Steinkrüger, Jan-Erik (2013): Thematisierte Welten. Über Darstellungspraxen in Zoologischen Gärten und Vergnügungsparks
Bielefeld: transcript Verlag, 348 S.
Die raum-und planungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kunstwelten, künstlichen Erlebniswelten (Hennings/Müller 1998) und postmodernen Ästhetisierungen von Stadträumen (Hasse 1993) erlebte in den 1990er Jahren angesichts von in Deutschland neuartigen Phänomenen wie
Im Fokus steht dabei das Verhältnis von kollektiven Identitäten und Freizeit-und Erlebniswelten bzw. Themenwelten. Steinkrüger fragt danach, wie sich innergesellschaftliche Verhältnisse in Themenwelten widerspiegeln und welche Rolle in diesem Kontext die Darstellung ‚anderer‘ Kulturen einnimmt. In historisch-geographischer Tradition wird dies durch die Rekonstruktion der geschichtlichen Entwicklung von Themenwelten und ihrer Darstellungspraxis dargelegt. Im Anschluss an eine theoretisch-konzeptionelle Abhandlung des Phänomens „Themenwelten“ gelingt dies anhand von zwei idealtypischen Formen von Themenwelten: den zoologischen Gärten und den Vergnügungsparks. Weil die Darstellung des „Anderen“ reflektiert werden soll, geht es dabei jeweils um die Darstellung Afrikas in den Themenwelten. Themenwelten können offenbar, so zeigen die Ausführungen, verschiedene gesellschaftliche Funktionen erfüllen: als touristische Orte, Pilgerorte und Orte der sozialen In-und Exklusion. „Sie können Orte des Anderen im Eigenen sein, indem in sie das Andere (ob nun als andere Kultur oder das Andere der Kultur) verbannt wird, was in das Außen der Gesellschaft gerückt wird. (…) Themenwelten sind Aushandlungsorte sozialer und kultureller Differenz“ (S. 292).
Steinkrüger mutet dem Leser durch seine Verortung in der Schnittmenge von „Neuer Kulturgeographie“, Historischer Geographie sowie Freizeit-und Tourismusgeographie viel zu, denn jede dieser Geographien verfügt über bestimmte Denktraditionen und inhaltliche Teilaspekte, die in dieser Arbeit vorkommen. Im Umgang mit diesen Traditionslinien und insbesondere den verschiedenen skizzierten Theorien und theoretischen Ansätzen (z. B. Foucaults Konzept der Heterotopie, Bourdieus Habituskonzept, der Landschaftsforschung nach Duncan oder Cosgrove, der Unterscheidung von Disneyisierung und Disneyfizierung von Bryman) ist ein gewisser ‚sympathischer‘ Eklektizismus zu erkennen. Dieser erscheint allerdings aus zweierlei Gründen angemessen: einerseits zur Verbindung der oben genannten Geographien und andererseits zur adäquaten und – aus kulturgeographischer und sozialwissenschaftlicher Sicht – zeitgemäßen Befassung mit dem empirischen Feld der Themenwelten. Dem Autor gelingt es dabei zudem, eine – trotz einiger Flüchtigkeitsfehler – äußerst lesbare Arbeit vorzulegen.
Unter Themenwelten können abgegrenzte (Real-)Räume verstanden werden, in denen ein Thema präsentiert wird. Neben den in der Arbeit erörterten Beispielen kann es sich auch um Themenhotels und-restaurants,
Der Autor führt anschließend eine Neuinterpretation von Themenwelten als Kulturlandschaften vor: Es gilt aus seiner Sicht, „Themenwelten als doppelte Landschaften neu zu interpretieren: Themenwelten sind Kulturlandschaften (als Medium), die Landschaften (als Darstellungsform) repräsentieren können“ (S. 64). Diese Differenzierung hilft, das Phänomen der Themenwelten zu verstehen, denn die Kulturlandschaft „Themenwelt“ kann dann als Ergebnis der kulturellen Praxis einer Ökonomie verstanden werden, die sich Strategien der Disneyfizierung bedient. Landschaft als Darstellungsform in Themenwelten simplifiziert, reduziert und bereinigt dagegen das Repräsentierte, stellt andere außeralltägliche Kulturen dar (S. 74). Dieser Aspekt der „Landschaftsdopplungen“ (S. 294) erscheint anschlussfähig für die jüngsten raumwissenschaftlichen Debatten über den Landschaftsbegriff und relevant für weitere empirische Untersuchungen zur Konstruktion von Landschaften über das hier gewählte Feld hinaus.
Die in theoretischer Sprache verfassten Überlegungen zum Phänomen „Themenwelten“ werden mit einer diskurstheoretischen Perspektive zu einem methodischen Ansatz zusammengeführt (Kap. 5), der die empirischen Untersuchungen im Feld der historischen Rekonstruktion von Themenwelten lenkt. Das folgende, mit 135 Seiten sehr lange Kapitel „(Kultur-)Landschaften in Themenwelten. Die Beispiele Zoo und Vergnügungspark“ ist mit seiner Quellenvielfalt, seiner lebendigen Sprache und den interessanten Erörterungen eine gelungene Lektüre. Zu kritisieren wäre hier allenfalls der sprachliche Bruch zwischen den theoretischen Kapiteln zuvor und dieser reichhaltigen idiographischen Darstellung, die fast ohne explizite Anklänge an die Theorie (Ausnahme: Kap. 6.1.6 zu „Kultur“ im Zoo und zum Zoo in der Kultur), auch an den skizzierten Landschaftsbegriff, auskommt. Erörtert wird stattdessen beispielsweise die Entwicklung des Zoologischen Gartens aus fürstlichen Menagerien, der Einfluss Carl Hagenbecks auf die Entwicklung des Zoos, die Darstellung von Menschen in Völkerschauen des Zoos sowie als lesenswerte ‚Fallstudie‘ die Erlebniswelt Afrika in der „Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen“. Die Vergnügungsparks werden deutlich kürzer abgehandelt; hier geht es um die Beispiele Coney Islands, Disneyland und Phantasialand. Angesichts der Fülle an weiteren Beispielen für zoologische Gärten und Vergnügungsparks fällt auf, dass es sich um eine rein westliche – im Sinne von US-amerikanische, westeuropäische und westdeutsche – Perspektive handelt.
Die Schlussbetrachtungen im Anschluss an die gelungene ‚Reise‘ durch Raum und Zeit der ausgewählten Themenwelten vermag leider die Arbeit nicht adäquat zusammenzufassen und die entstandene Lücke zwischen theoretisierender und empirienaher Sprache zwischen den Kap. 1 bis 5 bzw. 6 zu schließen. Die Arbeit ist dennoch aus raumwissenschaftlicher Perspektive empfehlenswert, weil sie Themenwelten als relevante Phänomene unserer Zeit (und vergangener Zeiten!) in den Mittelpunkt rückt und interessante theoretische Verbindungen zu diesem empirischen Feld aus einem breiten Kreis relevanter Theorien herstellt. Sie regt damit zum Nachdenken und zu weiteren Forschungsfragen an.