Walter Benjamin, „Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts“ (1991 [1935]: 46 f.)
Das wieder erwachte Interesse an der Stadt als Lebensort und Gestaltungsraum scheint in den Wissenschaften angekommen zu sein: Kaum eine themenrelevante Publikation verzichtet auf den Hinweis, dass es eine „Renaissance“ des Städtischen gebe, die den wichtigsten regionalen Siedlungstrend der letzten Jahrzehnte – die Suburbanisierung – zumindest in Teilen rückgängig machen würde. Dergleichen gilt für die Medien und die sogenannte freie Wirtschaft, die in vielen aktuellen Projekten aggressiv mit „neuen“ städtischen Images wirbt, so etwa, um nur einige der auffallendsten Projekte hierzulande zu nennen, bei den Initiativen „Gateway Gardens Frankfurt“
In diesem zukunftsversprechenden Szenario sind Bürgermeister und Immobilienentwickler, Anwohner wie Firmen aus kulturellen, persönlichen oder bloßen Verwertungsinteressen vereint: Bis auf Ausnahmen haben alle diese Akteure das gemeinsame Ziel, neue urbane Umwelten in innerstädtischen „Premiumlagen“ zu schaffen. Einzig die MediaSpree Berlin sticht etwas heraus, weil sich hier bereits mehrfach und einflussreich ein Bürgerprotest formiert hat. An den Ambitionen der Entscheider mit diesem Projekt dürfte dies aber wenig ändern: Neue urbane Landschaften am Wasser sind auch in Berlin
Anders als noch in den 1970er Jahren, als die Flächensanierung das verbreitetste Mittel für die großflächige Renovierung von marodem Altbaubestand war, aber auch anders als in den 1980er und 1990er Jahren, als die behutsame Stadterneuerung antrat, die sozial desaströsen Auswirkungen abzufedern, die erstere verursachte, geht es heute um einen anderen Zugang zum Städtischen: Nicht mehr die ‚Wohnungsfrage‘ einer durch Arbeitsmigration wachsenden Gesellschaft (und damit der Städte) ist die politische Rationalität in den Kommunen, sondern die ‚Überlebensfrage‘ einer in die Krise geratenen postindustriellen und postfordistischen Stadt. Das alte fordistische Regime hat in der Arbeitswelt ausgedient, eine Tatsache, die seit über 30 Jahren mehr oder weniger bekannt ist. Es könnte aber sein, dass ebenso der Postfordismus an seine Grenzen stößt, den Wandel hin zu den kulturellen Ökonomien und den nun populären „kreativen Städten“ erklären zu können. Als auf deregulierte, individuelle Arbeitskraft angewiesenes Produktionsparadigma in einer wissensbasierten Ökonomie legen solche Städte besonderen Wert auf bestimmte räumliche Die Literatur dazu ist – im Gegensatz zur inhaltlichen und methodologischen Klärung des Begriffs – schier unübersichtlich und die Verwendungsweisen sind äußerst heterogen. Als eine Übersichtsstudie dazu aus Sicht der Raumplanung vgl. ILS (2008). Vgl. aber ebenso für eine frühe Kritik an der „postmodernen“ Kulturalisierungsthese und mit Hinweisen auf „materialistische“ Relokalisierungen Harvey (1989: 190 ff.), der damit ein plumpes Verständnis der Globalisierungsprozesse als einfache „Auflösung von modernen Raum- und Zeitstrukturen“ zurückwies. Vgl. zum „kreativen“ Zeitmanagement heutiger Beschäftigungsverhältnisse als frühe Studie dazu Hörning/Gerhard/Michailow (1990: 48 ff.). Nach Lefebvre (1972a: 48) wurde bereits 1970 „das Städtische […] zur Episteme der Zeit“.
Mit selbst gesetztem und neu in Stellung gebrachtem kulturellen Kapital soll der Marktwert der Städte als Investitions-, Wohn- und Arbeitsort unter den Bedingungen einer nunimaginierten global-urbanen Standortkonkurrenz gesteigert werden. Dies verschiebt aber die Bedingungen für die Analyse des Prozesses, wenn gebaute Umwelt und mit ihr soziale
„Symbolischer Mehrwert“ bedeutet nicht, dass dieser Wert nur aus Spiegelfechterei besteht, dass er ein überflüssiges Beiwerk und keine Realie sei, sondern dass seine Realisierung an symbolische Formen und deren inhärenten imaginär-utopischen Gehalt strukturell und konstitutiv geknüpft ist (Bebilderungen, Texte, Semantiken, Legitimationsideologien). Zum utopischen Gehalt des Marktliberalismus vgl. z. B. Žižek (2009: 56 ff.).
Der symbolische Mehrwert, der die kommunalen Entwicklungsszenarien dabei begleitet und in diesem Sinne utopisch überhöht, heißt heute Kreativität. Sie ist nahezu zum Allheilmittel in Politik und Planung geronnen, wenn es darum geht, für finanziell geschwächte Städte und Kommunen Zukunftsvisionen zu entwickeln. Reckwitz begreift dies als Imperativ zur Eigeninitiative, sich ‚kreativ‘ zu vermarkten, weswegen er diesen Zug als „Selbstkulturalisierung“ des Städtischen beschreibt: „[Sie] setzt eine Selbstbeobachtung der Stadt als ein kulturelles Gebilde, das heißt als Trägerin spezifischer Symbole, Zeichen und Praktiken voraus, und zwar in Differenz zu anderen Städten. In dieser Selbstbeobachtung kann nun alles kulturell relevant werden, einschließlich bisher banal oder sogar problematisch erscheinender Phänomene oder das, was für selbstverständlich gehalten wurde: naturräumliche Gegebenheiten, Industriedenkmäler, lokale Bräuche, ehemalige Stadtbewohner durchaus zweifelhafter Berühmtheit“ (Reckwitz 2009: 7 f.).
Da Städte als Standorte industrieller Produktion zumindest auf der imaginären Ebene des Stadtmarketing immer weniger eine zukunftsträchtige Form der Ökonomie darstellen, Dies gilt ungeachtet der realiter noch vorhandenen Produktionsstätten in wichtigen Branchen. Allerdings bemerkt man auch hier vereinzelt eine „Postmodernisierung“ vor allem bei stark medien- und imageaffinen Branchen wie der Automobilindustrie, wie die Entwürfe einiger „Stararchitekten“ für ihre Büros und Fabriken nahelegen. Im Endeffekt ist aber die These vom Ende der Industriearbeit und die mit ihr einhergehenden Verschiebungen im politischen Diskurs selbst Teil jenes ‚symbolischen Mehrwertes‘, den einige Städte erzeugen wollen, indem sie sich explizit von der Arbeitertradition verabschieden respektive sie kulturalisieren; vgl. z. B. die „Europäische Kulturhauptstadt Ruhr.2010“ oder – für einen frühen Fall – Glasgows Umschreibung der Arbeitertradition in Mitchell (2000: 3 ff.). Zu Vgl. zur Diskussion dazu Wacquant (2008) oder Wilson (2009).
Diese Tendenz ist also in der wissenschaftlichen Debatte bereits bemerkt worden und firmiert derzeit prominent unter der Analyse der „Eigenlogik“ (Berking/Löw 2008; Löw 2009), der erwähnten „Selbstkulturalisierung“ (Reckwitz 2009) oder der
Gesetzt also den Fall, dass wir ein weitverbreitetes (neues) Interesse an urbanen Lebenswelten annehmen können, so stellen sich folgende entscheidenden Fragen: Woher rührt dieses neuerliche Interesse und wer – im Sinne einer soziostruktuellen Analyse – hegt dieses überhaupt? Was ist Urbanität und warum sind die oben geschilderten Szenarien möglicherweise „posturban“? Und nicht zuletzt: gibt es ebenso andere Vorstellungen von urbanem Leben, auch und gerade im Hinblick auf manchen Protest, der die Initiativen begleitet? An der Renaissance des Städtischen sind deshalb zwei Dinge interessant und lohnen einer genaueren Betrachtung:
Eine angenommene Reurbanisierung als nennenswerte Beschäftigten- und Bevölkerungszunahme in den Städten hat keine statistische Grundlage, das heißt, es gibt derzeit in keiner Stadt Europas Hinweise darauf, dass es zu einer erneuten und nennenswerten Verdichtung innerstädtischer Gebiete durch Zuzug käme (Köppen 2011: 286 f.). Damit ist nicht der feststellbare Trend zum Rückzug in die Kernstädte gemeint, der sich sehr wohl in kleinem Umfang für nahezu alle großen deutschen Städte ausmachen lässt. Allein, für eine Reurbanisierung im engen Sinne des Wortes reicht dieser noch nicht aus (vgl. Mai/Schlömer 2007; Köppen 2008). Die Reurbanisierungsthese zielt damit am Problem der ‚Renaissance des Städtischen‘ und der Posturbanität vorbei.
Der Artikel möchte sich von dieser Ausgangslage aus dem derzeit vielleicht prominentesten Beispiel einer Stadtumbaumaßnahme (eigentlich: Neubau) in Deutschland widmen, der HafenCity Hamburg und deren Verortung im stadtpolitischen Kontext. Es soll ersichtlich werden, warum dieses Projekt im Rahmen vielfältiger Hamburger Versuche anzusiedeln ist, die Stadt als kosmopolitane Seemetropole neu zu erfinden. Diese Strategie nenne ich ‚posturban‘, weil die Imperative der Planung paradoxerweise auf das Gegenteil dessen hinauszulaufen drohen, was angestrebt ist. Grundlage der Analyse soll Henri Lefebvres Konzeption des Urbanen sein, um die ‚Produktion‘ der HafenCity als (an der Oberfläche) widerspruchinkorporierendes, (post-) urbanes Utopia zu begreifen. Der Beitrag schließt mit einem Fazit zu dem dieser Phantasmagorie inhärenten sozialen Antagonismus.
Die Stadt Hamburg zeichnet sich dadurch aus, dass sie – wie einige andere Metropolen auch – seit Jahrzehnten städtische Entwicklungsleitlinien formuliert, die die jeweilige Senatsperiode als Rahmenpläne begleiten. Konkret wurde dies zuerst 1983 umgesetzt, als die SPD-Regierung unter dem Bürgermeister Klaus von Dohnanyi das „Unternehmen Hamburg“ als Leitbild initiierte und dies – in der Diktion des jeweils geltenden politischen Jargons – bis heute gängige Praxis wurde. Von Dohnanyi erkannte bereits damals „ein immer größeres Gewicht für die Standortentscheidung – ich sage das einmal so – einer neuen Intelligenz“. Zitiert nach Fischer/Jörg: Exklusiv wohnen und Arbeiten auf ‚m Kiez‘ in: Broschüre zum Film „Empire St. Pauli“; online unter Einzusehen unter
Rahmenbedingungen ändern sich fortlaufend. Anschaulich wird dies in der aktuellen Wirtschaftskrise: Es reicht nicht mehr aus, allein auf die traditionellen Stärken der Stadt zu setzen; denn gerade Hafen, Handel und Außenwirtschaft sind in immer stärker werdendem Maß globalwirtschaftlichen Zyklen und Störungen ausgesetzt. Auch deshalb ist es wichtig, dass Hamburg sich ergänzend neue Entwicklungsbereiche wie etwa die Kreativwirtschaft, den Bereich regenerativer Energien oder die Gesundheitswirtschaft noch stärker erschließen muss.
Diese Ansprüche galten von Anbeginn an auch für das Großprojekt HafenCity, dessen Masterplan derzeit zehnjähriges Jubiläum feiert. Nicht vergessen werde sollte, dass Bourdieu das symbolische Kapital zuerst als Weigerung der Anerkennung „der ‚objektive[n]‘ Wahrheit der ‚ökonomischen‘ Praktiken“ konzipierte, also als systematische Verschleierung des blanken ökonomischen Kalküls, wie es hier anklingt, wenn auch auf eine andere Wirtschaftsform bezogen (Bourdieu 1999: 215). Symbolisches Kapital ist demnach die Sublimierung profanen Verwertungsstrebens in ein Feld legitimer sozialer Anerkennung, weil das „blanke“ ökonomische Profitinteresse verpönt ist. In diesem Sinne kann hier die Brücke zu unseren „modernen“ Gesellschaften geschlagen werden: Symbolisches Kapital entsteht unter anderem dann, wenn (verpöntes) ökonomisches Profitstreben in sozial gebilligte und gratifizierte Anerkennung transformiert werden kann, etwa durch Spendengalas etc. In diesem Sinne ist die hier versuchte Transformation von ökonomisch-fiskalischen Motiven einer in die Krise geratenen fordistischen Stadt in anerkannte postfordistische („kulturalisierte“) Formen der Anerkennung symbolisches Kapital.
Der westliche Teil der HafenCity (Dalmannkai, Sandtorkai, Grasbrook) will in Namensgebung und Vermarktung ein mediterranes Lebensgefühl evozieren, das zudem an die Tradition der Entdecker (und damit deren Offenheit für Neues) in Europas Geschichte anknüpfen soll („Marco-Polo-Tower“ und „Magellan-Terrassen“). Das mittlere „Überseequartier“ lässt mit der „HafenCity Universität (HCU)“, dem „Science Center“, dem „Cruise Center“ und seinen Straßennamen („San Francisco-Straße“, „Shanghai-Allee“) an Internationalität und eine neue Wissenskultur denken, wie dies auch Strategie der Entwickler ist: „Als Ausdruck der Wissensgesellschaft wird die HafenCity auch Standort von Institutionen, die sich explizit mit Wissensentwicklung und -verbreitung beschäftigen.“ Interview mit dem damaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung Jürgen Bruns-Berentelg in „Standort“ – Zeitschrift für angewandte Geographie (2008: 40).
Was das Projekt also neben seiner beeindruckenden Größe besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass man hier eine riesige
Im Weiteren ist deshalb zu zeigen, welche Aspekte urbanen Lebens in diesen Modellen repräsentiert sind (und welche nicht) und dies aus welchen Gründen. Nur dann wird verständlich, warum solche städtischen Gebiete „posturban“ genannt werden könnten. In diesem Sinne benötigt es vor allem eine adäquate Theorie, um diesen Prozess und seine Folgen richtig einschätzen zu können: Ich möchte deshalb auf die Urbanitätstheorie von Henri Lefebvre zurückgreifen, um diesen Sachverhalt zu erhellen.
Einige stadtsoziologische Schriften Henri Lefebvres sollen im Folgenden Auskunft geben, um die darin entwickelte Perspektive auf Urbanität als sozioräumliches, historischmaterielles Ensemble zu verstehen.
Ausgangspunkt von Lefebvres Überlegungen ist die später so benannte „Krise der Städte“, die er bereits vor der Konjunktur dieser Metapher thematisierte. Die Arbeiten zur „Kritik des Alltagslebens“ seit den 1950er Jahren bilden eine Vorstufe zu den dann folgenden Beiträgen zum modernen (sozialen) Städtebau mit seinen neu angelegten Großwohnsiedlungen und den Folgen dieser sozialräumlichen Modernisierung für die Bewohner (Lefebvre 1974; Lefebvre 1975 [französische Originale 1958 und 1962]; Lefebvre 1972b [französisches Original 1968]; Lefebvre 1978 [französisches Original 1962]). Diese Linie gipfelt gewissermaßen in seinem bis heute einflussreichen und wiederentdeckten Werk „La révolution urbaine“, dessen Titel (inklusive des Autorennamens) bezeichnenderweise falsch ins Deutsche übertragen wurde, dadurch aber einen Einblick in die begrenzten Rezeptionsmöglichkeiten damals vorherrschender stadtplanerischer und soziologischer Zugänge zum Urbanen gibt: „Die Revolution der Städte“ hieß die deutsche Ausgabe. Hier wird bereits im Titel deutlich, wodurch sich die Lefebvresche Perspektive vom hierzulande gepflegten Blick auf das Urbane auszeichnet: Steht dort das Prozesshafte und qualitativ Verändernde im Vordergrund, ist es hierzulande die statische und raumcontainerhaft gedachte feste Form der „Stadt“ (dazu Lefebvre 1972a: 125 ff.).
Er entwickelte eine materialistische Raumtheorie, die „Raum“ nicht lediglich als Projektionsfläche bestimmter gesellschaftlicher Konflikte (beispielsweise Raumplanung vs. Ökologie) konzipiert. Vielmehr ist Raum – auf den bestimmenden Artikel wird bewusst verzichtet – bei Lefebvre ein imaginär-materialistischer Zusammenhang, der eine räumliche Praxis verdeutlichen soll, die sich nicht lediglich auf Physis bezieht (wenngleich das für ihn als materialistischen Theoretiker unabdingbar ist), sondern auch auf die Konzeptionen und Perzeptionen von Raum als gesellschaftlicher „Umgang“ damit. Erst dieser Umgang ist praktisch und damit wirklich, weshalb es für Raumanalysen sinnvoll ist, auf diese Praktiken der Herstellung zu achten: hier werden Städte und Stadtgesellschaften „gemacht“. Dieses Kräfteverhältnis konzipiert er zum ersten Mal synthetisiert in
Abb. 1
Die „Produktion des Raumes“ nach Henri Lefebvre. (Quelle: Eigener Entwurf nach Schmid (2005))

Räumliche Phänomene – Lefebvre denkt hier fast ausschließlich an die Auswirkungen der „vollständigen Urbanisierung“, wie er sie in der „Revolution der Städte“ thematisiert (Lefebvre 1972a: 7) –, die sich im Alltag ebenso wie in staatlich-institutionellen Zusammenhängen finden, lassen sich demnach innerhalb dieser drei Register analysieren. Sie bilden den „Raum der Gesellschaft“, also die aus der sozialen Praxis (Produktions- und Reproduktionsbedingungen) einer Gesellschaft hervorgehenden räumlichen Konsequenzen von Vergesellschaftung (und vor allem deren Antagonismen). Der Entwicklungsstand, also die Entwicklung der Produktivkräfte bzw. die Akkumulationsregime, haben maßgebliche Auswirkungen auf die Ausformung (sozial-)räumlicher Phänomene.
Jener „Entwicklungsstand“ und seine charakteristischen „Raumproduktionen“ (Benjamins „Passagen“ im 19. Jahrhundert (Benjamin 1991) oder „Malls“ heutzutage) sollten aber nicht lediglich als Fortsetzung von Kapitalisierung, Neoliberalisierung o. ä. begriffen werden. Und dies nicht nur, weil der Begriff zu der Zeit, als Lefebvre dies konzipierte, noch nicht existierte.
Damit wird der Vorteil dieses Zugangs zum Räumlichen deutlich: Zum einen ist es möglich, die im Kapitalismus gewissermaßen systemhaft notwendig vonstattengehenden Stadtumbau- und Modernisierungsmaßnahmen nicht nur in ‚klassischer‘ Weise als Ausdruck einer kapitalistischen Praxis der Verfügbarmachung von Wohn- oder Büroraum zur Wertsteigerung zu betrachten, sondern es gerät auch die administrative und kognitive (und damit gesellschaftlich beeinflussbare) Ebene des Politischen in den Blick, das diesen Prozess ideologisch und praktisch stützen muss. Dies schärft das Verständnis dafür, wie etwa bestimmte gesellschaftliche Instanzen, bestimmte Diskurse in den Stadtgesellschaften oder imaginative Korrespondenzen in den Medien daran teilhaben, Raum zu produzieren, der dadurch ein ‚Ausdruck‘ im Sinne einer Repräsentation desselben ist. Ist dieser Raum noch nicht existent (wie im Falle der HafenCity), so haben wir in den Plänen, den Legitimationsdiskursen und in den gestalterisch-praktischen Umsetzungen für bestimmte soziale Schichten (besser: Milieus) die jeweilige urbane Utopie
Urbanität im Lefebvreschen Sinne ist also produzierter städtischer Raum, der deswegen „städtisch“ ist, weil er modernistisch die gesamten Produktions- und Reproduktionsbedingungen einer Gesellschaft urbanisiert. Selbst (vormoderne) Landwirtschaft wird in dieser Hinsicht urban, da sie spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine industrielle, auf urbaner Technik basierende und auf urbane Abnehmer abzielende kapitalintensive Tätigkeit ist, die ebenso Raum produziert – urbanen Raum in dialektischer Abhängigkeit zur Stadt. Gleiches gilt für die besprochenen Beispiele: Sie sind deswegen urban, weil sie bestehende ‚traditionelle‘, mittlerweile anti-urbane Ensembles (alte Industrieanlagen, Stadtbrachen etc.) als städtischen Raum neu in Wert setzen – und dies in den drei genannten Registern des Raumes.
Diese aber, das ist die eigentümliche Dialektik bei Lefebvre, widersetzen sich einer rein instrumentellen Anwendung, da mindestens ein Teil der Raumproduktionen, der „gelebte“ Raum
An der Antithese kann man dies besonders deutlich sehen: Wird instrumenteller Raum geschaffen, der dennoch solche Phantasmagorien eines freien Zugangs stützen muss, dann verliert er wegen der fehlenden dort zu realisierenden Spontanität seine Attraktivität (z. B. von den Kommunen offiziell zur Verfügung gestellte Graffitiwände). Als „instrumentellen Raum“ möchte ich deshalb hier eine solche Raumproduktion bezeichnen, die den Anteil des
Dergleichen gilt für den städtischen Raum. An ihn sind unsere räumlichen (europäischen) Phantasmagorien geknüpft, dass man sich dort frei und ohne (Verwertungs-)Zweck muss aufhalten können, soll er lebenswerte Züge haben. Man kann dies wenig geschickt als eurozentrische, altmodische Vorstellung abtun, aber man würde den universellen Zug verkennen, der sich darin verbirgt: ‚Europäisch‘ mag der Wunsch sein, Spontaneität in der Öffentlichkeit einer Stadt auszuleben, weswegen hier der Protest gegen anti-urbane Vorhaben besonders groß ist; ‚europäisch‘ ist aber sicher nicht die Tatsache, dass (städtische) Subjektivitäten die Fiktion von (urbaner) Spontaneität benötigen, wie Beispiele weltweit zeigen – sie sind konstitutiv für jedwede Subjektivität und werden unter Problematisierungszwang offensichtlich (soziale Bewegungen etc.). Diese Fiktion wiederum ist nicht mit einer ‚Konstruktion‘ zu verwechseln, sondern sie ist das Reale unserer Subjektivität im Lacanschen Sinne: die notwendige Stützung unseres Weltzugangs durch etwas Uneinlösbares und Nicht-Verfügbares, das nur durch den Charakter des Unverfügbaren (und ‚Unbelegbaren‘ im positivistischen Sinne) wirkmächtig wird und subjektivische Phantasmagorien stützt. Wie z. B. die postmoderne Vorstellung, ‚die Welt‘ sei durch Diskurse ‚konstruiert‘.
Will man also eine auf nicht-instrumenteller Raumerfahrung basierende Utopie wie „Urbanität“ in unseren Beispielen rein planerisch-funktional ‚umsetzen‘ (allein dieser Begriff lässt die Unmöglichkeit aufscheinen), dann stürzt die Phantasmagorie des Spontanen, Lebenswerten zusammen, weswegen der Widerstand gegen „kommerzielle Glaspaläste“ (oder wie auch immer der Protest konnotiert sein mag) so sicher wie regelmäßig einsetzt. Umgekehrt muss deshalb jede noch so ‚instrumentelle‘ Umsetzung neuer Urbanität genau versuchen, diesen ‚spontanen‘ Anteil in den Projekten herauszustreichen, gewissermaßen permanent instrumentell auf das Nicht-Instrumentelle hinweisen, weil sonst das Problem zu offenkundig werden würde: Ein Verfahren, das lediglich blanke Verwertungsinteressen erkennen ließe, hätte weder in Politik und Medien noch bei der Bevölkerung eine Legitimation. An Prestigeobjekten lässt sich dies gut verdeutlichen: Ohne die Images, ohne die in den Diskursen und Rationalitäten der Akteure kolportierten Machtbeziehungen, wie diese Orte funktionieren und welches Bild sie abgeben sollen, lassen sich die materialistischen Bedingungen dieser Vorhaben nicht erklären. Man kann insoweit verallgemeinern, dass quasi alle Projekte zur „neuen Urbanität“ in Deutschland, von Heidelberg über Duisburg, Bremen bis nach Leipzig, eine eigene und vor allem aufwendige Selbstthematisierung im obigen Sinne etablieren. Sie sind ein Indiz der genannten legitimatorischen Engpässe, die sich alleine aus der jeweiligen praktischen Notwendigkeit, Mehrwert durch die Transformation von ökonomischem in symbolisches Kapital zu produzieren, ergeben: denn sie sind als Widerspruch in die Schaffung nicht-instrumenteller Räume praktisch eingelagert.
Ein anschauliches Beispiel des aktiven Raumerschaffens durch solche begleitenden Diskurse (in denen die Räume nach Lefebvre aber nicht aufgehen, die HafenCity ist natürlich kein „diskursiver Raum“ allein) bietet die Geschichte des Projekts selbst. Auch hier setzen mit Anbeginn jene Semantiken ein, die diese Raumproduktion begleiten müssen. Die in der Retrospektive thematisierte Gründung wird
Auch das Urbane rückte von Anbeginn an ins Zentrum des Projekts, als das Herzustellende dieses neuen „Potenzialraums“. Wie bereits erwähnt, entwickelte Henri Lefebvre eine Kritik an instrumentellen Urbanitätsphantasien, die Urbanität eher verdrängen als herstellen. Der Grund liegt in der Antinomie dieser Praxis: die Rahmenbedingungen, unter denen ‚es‘, Das Neutrum zeigt genau jenes Nicht-Instrumentelle an: es wird und wird nicht gemacht.
Die städtebaulichen Modernisierungen sind zwar nicht denkbar ohne bestimmte Images und Leitbilder, die diese anziehend und interessant machen, nicht nur für die Vermarktung restaurierten Wohnraums. Die Art und Weise, wie und welcher Wohnraum, welche Nachbarschaft und welchen Stil eine Wohnung z. B. in der HafenCity besitzen muss, um für eine anvisierte Klientel interessant zu sein, das sind solche „imaginären“ Elemente, die bei Lefebvre mit dem
Jenseits des anzuerkennenden Bemühens von Seiten der Verantwortlichen, das Großprojekt HafenCity mit solchen Texten inhaltlich aufgeklärt und nachvollziehbar für die Öffentlichkeit zu gestalten, sind es dennoch zwei Aspekte, die in diesem Beispiel ins Auge fallen: die „Anmutung“ des Raumes und die „große Zahl unterschiedlicher Menschen“, die sich dort versammeln sollen. Selbst wenn man davon absieht, dass „Anmutung“ kaum eine Semantik von Unterschichten ist und man sich bereits durch diese Wortwahl elitär abgrenzt (Ghettos, obschon urban, dürften aus dieser Perspektive kaum eine solche Anmutung besitzen), wird daran deutlich, wer sich von solch einem ‚anmutigen‘ Stadtraum kulturellen (symbolischen) Mehrwert verspricht: diejenigen Entscheider, die die Definitionsmacht über den urbanen Diskurs in Hamburg innehaben, indem sie etwa durch solche Aussagen präsent sind und die Semantik prägen.
Weiterhin ist der Definitionscharakter aufschlussreich, der mit einem bestimmenden Istgleichzeichen das Thema ‚grundsätzlich‘ klären möchte, als gelte es, eine allgemeingültige Formel für Urbanität zu finden. Dieser Gestus des Definitorischen, der ein fast funktionales Verständnis des Gesellschaftlichen offenbart, ist ein Indiz für den hier kritisierten instrumentellen Zugriff. Urbanität gibt es weder als Definition noch als planerisches Vorhaben, denn sie lebt vom Gegenteil, dem Nichteingriff und dem ‚kreativen‘ Austausch einander fremder Menschen, die eine bestimmte ‚unberechenbare‘ Situation etablieren. Und die deshalb auch eine spezifische Gemütshaltung („Blasiertheit“) produziert als sozialintegrative Kraft des „Großstädtischen“, worauf Simmel (1995: 121) früh hingewiesen hat.
Die Verantwortlichen goutieren, dass hier jemand ‚die Grenzen übertritt‘, also vorgesehene Pfade verlässt und etwas Neues, etwas ‚Kreatives‘ macht. Die Logik des Urbanismus hat sich hier bereits so stark in die Darstellung des Projekts eingeschrieben, dass man von einem Paradebeispiel der ‚Selbstkulturalisierung des Städtischen‘ sprechen kann, und zwar durch den strategischen Verweis auf den urbanen Mehrwert der HafenCity, die Freiräume zulasse und Unvorhergesehenes möglich mache – genau wie es die kultursoziologischen Texte zur Urbanität suggerieren; aber im Subtext dieser Passage wird deutlich, dass dies hier ebenso instrumentell benutzt wird, wodurch es wiederum antinomisch wird.
Im vorherigen Beispiel hingegen bleiben die „unterschiedlichen Menschen“, die von der HafenCity angezogen werden sollen, seltsam unbestimmt, und es ist im Weiteren offenzulegen, wer bzw. welche Milieus hier gemeint sie könnten. Zuerst ist zu vermerken, dass dieser Text eine für die interessierte Öffentlichkeit konzipierte Information und Selbstauskunft darstellt, die sich – als eine der städtischen Gesellschaft verpflichtete Institution – keine selektierende oder gar exkludierende Semantik leisten kann. In anderen, älteren Projekten, wo der kommerzielle Mehrwert und weniger der urbane im Mittelpunkt stand, wären folgende Einschränkungen bzw. Anschlüsse im Sinne Oevermanns Strukturaler Hermeneutik durchaus denkbar gewesen: „Wir bieten Urbanität ohne störende Elemente“ oder „für die, die sich zu dieser Stadtgesellschaft bekennen“, wie es etwa bei der Werbung für
Das Potenzial des neuen Leitbildes (mittlerweile sind es mehrere „Leitprojekte“ Vgl. abermals Einzusehen unter
Hier fällt sofort die soziale Phantasie der viertletzten Zeile ins Auge: Kreative Milieus, die sich in der HafenCity und andernorts in Hamburg einrichten sollen, würden „jenseits von gesellschaftlichem Stand und sozialer Klasse“ einen neuen Raum etablieren. Wenn wir den Aspekt beiseite lassen, dass dies eine Auftragsstudie ist und hier kaum sozialwissenschaftlich korrektes Wissen oder Begriffe erwartet werden sollten, so kann man es dennoch als das nehmen, was es ist: eine Studie, die einen bestimmten Jargon pflegt, der anderen (Politik, Planung, Medien) als Legitimationsdiskurs für ihr Vorhaben dient, denn genau dies ist der Zweck solcher Gutachten. Hier manifestiert sich also, als ein weiterer Baustein der Semantik des Posturbanen, der ideologische Anspruch des Projekts, Hamburg zur „Creative City“ zu machen – und vieler weiterer Projekte im Umfeld der „Kreativwirtschaft“: Man kann sagen, dass die Publikationen zum Thema gespickt sind von solchen vormodernen Bildern einer Lebensweise ohne soziale Antagonismen. Dies ist, wie man aus soziologischen Einführungslehrbüchern ersehen kann, aber kein Gesellschafts-, sondern ein Gemeinschaftsbild, also eine vormoderne bis reaktionäre Vorstellung homogener Lebensweisen. Man möchte das Entfremdende, den soziale Schieflagen produzierenden Kapitalismus ‚draußen‘ lassen und einen Raum schaffen, der naiv gedacht jenseits unserer gegenwärtigen Gesellschaftsordnung steht. Mit anderen Worten: das soziale Elend, die depravierten Klassen, die ‚unkreativen‘ Migranten mit ihren altmodischen Ökonomien, überhaupt nicht-unternehmerische Selbste (in Anlehnung an Bröckling 2007) haben in diesen Umwelten keine Repräsentation, denn sie würden diese imaginierte soziale Harmonie ‚stören‘. Stimmt dieser Befund?
Analysieren wir ergänzend einige populäre bildliche Repräsentationen dazu. Die methodologischen Ausführungen zu einer Bild- und Videoanalyse würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sie muss an anderer Stelle erfolgen. Vgl. einführend dazu Bohnsack (2007: 73 ff.) und Bohnsack (2009: 60 ff.).
In Abb. 2, verstanden als Vgl. zu einer Bourdieuschen Herangehensweise wie hier angestrebt z. B. Katschnig-Fasch (1998).
Abb. 2
Computersimulation eines Lofts für die HafenCity. (Quelle:

Der Verdacht, dass dies eine räumliche Repräsentation für die „kreative Klasse“ sein könnte, lässt sich erhärten, indem zusätzlich auf den Bildhintergrund geachtet wird: Hier erscheint die alte, harte Arbeitswelt des 19. und 20. Jahrhunderts als anregende Kulisse im Sonnenuntergang, wodurch sie zum einen so weit wie möglich vom Bewohner entfernt ist (das Wasser trennt beide Welten nahezu ultimativ), zum anderen aber noch eine Reminiszenz, ein postmodernes Zitat der Arbeitswelt darstellt, und damit durchaus den Selbstthematisierungen der „Kreativen“ entspricht. Diese „nennen“ es nur noch Arbeit, was sie in Projekten und durch Netzwerke schaffen (Friebe/Lobo 2006). Sie wollen sich nicht mehr als fordistisch angestellte Bevölkerung sehen, sondern begreifen ihre (durchaus selbstausbeuterischen) Arbeitsverhältnisse als Freiheit von alten Zwängen (gegen
Dieses Muster kultureller Produktion (und letztlich der Selbstthematisierung von ‚Kreativen‘ über ‚Kreative‘) zieht sich durch nahezu alle Schilderungen, die den Prozess begleiten. Sie sind dadurch eine interessante Auskunftsquelle. Besonders in Computersimulationen zum Zukünftigen dieser Lebens- und Arbeitswelten wird dies deutlich, da sie eine perfekte Manifestation der Gesellschaftsbilder ihrer Produzenten liefern, denn das ist der Zweck solcher Produktionen: Sie sollen ein (noch) utopisches Szenario anzeigen, das dennoch soweit realistisch sein muss, dass es mit den gegenwärtigen Mitteln umsetzbar erscheint. In dieser Dialektik befinden sich natürlich auch solche Simulationen zu urbanen Zukünften, da sie einerseits auf Gegebenes und Machbares abzielen (der konkrete Anlass für solche Entwürfe ist ja gerade dieser Imperativ), andererseits aber auch gesellschaftliche Wünsche bedienen müssen. Es stellt sich an dieser Stelle aber vor allem die Frage: wessen Wünsche?
Die vorgesehene, spektakuläre Brücke (vgl. Abb. 3), die die HafenCity mit den südlichen Stadtteilen Wilhelmsburg und Veddel verbinden soll, ist die Leider wurde im Zuge der Abfassung des Artikels die Website Vgl. Imagetrailer unter
Abb. 3
Die sogenannte

Abb. 4
Der

Es ist eine gewisse Ironie, wenn man als zentrales Sinnbild für ein hypermodernes, vielleicht posturbanes Projekt auf einen geradezu klassischen Bau der mittelalterlichen europäischen Stadt zurückgreift. Wenn man aber den kulturellen Mehrwert, den man im
Hier ist nichts gegen den anregenden Entwurf und dessen Ansinnen an sich gesagt, aber was diese Versinnbildlichung für die urbane Praxis der HafenCity zeigt, ist jenes Problem, das hier als „Antinomie des Urbanismus“ geführt wird: Die Unmöglichkeit, etwas Spontanes und Ungeplantes mittels Planung und Rationalität herzustellen. Es mag Urbanität anvisiert sein, das Ergebnis wird Posturbanität sein. Dies kann als Grunddilemma moderner Stadtplanung verstanden werden, sofern sie sich dem Prinzip der Schaffung von Urbanität als rationalistischem Dispositiv verschrieben hat. Diese Praxis nenne ich posturban, weil sie im Rekurs auf das europäische Paradigma ihre eigene Antithese hervorbringt, deren symbolischer Gehalt nur noch als Mythos die technischen Projekte beseelt, aber vermutlich nie als authentischer Erfahrungsraum tatsächliche urbane Praxis mit allen ihren (auch missleidigen) Konsequenzen möglich macht. An einem letzten exemplarischen Dokument soll deshalb diese Antinomie nochmals verdeutlicht werden.
Es wird aus einem Protokoll eines Treffens mit Verantwortlichen der Hamburger Planungsbehörden zitiert, das unsere Forschergruppe angefertigt hat. „Frau X. beschränkt sich auf die ‚landläufige Vorstellung‘, dass alles, was an städtischem Leben sichtbar ist, Urbanität ausmacht. Voraussetzung dieses Aspektes von Urbanität ist Angebot und Nachfrage. So kann, laut X., die Entwicklung von Urbanität punktuell oder strukturell ermöglicht werden. Einrichtungen oder auch Anziehungspunkte schaffen punktuelle Voraussetzung für Urbanität, wohingegen sich Anziehungsgebiete durch eine ‚Szene‘, die Vermittlung eines Lebensgefühls und/oder besondere soziale Vernetzung auszeichnen. Zur Installation eines solchen Gebietes ist auch ein kulturelles Angebot notwendig, das sich zum Teil bereits in organisierten Lesungen oder Freiluftkonzerten niederschlägt“ (Interview mit X., Büros der Stadt Hamburg, am 28.03.2010).
Es sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass es sich hier nicht um Mitarbeiter der HafenCity AG handelt, die durchaus differenziertere Argumentationen aufbieten. Aber an dieser Sentenz zeigt sich das Dilemma in seiner ganzen Breite: Dem technizistischen Jargon der Planungsbehörden verpflichtet, wird hier versucht, über Urbanität, den flüchtigen Signifikanten, im Modus des Urbanikers (Lefebvre) Auskunft zu geben. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, dennoch oder gerade deswegen kann es als paradigmatisch angesehen werden: Beim Versuch, den Diskurs über das Urbane, den die Person als auskunftsgebendes Subjekt auf Nachfrage hin führen muss, in den ihr möglichen Semantiken auszudrücken, gerät das Unterfangen bereits im ersten Satz unter Beschuss. Die „landläufige Vorstellung“ soll als imaginärer Herrensignifikant Autorität sichern, wo noch keine waltet: Man sagt, was ‚man‘ sagt. Dieses erste Unvermögen, von selbst Auskunft über das Urbane geben zu können und statt dessen auf eine imaginierte und gebilligte Autorität verweisen zu müssen, wird weiters gesteigert, wenn es heißt, das „Sichtbare“ städtischen Lebens bilde Urbanität ab. Der Versuch also, dem bereits anfänglich entglittenen Begriff ein wenig Substanz beizusteuern, etwas, das man messen oder wenigstens sehen könne, um dem positivistischen Weltbild der Planung das Manna zu liefern, scheitert abermals, wenn die hier eingeführten Kriterien für Urbanität zu Grunde gelegt werden: Das Flüchtige, Nicht-Gesehene des ‚Zwischen‘ urbaner Interaktion ist ja gerade die urbane Erfahrung.
Die Insuffizienz auch in raumsoziologischer Hinsicht wird mit dem nächsten Satz gewahr. Urbanität wird hier als punktueller
Alle angeführten Beispiele sollten Aspekte einer „Raumproduktion“ im Sinne Lefebvres analysieren, die das Urbane (oder Phantasien über das Urbane) als konkrete Praxis begleiten müssen. Raumproduktionen nach Lefebvre inkorporieren drei Register: Hier ‚spricht‘ eine gesellschaftliche Praxis, die einen bestimmten wahrgenommenen Raum thematisiert, etwa die Vorstellung aus (die auch in der Praxis ihre Erfahrung haben muss), dass „Anziehungspunkte durch eine ‚Szene‘“ (letztes Beispiel) für urbane Neubaugebiete wichtig und zentral seien. Wie diese nun konkret werden, auf welcher räumlichen Wissensform als vorgestellte Relationen im Raum sie beruhen, das ist wiederum Teil des
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