Der Titel „Mehr Mobilität, weniger Verkehr“ mag irritieren, und das ist gewollt. Denn viel zu oft werden „Verkehr“ und „Mobilität“ synonym verwendet, oder es wird gar viel Verkehr mit hoher Mobilität gleichgesetzt. Aber gerade für das Thema „Innenentwicklung versus Außenentwicklung“ ist die begriffliche Unterscheidung zwischen Mobilität und Verkehr von zentraler Bedeutung.
Zur Definition von Mobilität und Verkehr greife ich auf die Formulierung des Marburger Verkehrsforums zurück: „Mobilität als Chance zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist ein Grundbedürfnis: hohe Mobilität bedeutet hohe Chancen und Wahlmöglichkeiten bei geringem Verkehrsaufwand: Verkehrsaufwand steht für Energieverbrauch, Umweltbelastung, Entfernung, Zeitaufwand, Kosten, Gefährdung, Stress und Nervenbelastung; hohe Mobilität bei geringem Verkehrsaufwand ist ein Oberziel der Stadt- und Verkehrsplanung.“ (Stadt Marburg 1998) So gesehen steht Außenentwicklung für mehr Verkehr und geringere Mobilität und Innenentwicklung für mehr Mobilität und weniger Verkehr. Dies soll im Folgenden differenzierter dargelegt werden.
Innenentwicklung nutzt vorhandene Infrastruktur: Straßen und Linien des öffentlichen Personennahverkehrs. Die vorhandenen Kapazitäten reichen dann aus, wenn Innenentwicklung im Falle von Flächenrecycling frühere verkehrsintensive Nutzungen ersetzt oder im Falle von Baulückenschließung oder Nachverdichtung kleinteilig ausfällt. Ganz anders sieht es aus bei sehr großen Entwicklungen wie zum Beispiel bei der Hafen- City Hamburg, der größten Innenentwicklung in Europa, oder beim Frankfurter Europaviertel auf dem ehemaligen Güterbahnhof. In letzterem Fall gab es vorher keine ÖPNV-Linie, und der seit Jahren fast stillgelegte Güterbahnhof erzeugte kaum noch Straßenverkehr - im Gegensatz zu den jetzt geplanten verkehrsintensiven Dienstleistungen. Allerdings stammt ein Teil des für den „Europa-Boulevard“ prognostizierten Verkehrs gar nicht aus den örtlichen Nutzungen, sondern aus Verlagerungen im Straßennetz insgesamt. Das heißt, Innenentwicklung wird hier auch zur Neuordnung des Verkehrs in größeren Zusammenhängen genutzt. Das Frankfurter Europaviertel hat die Notwendigkeit einer neuen Anschlussstelle an die Fernautobahn A 5 ausgelöst mit der Folge eines Großprojekts zur baulichen Trennung von Durchgangsverkehr und Ziel- und Quellverkehr zwischen Frankfurter Kreuz und Nordwestkreuz auf einer Länge von etwa 7 km (R+T, VKT 2002). Dieser für Deutschland völlig neue Ansatz, dessen Wirkungen mit gesamtstädtischer Bedeutung weit über das Europaviertel hinausgehen, wird zurzeit als Modellprojekt weiterverfolgt. Sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt ist eine neue U-Bahn-Linie zur Erschließung der großen Innenentwicklungen geplant.
Bei vielen kleineren Innenentwicklungen aber sind Kapazitäten von Straßennetz und ÖPNV keine Engpassfaktoren. Innerhalb der großen Städte nehmen die Verkehrsbelastungen schon seit einigen Jahren nicht mehr zu. Das gilt insbesondere für den Autoverkehr an strategischen Linien innerhalb der Stadt; aber auch an der Stadtgrenze stellt sich langsam eine Sättigung ein. Die Ursachen dieser Entwicklung liegen zum einen im Erfolg des ÖPNV und zum anderen - langfristig relevanter - in sich ändernden Verkehrsstrukturen. Noch in den 1980er Jahren ging die Verkehrsplanung von Spitzenbelastungen aus, die stark von Berufsverkehr geprägt waren. Inzwischen hat der Freizeitverkehr so zugenommen, dass Berufsverkehr nur noch etwa 20 % des gesamten Stadt- und Regionalverkehrs ausmacht, der Freizeitverkehr dagegen fast 50 %. Freizeitverkehr ist räumlich und zeitlich disperser und damit Auto-affiner als gebündelte Verkehrsströme des Berufsverkehrs. Aber auch im Berufsverkehr sind die Zeit- und Raumbindungen durch kürzere und flexiblere Arbeitszeiten und durch alternierende Telearbeit lockerer geworden. Gleichzeitig hat die Dichte der Stadt abgenommen - ein Prozess, der in vielen Städten durch die demographische Entwicklung in Zukunft noch beschleunigt werden wird. Kapazität der Verkehrsinfrastruktur ist also - in den häufigen Fällen kleinerer Maßnahmen - verfügbar; im ÖPNV kann Innenentwicklung sogar zur Stabilisierung der Nachfrage und eines hochwertigen Angebots geradezu unverzichtbar werden, und dies insbesondere in schrumpfenden Städten. Innenentwicklung spart also sowohl Investitionskosten als auch Betriebskosten, was man am ÖPNV besonders gut zeigen kann.
Außenentwicklung erfordert bezüglich der verkehrlichen Effekte eine differenzierte Betrachtung: So macht es einen großen Unterschied, ob wir von großen peripheren Stadtteilen hoher Dichte reden, wie beispielsweise Freiburg-Rieselfeld oder Belval-Ouest in Luxemburg, oder aber von Zersiedlung in Zwischenstadt und in Suburbia. Zwar braucht Außenentwicklung in beiden Fällen fast immer neue und/oder die Erweiterung bestehender Verkehrsinfrastruktur, der große Unterschied liegt jedoch in der Frage, ob eine Dichte und Größe erreicht wird, die für eine attraktive und wirtschaftliche Bedienung durch ÖPNV ausreicht. Zwischenstadt und Suburbia mögen sich gut eignen für ökologisches Bauen mit ordentlicher Wärmedämmung, Solarenergie, Regenwasseraufbereitung als Brauchwasser, Regenwasserversickerung und separate Trinkwasserversorgung sowie Mülltrennung; der ökologische „Pferdefuß“ bleibt der Verkehr: zu dispers für ÖPNV, zu weit für Fahrrad und zu Fuß. Weite Teile von Suburbia sind auf das Auto angewiesen: Jede Erledigung, jede Tätigkeit außer Haus erfordert ein Auto. Das Zweit-Auto und oft sogar das Dritt-Auto in Haushalten in Suburbia ist mehr oder weniger selbstverständlich und unverzichtbar. Der mehrfache Autobesitz bindet erhebliche Anteile der Haushaltseinkommen; Eltern werden zu Chauffeuren ihrer Kinder.
Innenentwicklung profitiert nicht nur von bereits vorhandener Verkehrsinfrastruktur, sondern ebenso von den bereits vorhandenen Nutzungen - letztlich von der bereits vorhandenen Stadt. So sind die Ziele, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad innerhalb der jeweiligen Distanzgrenzen von 1,5 km bzw. 6-8 km erreicht werden können, um ein Vielfaches zahlreicher und interessanter als bei Außenentwicklung. Die Frankfurter City zum Beispiel kann von ca. 150 000 Bewohnern der innenstadtnahen Quartiere zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden. Toronto und Vancouver haben ihre Cities gezielt in großem Stil durch Hochhauswohnungen für kinderlose Innenstadtbeschäftigte ergänzt mit dem Erfolg, dass über ein Drittel dieser Bewohner ihre Arbeitsplätze zu Fuß erreichen. Darüber hinaus sorgt ÖPNV in städtischer Qualität für die Erreichbarkeit der ganzen Stadt. Bewohner zurück in die Innenstädte zu holen, nachdem Mieten sich auf einem niedrigeren Niveau eingependelt haben, dürfte eine Chance sein, die Krise vieler Innenstädte zu überwinden und damit gleichzeitig zur Verkehrssparsamkeit beizutragen wie auch zu mehr Leben in der Innenstadt nach Büroschluss.
Bei Innenentwicklung kann ein Haushalt gut mit einem Auto auskommen und - wer will - sogar ohne Auto: Auch CarSharing mit ÖPNV ist hier eine realistische Option. Die Autoabhängigkeit außen dagegen bindet Haushaltsbudget, was höhere Baupreise innen über einen längeren Zeitraum durchaus kompensieren kann. Tatsächlich ist die Motorisierung in den Kernbereichen der Großstädte deutlich niedriger als in den „Speckgürteln“ und im ländlichen Raum. Die Unterschiede können leicht den Faktor 1,5 erreichen, wobei - neben der Erreichbarkeit - ein Teil des Unterschiedes auch in der Sozialstruktur begründet ist; aber das ist ja letztlich nichts anderes als Erreichbarkeit unter sozialen Aspekten. Was bleibt, ist, dass Außenentwicklung autoabhängig macht und dass Innenentwicklung Spielräume für Mobilitätsentscheidungen öffnet. Das schlägt sich im Haushaltsbudget wesentlich stärker nieder, als in aller Regel von den Akteuren wahrgenommen. Das heißt, bei Außenentwicklung geht nicht nur Flexibilität von Mobilität verloren, sondern auch ökonomische Spielräume werden eingeengt.
Höhere Grundsstücks- und Baupreise innen können des Weiteren auch durch geringere Erschließungskosten kompensiert werden. Hier ergeben sich Vorteile sowohl für den privaten Bauherrn (bei der inneren Erschließung) als auch für die öffentliche Hand (bezüglich der äußeren Erschließung). Wieweit man aus letzterem eine finanzielle Förderung von Innenentwicklung ableiten kann, hängt sicher auch vom Zusammenwirken mehrerer Gemeinden und von steuerrechtlichen Erwägungen ab. Im Finanzausgleich zwischen Stadt und Umland sind eine Reihe von Fragen offen; und eine Wohnungsbauförderung, die mit Neubau vor Altbau und Einfamilienhaus vor Mehrfamilienhaus - und gemeinsam mit der steuerlichen Entfernungsprämie - immer noch der Suburbanisierung Vorschub leistet, macht bei schrumpfender Bevölkerung gar keinen Sinn mehr. Nordrhein-Westfalen fördert gezielt Wohnungsbau im Umkreis von Haltepunkten des Schienenpersonennahverkehrs; auch das ExWoSt-Modellvorhaben „Schienengestützte Siedlungsentwicklung“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW, BBR 2003) sieht ein hohes Potenzial der Siedlungskonzentration im Einzugsbereich des SPNV.
Die Einengung individueller ökonomischer Spielräume durch Autoabhängigkeit in Suburbia kann in Zukunft durch zwei Entwicklungen noch gravierender werden: Zum einen dürften deutlich höhere Kosten für Verkehr - insbesondere für Autoverkehr - mittel- und langfristig realistisch sein; zum anderen werden - selbst bei steigenden Haushaltseinkommen - die frei verfügbaren Anteile an den Haushaltsbudgets auch aufgrund privater Vorsorge für Krankheit und Alter kleiner werden. Letzteres ergibt sich mehr oder weniger zwingend aus der demographischen Entwicklung. Das heißt, robuste, - zumindest im verkehrsplanerischen Sinne - krisenfeste städtische Strukturen mit weniger Autoabhängigkeit werden attraktiver und autoabhängiges Wohnen in Suburbia uninteressanter.
Erreichbarkeit vieler Ziele zu Fuß oder mit dem Fahrrad, Nähe und kurze Wege als Qualitäten von Innenentwicklung wurden bereits angesprochen; ebenso ergibt sich aus meiner Definition von Mobilität und Verkehr, dass mobil ist, wer mit wenig Aufwand viele Ziele erreicht: Nähe sichert Mobilität. Das führt uns zu der Diskussion städtebaulicher Nutzungsmischung und deren tatsächlicher Benutzung durch die Bewohner: Denn nur wenn nahe Angebote auch akzeptiert werden, führt Nutzungsmischung zu weniger Verkehr.
Zunächst einmal ist Nutzungsmischung Option und Voraussetzung für verkehrssparsames Verhalten. So liegt eine Randbedingung dafür, dass Innenentwicklung tatsächlich zu weniger Verkehr führen kann, in einem ausgewogenen Verhältnis verschiedener Nutzungen. Wenn Innenentwicklung beispielsweise übermäßige Arbeitsplatzkonzentrationen wie in Frankfurt oder in Luxemburg-Stadt weiter fördert, dann gehen die verkehrsreduzierenden Vorteile der Innenentwicklung verloren: Zuviel Bedeutungsüberschuss erhöht den Verkehrsaufwand durch mehr Pendler aus einem größeren Einzugsbereich. Es kommt also auf die Mischung an: Motzkus (2001) sieht das optimale Verhältnis zur Aufwandminimierung im Berufsverkehr bei „120 bis 150 Arbeitsplätzen je 100 wohnhafte Beschäftigte (Arbeitsplatzbesatz)“; nach Dörnemann et al. (1995) liegt es um 100.
Nutzungsmischung und Dichte sind die zentralen Forderungen für die „Stadt der kurzen Wege“, für die „kompakte Stadt“, für „verkehrsmindernde Siedlungsstrukturen“ im Sinne der „dezentralen Konzentration“. Insbesondere das Leitbild oder Schlagwort „Stadt der kurzen Wege“ hat Widerspruch erzeugt: „Die tatsächlichen Distanzen im Verkehr gehen heute weit über das hinaus, was durch die raumstrukturelle Trennung der Nutzungen ‚erzwungen‛ wird. Das lässt befürchten, dass selbst bei einer stärkeren baulichen Mischung der Nutzungen … die Verkehrsteilnehmer völlig unbeeindruckt von diesem Nebeneinander die Angebote in der Nähe ignorieren und weiterhin ihre entfernungstoleranten Lebensstile pflegen werden.“ (Aring, Schmitz, Wiegandt 1995, stellvertretend auch für andere). Trotz dieser pessimistischen Aussage plädieren dieselben Autoren für Nutzungsmischung als Option für verkehrssparsameres Verhalten; ihr Anliegen ist, vor unrealistischen und überzogenen Erwartungen zu warnen.
Die Diskussion um Nutzungsmischung und Nutzungsdichte muss selbstverständlich von heutigen Ansprüchen und Lebensstilen ausgehen: großzügige Wohnflächen, weitläufige Büro-, Laden- und Freizeitflächen, berufliche Flexibilität bei differenzierten Berufsqualifikationen und Arbeitsplätzen, Auto-dominierte Mobilität mit hoher Entfernungstoleranz, spezialisierte Freizeitaktivitäten, individualisierte Lebensstile, attraktive Angebote von Handel und Freizeit… Daraus folgt, dass Nutzungsmischung allein nur begrenzt zu kurzen Wegen führt. Auch in dichten Mischgebieten arbeiten viele nicht in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft - aber deutlich mehr als in der suburbanen Peripherie und berufstätige Mütter, Alleinerziehende und alte Menschen sind auf Versorgung und / oder Arbeit im Nahbereich angewiesen.
Dass Raumstrukturen nur eine Einflussgröße von Verkehrsstrukturen sind und dass ihr Einfluss während der letzten Jahrzehnte abgenommen hat (siehe z.B. Hesse et al. 1999), ist unstrittig. Es bleibt aber die Frage, in welchem Maße Raumstrukturen auch heute noch Verkehrsstrukturen prägen. Kutter (2001) ist der „Streitfrage: Verkehrszunahme freiwillig oder strukturell bedingt“ anhand der Regionen Bremen, Hamburg und Stuttgart nachgegangen mit dem Ergebnis, dass seiner Meinung nach rund 60 % der „Verflechtungen im regionalen privaten Personenverkehr sachstruktu- rell“ bestimmt sind; „bei der, fixen Aktivität’ Arbeit liegt dieser Anteil niedriger, zwischen 40 und 50 %, bei der ‚disponiblen Aktivität‛ Einkauf um 70 %“. Unabhängig von ihren Anteilen im Einzelnen sind Raumstrukturen einerseits und Verhaltensweisen und Lebensstile andererseits die wesentlichen Determinanten von Verkehrsstrukturen. In der Frage Innen- versus Außenentwicklung addieren sich beide Komponenten, da je nach Lebensstil Stadt, Zwischenstadt oder Suburbia bevorzugt wird. Mit Hinweis auf methodische Schwierigkeiten der empirischen Siedlungs- und Verkehrsforschung (Kagermeier 1999) erscheint es auch müßig, über Kutters Prozentwerte hin und her zu diskutieren; fest steht - bei allen Meinungsunterschieden über das Ausmaß -, dass dichte, nutzungsgemischte Innenbereiche deutlich verkehrssparsamer sind als disperse Außenbereiche. Der Verkehrsaufwand pro Person - ausgedrückt in Kilometern oder noch deutlicher in Auto-Kilometern - kann nach Kutter (1991) oder nach Kagermeier (1999) außen mehr als doppelt so hoch sein wie innen.
Zugegeben, ich interpretiere die zitierten Untersuchungen zusammenfassend und vereinfachend; aber es geht um Größenordnungen, und es wäre fatal, wenn die gegenwärtige kontroverse Diskussion (siehe Hesse 1999) den Blick für die prinzipielle Verkehrssparsamkeit von Innenentwicklung verstellen würde. Und schließlich: Könnte es nicht sein, dass „Entfernungstoleranz“ bei teurerem Verkehr und geringeren verfügbaren Einkommen künftig weniger großzügig gehandhabt wird? Könnten Nähe und kurze Wege - das heißt hohe Mobilität bei geringem Verkehrsaufwand - nicht wieder wichtiger werden, und zwar sowohl aus individueller Sicht als auch aus Sicht nachhaltiger Siedlungsund Verkehrsentwicklung?
Unabhängig von kontroverser Diskussion und optimistischen Fragen in die Zukunft ist unstrittig, dass Nutzungsmischung zeitliche und räumliche Konzentrationen des Verkehrs auf Tageszeiten und Richtungen abbaut. So führt Nutzungsmischung zu einer zeitlich und räumlich gleichmäßigeren Auslastung der Verkehrsinfrastruktur, was insbesondere den öffentlichen Personennahverkehr wirtschaftlicher macht.
Zu Recht wird darauf hingewiesen (Wehrli-Schindler 1994), dass man Nutzungsmischung in feiner Körnigkeit, wie wir sie von innenstadtnahen Gründerzeitvierteln kennen, nicht planen kann; sie ist Ergebnis eines historischen Prozesses. Umso mehr geht es darum, vorhandene feinkörnige Nutzungsmischung zu erhalten und durch Innenentwicklung zu stabilisieren. Damit leistet Innenentwicklung einen indirekten Beitrag zur Dämpfung des Verkehrsaufwands, der weit über den direkten Beitrag einer oft kleineren Innenentwicklung hinausgehen kann.
Die von Handel und Gewerbe nachgefragten Flächen sind größer geworden und gehen über die herkömmliche Körnigkeit städtischer Strukturen hinaus. Flächenrecycling von Industrie-, Bahn- oder Militärbrachen schafft Raum für Innenentwicklung mit Flächenzuschnitten, die auch großflächige Handels- und Freizeiteinrichtungen an integrierten Standorten möglich machen. Das UrbanEntertainmentCenter nahe der Innenstadt und mit ÖPNV-Anschluss wird eine Alternative zum Parkplatz mit Einkaufszentrum auf der „grünen Wiese“. Auch grobkörnige Nutzungsmischung reduziert Verkehrsaufwand.
Eine Polarisierung zwischen Stadt und Umland oder Stadt, Zwischenstadt und Suburbia kann leicht verdecken, dass Innenentwicklung nicht nur in größeren Kernstädten stattfindet sondern auch in kleineren Städten im ländlichen Raum. So zeigen Untersuchungen (ILS, plan-lokal 2003) in vier Kleinstädten im Münsterland, dass bei ausreichender Versorgung und ÖPNV-Erschließung - vorzugsweise durch Schienenpersonennahverkehr - auch kompakte Kleinstädte trotz Kreuz-und-Quer-Beziehungen im Berufsverkehr relativ niedrigen Verkehrsaufwand haben. „Dezentrale Konzentration“ und neue Zentrenbildung in der Zwischenstadt mit Nutzungsmischung werden damit zum Ziel von Innenentwicklung kleinerer Gemeinden.
Innenentwicklung - in Form von Wiedernutzung brachgefallener Flächen, Stadterneuerung und Stadtumbau, Baulückenprogrammen und Nachverdichtung, dezentraler Konzentration und neuer Zentrenbildung in der Zwischenstadt - fördert Dichte und Nutzungsmischung und führt so zu kürzeren Wegen, höheren Fußgänger- und Radfahrerfrequenzen, besserer ÖPNV-Bedienung. Und das ist nicht nur eine Frage des Verkehrsaufwands, sondern in Verbindung mit der Qualität von Straßen und Plätzen, mit der Erreichbarkeit vieler Ziele zu Fuß und mit dem Fahrrad Grundlage für Urbanität. In schrumpfenden Städten schließlich wird Innenentwicklung des Bestandes und seine Umstrukturierung immer wichtiger - auch unter den Aspekten Mobilität und Verkehr.