A discussion of satire as borderline case of invectivity will be presented in this paper. The particular focus lies on literary debates in eighteenth-century Britain and in Germany. British satirists like Dryden, Haywood or Pope described ridicule and sarcasm as main features of satire, however, it was viewed as necessary to uphold the distinction between satire and libel resp. lampoon. This distinction was explained by concepts of urban wit or raillery. In German literature Wieland introduced the concept of wit in his satirical writings, however, since romanticism it was replaced with the opposition between sarcasm and ‚Humor‘.
Keywords
- Satire
- Spott
- Sarkasmus
- Witz
- Stichelei
- Humor – satire
- ridicule
- sarcasm
- lampoon
- raillery
- humour
Wohl kaum ein poetisches literarisches Genre ist für eine Erörterung dessen, was unter Invektivität zu verstehen ist, so einschlägig wie die Gattung der Satire. Orientiert man sich dabei etymologisch, dann zeigt der Begriff der Satire in all seiner Bedeutungsvielfalt, wie sehr das satirische Sprechen seit der Neuzeit als Grenzbereich des Invektiven gelten kann. Anders gesagt: Was Invektivität bezeichnet, lässt sich ex negativo auch durch die Grenzziehung zur bzw. die Integration der Satire recht genau bestimmen. Doch zunächst zur Begriffsgeschichte: Der Begriff ‚Satire‘ stammt vom Lateinischen ‚satura‘, welches sich herleiten lässt aus dem Begriff ‚lanx satura‘, was als ‚Opferschüssel mit verschiedenen Früchten’ übersetzbar ist und die Satire seit Ennius als ein ‚Erfülltsein von mannigfaltigen Bestandteilen‘ definiert. Zwar galt die Satire zumindest nach römischem Verständnis als römische Schöpfung, denn von Quintilian stammt der auf Horaz und Juvenal bezogene Satz „satura quidem tota nostra est.“ Quintilian (2000) Institutio oratoria 10, 1, 93. Vgl. dazu: Becker-Cantarino (1985) Satire. Vgl. Brummack (1977) Satire.
Die Satire wurde dadurch zum klassischen Medium ironischen Tadelns durch falsches Lob: Sie kennt also sowohl die Verstellung (dissimulatio) und zwar im Sinne des humorvollen „ridentem dicere verum“ (lachend das Wahre sagen, Horaz) als auch die Verspottung (illusio), dieses dient jedoch im Rahmen der ‚indignatio‘ (Entrüstung, Juvenal) der satirischen Kritik an einer lasterhaften oder verkehrten Welt. Vgl. Meyer-Sickendiek (2007) Satire, S. 447. Vgl. Arntzen (2003) Satire. Schiller (1962) Dichtung, S. 721f. Hegel (2013) Vorlesungen über die Ästhetik II, S. 122.
Für eine genauere Analyse und Beschreibung dieser Zusammenhänge kann eine Formel Brummacks herangezogen werden. Brummack definiert die Satire als eine „ästhetisch sozialisierte Aggression“, betont also drei Konstituenten: eine psychologische, eine soziale und eine ästhetische. Brummack (1971) Satire, S. 282. Tschizewskij (1976) Satire, S. 278.
Zwar finden beide Formen vor allem in Zeiten der Krise ihren Ausdruck, was etwa die Gattung der satirischen Simpliziade und des grotesken Grobianismus in der Zeit des 30-jährigen Krieges erklärt. Der von Gaier formulierte Merksatz – „Satire ist sprachliche Auseinandersetzung mit einer bedrohlichen Wirklichkeit“ Gaier (1967) Satire, S. 336. Vgl. Gaier (1967) Satire, S. 3. Vgl. Arntzen (2003) Satire. Hinsichtlich dieser möglichen Deutung der Satire als Form einer Stellungnahme unterscheidet Könneker allerdings zwischen der nennenden bzw. gelenkten und der darstellenden bzw. ungelenkten Satire: Während in der ungelenkten Satire der Autor in den Hintergrund tritt und dem Leser die Interpretation überlässt, versucht er in der gelenkten Satire, den Leser direkt zu überzeugen und zu belehren, wobei meist, wie in der Moralsatire, der Leser selbst das Ziel des satirischen Angriffs ist. Vgl. Könneker (1991) Satire, S. 15f.
Ich betonte eingangs, dass sich die Satire als Rahmen anbietet, um invektives Sprechen bzw. Invektivität als literarische Form zu profilieren, insofern die Satire einen Grenzfall des Invektiven darstellt. Ein solcher Grenzfall wird in der einsetzenden Moderne dann ersichtlich, wenn wir den für invektives Sprechen wichtigen Begriff des Sarkasmus hinzuziehen. Denn seit Robert Burtons Gayton (1654) Notes, S. 108. Spenser (o.J.) Calender, S. 103. Hutton (1619) Anatomie, S. 10. Blackwall (1719) Introduction, S. 179. Vgl. dazu Bredvold (1975) Note. Cicero, Brutus 34,128. „Publius Scipio, der während seines Konsulats starb, pflegte zwar nicht viel und auch nicht gerade oft zu reden, aber mit seinem Latein war er jedem gewachsen und mit seinen scharfen, witzigen Pointen übertraf er alle.“ Übersetzung Kytzler (2000). Zitiert nach Knox (1961) Irony, S. 191.
Dass eine Satire auch bitter schmecken kann, wird durch den Vergleich mit der Galle ausgedrückt. Diese Assoziation geht zurück auf die Tradition der klassischen Verssatiren Théophiles de Viau, Vgl. Meyer-Minnemann (1969) Tradition, S. 92. Shadwell (1682) Medal, S. 2. Vgl. Horaz (2015) Sat. I,7,32. „Denn Beleidigung und wahre Satire sind zweierlei; diese muß Wahrheit und Witz in Maßen besitzen“. Shadwell (1682) Medal, S. 2. Shadwell (1682) Medal, S. 1. Sparing the Persons, this does tax the Crimes, Call’s not great Men, but Vices of the Times, With Witty and Sharp, not blunt and bitter rimes. Me thinks the Ghost of Horace there I see, Lathing this Cherry-cheek’d Dunce of Fifty Three; Who, at that age, so boldly durst profane, With base hir’d Libel, the free Satyr’s Vein. Shadwell (1682) Medal, S. 2.
Wenngleich der ,asianische Schwulst‘, auf den Ciceros Pope (1738) Epilogue, S. 317. Dryden (1693) Discourse, S. 63. His thoughts are sharper, his Indignation against Vice is more vehement; his Spirit has more of the Commonwealth Genius; he treats Tyranny, and all the Vices attending it, as they deserve, with the utmost rigour. Dryden (1693) Discourse, S. 65.
Der von John Dryden geprägte und später von Shaftesbury übernommene Begriff des ‚fine raillery‘ bezeichnet nun eine Technik des feinen Stichelns, die ihren Ursprung in der höfischen und zugleich korrigierenden Konversation hat, in der die Gesellschaft ihre Normen durchsetzt und bestätigt, ohne ihr ‚Anderes‘ – den satirischen Gegenstand – durch das Lachen zu vernichten. Vielmehr wird dadurch die implizite Verspottung als genuine Kunstform der Satire anerkannt: „how hard to make a Man appear a Fool, a Blockhead, or a Knave, without any of those opprobrious terms!“ Dryden (1693) Discourse, S. 70. Dryden (1693) Discourse, S. 70. The Character of Zimri in my Absalom, is, in my Opinion, worth the whole Poem: ‚Tis not bloody, but ‚tis ridiculous enough. And he for whom it was intended, was to witty to resent it as an injury. Dryden (1693) Discourse, S. 71.
Dieser Begriff des ‚wit‘ wird später durch das von Theoretikern der Whigs wie Anthony Ashley Cooper, dem späteren Earl of Shaftesbury, eingeforderte satirische Konzept der ‚politeness‘ bzw. des ‚polite writings‘ abgelöst. Auch Autoren wie Richard Steele oder Joseph Addison fordern in den whiggistischen moralischen Wochenblättern Shaftesbury (1708) Letter concerning Enthusiasm, S. 17. Shaftesbury (1708) Letter concerning Enthusiasm, S. 31.
In seiner 1709 erschienenen Schrift Shaftesbury (1992) Edition, S. 33: „the just measure of what we call Urbanity“; S. 32: „a Buffooning Rustick Air“. Shaftesbury (1709) Sensus Communis, S. 24. Shaftesbury (1709) Sensus Communis, S. 8. Shaftesbury (1710) Soliloquy, S. 169.
In Anthony Collins 1729 entstandenem Essay Vgl. Collins (1729) Discourse, S. 3. Collins (1729) Discourse, S. 4. Laughing therefore, and Ridicule in serious Matters, go round the World with no inconsiderable Applause, and seem highly proper for this World of Nonsense and Folly. To hinder laughing upon such Occasions as are given, is almost all one as to hinder breathing. Collins (1729) Discourse, S. 21.
Wenn Collins die Satire als „Ridicule in serious Matters“ versteht, dann erklärt sich diese Betonung des Seriösen durch den an sich eher schärferen Charakter des Wortes. Die Begriffe korrespondieren dem in John Drydens Morris (1967) Essay, S. 36. Pope (1953) Imitations, S. 314. Pope (1953) Imitations, S. 37. Pope (1953) Imitations, S. 37. The difference between ridicule and raillery is so small, that the one is often mistaken for the other. – The latter, therefore, ought never to be attempted but by people of fine taste, nor played off but on those equally qualified to return it; and as it has also some distant affinity to satire, should never have for its subject matters of too serious a nature. – What exposes any thing we wish to have concealed, though it may be done with an air of pleasantry, leaves a sting behind it which is not easily forgiven, and will be taken for ridicule, wether meant as such or not. I know nothing in effect that sticks longer on the mind than a bitter sarcasm, especially when conscious of its having some foundation in truth. – But you will say this is not raillery. I grant it is ridicule, – it is invective; yet it is that which, with people of narrow understandings, passes for raillery, and as such is excused, if not applauded. Haywood (1771) Female Spectator, 7th Edition, S. 136.
Für die deutschsprachige Satire ist in diesem Zusammenhang ein Aspekt zu bedenken, der sie von der französischen und englischen Satire unterscheidet. Zum einen spielt die römische Verssatire aufgrund einer verspäteten Rezeption in der deutschen Literatur eine vergleichsweise geringe Rolle. Zum anderen fand die Diskussion darüber, was in der Satire erlaubt ist, aufgrund dieser verspäteten Rezeption der römischen Antike weitgehend ohne den Rekurs auf die römische Rhetorik und die damit verbundene Tradition der ironischen Tropen statt, in denen der Sarkasmus ein wichtiges Element darstellte. Dagegen findet man in der wichtigen Satiredefinition John Drydens eine Unterscheidung ironischer Formen, wie sie auch die antike Rhetorik kannte: die ‚illusio‘ und die ‚dissimulatio‘. Aus dieser Differenz entfaltet sich in der zwischen Dryden und Shaftesbury stattfindenden Diskussion um die Freiheit des satirischen Witzes die Unterscheidung zwischen ‚ridicule‘ und ‚raillery‘, die im Sinne der antiken Rhetorik feinere und gröbere Formen des satirischen Spottes bezeichnet. An die Stelle dieser Differenz tritt in der deutschen Diskussion über Ironie und Satire in der Romantik eine der antiken Rhetorik unbekannte Größe: der Humor. Und dieser unterscheidet nicht mehr graduell zwischen feineren und gröberen Formen, sondern kategorisch zwischen herzlich und herzlos.
Christoph Martin Wieland ist die zentrale Gelenkstelle. Er ist in Deutschland der eigentliche Importeur des Begriffes ‚Sarkasmus‘ und zugleich der letzte wirkliche Vertreter der antiken ‚urbanitas‘. Nach Wieland orientiert sich die für jede Satiretheorie wichtige Unterscheidung zwischen heraufsetzender und herabsetzender Komik nicht mehr an der antiken Rhetorik, sondern am Begriff des Humors. Wieland gewinnt sein durchaus kritisches Verständnis davon, was in der Satire erlaubt und verboten ist, aus der skizzierten alteuropäisch-republikanischen Tradition. Bezüge zu Shaftesbury finden sich auch bei Zeitgenossen wie Lichtenberg, Mendelssohn, Nicolai oder Lessing; wie wichtig jedoch die Rolle Wielands bei der Vermittlung dieser Tradition ist, zeigen Herders 1793–1797 veröffentlichte Herder (1794) Briefe, 4. Sammlung, 51, S. 142. Dasjenige, was man in den schönsten Zeiten von Rom unter dem Wort Urbanität begriff, diesen Geschmack der Hauptstadt und diese feine Tinktur von Gelehrsamkeit, gehörig zu empfinden, setzt eine Menge Kenntnisse voraus, die auch dem gelehrtern Teile Weltkenntnis und Politesse [...], selbst diese Urbanität an einem Schriftsteller der Leser nicht allezeit gegenwärtig sind. Wieland 9 (1986) Übersetzung, S. 13.
Entstanden ist diese Einschätzung in einem „Hauptwerk“ Reuter (1981) Die Philologie der Grazien, S. 280. So Fuhrmann in seinem Kommentar zu Wieland, in: Wieland 9 (1986), S. 1081. Vgl. auch die Erläuterungen Wielands zum ersten Brief des Horaz: „Indessen ist doch nicht zu vergessen: daß [...] die Zeit, worin Cicero blühte, ganz eigentlich das schönste Alter der römischen Literatur war“ (ebd., S. 408). Reuter (1981), S. 278. Wieland 9 (1986) Übersetzung, S. 297f. (Einleitung zum 19. Brief, 1. Buch). Wieland 9 (1986) Übersetzung, S. 148f. (Einleitung zum 7. Brief, 1. Buch). Wieland 9 (1986) Übersetzung, S. 277 (Einleitung zum 18. Brief, 1. Buch). Wieland 9 (1986) Übersetzung, S. 743 (Einleitung zur 6. Satire, 1. Buch).
Wenn Wieland am Beispiel des Horaz die Form der höflichen Satire, also „die gute Wirkung des zu rechter Zeit und am rechten Orte gebrauchten feinen Spottes, der Ironie“, in eins setzt mit demjenigen, „was Shaftesbury das Licht des Lächerlichen nennt“ Wieland 9 (1986) Übersetzung, S. 831. Verweyen (1979) Parodie, S. 80. Nicolai (1799) Bildung, S. 80, zitiert nach Mollenhauer (1977) Satiren, S. 76. Wieland über den Wieland 33 (1800) Aristipp, S. 293. Wieland 35 (1801) Aristipp, S. 8. Wieland 35 (1801) Aristipp, S. 8. Die erste und wesentlichste Eigenschaft eines satirischen Werkes ist, daß dem Verspotteten kein Unrecht geschehe. Das Lächerliche muß in der Sache liegen, nicht vorsätzlich hineingebracht oder dem Belachten hinter seinem Rücken aufgeheftet werden. Witz und Laune können auch wohl bloßes Persiflage in einer fröhlichen Stunde unterhaltend machen: aber dann muß es wenigstens unschuldig sein. In diesem Aufsatze hat sich Lukian gegen die Philosophen alles erlaubt; Verdrehung und Verfälschung ihrer Lehrsätze, geflissentliche Mißdeutungen, elende Volkssagen und Märchen, kein Mittel ist ihm zu schlecht, um die größten und vortrefflichsten Männer aus dieser Klasse, selbst einen Pythagoras, Sokrates, Plato, Demokrit, Aristoteles, dem Spott eines ungelehrten Leserpöbels preiszugeben. [...] Die Billigkeit erfordert, zu erinnern, daß Lukian all diese Vorwürfe und Sarkasmen nicht aus dem Ärmel schüttelte, sondern mit Zeugnissen zu belegen imstande war. Wieland (1788), Lucians von Samosata Sämtliche Werke. Erster Theil, S. 363f. sowie S. 377.
Wenn das Lächerliche „in der Sache“ liegen muss, damit dem Opfer der Satire „kein Unrecht geschehe“, dann beglaubigt auch Wieland die Maxime der augusteischen Satire: „Spare then the Person and expose the Vice.“ Pope (1953) Imitations, S. 314.
Mit der Romantik beginnt die Lösung von dieser in Rhetorik und Satire der alteuropäischen Klassik Englands und Frankreichs entwickelten Ironie. In Friedrich Schlegels romantischer Ironie ist die rhetorische Tradition nur noch auf den Bereich des „Polemischen“ Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 152: „Freilich gibt es auch eine rhetorische Ironie, welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung tut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine Tragödie in hohem Styl.“ Schelling (1797): Ideen zu einer Philosophie der Natur, S.73 sowie sinngemäß dazu Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 182f. Im 448. Athenäum-Fragment heißt es: „Die intellektualen Anschauungen der Kritik sind das Gefühl von der unendlich feinen Analyse der griechischen Poesie und das von der unendlich vollen Mischung der römischen Satire und der römischen Prosa.“ In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 254. Vgl. das berühmte 42. Lyceaumsfragment. In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 152. 108. Lyceumsfragment. In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 160. 220. Athenäumfragment. In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 200. 116. Athenäumfragment. In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 182. 69. Ideenfragment. In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 263. Schlegel (1963) Philosophische Lehrjahre, S. 285. Schlegel (1963) Philosophische Lehrjahre, S. 217. 48. Lyceumsfragment. In: Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 153. Vgl. Schlegel (1969) Philosophische Vorlesungen, S. 357. Vgl. Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 263. Die Philosophie ist die eigentliche Heimat der Ironie, welche man logische Schönheit definieren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophiert wird, soll man Ironie leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend. Freilich gibts auch eine rhetorische Ironie, welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung tut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine alte Tragödie in hohem Styl. Die Poesie allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische Stellen begründet, wie die Rhetorik. Es gibt alte und moderne Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen. Es lebt in ihnen eine wirklich transzendentale Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo. Vgl. Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 151.
In einer sehr hellsichtigen Notiz seiner Blütenstaub-Fragmente bemerkte Novalis dazu kritisch: „Was Fr. Schlegel so scharf als Ironie charakterisiert, ist meinem Bedünken nach nichts anderes als die Folge, der Charakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. Schlegels Ironie scheint mir echter Humor zu sein.“ Novalis (1981) Blütenstaub, 29., S. 425. Riedel (1967) Theorie, S. 94f. Humor sagt mehr als der Griechen attisch Salz, das nicht sowohl den Charakter als vielmehr die Diction betrift, und mit Ironie einerlei sein kann, dergleichen in Lucian herrscht; mehr als der Römer Urbanität im Gegensatz der Rusticität. Beide nennt Riedel einen feinen Humour, zu Würze der Gesellschaften. Allein Humor ist mehr die individuelle eigenthümliche Form des Menschen aus sich selbst; Urbanität eine fremde nach Mustern der Gesellschaft, jedoch eine angenehme und gefällige. So ist auch Humor noch vom komischen Witz, den Sommerville Sneer nennt, von bloßer Ironie und Spötterey unterschieden. Lindner (1971) Inbegriff, S. 158.
Wenn Lindner in seiner Polarisierung von Humor und Ironie die Humoristen zu den „launische Scribenten“ Lindner (1971) Inbegriff, S. 158. Dryden (1971) Essay, S. 59. Dryden (1971) Essay, S. 61. Lindner (1971) Inbegriff, S. 156. Wahrer Humor und ächter Witz lassen sich nicht erzwingen, nicht erkünsteln; aber sie würken, wie das Umschweben eines höheren Genius wonnevoll, erwärmend, Ehrfurcht erregend. Mit munteren, aufgeweckten Leuten, die von ächtem Humor beseelt werden, ist leicht und angenehm umzugehen. Ich sage, sie müssen von ächtem Humor beseelt werden; die Fröhlichkeit muss aus dem Herzen kommen, muss nicht erzwungen, muss nicht eitle Spassmacherey, nicht haschen nach Witz seyn. Freiherr von Knigge (1788) Über den Umgang mit Menschen. 1. Teil, 1. Kapitel, 16, S. 61.
Welche Konsequenzen diese Verabschiedung des klassischen Ironieverständnisses im Namen des Humors für den Status des sarkastischen Witzes hat, zeigt sich in Ansätzen schon in der Romantik. Man sucht eine beseeltere Form der Ironie. Schon Schlegel bedient sich kaum noch der für Wieland so wichtigen Kategorie der Urbanität, wenngleich er den Begriff sowohl in den Lyceums- und Athenäumsfragmenten als auch in seinen Aufsätzen Schlegel (1979) Die Griechen und die Römer 1, S. 210 und: Die Griechen und die Römer 2, S. 296. Schlegel (1967) Gespräch über die Poesie, S. 296. Vgl. Jauß (1973) Replik. Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 296. Es gibt eine Art von Witz, den man wegen seiner Gediegenheit, Ausführlichkeit und Symmetrie den architektonischen nennen möchte. Äußert er sich satirisch, so gibt das die eigentlichen Sarkasmen. Schlegel (1967) Charakteristiken, S. 236.
Was in der romantischen Ironie Friedrich Schlegels angedeutet ist, findet seine Fortsetzung in Jean Pauls 1804 verfasster Paul (1963) Vorschule, S. 122. Paul (1963) Vorschule, S. 125. Paul (1963) Vorschule, S. 129. So die Umschreibung Behlers, vgl. Behler (1996) Ironie/Humor, S. 827f. Paul (1963) Vorschule, S. 144. Vgl. Paul (1963) Vorschule, S. 124f. Paul (1963) Vorschule, S. 125. Paul (1963) Vorschule, S. 125. Paul (1963) Vorschule, S. 150. Paul (1963) Vorschule, S. 151. Paul (1963) Vorschule, S. 151.
Seit Jean Paul kann man sagen, dass es ein deutsches Wort Humor in der heutigen Bedeutung gibt. Mit ihm wird eine Frontstellung von Humor und Ironie eingeführt, welche die Hegelianer in der Folge im Sinne einer moralischen Argumentation ausdeuten. Friedrich Theodor Vischers Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen von 1846–57 begreift Ironie und Humor als die grundlegenden Faktoren des Komischen, den Humor jedoch als das umfassendere komische Vermögen. Über das objektiv Komische (Posse) und das subjektiv Komische (Ironie, Witz) hinausgehend, bringe der Humor das ‚absolut Komische‘ zum Ausdruck. Für den von Wieland eingeführten Begriff des Sarkasmus hat diese Argumentation freilich Konsequenzen: Dem sarkastischen Witz fehle das sogenannte ‚Ethos des Lachens‘, wie es in Nicolai Hartmanns In der Tat gibt es andere Arten, das Komische auszuwerten. [...] Von diesen Arten sind die wichtigsten:
das leere Amüsement am Komischen; der Witz – die Auswertung der Komik zur Pointe; die Ironie – das Geltendmachen der eigenen Überlegenheit durch scheinbare Herabsetzung des Ich; die Ablehnung in Form scheinbarer Anerkennung; der Sarkasmus – die bittere, höhnende, vernichtende Ablehnung – in der Form übertriebener Anerkennung. Die beiden letzteren sind dem Humor offenbar schroff entgegengesetzt. Denn der Humor behält immer – auch als „grimmiger“ – noch etwas Gutmütiges. [...] Der wirkliche Dichter des Komischen muß mehr haben als die Kunst, zu amüsieren, die Ironie, den Witz, den Sarkasmus. Er muß Humor haben. Und das heißt, er muß das höhere „Ethos des Lachens“ haben, dasjenige, das nicht rein negativistisch eingestellt, nicht lieblos und herzlos ist, sondern aus der Fülle gemeinsamen Menschentums heraus sich auch noch mit dem Törichten und Kleinmenschlichen solidarisch fühlt und dem in aller mitreißenden Komik Ausdruck zu geben weiß. Hartmann (1953) Ästhetik, S. 420.
Man weiß seit den Arbeiten Preisendanz’ um den Stellenwert des Humors für die Erzählkunst des 19. Jahrhunderts, Vgl. Preisendanz (1976) Humor. Mann (1956) Humor, S. 167. Kraus (1987) Humor, S. 199. Kraus (1987) Humor, S. 205. Kraus (1987) Humor, S.205. Kraus (1987) Humor, S.205. Jean Paul, der gewiß in vielem verehrungswürdige und trotz umfassender Bildung unbeschränkte Geist, sagt, dass der Humor, als das umgekehrte Erhabene, nicht das Einzelne, sondern das Endliche durch den Kontrast mit der Idee vernichte; es gebe für ihn keine Toren, sondern nur Torheit und eine tolle Welt. Es wird wohl noch wenigen Lesern gelungen sein, an des Feldpredigers Schmelze Reise nach Flätz diese Erkenntnis zu überprüfen; aber ich glaube, dass der Witz unzweifelhaft daran festzustellen ist, dass er im Einzelnen das Endliche durch den Kontrast mit der Idee vernichtet, während der Humor eigentlich daran zu erkennen ist, dass er durch die Ausflucht in das Allgemeine dieses Kontrastes gar nicht habhaft und seine Beziehung auf die Idee oder seine Vernichtung des Endlichen nur glaubhaft wird, weil er nicht das Temperament hat, sich zu dem Einzelnen so herabzulassen, dass es nicht mehr vorhanden ist, was diesem doch widerfährt, wenn sich der Witz nur zu regen beginnt. Kraus (1987) Humor, S. 205.
Das Satirische als Grenzfall des Invektiven wird in der Moderne dann deutlich, wenn wir die begriffsgeschichtlich bzw. poetologisch sehr einschlägige Unterscheidung zwischen der strafenden und der heiteren Satire rekonstruieren. Denn diese seit dem 17. Jahrhundert bekannte und insbesondere bei Schiller aktualisierte Unterscheidung bleibt auch in der satirischen Praxis der Moderne eine leitende Orientierung. In dieser Moderne ist es jedoch die Unterscheidung zwischen humorvoller und sarkastischer bzw. invektiver Satire, die den moralischen Wert der Gattung als solcher markiert. Was der Satire erlaubt ist, wird dabei durch den Begriff des Humors definiert, was hingegen als Grenzfall gelten kann, zeigen Phänomene des literarischen Sarkasmus. Die in beiden Fällen wohl vorliegende Form einer „bitteren, höhnenden, vernichtenden Ablehnung“ markiert jedoch nicht nur die Grenze zum satirischen Sprechen, sondern zugleich ebenjene Hürde, die der Satiriker in der Moderne zu nehmen hat, um provokant zu sein und sich Gehör zu verschaffen. Und wirft man von hier aus einen Blick auf die großen Satiriker der Moderne wie etwa Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Karl Kraus oder Hendryk Broder, dann wird schnell deutlich, dass Sarkasmus trotz dieser Grenzziehung zu den wichtigsten Ausdrucksformen des modernen Satirikers zu zählen sind. In dieser Funktion als Grenzfall des Invektiven liegt wohl die eigentliche Attraktivität des Satirischen für die moderne Literatur.
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