss auf die Landnutzung, der sich in Zukunft noch verstärken wird. Vielfach beeinflussen sich diese Faktoren gegenseitig und die dabei auftretenden Wechselwirkungen und Unsicherheiten erschweren vor allem langfristige Planungsentscheidungen. Herman Kahns (1982: 82) oft zitierter Satz „The most likely future isn’t“ „Die wahrscheinlichste Zukunft ist es nicht.“
Entwicklungsmöglichkeiten zu skizzieren und sich auf künftige Ereignisse vorzubereiten,
das Risikopotenzial von Strategien zu beurteilen und einen Handlungsbedarf anzumahnen,
Handlungsoptionen zu entwerfen und abzuwägen, um die geeignetsten auszuwählen,
Auswirkungen bestimmter Maßnahmen auf andere Handlungsfelder zu beschreiben und die Eignung im komplexen Umfeld besser beurteilen zu können (Syrbe/Rosenberg/Vowinckel 2013: 111).
In diesem Sinne werden Szenarien zunehmend in der Politik verwendet, um etwa einen Einblick in zukünftige Eventualitäten oder Handlungsspielräume zu geben oder Auswirkungen alternativer Politiken darzustellen (z. B. UNEP 2007; ICSU 2010; Schlesinger/Lindenberger/Lutz 2010).
Szenarien kommen auch in der Wissenschaft regelmäßig zum Einsatz. Dort stehen nicht unbedingt Handlungsempfehlungen im Vordergrund, sondern beispielsweise ein besseres Verständnis für komplexe Systeme sowie ihrer Wechselwirkungen und Unsicherheiten. Auch der Einfluss bestimmter Treiber für Veränderungen, wie beispielsweise der Einfluss des Klimawandels auf andere Faktoren, ist oft Gegenstand von wissenschaftlichen Szenarien. Schließlich kann die Etablierung eines wissenschaftlichen Konsens ein Ziel von Szenarienentwicklungen sein (z. B. Walz/Lardelli/Behrendt et al. 2007; Liu/Gupta/Springer et al. 2008; Mahmoud/Liu/Hartmann et al. 2009).
So vielfältig, wie die Anwendungskontexte sind, sind auch die Definitionen und Methoden der Szenarienentwicklung. Laut einer Überblicksstudie von Kosow und Gaßner (2008: 9) lässt sich jedoch innerhalb der Methodendiskussion ein – zumindest von einem Großteil der Autoren – implizit geteiltes Grundverständnis darüber identifizieren, was ein Szenario ist. Dieses Grundverständnis beinhaltet eine Darstellung einer möglichen zukünftigen Situation (Zukunftsbild) inklusive der Entwicklungspfade, die zu der zukünftigen Situation führen.
Das Grundverständnis impliziert auch die Unterscheidung von Szenarien und Prognosen. Prognosen sind Aussagen über erwartbare zukünftige Entwicklungen, welche sich z. B. auf die statistische Extrapolation gegenwärtiger und vergangener Trends stützen (Grunwald 2002: 181). Der Einsatz von Szenarien scheint dann sinnvoll, wenn Prognosen unmöglich sind, z. B. wenn nicht genügend Daten für eine Prognose vorliegen oder wenn viele Unsicherheiten gleichzeitig berücksichtigt werden sollen (Rounsevell/Metzger 2010: 606). Daher werden in der Regel mehrere Szenarien kontrastierend konzipiert, um verschiedene vorstellbare Entwicklungen aufzuzeigen und einen Möglichkeitsraum auszuloten (Oppermann 2008: 38). Einen Überblick über die Szenarienmethodik und Nutzungsmöglichkeiten findet sich bei van Notten/Rotmans/van Asselt et al. (2003), Bishop/Hines/Collins (2007), Kosow/Gaßner (2008) und Mahmoud/Liu/Hartmann et al. (2009).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit 2009 bis Ende 2013 im Rahmen des Helmholtz-Programms „Terrestrische Umwelt“ das Topic „Landnutzungsoptionen – Strategien und Anpassung an den globalen Wandel“, an dem insgesamt 20 Forschergruppen beteiligt sind. Ein Ziel des Topics besteht darin, in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Praxis die Folgen verschiedener möglicher Entwicklungen der Landnutzungen in Form von regionalen
Qualitative, narrative Szenarien werden aus den nachfolgend genannten Gründen für unsere Forschung als besonders sinnvoll erachtet (vgl. dazu Gaßner/Steinmüller 2006; Kosow/Gaßner 2008; Dappen/Ewen 2009; Fink/Siebe 2011). Zunächst eignen sie sich gut zur Vermittlung, da mögliche Veränderungen und sich daraus ergebende Konsequenzen sehr prägnant formuliert werden können. Die Darstellungsweise zwingt zudem zu einem hohen Maß an Konkretheit und Realismus. Qualitative Szenarien erlauben die eher inhaltlich-sinnhafte Betrachtung von Details und Nuancen, ohne dass Schlüsselfaktoren definitiv ein- oder ausgeschlossen werden müssen. So kann sichergestellt werden, dass die Szenarien in vielen verschiedenen Kontexten zum Einsatz kommen können, die dann jedoch immer einen gemeinsamen Nenner haben müssen. Darüber hinaus eignen sich qualitative Ansätze gerade dann, wenn in längerfristigen Betrachtungen vermeintlich ‚hartes’ quantitatives Wissen an Plausibilität verliert. Schließlich profitieren alle am Entwicklungsprozess Beteiligten, indem sie ihre Kenntnisse über die anderen Akteure erweitern und deren Interessen kennenlernen. Mit Abstand vom Alltag ist es möglich, das Denken von Alltagsroutinen zu lösen und Möglichkeitsräume zu erforschen.
Unabhängig von der Art der Szenarien wurden in den letzten Jahren von der Wissenschaft Kriterien entwickelt, um die Qualität von Szenarienansätzen zu bewerten, beispielsweise die Relevanz der Szenarien für die Nutzer, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Legitimität (vgl. Hulme/Dessai 2008; Alcamo/Kok/Busch et al. 2008).
In unserem Beitrag beschreiben wir ausführlich die Entwicklung der regionalen
Grundlage für die Entwicklung der regionalen
Da das Projektteam für die Entwicklung der
Alcamo (2001: 26 f.) schlägt neben der Einbindung von wissenschaftlichen Experten auch die Einbindung von Interessenvertretern („Stakeholder“) in das Panel vor. Allerdings macht er auch die Nachteile einer solchen Einbindung hinsichtlich des hohen Zeit- und Kostenaufwands deutlich. Da uns für die kontinuierliche Einbindung von Stakeholdern in das Panel kein Budget zur Verfügung stand, haben wir verschiedene Workshops und Feedbackrunden mit Praxispartnern eingerichtet, die in den Kap. 2.3 und 2.4 beschrieben werden.
Um als Grundlage für weiterführende Forschungen genutzt werden zu können, muss sich die Ausrichtung der Szenarien an den Fragestellungen potenzieller späterer Nutzer aus dem wissenschaftlichen Umfeld orientieren. Um dies zu erreichen, wurden über das Review-Panel hinaus zu Beginn der Szenarienentwicklung alle 20 am Topic 1 des Helmholtz-Programms beteiligten Forschungsgruppen befragt. Erhoben wurden Forschungsfragen, Faktoren, die zukünftige Veränderungen in der Landnutzung bewirken, sowie Indikatoren, die die jeweiligen Veränderungen anzeigen.
Die Auswertung der Befragung ergab, dass ein geeigneter Zeithorizont der
In zwei
In unserem ersten Szenario (RaMa (radikaler Markt)), das auf den Rahmenbedingungen des „Market First“ aufbaut, steht vor allem die wirtschaftliche Entwicklung durch sogenannte radikale Marktkräfte im Zentrum. Im zweiten Szenario (NaBü), das die Annahmen des „Sustainability First“ zugrunde legt, rückt eine stärkere Berücksichtigung von „Nachhaltigkeit und Bürgerbeteiligung“ in den Vordergrund.
Der nächste Entwicklungsschritt lag in der Konkretisierung der speziellen Rahmenbedingungen für Mitteldeutschland, z. B. hinsichtlich der regionalen Bevölkerungsentwicklung, bzw. im Formulieren von Annahmen bezüglich der von GEO4 of fengelassenen Aspekte wie des ökologischen Landbaus oder der Produktion von Biomasse für die Bioenergiegewinnung. Dies erfolgte zusammen mit Wissenschaftlern aus den 20 Topic 1-Forschergruppen und weiteren Wissenschaftlern aus den Bereichen Bioenergie- und Wasserforschung in zwei aufeinanderfolgenden Workshops.
Aus diesen ersten Szenarienannahmen wurden vom Projektteam zunächst zwei
Um
Die Auswahl der Praxispartner hat entscheidenden Einfluss auf die Glaubwürdigkeit, Relevanz und Legitimität von Szenarien (vgl. Kok/Biggs/Zurek 2007; Alcamo/Henrichs 2008; Volkery/Ribeiro/Henrichs et al. 2008). Deshalb ging der Auswahl der Workshopteilnehmer eine gründliche Analyse der
Im Vorfeld des Workshops wurden alle Teilnehmer gebeten, in Fragebögen die wichtigsten Ursachen oder Treiber für Landnutzungsänderungen in Mitteldeutschland zu nennen. Aus den Antworten ergaben sich zwar große Übereinstimmungen hinsichtlich der Ursachen, jedoch erhebliche Unterschiede in der Einschätzung, wie stark sich diese auf künftige Entwicklungen auswirken werden. Dabei neigten die
Die Liste der in den Fragebögen benannten Unsicherheiten wurde auf dem Workshop vorgestellt und von den Teilnehmern ergänzt. Da es nicht möglich war, alle Unsicherheiten zu bearbeiten, wurde jeder Teilnehmer gebeten, die drei aus seiner Sicht wichtigsten Unsicherheiten auszuwählen. Aus den Angaben wurden die drei meistgenannten Unsicherheiten (regionale Bevölkerungsentwicklung, Ausbau erneuerbarer Energien, Rohstoffknappheit) ermittelt und für die Szenarien festgelegt.
Um den sehr unterschiedlichen Einschätzungen der Praxispartner Rechnung zu tragen, wurden die beiden
Um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, im Nachhinein eventuell als fehlend erkannte Themen zu ergänzen und die Qualität und den Nutzen des Workshops zu beurteilen, wurden nach dem Workshop nochmals Fragebögen zur Evaluation an die Teilnehmer verschickt.
Auf den Evaluierungsfragebögen wurden von den Praxispartnern einige wichtige Themen wie Forstwirtschaft, Energie,
Dafür wurden zunächst alle Annahmen der Stakeholder entsprechend der vier
Die
Nachdem Methode und Prozess der Szenarienentwicklung geschildert sind, wird nachfolgend kurz die Region Mitteldeutschland vorgestellt. Daran anschließend werden die durch die einzelnen Prozessschritte gewonnenen inhaltlichen Erkenntnisse sowie die schrittweise entwickelten
Der Begriff Mitteldeutschland wurde und wird bis heute für unterschiedliche Raumausschnitte benutzt (Berkner/Grundmann/Opp et al. 2001: 8). Wir verstehen darunter die drei Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Diese umfassen zusammen eine Fläche von rund 55.000 km Alle Daten zur Flächennutzung aus GENESIS, der online-Datenbank des Statistischen Bundesamtes ( Alle Zahlen zu Siedlungs- und Verkehrsflächen wurden abgerufen unter:
Sachsen ist nicht nur das bevölkerungsreichste, sondern mit etwa 224 Alle Zahlen zu Bevölkerung wurden abgerufen unter:
In der eingangs genannten Befragung wurden alle 20 wissenschaftlichen Arbeitsgruppen zu ihren Annahmen bezüglich der Faktoren, die die Landnutzung verändern, konsultiert. Das Ergebnis (vgl. Abb. 1) zeigt, dass alle 20 Forschergruppen das Klima als den wichtigsten Einflussfaktor betrachten. An zweiter Stelle wurde die Landnutzung genannt. Je nach Perspektive und Forschungsfrage kann Landnutzungswandel entweder als Ergebnis verschiedener Einflussfaktoren wie Klima oder Ökonomie oder selbst als treibende Kraft für Veränderungen betrachtet werden, z. B. für die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Bioenergie oder für Veränderungen der Biodiversität. Einige Gruppen nannten hinsichtlich des erwarteten Landnutzungswandels den Bereich Landwirtschaft und in diesem Sektor die Nahrungs- und Bioenergieproduktion. Die meisten Nennungen waren jedoch, verglichen mit dem Faktor Klima, eher unspezifisch. Als Größen zur Erfassung der Veränderungen wurden von den Forschern am häufigsten Ökosystemdienstleistungen (15-mal) und sozioökonomische Indikatoren (14-mal) sowie Biodiversität und weitere ökologische Faktoren (je 13-mal) genannt.
Abb. 1
Von den 20 befragten Forschungsgruppen identifizierte Treiber für Veränderungen in Mitteldeutschland (Mehrfachnennungen möglich)

Wie in Kap. 2.2 beschrieben, wurden die regionalen
Abb. 2
Gegenüberstellung der wichtigsten Unterschiede in den Annahmen von RaMa und NaBü

Die folgenden Unsicherheiten wurden im Vorfeld des Workshops von den Praxispartnern genannt. Die Reihenfolge entspricht der abnehmenden Häufigkeit:
Bevölkerungsrückgang in der Region
Ausbau erneuerbarer Energien (internationale) Märkte und Rahmenbedingungen
Veränderung der Bedeutung von Land- und Forstwirtschaft und ihrer Bewirtschaftungsformen technologischer Wandel
Flächenversiegelung durch Siedlungen, Gewerbe und (Verkehrs-)Infrastruktur
globale Bevölkerungszunahme unterschiedliche regionale Entwicklungen
Biodiversität und Landschaftsschutz
Rohstoffknappheit
Einige dieser Punkte finden sich auch in den globalen Annahmen von RaMa und NaBü (vgl. Abb. 2) wieder. Andere Veränderungen, wie z. B. die erwartete Abnahme der regionalen Bevölkerung oder die Flächenversiegelung, sind in den globalen
Wie in Kap. 2.3 erläutert, wurden jeweils moderate und extreme Entwicklungen für die Unsicherheiten angenommen und in je zwei
Die vier Die ausführlichen Versionen sowie die beiden moderaten
Den zum Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts in vielen Ländern ablaufenden Prozessen einer starken politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Polarisierung (z. B. hinsichtlich der Wohlstandsverteilung oder der sozialräumlichen Segregation) wurde von staatlicher Seite kaum entgegengewirkt. Die schlechteren Lebensbedingungen waren der Grund für eine starke Abwanderung aus Mitteldeutschland und nur der einsetzenden wirtschaftlichen Dynamik durch das Wirtschaftswachstum war es geschuldet, dass Zuzug aus dem Ausland den Bevölkerungsrückgang reduzierte.
Abb. 3
Fiktive Karte der Landnutzung in Mitteldeutschland im Jahr 2050 unter den Bedingungen radikaler Marktkräfte

Das Primat der Aufrechterhaltung gleichwertiger Lebensverhältnisse und ausgewogener räumlicher Bedingungen wurde aufgegeben. Durch den großflächigen Infrastrukturabbau in den ländlichen Räumen leben die Menschen in Mitteldeutschland vor allem in den Städten. Viele Dörfer wurden verlassen.
Einige der großen Agrarkonzerne hatten den Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen und erneuerbaren Energien erkannt, zu dem es durch die zunehmende Verknappung fossiler Energieträger und weiterer Rohstoffe kam, und haben diesen Sektor und dazugehörige Netze sowie großtechnische Ansätze wie Offshore-Windanlagen und Solarstromerzeugung in den Wüsten Afrikas ausgebaut.
Die Wälder wurden durch die zunehmende energetische und stoffliche Nutzung und das wachsende Interesse und Engagement großer Agrar- und Holzkonzerne geprägt, was neben der Veränderung der Besitzstrukturen und dem Anbau neuer Baumarten auch eine Veränderung der Waldstrukturen mit sich brachte, die sich durch zunehmende Funktionstrennung und Intensivierung auszeichnen.
Das Primat der Nutzung einheimischer Ressourcen – wie Braunkohle, aber auch Uranerz und nicht-konventionelle Erdgaslagerstätten – bei gleichzeitiger Reduzierung der Umweltstandards wird Bestandteil der „nationalen und europäischen Ressourcenstrategie“ zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Den Herausforderungen durch die Verknappung der Ressourcen wird vor allem durch die länderübergreifende Förderung und hohe Investitionen in Bildung und Technologie sowie die intelligente Nutzung bestehender Strukturen begegnet.
Abb. 4
Fiktive Karte der Landnutzung in Mitteldeutschland im Jahr 2050 unter den Bedingungen „Nachhaltigkeit und Bürgernähe“ (NaBü)

Die Städte wurden deutlich grüner und das Angebot an biologischen Lebensmitteln hat sich stark erweitert. Das Leben in dörflichen Gemeinschaften hat vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. Es entstanden viele Heimarbeitsplätze, die das teure Pendeln reduzieren. Durch die verbesserte Kommunikationsinfrastruktur konnte sich neben der klassischen dörflichen Wirtschaft eine kleinteilige ländliche, innovative Wirtschaftsstruktur bilden, die zusätzliche Arbeitsplätze entstehen ließ. Der Anbau eigener Nahrungsmittel hat dank reduzierter Erwerbsarbeitszeiten wieder einen hohen Stellenwert.
Die konsequente Annäherung an das Ideal einer Kreislaufwirtschaft hat dazu geführt, dass die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen stark gemindert werden konnte. Gleichzeitig hatte die Ausrichtung auf nachhaltige Ressourcennutzungen positive Wirkungen auf wirtschaftliche Innovationen.
Bei der Auswertung der
Die Annahmen von Wissenschaftlern und Praxispartnern unterschieden sich hinsichtlich der Treiber oder Ursachen für Veränderungen zum Teil deutlich im Detail. Während z. B. die befragten Wissenschaftler nur allgemein auf die „Demographie“ als Treiber für Veränderungen hinwiesen, formulierten einige Praxispartner konkreter die Zunahme der globalen Bevölkerung einerseits und die Abnahme der regionalen Bevölkerung andererseits. Interessant war hier der letztendliche Konsens der Beteiligten, dass auf regionaler Ebene, unabhängig von den Rahmenbedingungen, ausschließlich eine Bevölkerungsabnahme zu erwarten sei. Die Raten derselben waren allerdings von den Rahmenbedingungen in RaMa und NaBü abhängig. Auch für die Bevölkerungsverteilung wurden unterschiedliche Entwicklungen für RaMa und NaBü vorhergesehen. In den RaMa
Sowohl von den Wissenschaftlern als auch von den Praxispartnern wurden Veränderungen der Märkte als Ursache für Veränderungen in der Landnutzung identifiziert, wobei sich auch hier wieder Unterschiede im Detailgrad der Annahmen zeigten. So wurden von den Praxispartnern konkret eine weltweite Rohstoffknappheit und ein damit einhergehender Preisanstieg für Rohstoffe angenommen. Im Umgang mit dieser Knappheit wiesen die RaMa- und NaBü-
Für beide
Die Sicherung der Glaubwürdigkeit und Legitimität und damit der Relevanz der Szenarien wurde vor allem durch die Einbindung von Wissenschaftlern und Praxispartnern aus unterschiedlichen Interessensgruppen sowie durch die Einrichtung des Review-Panels angestrebt. Die Ziele dieser Einrichtung – eine möglichst breite Expertise für die Szenarienentwicklung zu nutzen, die wissenschaftliche Qualität vor allem hinsichtlich der Plausibilität und Konsistenz der Annahmen sicherzustellen sowie den Entwicklungsprozess transparent zu gestalten – entsprechen den von Alcamo und Henrichs (2008) vorgeschlagenen Qualitätskriterien. Darüber hinaus leistete das Review-Panel einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Relevanz der Szenarien für die Wissenschaftler, indem es die Ausrichtung der Szenarien über den gesamten Entwicklungsprozess mit den Forschungsfragen der interessierten Forschungsgruppen kongruent hielt. Als positiven Nebeneffekt der Arbeit im Panel nannten die meist in interdisziplinärer Forschung engagierten Wissenschaftler wiederholt, dass sie neue Einsichten in Fragestellungen und Ansätze anderer Disziplinen gewonnen hätten.
Die Szenarien wurden bisher von verschiedenen Gruppen von Helmholtz-Forschern und darüber hinaus in verschiedenen Kontexten aufgenommen und dienen als Grundlage für detaillierte Forschungsfragen und andere Anwendungen. Hier sollen einige dieser Nutzungen kurz vorgestellt werden. Eine der Hauptanwendungen, die sich an die Entwicklung der Vgl. Vgl. Die Veröffentlichung des Buches ist für Ende 2013 vorgesehen.
Bezüglich der Relevanz bzw. des unmittelbaren Nutzens der Szenarien für die Entscheidungsunterstützung der an der Entwicklung beteiligten Praxispartner hat sich die Form des Workshops als geeignet herausgestellt. Positiv wurde vor allem der Austausch von fachlichen und regionalen Perspektiven (z. B. zwischen Bundesländern) hervorgehoben. Auch dass ‚quer und anders’ über zukünftige Entwicklungen nachgedacht und offen diskutiert werden konnte, wurde positiv bewertet. Die Aufarbeitung der Workshopergebnisse zeigte zudem, dass das wichtige Ziel, praxisrelevantes Wissen und neue Sichtweisen und Ideen zu integrieren, erreicht werden konnte.
Kritik wurde bezüglich der Repräsentativität geäußert. Einige als wichtig empfundene Bereiche der Landnutzung (z. B. Forst, Umweltschutz) waren nicht ausreichend vertreten. Das auf der Stakeholderanalyse basierende Einladungsverfahren war zwar ausreichend offen, um allen Interessensgruppen eine Teilnahme zu ermöglichen, mit diesem Verfahren konnte jedoch keine repräsentative Vertretung aller für Landnutzungsfragen relevanten gesellschaftlichen Gruppen gewährleistet werden (vgl. Gilmour/Beilin 2007; Cuppen/Breukers/Hisschemöller et al. 2010). Durch die Evaluation konnten Lücken aufgedeckt und fehlende Themen in Expertengesprächen und Diskussionsrunden sowie durch eine Literaturrecherche ergänzt werden.
Die Einbindung vieler Personen und Perspektiven hatte, neben den oben genannten Vorteilen, auch Nachteile. Im Laufe der Entwicklungsschritte, die notwendig waren, um allen Partnern gerecht zu werden, mussten Kompromisse eingegangen werden, wodurch die Szenarien einen Teil ihrer Extreme verloren. Auch der hohe zeitliche Aufwand für alle Beteiligten – ein Umstand, der auch aus anderen partizipativen Planungs- und Szenarienprozessen berichtet wird (Castella/Pheng Kam/Dinh Quang et al. 2007; Kok/Biggs/Zurek 2007; Mahmoud/Liu/Hartmann et al. 2009) – wurde als nachteilig empfunden.
Die hier vorgestellte Methodik und Vorgehensweise, die Interessen und Sichtweisen unterschiedlicher Stakeholdergruppen in Szenarien abzubilden, ist prinzipiell unabhängig vom Fallstudiengebiet Mitteldeutschland. Somit ist sie auch in anderen Regionalstudien mit unterschiedlichen Stakeholdergruppen einsetzbar bzw. mit methodischen Komponenten aus anderen Stakeholderansätzen kombinierbar, wie beispielsweise „fuzzy cognitive maps“ (Kok 2009) oder systemanalytische Ansätzen (Walz/Lardelli/Behrendt et al. 2007).
Das wichtigste Ziel des hier vorgestellten Szenarienansatzes ist die Koppelung wissenschaftlicher Anforderungen (
Weiter oben haben wir bereits die verschiedenen Anwendungen skizziert. Grundsätzlich lassen sich die
Ein weiteres großes Potenzial für die Anwendung der
Generell muss festgehalten werden, dass unser Szenarioprozess sehr aufwendig war, also viel Zeit, Geld und personelle Ressourcen gebunden hat. Die breiten Anwendungsmöglichkeiten rechtfertigen jedoch den Aufwand. Die Übertragbarkeit des Ansatzes ist somit vom Ziel der Szenarienentwicklung abhängig. Wenn ein möglichst breiter Anwendungskontext angestrebt wird und die Szenarien als Produkt nach dem Prozess zur Verfügung stehen sollen, sollte versucht werden, einen möglichst hohen Grad an Inklusion und Integration zu erreichen. Dies betrifft die Zahl der betrachteten Entwicklungen und Schlüsselfaktoren, die Breite des geographischen Raumes und des Zeithorizontes sowie die Zahl der Beteiligten. Hier müssen auch differenzierte Wege der Verbreitung berücksichtigt werden, um verschiedene Nutzer zu erreichen, von wissenschaftlichen Publikationen, über Broschüren bis zu persönlichen Präsentationen. Auch verschiedene Darstellungsformen müssen in Erwägung gezogen werden, wie beispielsweise Narrative, fiktive Karten, aber auch die Quantifizierung von Annahmen z. B. für die Modellierung.
In Kontexten, in denen es eher um den Prozess geht, also darum, dass die Beteiligten sich kennenlernen und Wissen austauschen, den Horizont erweitern oder um die Zusammenarbeit verschiedener Gruppen zu unterstützen, muss das Hauptaugenmerk auf der Gestaltung des Prozesses liegen. Die aufwendige Kommunikation der Ergebnisse tritt dann in den Hintergrund. Ähnliches gilt für die Nutzung der Szenarien ausschließlich für die computergestützte Auswertung: Hier sind vor allem die Quantifizierung der Annahmen und wissenschaftliche Publikationen wichtig.
Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 4
