In bevölkerungsgeographischen, sozial- und raumwissenschaftlichen Debatten zum demographischen Wandel ist der Aspekt der Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung auf die Bildungsinfrastruktur von großem Interesse (Bahr 2004: 12 f.; Tönnies 2004: 149; Gatzweiler/Kocks 2004: 133 ff.; Winkel 2008: 41 f.; Weishaupt 2009: 56; Frank 2011: 2 ff.). Ausgelöst durch die demographische Entwicklung und sinkende finanzielle Mittel, geraten vor allem in ländlichen peripheren Regionen Deutschlands Infrastruktureinrichtungen an ihre Tragfähigkeitsgrenzen' und müssen an die neue Situation angepasst werden. So zumindest wurde beispielsweise die massive Schulschließungswelle in Ostdeutschland Mitte der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre begründet (Weishaupt 2006: 34).
Die Schulentwicklungsplanung hängt eng mit anderen politischen Handlungsfeldern zusammen und verfügt über unterschiedliche Steuerungsmuster (Maute 1996: 26; Rösner 2004: 11). Sie steht als kommunale Entwicklungsplanung im Spannungsverhältnis zwischen Zielen der Wirtschaftlichkeit von Schulsystemen sowie der Qualitätsentwicklung und der Wohnortnähe von Schulen (Hörnig 2007: 110). Eine ihrer zentralen Aufgaben ist die Anpassung der Schulstandortplanung an sinkende Schülerzahlen und geringe finanzielle Mittel der öffentlichen Hand. Dabei stehen „Kosten- und Effizienzfragen“ – problematischerweise meist eher aus einer betriebs- denn volkswirtschaftlichen Perspektive – sowie der Aspekt der „Leistungsfähigkeit des Schulsystems“ im Vordergrund (Sell 2007: 5).
Auf diesem Hintergrund fußt die zentrale Frage dieses Beitrags: Welche Rolle spielt der Raum für die Schulversorgung?
Räumliche Aspekte des Wissens wurden aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet (vgl. Meusburger 1998: 89 ff.; Meusburger 2005: 269 f.): Zum einen stützen Studien über kreative Milieus und auch Teile der Organisationsforschung die These, dass der räumliche Kontext die Schaffung, Aufnahme und Anwendung von neuem Wissen beeinflusst. Zum anderen gibt es auch Studien im Bereich der Schulbildung, die den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg, Bildungschancengleichheit und räumlicher Struktur von Bildungseinrichtungen betonen (Mammes 2007: 5). Wie hoch jedoch die genaue Bedeutung der räumlichen Erreichbarkeit der Bildungseinrichtungen im Vergleich zu sozioökonomischen Faktoren ist, wird in der internationalen Debatte um Bildungsgerechtigkeit unterschiedlich stark gewichtet (Boudon 1974; Erikson/Jonsson 1996; Maaz/Hausen/McElvany 2006: 307). Ein Modell, das die räumlichen Einflussfaktoren auf das Bildungsverhalten in Relation zu anderen Faktoren wie Elternhaus und individuelle Fähigkeiten der Schüler stellt, wurde von Meusburger (1998: 301) skizziert (vgl. Abb. 1). Demnach übt die Standortdichte für weiterführende Schulen im Zusammenhang mit der Schulorganisation einen Einfluss auf das Bildungsverhalten der Schüler – beispielsweise auf ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Besuch weiterführender Schulen – aus. Noch direkter ist der Einfluss der Schulwegbedingungen für den Besuch weiterführender Schulen. Tendenziell sind es eher die unteren sozialen Schichten, bei denen sich zu große räumliche Entfernungen als Hindernis auswirken, höherwertige Schulangebote wahrzunehmen.
Abb. 1
Einflussfaktoren des Bildungsverhaltens. (Quelle: Meusburger (1998: 301))

Ein enger Zusammenhang zwischen Schulangebot und Schulbesuchsquoten wurde bereits Mitte der 1960er Jahre in Hessen nachgewiesen (Geipel 1965: 47 ff.). Die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten hinsichtlich der Bildungsbeteiligung sind nach wie vor sichtbar (Budde 2007: 314; Terpoorten 2007: 236). Für Gesamtdeutschland wurde Anfang des vergangenen Jahrzehnts belegt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Größe des Einzugsgebietes von Gymnasien und der Gymnasialbeteiligung auf Landkreisebene besteht (Fickermann/Schulzeck/Weishaupt 2002: 26). Dezidiert für Brandenburg und Berlin konnte eine Kohärenz zwischen der Wohnortnähe von höherwertiger Schulinfrastruktur und der Schulwahlentscheidung belegt werden (Ejury 2004:251 ff.).
Derlei Erkenntnisse beeinflussen auch bildungspolitische Strategien. Unterscheiden lassen sich zum einen das Konzept der wohnortnahen, dezentralen Schulversorgung, zum anderen das Prinzip der zentral gelegenen Großschule (Kramer 1993: 4 ff.; Meusburger 1998: 406). Starke Schwankungen bzw. zum Teil massive Rückgänge der Schülerzahlen sowie gestiegene Qualitätsanforderungen an Schulen haben in den letzten Jahren den Wettbewerb der Schulstandorte verstärkt und erfordern forcierte Überlegungen der Schulnetzplanung und der integrierenden Raumplanung (vgl. Müller 2010; Müller 2011).
Weiterhin stellt sich die Frage nach der Rolle der Raumordnung für die Schulstandortplanung. Die Raumordnung steuert – so ist zumindest der Anspruch – die räumliche Verteilung öffentlicher Dienstleistungen (Schulen, Universitäten, Verwaltungseinheiten) im Sinne einer sektorübergreifenden räumlichen „Meta-Regulation“ (Einig 2008: 25). Das tradierte Steuerungsmodell ist dabei das
Zentrale-Orte-Konzept, welches in den Planwerken auf Landes- und Regionalebene konkretisiert wird. Nachdem in den 1980er und 1990er Jahren die Kopplung zwischen Zentrale-Orte-Systemen und den Bildungseinrichtungen tendenziell eher gelockert worden war, fanden sich in jüngerer Zeit zumindest in einzelnen Landesentwicklungsplänen Überlegungen, die vor dem Hintergrund des demographischen Wandels erforderlichen Anpassungen der Bildungsinfrastruktur wieder konsequenter an zentralörtlichen Strukturen auszurichten. So wurde im Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern formuliert, dass Schulschließungen zuerst an nicht-zentralen Orten vorzunehmen sind (Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern 2005: 63). Das ursprünglich an Wachstumsparadigmen orientierte Konzept der Zentralen Orte scheint grundsätzlich sehr gut geeignet, auch unter Schrumpfungsbedingungen eine effiziente, angepasste Schulstandortstruktur zu unterstützen (Zeck 2003: 732 f.; Einig/Siedentop/Schiller et al. 2006: 27; Winkel 2008: 44; vgl. auch Blotevogel 2002). Umstritten ist allerdings, wie konsequent die Konzentration vorgenommen werden sollte. Eine zu starke Konzentration auf die wenigen Zentralen Orte würde zur Ausdünnung von Infrastruktureinrichtungen in der Fläche und Versorgungsengpässen führen (Hahne/von Rohr 1998: 5 ff.; Henkel 1999: 285). Um auch zukünftig wohnortnahe Bildungseinrichtungen in kleineren Orten aufrechtzuerhalten und insofern die Chancengleichheit im Bildungswesen und das Postulat der gleichwertigen Lebensbedingungen zu gewährleisten, sollten – so die Gegenposition zur Position der konsequenten Konzentration – zunächst eher Mehrfachangebote in Zentralen Orten geschlossen werden (Fickermann/Weishaupt 1997: 222).
In diesem Beitrag wird die Nutzerperspektive zu räumlichen Fragen der Bildungsplanung eingenommen: die der Eltern und Schüler. Welche Rolle spielen angesichts gestiegenen Bildungswettbewerbs, Leistungsdrucks in den Schulen und einem immer weiter qualitativ differenzierten Bildungsangebot überhaupt noch räumliche Aspekte im Bildungsverhalten von Schülern und deren Eltern? Ist die räumliche Nähe von Schulen angesichts allgemein vergrößerter Aktionsräume überhaupt noch wichtig?
In der hier vorgestellten empirischen Untersuchung in der Zeit von 2008 bis 2009 in zwei Kreisen in Schleswig-Holstein wird die Bedeutung der räumlichen Entfernung auf das Bildungsverhalten durch folgende Fragestellungen ermittelt:
Abfrage nach der objektiven Schulweglänge des Kindes
Frage zur latenten Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen Wohnort und Schulstandort für den (subjektiv) eingeschätzten Bildungserfolg des Kindes, für die Kontakte zwischen den Schülern und das soziale Engagement der Eltern in der Schule
Frage der konkreten Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen Wohnort und Schulort in der Entscheidungssituation der Schulortwahl
Frage nach den als zumutbar angesehenen Wegelängen für die Schüler
Darüber hinaus wurden diverse Aspekte zur Verkehrsmittelwahl abgefragt. Schließlich war auch die forschungsmethodische Frage von Interesse, welchen Erklärungsgehalt latente Einstellungsvariablen im Vergleich zu Variablen, die sich auf konkrete Entscheidungssituationen beziehen, haben.
Das Untersuchungsgebiet (vgl. Abb. 2) umfasst die Kreise Dithmarschen und Steinburg, die im Westen bzw. Südwesten Schleswig-Holsteins liegen und gemeinsam die schleswig-holsteinische ,Planungsregion IV bilden. Die Planungsregion umfasst eine Fläche von 2.484 km2 (Dithmarschen 1.428 km2; Steinburg 1.056 km2). 2008 leben hier 271.115 Einwohner (Dithmarschen 136.451 Einwohner; Steinburg 134.664 Einwohner), dies sind etwa 9,5% der Gesamtbevölkerung Schleswig-Holsteins. Die Einwohnerdichte liegt bei 109 Einwohner/km2 und damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 176 Einwohner/km2, wobei der Kreis Dithmarschen mit 96 Einwohnern/km2 zu einem der am dünnsten besiedelten Landkreise Schleswig-Holsteins zählt (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2008a: 30 f.; 48 f.). Weite Teile sind gar als abgelegene, strukturschwache ländliche Räume definiert (Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein 2005: 22). Abbildung 2 zeigt das Schulnetz der beiden Kreise.
Abb. 2
Schulstandorte (Primarschulen/Sekundarschulen) in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg. (Quelle: Eigene Darstellung; Datengrundlage: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2008b: 25 ff.))

Während die Schülerzahlen in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg im Zeitraum von 1995 bis 2005 um 12,7% stiegen (vgl. Abb. 3), wird für die Jahre bis 2025 ein deutlicher Schülerzahlenrückgang erwartet (BBR 2007). Der Rückgang der Schülerzahlen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren hat bereits Ende der 1990er Jahre begonnen (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2005: 2) und wird sich bis 2025 fortsetzen. Somit besteht in den nächsten Jahren im Grundschulbereich ein Anpassungsbedarf. Durch eine Abnahme der Zahl der Jugendlichen im Alter von 10 bis 16 Jahren besteht ebenfalls Handlungsbedarf bei den weiterführenden Schulen. Die Entwicklung zeigt, dass es ab dem Jahr 2010 zu einem Absinken der Schülerzahlen in der Sekundarstufe I um etwa ein Drittel bis zum Jahr 2025 kommt. Die Zahl der Schüler in der Sekundarstufe
Abb. 3
Prognostizierte Schülerzahlen in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg. (Quelle: Eigene Darstellung; Datengrundlage: Sonderauswertung des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein)

II geht ab dem Jahr 2010 bis zum Jahr 2025 langsam zurück. Ab 2011 besteht demnach Handlungsbedarf bei der Anpassung der Gymnasien und Gemeinschaftsschulen an die niedrigeren Schülerzahlen. Es ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Gymnasien und Gemeinschaftsschulen (Weiterentwicklung der Gesamtschulen, Kompetenzniveaus von Haupt- und Realschulen wie Gymnasien) steigend sein wird und die Nachfrage nach Regionalschulen (seit 2007 neu eingerichteter Zusammenschluss von Haupt- und Realschulen) weiter sinken wird.
Im Rahmen einer Dissertation (Frank 2011) wurden im Zeitraum Juli 2008 bis Mai 2009 zum einen sämtliche Bürgermeister und Schulleiter in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg, zum anderen sämtliche Schüler, deren Eltern und Lehrer an 13 ausgewählten Schulstandorten mit einer Grundgesamtheit von 4.800 Schülern postalisch befragt. Kriterien bei der Standortauswahl waren die Lage im Raum, die derzeitigen und vorausberechneten Schülerzahlen sowie die Schulgröße, die Schulart und die Einordnung des Schulorts in das schleswig-holsteinische System der Zentralen Orte. Die Fragebögen enthielten sowohl offene als auch geschlossene Fragen. Hierbei wurden den Schülern in den Schulen Fragebögen übergeben mit der Bitte, diese gemeinsam mit den Eltern auszufüllen. Die nachfolgenden Darstellungen basieren auf der Eltern-Schüler-Befragung, in deren Rahmen 2.726 Fragebögen ausgefüllt wurden. Dies entspricht einer – guten – Rücklaufquote von knapp 57 %. Das Durchschnittsalter der antwortenden Eltern lag bei 41,4 Jahren.
Eine generell interessante Frage der raumbezogenen Aktionsforschung ist, inwieweit sich die der räumlichen Nähe beigemessene Bedeutung auch im tatsächlichen räumlichen Verhalten von Akteuren ausdrückt. Zur Frage der Wegelängen zur Schule wird hier folgende Hypothese aufgestellt:
Diese Hypothese kann in kausaler Hinsicht in zwei Richtungen begründet werden. Zum einen wäre denkbar, dass die Eltern und Schüler gewissen Freiheiten bei der Schulstandortwahl haben und sich ihre latenten Präferenzen nach kurzen Entfernungen zumindest tendenziell realisieren lassen. Umgekehrt ist jedoch auch denkbar, dass die realen Wegelängen subjektiv rationalisiert werden und zu einer Anpassung des Anspruchsniveaus bezogen auf die Wegelängen führen.
In Abbildung 4 sind auf der y-Achse die objektiven durchschnittlichen Schulweglängen dargestellt, auf der x-Achse die Gruppen, die der räumlichen Nähe bezogen auf Bildungserfolg, Schülerkontakte, Elternengagement und Standortwahl unterschiedliche Bedeutung beimessen.
Abb. 4
Durchschnittliche Entfernungen Wohnort-Schule in km (y-Achse) nach der Bedeutungszumessung der räumlichen Nähe für Bildungserfolg, Schülerkontakte, Elternengagement und Standortwahl. (**0,01-Signifikanz; *0,05-Signifikanz; Zusammenhangsmaß: Eta-Koeffizient,

Bei den Fragen des Einflusses der räumlichen Nähe auf Bildungserfolg, Schülerkontakte und Elternengagement variieren die Schulweglängen zwischen den einzelnen Gruppen kaum (Eta-Koeffizienten 0,1 und weniger). In der Gruppe der Befragten, die der räumlichen Nähe eine sehr hohe Bedeutung beimaßen, ist die durchschnittliche Entfernung Wohnung–Schule nur um etwa einen Kilometer geringer als in der Gruppe, die der räumlichen Nähe bezogen auf diese Faktoren sehr geringe oder gar keine Bedeutung beimisst. Vollkommen anders stellt sich die Situation bezogen auf den Faktor Schulwahl dar. Hier gibt es einen deutlichen und nahezu linearen Zusammenhang. Die Befragten, für die dieser Faktor bei der Schulwahl eine hohe Bedeutung hat, wohnen im Durchschnitt drei Kilometer von der Schule entfernt, diejenigen, für die dieser Faktor keine oder nur eine geringe Bedeutung hat, im Durchschnitt neun Kilometer. Ein hoher Eta-Koeffizient von 0,43 verdeutlicht, dass die angebliche Bedeutung der Nähe für die Schulwahl sich auch tatsächlich im räumlichen Wahlverhalten ausdrückt.
Abbildung 5 stellt die Beziehung zwischen den realen Entfernungen Wohnort–Schule und den von den Eltern als zumutbar eingeschätzten Fahrzeiten je Schulweg (Gesamtindex Der Gesamtindex zumutbarer Entfernungen zwischen Schule und Wohnort wurde gebildet aus einzelnen Einschätzungen der zumutbaren Fahrzeiten je Weg für die Verkehrsträger Fuß, Fahrrad, Moped/Motorrad, öffentlicher Schienennahverkehr und Bus, die wiederum für die einzelnen Schulstufen getrennt erfasst wurden. Je höher der Wert, desto länger die als zumutbar eingeschätzten Fahrzeiten.
Abb. 5
Korrelation der durchschnittlichen Entfernungen Wohnort–Schule in km und dem Index der als zumutbar eingeschätzten Fahrzeiten. (Zusammenhangsmaß: Pearson-R-Koeffizient,

Es kann festgehalten werden, dass nur bei der auf eine konkrete Entscheidung bezogenen Variablen, die die Bedeutung der räumlichen Nähe bei der Standortwahl misst, ein deutlicher Zusammenhang mit den tatsächlichen Wegelängen existiert. Alle anderen Variablen (insbesondere
auch die als zumutbar angegebenen Fahrzeiten je Schulweg) stehen in keinem statistisch erkennbaren Zusammenhang zu den tatsächlich in Kauf genommenen Schulwegen.
„Kurze Beine – kurze Wege“: Diese Formel ist einer der Leitsätze der Schulentwicklungsplanung. Eine geringe Entfernung zwischen Wohnort und Schulort ist grundsätzlich wünschenswert, da die Belastungen der Schüler durch Fahrzeiten gering sind, die Kontakte zwischen Schülern nach Unterrichtsende erleichtert werden, die Lebenswelt der Schüler nicht zu sehr zerrissen wird. In besonderem Maße gilt dies für Grundschüler, da sie sich im Straßenverkehr noch nicht so sicher bewegen wie ältere Schüler, und die Belastung für sie durch längere Fahrwege höher ist.
Das Netz der Primarstufenschulen ist nicht nur aufgrund der höheren Schülerzahlen dichter als das der Sekundarstufenschulen, sondern auch weil kleineren Kindern kürzere Wege zugestanden werden als größeren. Für Kinder unter zehn Jahren wird in der Schulplanung ein Richtwert von 30 min einfachem Schulweg, für Kinder über zehn Jahren 60 min angesetzt (Meusburger 1998: 293). Befunde aus der Aktionsraumforschung gehen in dieselbe Richtung. Schüler der Unterstufe sind in ihrem Aktionsbereich fast ausschließlich auf das Wohngebiet und die nähere Umgebung ausgerichtet, Volks- und Realschüler über zehn Jahre verteilen sich zu gleichen Teilen in der näheren Umgebung und im übrigen Stadtgebiet, Schüler der Gymnasien nehmen längere Fahrtwege in Kauf (Kutter 1972: 71 ff.). Daraus lässt sich Hypothese 2 ableiten.
Abbildung 6 zeigt den Zusammenhang zwischen Kindesalter und objektiver (von den Eltern angegebenen) Schulwegentfernung, in Abb. 7 ist zusätzlich eine Differenzierung nach Schulstufen vorgenommen.
Grundsätzlich wird Hypothese 2 bestätigt. Die Korrelation zwischen Kindesalter und Schulweglänge ist signifikant, der Korrelationskoeffizient R liegt bei 0,21. Das Korrelationsmuster ist jedoch kein lineares. Vielmehr steigt beim Übergang vom 10. zum 11. Lebensjahr bzw. von der Primar- zur Sekundarstufe I die durchschnittliche Entfernung zwischen Wohn- und Schulstandort sprunghaft an. Das ist durch die stärkere Konzentration der Schulen ab Sekundarstufe II gegenüber den Schulen der Sekundarstufe I erklärbar.
Abb. 6
Durchschnittliche Wegelängen Wohnung–Schule in km (y-Achse) nach Alter der Schüler in Jahren (x-Achse). (

Abb. 7
Durchschnittliche Wegelängen Wohnung–Schule in km (y-Achse) nach Schultyp und Jahrgangsstufe (x-Achse). (

Abbildung 8 verdeutlicht, welche Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen Wohn- und Schulstandort für den Bildungserfolg, die Schülerkontakte und das Engagement der Eltern beigemessen wird.
Demnach ist die räumliche Nähe zur Schule vor allem aufgrund der damit verbundenen Schülerkontakte von Bedeutung, in zweiter Linie aufgrund des durch räumliche Nähe begünstigten Elternengagements. Für den direkten Bildungserfolg wird die Relevanz als deutlich geringer eingeschätzt. Die Unterschiede zwischen den Schulstufen hinsichtlich des Stellenwertes der räumlichen Nähe sind bei allen Gründen – insbesondere dem Elternengagement – deutlich, wobei die Bedeutung der räumlichen Nähe für die Primarstufe durchweg am größten ist.
Abb. 8
Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen Bildungseinrichtung und Wohnstandort für Elternengagement, Schülerkontakte in Schulstufe (

Eine wichtige Frage für die Schulentwicklungsplanung ist, welche Wegelängen von den Eltern für die Schüler als zumutbar angesehen werden. Im Zuge des Ausbaus der Schulversorgungssysteme haben sich in Deutschland die Wegelängen für Schulen bis in die 1980er Jahre kontinuierlich verkürzt (Meusburger 1998: 293).
Welche Schulwegelängen werden von den Eltern für die Kinder als zumutbar angesehen, wie stellt sich dies für einzelne Verkehrsträger dar? Abbildung 9 illustriert dazu zunächst, dass es signifikante Unterschiede in der Bedeutung der Verkehrsträger für die Schulstufen gibt. In der Primarstufe werden die Wege zu etwa gleichen Anteilen zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit dem ÖPNV absolviert. In der Sekundarstufe I sind Fahrrad und ÖPNV die wichtigsten Transportmittel, in der Sekundarstufe II ist das Fahrrad das mit Abstand wichtigste Transportmittel. Mit dem Pkw der Eltern werden die Schüler eher selten gebracht, am ehesten wird dieses Transportmittel noch für die Schüler der Primarstufe gewählt.
Nach den Ergebnissen anderer Untersuchungen wird die Zumutbarkeit der Länge des Schulweges je nach Region, Alter der Kinder und Schichtzugehörigkeit der Eltern unterschiedlich beantwortet. Je höher die Schichtzugehörigkeit, desto mehr Wegezeit wird den Kindern für den Besuch einer höheren Schule zugemutet (Meusburger 1998: 293).
Abb. 9
Bedeutung der Verkehrsträger für den Schülertransport (prozentuale Anteile der Befragten, deren Kinder das jeweilige Transportmittel nutzen nach Schulstufe). (**0,01-Signifikanz; Zusammenhangsmaß: Pearson-C-Koeffizient,

Abbildung 10 macht deutlich, dass die Eltern je nach Verkehrsträger und vor allem nach Schulstufe unterschiedliche maximale (einfache) Schulweglängen für zumutbar halten. Nur wenige Eltern halten in der Primarstufe Fuß- und Fahrradwege von mehr als 20 min für zumutbar. Auf der anderen Seite liegt der Schwerpunkt der als zumutbar angesehenen Wege für den ÖPNV im Bereich der Sekundarstufen I und II bei 20 bis 40 min. In der Sekundarstufe II nennt sogar jedes zehnte befragte Elternteil einen Weg von über 40 min zumutbar.
Abb. 10
Maximal zumutbare Schulweglängen (einfacher Weg) nach Schulstufe und Verkehrsträger (in %). (

Noch interessanter als die Frage nach der latenten Bedeutung der räumlichen Nähe und den als zumutbar erachteten Wegelängen ist jene, inwieweit die räumliche Nähe der Schule auch im konkreten Entscheidungsfall – der Schulwahl – relevant ist. Andere empirische Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass neben dem inhaltlichen Profil der Schule, der Schulgröße und der Trägerschaft die räumliche Lage der Schule und die Distanz zum Wohnort ein entscheidendes Kriterium bei der Schulwahl ist (Müller 2009). Aspekte der Schulqualität scheinen bei der Schulwahl sogar nachrangig gegenüber dem Faktor der räumlichen Nähe (Clausen 2006: 72). Schulen, die nur unter
unzumutbarem Aufwand erreichbar sind, werden tendenziell weniger frequentiert, was negative Auswirkungen auf den Schulerfolg hat (Meusburger 1998: 291).
Abbildung 11 macht deutlich, dass verglichen mit anderen Faktoren die räumliche Nähe der Schule – vor allem die Primarstufe – mit Abstand der wichtigste Faktor bei der Entscheidung für die Schulwahl ist, mit deutlichem Abstand vor den Faktoren Angebot der Schule und Bekanntheit der Schule. Die Schulübergangsempfehlung ist für die Sekundarstufe I und II von mittlerer Bedeutung. Die Faktoren der Nähe zum Arbeitsort der Eltern und die Ganztagsbetreuung sind demgegenüber deutlich nachgeordnet.
Abb. 11
Gründe, warum gerade diese Schule für das Kind ausgewählt wurde, nach Schulstufe (

Zusammengefasst: Die Formel „kurze Beine – kurze Wege“ gilt auch aus Nutzersicht bezogen auf reale Wegelängen und die konkrete Standortwahl uneingeschränkt. Die Schulwege zu den Primarschulen sind – angesichts des dichteren Netzes nicht verwunderlich – kürzer als in anderen Schulstufen und die Bedeutung der räumlichen Nähe des Standortes wird seitens der Eltern für Schüler der Primarstufe durchweg als höher eingeschätzt als für die anderen Stufen, was insbesondere für die Frage der Schulstandortwahl gilt. Der Zusammenhang zwischen den als zumutbar eingeschätzten Wegelängen und dem Schüleralter ist allerdings diffuser. Nur tendenziell lassen sich Unterschiede der
Schulstufen ausmachen. Deutlicher sind wiederum schulstufenspezifische Differenzen bei der Verkehrsmittelwahl.
Es liegen keine Untersuchungen vor, die dezidiert die Frage nach der Bedeutung der räumlichen Entfernung von Schule und Wohnort sowie nach den für den Schulweg genutzten Verkehrsmitteln geschlechtsspezifisch analysieren. Jedoch deuten empirische Ergebnisse von anderen Untersuchungen zu räumlichen Verhaltensmustern von Kindern (im Freizeitbereich) auf geschlechtsspezifische Unterschiede in den Aktionsradien hin. Dabei ähneln sich die Befunde aus unterschiedlichen Dekaden (1930er vs. 1990er Jahre) sehr (vgl. Muchow/Muchow 1935: 16; Nissen 1998: 182). Nach den übereinstimmenden Ergebnissen der Aktionsraumforschung haben Mädchen im Durchschnitt gegenüber Jungen einen kleineren Bewegungsraum (Flade/Kustor 1996: 16 f., 29) und die Lebensräume von Jungen sind expansiver als solche von Mädchen (Muchow/Muchow 1935: 28). Weiterhin nutzen Jungen signifikant öfter das Fahrrad, Mädchen nutzen den ÖPNV oder werden von den Eltern mit dem Pkw gefahren (Flade/Kustor 1996: 16 f., 29; Harms/Preissing/Richtermeier 1985: 222; Berg-Lasse/Berning/Graf et al. 1985: 266 ff.; Rauschenbach/Wehland 1989: 52 ff; Nissen 1992: 155 f.). Die demnach größere Distanzempfindlichkeit von Mädchen gegenüber Jungen könnte auch Auswirkungen auf die Schulwege haben, auch könnten sich Unterschiede in der Verkehrsmittelwahl zeigen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich folgende Hypothese formulieren:
Abbildung 12 zeigt die Ergebnisse der Befragung. Folgende Befunde lassen sich festhalten: Hätten Mädchen größere Distanzempfindlichkeiten als Jungen, so müsste für sie auch die Bedeutung der räumlichen Nähe der Schulen für Bildungserfolg und Kontakte zwischen den Schülern höher bewertet werden. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung ist dies jedoch nicht der Fall. Auf der ,Schulnotenskala' für die Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen der Bildungseinrichtung und dem Wohnort der Schüler (
Abb. 12
Schulweglängen sowie Bewertungen der Bedeutung der räumlichen Nähe von Schule zum Wohnstandort nach Geschlecht. (**0,01-Signifikanz; *0,05-Signifikanz,

Hätten Mädchen größere Distanzempfindlichkeiten als Jungen, so müsste für sie auch die Bedeutung der räumlichen Nähe der Schulen bei der Schulstandortwahl größer sein als für Jungen. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung ist dies jedoch nicht der Fall: Auf der ,Schulnotenskala' für die Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen der Bildungseinrichtung und dem Wohnort der Schüler (
Würden sich aus den latenten geschlechtsspezifischen Differenzen in den Beurteilungen der räumlichen Nähe auch objektiv unterschiedliche Verhaltensweisen ergeben, so müssten die Schulwege von Mädchen kürzer sein als von Jungen. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung ist dies jedoch nicht der Fall: Die Mädchen legen im Durchschnitt 4,51 km einfachen Schulweg zurück, die Jungen 4,48 km. Dieser Unterschied ist minimal und statistisch nicht signifikant (
Die Ergebnisse anderer aktionsräumlicher Untersuchungen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Kindern bezogen auf räumliche Distanzen und Verkehrsmittelwahl konnten im Rahmen dieser Untersuchungen nicht bestätigt werden, wie Abb. 13 zeigt.
Abb. 13
Anteil der Schüler, die die jeweiligen Verkehrsmittel für den Weg zur oder von der Schule nutzen, nach Geschlecht (in %; Mehrfachnennungen möglich). (**0,01-Signifikanz; *0,05-Signifikanz,

Deutlich wird, dass es keine signifikanten Abweichungen im o. g. Sinn zwischen Jungen und Mädchen bei der Wahl der Verkehrsmittel in der o. g. Richtung gibt. Die zu vernachlässigenden prozentualen Differenzen deuten sogar eher in Richtung einer stärkeren Nutzung des Fahrrads und des ÖPNV durch die Mädchen.
Ob die Bedeutung des Schulwegs für Bildungserfolg, soziale Kontakte und Schulstandortwahl betrachtet wird oder ob die objektiven Wegelängen verglichen werden: Es gibt keinerlei Anzeichen für geschlechtsspezifische Differenzen. Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass die weiblichen Elternteile und die männlichen Elternteile für Mädchen und Jungen jeweils unterschiedliche Einschätzungen der Bedeutung der räumlichen Nähe des Schulorts abgeben. Auch sind keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Wahl der Verkehrsmittel der Schulwege auszumachen. Die Ergebnisse anderer Untersuchungen zu geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Aktionsräumen, Distanzempfindlichkeiten und Verkehrsmitteln bei Kindern werden damit durch diese Befunde für die Schulweglängen nicht einmal in der Grundtendenz bestätigt. Für die ,objektiven' Angaben zur Verkehrsinfrastruktur überrascht dies nicht, da die Gegebenheiten für Jungen und Mädchen hier identisch sind. Bemerkenswert ist aber, dass sich auch in den subjektiven Einschätzungen keine geschlechtsspezifischen Differenzen zeigen.
Im Rahmen von aktuellen Schulentwicklungsplanungen werden unterschiedliche Konzepte diskutiert, um angesichts zurückgehender Schülerzahlen tragfähige Lösungen der Schulversorgung zu finden. Diese Lösungen haben unterschiedliche Raumbedeutsamkeit für die Betroffenen. Beim Konzept des jahrgangsübergreifenden Unterrichts bleibt der Schulstandort erhalten und es ändern sich daher die Schulwege grundsätzlich nicht. Hier müssen – hierzu gibt es unterschiedliche Auffassungen – eventuell Einbußen in der pädagogischen Qualität hingenommen werden. Beim Erhalt der Schule als Außenstelle einer anderen Schule ergeben sich vor allem interne organisatorische Änderungen. Raumbedeutsam für die Schüler sind vor allem die Konzepte „Erhalt der Schule bei vergrößertem Einzugsbereich“ (was implizit die Schließung anderer Standorte bedeutet) und die Option der Standortschließung. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der räumlichen Nähe von Schul- und Arbeitsort lässt sich bezogen auf Schulkonzepte folgende Hypothese aufstellen:
Abbildung 14 verdeutlicht die Meinungen der befragten Eltern zu diesen Konzepten.
Abb. 14
Einstellungen der Eltern zu unterschiedlichen Schulkonzepten. (

Die erste Teilhypothese wird eindeutig bestätigt: Während die Lösungen „Jahrgangsübergreifender Unterricht“, „Erhalt der Schule bei vergrößertem Einzugsgebiet“ und „Erhalt der Schule als Außenstelle einer anderen Schule“ von etwa jeweils einem Drittel der Befragten eher begrüßt, teilweise begrüßt und eher abgelehnt werden, erfährt die Lösung „Schulschließung und Konzentration an einem anderen Standort“ eine deutliche Ablehnung: über 80 % der Befragten votieren gegen diese Option, sprechen sich also für den Erhalt ihrer Schule aus.
Abbildung 15 verdeutlicht, dass die zweite Teilhypothese bezogen auf die Variable beigemessene Bedeutung der räumlichen Nähe bei der Standortwahl zumindest in der Tendenz bestätigt werden kann.
Abb. 15
Zusammenhänge der Einstellungen der Eltern zu unterschiedlichen Schulkonzepten mit Entfernungs- und Wegelängenaspekten. (**0,01-Signifikanz; *0,05-Signifikanz,

Je höher die Bedeutung der räumlichen Nähe bei der Schulortwahl ist, desto eher werden Konzepte zur Schließung von Schulen abgelehnt, wobei auch hier die Korrelation nur schwach ausfällt. Sowohl der Zusammenhang der Einstellungen zu den Schulkonzepten mit den tatsächlichen Schulwegelängen als auch mit den als zumutbar empfundenen Fahrzeiten ist statistisch nicht relevant.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Vermutung einer Präferenz der Eltern für innovative Lösungskonzepte, die sich nicht nachteilig auf die räumliche Nähe der Schule auswirken, durch die Erhebung bezogen auf die Variablen „tatsächliche Entfernung Wohn- und Schulstandort“ und „Bedeutung der Nähe bei der Schulstandortwahl“ bestätigt wurde.
Die Ergebnisse der vorab dargestellten Schüler-Eltern-Befragung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die räumliche Nähe der Schulen zum Wohnstandort, deren Bedeutung auch in anderen empirischen Untersuchungen ermittelt wurde, spielt auch nach den Ergebnissen dieser Untersuchung bei der Bewertung der Qualität der regionalen Bildungsversorgung seitens der Nutzer nach wie vor eine wichtige Rolle, die allerdings differenziert zu betrachten ist. Bestätigt wurde die Hypothese, dass die Bedeutung der räumlichen Nähe des Schulstandorts mit sinkendem Alter der Schüler zunimmt; der Leitsatz „Kurze Beine – kurze Wege“ gilt uneingeschränkt. Entsprechend werden Konzepte von Schulstandortplanungen präferiert, bei denen keine Verlängerungen der Fahrzeiten in Kauf genommen werden müssen. Nicht bestätigt wurden dagegen Ergebnisse aus der Aktionsraumforschung, wonach Mädchen kürzere Wegezeiten beanspruchen als Jungen. Deutlich wurde, dass die Aussagekraft von Variablen, die sich auf konkrete Standortentscheidungen bei der Schulwahl beziehen, höher ist als die Aussagekraft abgefragter ,latenter Präferenzen' wie insbesondere „zumutbare Entfernungen“.
Die räumliche Entfernung zwischen Wohnort und Schule hat für Eltern und Schüler somit eine hohe, aber auch differenzierte Bedeutung für ihr Bildungsverhalten. Daher ist aus Elternsicht ein möglichst ausdifferenziertes und ubiquitäres Schulnetz wünschenswert. Diese Anforderung steht im Gegensatz zu Kostenüberlegungen und öffentlichen Sparzwängen. Vor dem Hintergrund der ebenfalls im Rahmen dieser Untersuchungen gewonnenen Erkenntnis, dass Entscheidungsträger (Bürgermeister, Schulleiter) die räumliche Nähe von Wohn- und Schulstandorten sogar noch höher einschätzen als Eltern (Frank 2011: 172) sollte dieser Faktor bei regionalen Bildungsentscheidungen dennoch angemessen berücksichtigt werden. Wenn vor dem Hintergrund zurückgehender Schülerzahlen und leerer öffentlicher Kassen Schulschließungen nicht vermeidbar sein sollten, müsste der Aspekt der Erreichbarkeit der verbleibenden Standorte hervorgehobene Bedeutung haben, er gilt den Nutzern als eine wesentliche Facette der Bildungsqualität. Es ist jedoch nicht nur die reine Transportlänge und die damit zusammenhängenden Belastungen der Schüler, die zur Forderung nach geringen Distanzen der Schulen vom Wohnort führt. Auch die lokale Identität sowie Vorurteile gegenüber Nachbargemeinden sind für diese Forderung nach größtmöglicher Nähe von hoher Bedeutung.
Generell kann das Thema der Schulentwicklungsplanung nicht ausschließlich auf ökonomische oder schulrechtliche Gesichtspunkte beschränkt werden. Vielmehr sind Fragen der Chancengleichheit im Bildungsbereich, des Bildungserfolges und der Qualität von Bildung mit einzubeziehen. Schulen im ländlichen Raum stehen hier vor vielfältigen Herausforderungen.
Die Befunde sprechen auch für eine konsequentere Ausrichtung der Bildungsinfrastruktur am Zentrale-Orte-System und eine offensive Mitwirkung der Raumordnung bei der Schulplanung. Das Zentrale-Orte-Konzept sollte flankierend wirken, nicht jedoch die Schulstandorte abschließend bestimmen. Die Standortfestlegung sollte unter Beteiligung der lokalen Akteure, auf regionaler Ebene abgestimmt, erfolgen.
Für die geographische Bildungsforschung lässt sich aus den Erfahrungen dieser Untersuchungen ableiten, dass objektive Wegelängen und auf konkrete Entscheidungen (wie die Schulortwahl) bezogene Einstellungsvariablen aussagekräftiger sind als nur latente Einstellungsvariablen. Vertieft zu untersuchen wäre dabei insbesondere der hier nicht betrachtete Aspekt sozialstatusspezifischer Differenzen räumlichen Bildungsverhaltens.
Abb. 1

Abb. 2

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Abb. 13

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Abb. 15
