Die südkalifornische Metropole Los Angeles kann sowohl hinsichtlich der Dynamik ihrer historischen Entwicklung als auch im Bezug auf ihre akademische Aufarbeitung in den Disziplinen der Stadtforschung Durch die Verwendung des Begriffes „Stadtforschung“ soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die thematische Breite der hier dargestellten Arbeiten über Los Angeles weit über das Spektrum von Stadtgeographie im traditionellen Verständnis hinausgeht. Für den Großraum L.A. wird die offizielle Abgrenzung der
Neben der immensen Dynamik der Stadtentwicklung hat Los Angeles auch als Untersuchungsgegenstand der Stadtforschung in den letzten 25 Jahren eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte erlebt. Nachdem es lange als „most understudied major city in the United States“ gelten konnte (Dear 2002, S. 6), waren es zunächst auf Ansätzen der
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Übersicht und Bevölkerungsdichte im Großraum L.A.
Quelle: Allen / Turner (2002, S. 8)

Auch in der deutschsprachigen Stadtforschung ist Los Angeles ein fester Bestandteil der Forschungsagenda geworden, so z.B. in den Sammelbänden von Borst et al. (1990), Wentz (1991), Noller et al. (1994), Prigge (1998) oder Bollmann (1999), in den Arbeiten der Geographen Thieme und Laux (1992, 1995, 1996) oder durch Auftritte von Vertretern der L.A. School auf dem Geographentag in Leipzig 2001 und im Rahmen des Symposiums „Urban Realms in the U.S.“ im November 2002 in Heidelberg.
Dieser Beitrag skizziert das Themenspektrum an städtischen Entwicklungstendenzen, das in den letzten zwei Jahrzehnten am Beispiel von Los Angeles diskutiert wurde. Dabei liegt der Fokus auf neueren Diskussionssträngen der anglo-amerikanischen Auseinandersetzung mit Los Angeles seit Mitte der 1990er Jahre. Diese Beiträge zur Analyse von L.A. als exponiertem Fallbeispiel urbaner Entwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert ermöglichen zudem eine kritische Auseinandersetzung mit dem in der deutschsprachigen Stadtforschung häufig diskutierten Phänomen der „Amerikanisierung“ deutscher bzw. europäischer Städte. In diesem Zusammenhang wird zum Abschluss dieses Beitrages die These diskutiert, dass die extremen Ausprägungen städtischer Phänomene in L.A. entgegen der in der deutschen Stadtforschung verbreiteten Auffassungen weder den Wert ihrer analytischen Aufarbeitung übermäßig schmälern, noch in ihrer normativen Wertung die ideologisch polarisierte Schwarz- Weiß-Malerei weiter Teile des Amerikanisierungsdiskurses rechtfertigen.
Cuff (2000, S. 28-29)
Die Themenschwerpunkte der Diskussionen um Los Angeles lassen sich im historischen Rückblick in „ältere“ Themen, die bereits in der Frühphase der L.A. School diskutiert wurden, und „neuere“ Themen, die verstärkt seit Mitte der 1990er Jahre bearbeitet werden, unterteilen.
Die „älteren“ L.A.-Themen stellen die ursprünglichen Aspekte der raumwissenschaftlichen Diskussion der L.A. School in den 1980er Jahren dar. Insbesondere durch das Einfließen in die von Soja (1995a, 2000, S. 156-358) mehrfach dargestellten „Restrukturierungen von Los Angeles“ haben diese Themen weite Aufmerksamkeit gefunden und wurden auch in der deutschen Diskussion um L.A. bereits behandelt (z.B. Soja 1995b; Thieme/Laux 1996). In knapper Darstellung lassen sich folgende Punkte festhalten:
Ausgangspunkt für die kritische akademische Auseinandersetzung mit L.A. war die Ausweitung marxistischer Sozialtheorie auf explizit räumliche bzw. städtische Fragestellungen, die mit Werken von Harvey (1973, 1982), Castells (1973) oder Lefebvre (1970, 1974) begründet und in der L.A. School in großem Umfang rezipiert wurde (Soja 1989, 1996; Dear 2000). Die Frage nach der Wirkungsweise kapitalistischer Inwertsetzung von Raum auf die Entwicklung von Stadtregionen und die Ausbildung räumlicher Disparitäten wurde für L.A. insbesondere anhand des Übergangs zu einem post-fordistischen Produktionsregime und einer entsprechenden neuartigen wirtschaftsräumlichen Konfiguration diskutiert (u.a. Scott 1988; Storper / Walker 1989). Mit der wirtschaftsräumlichen Polarisierung zwischen neuen industriellen Räumen wie den High-Tech-Agglomerationen in Orange County, im San Fernando Valley oder der Airport Area um
Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Globalisierung und seinen Auswirkungen auf die globalen Metropolen hat in L.A. speziell in zwei Formen stattgefunden:
durch die Untersuchung von L.A. als Zielregion internationaler Immigration sowie in der Diskussion über L.A. als
Die Rolle der Region L.A. als führende Zielregion internationaler Immigration in die USA beruht seit Mitte der 1960er Jahre auf einem anhaltenden Zustrom aus Lateinamerika (62,1% der im Ausland Geborenen im Großraum) und Asien (28,9 %), der mit über 5 Mio. im
Ausland geborenen Einwohnern die Region L.A. zu einem ethnischen Kaleidoskop der Weltkulturen macht (vgl. Soja 2000, S. 282-290; Allen/Turner 2002). Die Funktion von L.A. als
Die Stadtstrukturen der Region L.A. stehen in deutlichem Widerspruch zu den vor dem Erfahrungshintergrund europäischer Städte historisch entwickelten Vorstellungen von der inneren Strukturierung von Stadtregionen. Dem Bild einer kompakten und zentrale Funktionen vorhaltenden Kernstadt, umgeben von suburbanen Siedlungen verschiedenen zeitlichen Ursprungs, setzt Los Angeles die Imagelosigkeit eines endlosen Siedlungskörpers gegenüber, dessen Dimension und disperse Polyzentralität die Überlegungen von Sieverts (1997) zum Phänomen der Zwischenstadt und den gegenwärtigen Stand der Suburbanisierung in Deutschland (Brake et al. 2001) bei weitem übersteigen. Seit der Frühphase der regionalen Expansion Ende des 19. Jahrunderts wird die Ausbildung einer regional flächendeckend urbanisierten Stadtlandschaft - Soja (2000, S. 254) spricht von „mass regional urbanization“ als Ablösung der „mass suburbaniza- tion“ bzw. von Post-Suburbia als neuem Raumtypusdurch Verkehrssysteme (Straßenbahnnetz und später Freeway-System), staatliche Förderungen und eine im industriellen Maßstab operierende Immobilienwirtschaft vorangetrieben. Parallel dazu durchlebten weite Teile der älteren Stadtgebiete eine Abwärtsspirale aus Arbeitsplatzverlusten, fehlenden Investitionsanreizen für Gewerbe oder Wohnungsbau und der Konzentration sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, die Davis (2002, S. 252) von einem Prozess neuer räumlicher Apartheid sprechen lässt.
Neben diesen Themenfeldern hat die Diskussion über L.A. im Verlauf der letzten Dekade eine Reihe neuer Aspekte thematisiert, die zum Teil die theoretischen Debatten über ein postmodernes Konzept von Stadtforschung widerspiegeln (vgl. Dear 1988, 2000) und zu denen vielfältige Parallelen mit Entwicklungen in der deutschen Stadtforschung gezogen werden können.
Wenngleich Los Angeles den europäischen Vorstellungen von „Urbanität“ als gewachsener Stadtkultur und als Lebensweise (Häußermann/Siebel 1992) elementar zu widersprechen scheint, offenbart L.A. als Metropole einer neuen Generation unendlich viele Facetten kultureller Differenzierungen und kulturellen Schaffens. Milliardenschwere Institutionen elitärer „Hochkultur“ wie das Getty-Center stehen der global dominierenden Kulturindustrie Hollywoods gegenüber, die ebenso wie die in L.A. zuerst realisierten Vergnügungsparks zur Rolle von L.A. als Inbegriff der US-amerikanischen Kultur der Oberflächlichkeit und des Spektakels beiträgt. Die kulturelle Ökonomie ist in jüngerer Zeit Gegenstand intensiver Diskussion der L.A. School, etwa bei Molotch (1996) oder - aus wirtschaftsgeographischer Perspektive - bei Scott (1996, 1997, 2000) Eine vergleichbare Lesart von Los Angeles bietet über weite Strecken Keil (1993, 1998)
Die Stadtforschung über Los Angeles bietet verschiedentlich Ansatzpunkte dafür, diese einseitig negativen Interpretationen der kulturellen Phänomene von L.A. zu relativeren. Am konservativen Ende des politischen Spektrums machen Autoren wie Gordon / Richardson (1999) deutlich, wie Los Angeles im positiven Sinne als Realisierung des
Insbesondere während der 1990er Jahre hat sich eine weitere Perspektive auf die Region L.A. als kulturelles Universum entwickelt, die aus dem Blickwinkel der alltäglichen Lebenswelt der regionalen Bevölkerung eine Vielfalt von Prozessen der Ausbildung und kontinuierlichen Transformation kulturell-räumlicher Identität thematisiert. Naturgemäß stehen dabei Immigranten der ersten und zweiten Einwanderergeneration aus dem lateinamerikanischen Kulturraum im Mittelpunkt, deren kontinuierlicher Zustrom bereits in einer relativen Bevölkerungsmehrheit in der Region L.A. resultiert und der wesentlich zur weiteren Veränderung der Bevölkerungsstruktur beitragen wird.
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Bevölkerungsentwicklung in der Region L.A. (1970 -2040)
Quelle: Eigene Darstellung nach California Department of Finance 1998

Neben der strukturellen Analyse der Zusammensetzung und Herkunft von Migranten, ihrer räumlichen Verteilung im Großraum L.A. (z.B. Allen / Turner 2002) und ihrer sozioökonomischen Stellung (Waldinger / Bozorgmehr 1996; Löpez-Garca / Diaz 2001) stellen die kulturelle Re-Latinisierung von Los Angeles und die Ausbildung von hybriden kulturellen Identitäten wesentliche Schwerpunkte der L.A. School-Beiträge dar (u.a. Davis 2000; Ledere/Villa/Dear 1999; Sawhney 2002; Dear/Ledere 2003). Durch die Auseinandersetzung mit alltäglichen kulturellen und räumlichen Selbstdefinitionen von Immigranten in Los Angeles wird dabei deutlich, dass mit den herkömmlichen Vorstellungen von der Assimilation neuer Bevölkerungsgruppen allenfalls die Annäherung bestimmter statistischer Kennwerte (wie Durchschnittseinkommen, Schulbesuch, Kontaktzahlen innerhalb bzw. außerhalb der eigenen ethnischen Gruppe) an abstrakte Mittelwerte auf regionaler oder höherer Aggregationsebene beschrieben werden kann. Für das räumliche wie kulturelle Selbstverständnis, auf denen der Raumbezug zur Lebensumwelt L.A. ebenso basiert wie z.B. das Engagement in politischen Prozessen, ist die Vorstellung von einem kontinuierlichen Transformationsprozess räumlich-kultureller Identitäten hilfreicher, durch den Elemente der US-amerikanischen Kultur in ihrer spezifischen südkalifornischen Ausprägung Eingang in die alltägliche Kulturpraxis neuer Immigrantengruppen finden, die im Gegenzug zur fortdauernden Neudefinition des kulturellen Universums Los Angeles beitragen (vgl. Dear 2000, S. 243; Straughan/Hondagneu-Sotelo 2002).
Die in der gegenwärtigen Stadtentwicklung von Los Angeles primär wirksamen politischen Tendenzen lassen sich in zwei Grundströmungen unterscheiden, die als diametral entgegengesetzte Reaktionen auf die politischen und räumlichen Entwicklungen der letzten Jahre interpretiert werden können. Auf der einen Seite stehen Vertreter einer konservativen politischen Agenda, deren Rolle insbesondere in der Diskussion um die Kontrolle öffentlichen Raumes und seine zunehmende Abtrennung von (semi-)privaten Räumen, hinsichtlich der Rückzugstendenzen der Mittel- und Oberschicht in möglichst homogene und von „städtischen Problemzonen“ weit entfernte Lebensräume, sowie in Bezug auf neuere Bestrebungen zur Sezession bestimmter Stadtgebiete von der Stadt Los Angeles diskutiert wird. Die zunehmende soziale wie technische Raumkontrolle, mit der öffentliche Gebäude und innerstädtische Freiflächen durch architektonische Mittel, elektronische Überwachungssysteme, private Sicherheitsdienste oder strikte Nutzungsregelungen zunehmend vom öffentlichen Raum abgeschirmt oder zu de facto privaten Räumen gemacht werden, ist sowohl in der
Abbildung 3
Die neue Plaza: privat, gesichert, konsumorientiert - Block at Orange
Quelle: Eigene Aufnahme, April 2000

Als Rückzug der Wohlhabenderen aus der Öffentlichkeit können neben der sicherheitsorientierten Gestaltung von Stadtraum auch fortdauernde Tendenzen der räumlichen wie politischen Separierung von Wohngebieten und Stadtteilen gesehen werden. So zielen privatwirtschaftlich betriebene Wohnsiedlungen
Am anderen Ende des politischen Spektrums findet in L.A. ein in der Literatur intensiv beleuchtetes politisches Engagement derjenigen statt, von denen sich eine soziale, räumliche und politische „Sezession der Erfolgreichen” abzuwenden versucht. Bereits in den 1980er Jahren entwickelten sich angesichts des massiven Stellenabbaus in fordistischen Schlüsselbranchen und der für bestimmte sozial schwache Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich hohen Gefährdung durch Umweltbelastungen - insbesondere durch Industrie- und Verbrennungsanlagen im mehrheitlich afro-amerikanischen South Central L.A. oder im mexikanischen East L.A. - erste politische Vereinigungen, die unter den Stichworten In der Region L.A. sind laut Census 2000 ca. 3,1 Mio. (19,2 %) der Einwohner nicht US-Staatsbürger, für die Stadt L.A. (1,0 Mio./ 27,1 %) und L.A. County (2,1 Mio./22,5 %) liegen die Werte höher - problematisch bleibt in allen Fällen die Nicht-Erfassung illegaler Einwanderer.
Ein weiteres Themengebiet, dem sich die Stadtforschung über L.A. im Verlauf der letzten Jahre genähert hat, ist die Verbindung von Stadtforschung und Ökologie auf theoretischer und planerischer Ebene. Das Verhältnis von Gesellschaft und natürlicher Umgebung in Südkalifornien war über weite Teile der US-amerikanischen Besiedlungsgeschichte von einer starken Unterordnung ökologischer Belange unter die Bedürfnisse der expansiven Stadtentwicklung geprägt. Auch abgesehen von der besonderen naturräumlichen Gefährdungslage nahe der tektonischen Plattengrenze des San-Andreas-Grabens zeugt der Umgang mit der natürlichen Umwelt oftmals von Unkenntnis über die komplexen Zusammenhänge des fragilen mediterranen Ökosystems der Region (etwa in dem Versuch, die periodischen Buschbrände als Gefährdung von Siedlungsgebieten vollkommen zu unterbinden) und von der Überzeugung, durch technologische Eingriffe in das Ökosystem (z.B. Wasserversorgung, Abwassersystem) langfristig die ökologischen Lebensgrundlagen der Region sichern und kontrollieren zu können (vgl. Davis 1998).
Die negativen Konsequenzen dieser modernen Grundhaltung der Dominanz gesellschaftlicher Nutzungsansprüche über ökologische Zusammenhänge sind in Los Angeles in dramatischer Weise offenkundig. Der extrem hohe Flächenverbrauch des
In theoretischer Hinsicht finden sich vereinzelt Beiträge aus Los Angeles, die ein kritisches Hinterfragen der einseitigen Konzeption von Mensch-Umwelt-Interaktionen und die Forderung nach einer stärkeren Verflechtung von menschlichen und nicht-menschlichen Elementen des Ökosystems in Stadtforschung und in der Praxis beinhalten. Unter dem Stichwort
Im Bereich der politischen und planerischen Praxis entwickeln sich seit Ende der 1990er Jahre erste Ansätze, die explizit den Herausforderungen einer nachhaltigen Stadtentwicklung gewidmet sind. Universitäre Forschungsinstitute wie das
Los Angeles ist ohne Zweifel eine Stadt der Extreme. Wie für kaum eine andere Stadtregion der USA ergibt sich aus der extremen Ausprägung städtischer Entwicklungstendenzen und Erscheinungsformen in L.A. die Gefahr, dass im Rahmen von vergleichenden Betrachtungen mit anderen US-amerikanischen wie europäischen Städten der Region L.A. eine negative Sonderstellung zugesprochen wird.
Dies gilt zum einen im Kontext der wissenschaftlichen Stadtanalyse, im dem L.A. als „Spezialfall“ oder „Ausreißer“ angesehen werden kann, der für vergleichende Betrachtungen oder als Grundlage für verallgemeinernde Aussagen zur Stadtentwicklung bzw. Stadttheorie ungeeignet sei (so z.B. bei Helbrecht 1999, S. 17). Diese Position kann - wie im Folgenden dargelegt wird - auf eine übermäßig verkürzte Argumentation zurückgeführt werden, zu der sowohl ein grundlegender Perspektivenunterschied zwischen prozess- und strukturorientierter Stadtforschung Diese Unterscheidung ist keinesfalls kategorial zu verstehen, ebenso wie keine absolute Trennbarkeit der Untersuchungskategorien „Strukturen“ und „Prozesse“ unterstellt werden soll - vielmehr soll auf unterschiedliche Gewichtungen und Zielrichtungen von Forschungsansätzen hingewiesen werden.
Für viele Beiträge aus der L.A. School lässt sich festhalten, dass diese starke prozessorientierte Elemente beinhalten. Im Zentrum der Diskussionen über L.A. als Metropole des 21. Jahrhunderts stehen damit grundlegende Entwicklungstendenzen - etwa die post-for-distische Restrukturierung der Ökonomie, die Prozesse der internationalen Migration und kulturellen Differenzierung, der Urbanisierung der Peripherie, der Privatisierung der Stadtlandschaft oder der Ausbildung einer postmodernen Stadtkultur - die in Los Angeles in überdeutlicher Weise in der Ausprägung der physischen Raumstrukturen und der Konfiguration der städtischen Gesellschaft wirksam werden. Die besondere Prägnanz, in der diese Grundprozesse städtischer Entwicklung zur Entfaltung kommen, kann dabei auf regionale Rahmenbedingungen und spezifische Modifikationen der Einflussfaktoren zurückgeführt werden, durch die die Entwicklungstendenzen in besonderer Dimension gleichsam „ungehindert“ die städtischen Erscheinungsformen prägen. Statt eines unvergleichbaren Spezialfalls ergibt sich somit für L.A. eher der Status eines Modellfalles, in dem grundlegende Prozesse, die in allen Stadtregionen zumindest der westlichen Welt wirksam sind, durch deren regionalspezifische Modifikation in paradigmatischer Deutlichkeit zum Vorschein kommen und daher in besonderem Maße einer wissenschaftlichen Aufarbeitung zugänglich sind.
Bei außenstehenden Betrachtern, darunter auch für Europäer mit akademisch geschultem geographischem oder planerischem Vorverständnis über Städte, liegt im Gegensatz zur prozessorientierten Perspektive oftmals eher eine strukturbasierte Sichtweise vor. Die räumlichen Strukturen und Erscheinungsformen von L.A. und anderen US-amerikanischen Metropolen sind insbesondere vor dem Hintergrund herkömmlicher Vorstellungen von „Europäischen Städten“ in einem derartigen Ausmaß qualitativ und quantitativ andersartig bzw. „extrem“, dass sie verständlicherweise primär Aufmerksamkeit erregen. Dies entspricht sowohl dem lebensweltlichen „Erleben“ einer fremden Stadtlandschaft - etwa im Rahmen eines Reiseaufenthaltsals auch den besonderen Arbeitsschwerpunkten der Disziplin der Geographie, zu deren zentralen Vorgängen die Deskription und Erklärung räumlicher Strukturen gehört. Geht eben diese Erklärung räumlicher Strukturen allerdings in einer Revision der prozessbasierten Untersuchungsabfolge (Prozess - Modifikation - strukturelles Erscheinungsbild) von den fremdartigen und extrem erscheinenden städtischen Strukturen aus und bewegt sich dann primär in Richtung spezifischer Rahmenbedingungen und Modifikationen, ohne klar zwischen den grundlegenden Prozessen und ihrer spezifischen Vermittlung zu unterscheiden, so ergibt sich die Gefahr einer verkürzten Argumentation, die die Feststellung der „Unvergleichbarkeit“ zwischen L.A./USA und Europa bzw. Deutschland beinhalten kann. Dies soll kurz am Beispiel der Entwicklung der städtischen Peripherie als einem der zentralen Themen des Amerikanisierungsdiskurses in Deutschland (vgl. Prigge 1998; Brake et al. 2001) verdeutlicht werden.
Aus prozessorientierter Perspektive lassen sich für die Entwicklung der städtischen Peripherie im 20. Jahrhundert zwei grundlegende Prozesse feststellen: Während der Phase der klassischen Suburbanisierung im Wesentlichen die Verlagerung von Funktionen (Wohnen, Gewerbe, Versorgung, Infrastruktur) aus den Kernstädten in das Umland, in einer teils parallel verlaufenden zweiten Phase der Prozess der Post-Suburbanisierung, d.h. die Ausbildung vollwertiger städtischer Räume im Außenbereich der Stadtregionen ohne primären Verlagerungscharakter und mit neuartigem Verhältnis zwischen den Kernstädten und dem Umland. Diese im transatlantischen Vergleich prinzipiell auf den gleichen Ursachen beruhenden und gleichartigen Prozesse werden jeweils in spezifischer Ausprägung wirksam - im Fall von L.A. treffen Tendenzen der peripheren Stadtentwicklung bei gleichzeitiger starker Subvention auf äußerst geringe regulative Kräfte des Staates und werden zudem von kulturellen Prädispositionen und den räumlichen Rahmenbedingungen verstärkt. Dem stehen für deutsche Stadtregionen u.a. höhere regulative und Kostenfaktoren sowie eine höhere kulturelle Wertschätzung städtischen Lebens gegenüber, die zu den andersartigen Erscheinungsformen der stadtperipheren Entwicklung beitragen. Trotz dieser durch spezifische Modifikationen und Rahmenbedingungen verursachten unterschiedlichen Stadtstrukturen sind jedoch die grundlegenden Entwicklungsprozesse identisch und eine analytische Auseinandersetzung mit Los Angeles und anderen US-Stadtregionen im Sinne einer Betrachtung der Prozesse in annähernd „Reinform“ sinnvoll.
Zu einem grundlegend abweichenden Fazit führt die Argumentationslinie der strukturfokussierten Betrachtung, die zunächst an einer Analyse der Erscheinungsformen stadtperipherer Entwicklung interessiert ist. Diese Analyse wird die Feststellung großer dimensionaler und qualitativer Unterschiede hinsichtlich des Verlaufs und der Ausprägungen der Stadtrandurbanisierung beinhalten und die im Vergleich zu europäischen Stadtregionen extremen Erscheinungsformen zunächst mit den spezifischen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren in Verbindung sehen. Da diese Modifikationen in L.A. und anderen US-Städten einen Extremfall marktorientierter Stadtentwicklung darstellen, besteht in der primär strukturdeskriptiven Perspektive an dieser Stelle die Gefahr, durch das Feststellen mangelnder „Vergleichbarkeit“ Mangelnde „Vergleichbarkeit“ ist nach der Erfahrung des Autors eines der häufigsten Scheinargumente im Diskurs über L.A. bzw. die „Amerikanisierung“ deutscher Städte. Dazu ist anzumerken, dass a) Elemente einer Grundkategorie (hier „Stadt“)
Die Feststellung deutlicher Unterschiede zwischen den städtischen Erscheinungsformen und modifizierenden Faktoren in L.A. und denen europäischer bzw. deutscher Städte gibt freilich auch Anlass zu großer Erleichterung und Hoffnung - dann jedenfalls, wenn viele der extremen Phänomene von L.A. einer normativen Wertung unterzogen werden. Unbestreitbar sind die ökologischen und sozialen Implikationen des Urbanisierungsprozesses von L.A. vor dem Hintergrund einer auf sozialen Ausgleich und ökologische Nachhaltigkeit orientierten Zielvorstellung als negativ zu beurteilen, ebenso wie die politische Steuerung der Sfadtregion deutlich von dem Ideal des am Allgemeinwohl orientierten Interessenausgleichs abweicht. Damit wird Los Angeles durch seine extrem ausgeprägten Aspekte der Stadtentwicklung zum Kronzeugen einer kategorialen Schwarz-Weiß-Diskussion, in der die US-amerikanische Stadt als durchweg negatives Phänomen in Form der „Amerikanisierung“ die europäischen Städte bedrohte, gäbe es nicht wirksame Gegenmittel zur Rettung der „Europäischen Stadt“ (vgl. etwa Lichtenberger 2002).
Ungeachtet der Tatsache, dass Vgl. u.a. Hesse/Schmitz (1998); Häußermann (1998); Ronneber- ger (1998); Sieverts (1998); Müller/Rohr-Zänker (2001)
Wenngleich dieses Fazit aus Sicht der „Verteidiger“ europäischer Städte in Geographie und Raumplanung positiv interpretiert werden dürfte, so muss einschränkend hinterfragt werden, wie groß der Einfluss der Planung in der Verhinderung „amerikanisierter Städte“ im Vergleich zu den übergeordneten Prozessen und der Vielzahl weiterer Einflussfaktoren tatsächlich war. Zudem kann vor dem Hintergrund der bereits vollzogenen Veränderungen sowohl des Selbstverständnisses als auch der (real oder vermeintlich schrumpfenden) Handlungsspielräume der räumlichen Planung vermutet werden, dass der Bereich der Raumplanung einer derjenigen modifizierenden Faktoren der Raumentwicklung sein wird, dessen „Amerikanisierung“ im Sinne einer partiellen Angleichung (z.B. hin zur marktorientierten Entwicklungsplanung)
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