In der künstlerischen Praxis der Frühen Neuzeit kam dem Nachahmen, Kopieren, Reproduzieren und ‚Fälschen‘ anderer Werke eine zentrale Bedeutung zu. Die kunstgeschichtliche Forschung hat sich in den vergangenen Jahren vermehrt mit solchen Übersetzungs- und Transformationsprozessen beschäftigt, welche die Unterscheidung von Original und Imitat problematisieren. Dieser Beitrag befasst sich am Beispiel einer vielfach kopierten Zeichnung Albrecht Dürers mit unterschiedlichen Verfahren der Wiederholung, Aneignung, Verwandlung und Reproduktion an der Schwelle vom 16. zum 17. Jahrhundert, wie sie in den entstehenden fürstlichen Sammlungen praktiziert wurden. Im Vordergrund stehen intermediale und interpikturale Strategien der Aneignung, die sich auch an der künstlerischen Eigenart und Technik orientierten, sowie Fragen frühneuzeitlicher musealer Aufbewahrung und Präsentation.
Keywords
- Kopie
- „principael“
- Kunstkammer
- Werkstatt
- museale Präsentation
- Jan Brueghel der Ältere
- Michiel Coxcie
- Albrecht Dürer
- Jan van Eyck
- Lucas de Heere
- Leonardus Lessius
- Karel van Mander
- Jacob Matham
- Aegidius Sadeler
- Rudolf II
An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert entwickelte sich ein neues Gespür für die Fragilität der materiellen Kultur; es entstand eine neue Wertschätzung gegenüber Bildern und Objekten, welche die umfassenden Zerstörungen des reformatorischen Ikonoklasmus (und der fortdauernden Kriege) überlebt hatten. Diese äußerte sich sowohl im Ort, der alten religiösen Bildern in den neu entstehenden Sammlungen zugewiesen wurde, als auch in den zahlreichen Kopien, Übertragungen und Überarbeitungen dieser Werke. Die neuen, nachkommenden Bilder orientierten sich einerseits an der kompositorischen Struktur und ikonographischen Formel, andererseits an der künstlerischen Eigenart und Technik der alten Bilder, die manchmal auch in ein anderes Medium und Material übersetzt wurden. Vgl. Bushart 2018. Das vom 10. April 1614 datierte Inventar des Antwerpener Kunstsammlers Philips van Valckenisse listet unter der Überschrift „copiën“ eine ganze Reihe von als Kopien gehandelten Gemälden. Außerdem werden sechs Kopien nach Werken von Pieter Bruegel dem Älteren genannt, die seinem Sohn, Pieter Brueghel dem Jüngeren zugeschrieben werden, der sich auf die Reproduktion der Werke seines Vaters spezialisierte. Duverger 1984, S. 308–311. Auch das Inventar der Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. unterscheidet zwischen Originalen und Kopien: Bauer / Haupt 1976. Siehe unten, Anm. 40.
Die relativ großformatige, 1505 datierte Federund Pinselzeichnung des Zum vielfigurigen Kalvarienberg: Roth 1958; Suckale 2009, Bd. 1, S. 81–101. Zur fortdauernden Verwendung der Ikonographie des ‚volkreichen‘ Kalvarienbergs in der Zeit Dürers: Silver 2008, S. 211. Vgl. auch Hess / Eser 2012, S. 405, Kat. 96. Marrow 1979, S. 164–170. Silver 2008, S. 209–223; Strauss 1974, Bd. 2, S. 846; Winkler 1937, Bd. 2, S. 30, 40–43, Nr. 317. Winkler vermutete, dass eine genauere Untersuchung der Zeichnung „das hohe Ansehen bestätigt, in dem die Komposition ehedem stand [und] dem Werk einen Ehrenplatz in Dürers Werk verschaffen“ wird. Er berichtigte dadurch eine frühere Stellungnahme, in der er die Zeichnung nicht als eigenhändig gelten ließ: Winkler 1929, S. 123–166, hier S. 164–65. Leidener Schule,
Abb. 1
Albrecht Dürer,

Abb. 2
Detail von Abb. 1: Monogramm Dürers (zur besseren Lesbarkeit digital aufgehellt).

Es geht hier jedoch um jene Kette von Übertragungen und Transformationen, die mit der Aufnahme des Werkes in die kaiserlichen Sammlungen in Prag rund hundert Jahre nach seiner Entstehung einsetzte. Wie auch Karel van Mander im Van Mander 1604, Fol. 208v: „Veel teyckeninghen zijn oock by verscheyden Const-beminders te sien.“ DaCosta Kaufmann 1985, S. 22–39. White 1971, S. 19. Sandrart 1675, S. 224 (2. Teil, 3. Buch): „ein Buch in Quart, darinn der ganze Paßion / auf grün Papier mit der Feder / gezeichnet / und Bleyweiß gehöcht / welches von allen seinen Paßionen für die bäste zu halten.“ Sandrart sah die Zeichungen in der „Kunst-Cammer zu Wien“. Plinius 1997, S. 22–23 (35 V, 16); Quintilianus 1995, Bd. 2, S. 754–755 (XII 10, 3). Göttler 1990, S. 287–291. Erasmus Roterodamus 1528, S. 69: „At Apelles coloribus licet paucioribus minusque ambitiosis, tamen coloribus adiuvabatur. Durerus quanquam et alias admirandus, in monochromatis, hoc est, nigris lineis, quid non exprimit? umbras, lumen, splendorem, eminentias, depressiones […]. Quin ille pingit et quae pingi non possunt, ignem, radios, tonitrua, fulgetra, fulgura, vel nebulas […].“ Vgl. Panofsky 1951.
Am Hof Rudolfs II. in Prag entstand nun auch das vom Antwerpener Maler Jan Brueghel dem Älteren entworfene Gemälde (Abb. 3, 4, 5). Offensichtlich sollte es in direkter Verbindung mit Dürers Zeichnung des
Abb. 3
Jan Brueghel der Ältere,

Abb. 4
Detail von Abb. 3. Die Signatur Jan Brueghels (zur besseren Lesbarkeit digital aufgehellt).

Abb. 5
Detail von Abb. 3.

Abb. 6
Jacob Matham nach Albrecht Dürer,

Abb. 7
Detail von Abb. 6.

Abb. 8
Nach Albrecht Dürer,

Abb. 9
Unbekannter Bildschnitzer nach Albrecht Dürer,

Wie aber lässt sich das Verhältnis zwischen Dürers Zeichnung und deren Übertragungen in die Medien der Ölmalerei, des Kupferstichs und des Holzreliefs begrifflich fassen? Hält man sich die Schadhaftigkeit und die damit verbundene Unlesbarkeit der Zeichnung vor Augen, so ermöglichten die Übertragungen in haltbarere Medien im Sinne von Walter Benjamins Abhandlung zur Vgl. den Beitrag von Ludwig Jäger in diesem Heft. Van Mander 1604, Fol. 199v: „want hier is gheboren een nieuw gheslacht / en gedaente van wercken“. Vgl. Göttler 2017. Van Mander 1604, Fol. 294r: „als wesende het opperste der Const / en den alder bequaemsten middel / om de Natuere in allen deelen met uytbeeldinghe ten alder ghelijcksten nae te comen“.
Alexander Nagel und Christopher Wood haben in ihrem 2010 veröffentlichten Buch Nagel / Wood 2010, S. 275–287. Nagel / Wood 2010, S. 281. Eine vergleichbare Argumentation findet sich auch bei Ariane Mensger (Mensger 2010), welche die „exakte Kopie“ als ein frühneuzeitliches Phänomen versteht, die einerseits die Rezeption alter Werke lenkte und andererseits ein neues Künstlerbild in eine vergangene Zeit zurückprojiziert.
In unserem Zusammenhang von besonderem Interesse ist Michiel Coxcies in den originalen Maßen und im selben Medium geschaffene Kopie des Genter Altars der Brüder Van Eyck, des zentralen Referenzwerkes für die niederländische Malerei. Die außerordentlich hohe Summe von schätzungsweise 4.000 Gulden, die Coxcie angeblich für das von Philipp II. beauftragte Werk erhielt, dokumentiert die Wertschätzung seiner Arbeit, die rund zwei Jahre (von Anfang Januar 1556 bis Ende Oktober 1558) in Anspruch nahm und in der Vijd-Kapelle selbst, also vor dem Original, ausgeführt wurde. Suykerbuyk 2017; Suykerbuyk 2013, S. 5–10; Kemperdick 2014, S. 42–50; Putzger 2019; Putzger 2018, S. 109–114. Kemperdick 2014, S. 47; vgl. auch Dubois 2017. Van Mander 1604, Fol. 200v. Vgl. Dubois 2017, S. 105, Anm. 6; Kemperdick 2014, S. 44. Van Mander 1604, Fol. 201r: „T'sijn spieghels, spieghels zijnt, neen t’zijn geen Tafereelen.“ Zit. nach Putzger 2018, S. 115.
Im Unterschied zu der im Auftrag von Königin Isabella von Kastilien geschaffenen „Präzisionskopie“ von Rogier van der Weydens sogenanntem Nagel / Wood 2010, S. 275–278. Das originale Triptychon befindet sich in der Gemäldegalerie zu Berlin, die Tafeln der Kopie sind auf das Metropolitan Museum of Art, New York und die Capilla Real, Kathedrale von Granada aufgeteilt. Putzger 2018, S. 110–111. Kemperdick 2014, S. 47 und 55; Putzger 2018, S. 110–111. Van Mander 1604, Fol. 202r: „In Spaengien dees Copie is (op dat ick’t vertelle) / Te Vendedoly nu, tot een ghedachte bloot / Van onses Conings liefde, als die ick boven stelle, / Van Eyck, en oock Coxcy, tot lof en eere groot.“
Aufschlussreich sind die von Van Mander verwendeten Begriffe. „Copie“ (bzw. „copije“ oder „kopije“) ist im Niederländischen ein seit dem späten 13. Jahrhundert gebräuchliches Wort, das im Kiel 1599, S. 254 (unter „kopije, wt-schrift“). Vgl. auch die oft zitierte Stelle in Plinius 1997, S. 122–123 (35 XL, 125): „huius tabulae exemplar, quod apographon vocant“. Vgl. Kiel 1599, S. 712: „originael: archetypus, archetypum, exemplar; authenticae tabulae; primum et principale exemplar“. Vgl. Kiel 1599, S. 197: „hoofd penninghen, som-penninghen van den woecker: […] principalis summa quae foenori datur, vulgo summa capitalis“. Van Mander 1604, Fol. 200v. De Marchi / Van Miegroet 1996, S. 32–33.
Der gewinnbringende Handel mit Geld ist nun ein zentrales Thema von Leonardus Lessius’ einflussreicher Abhandlung Es gibt eine Fülle von Literatur zu Leonardus Lessius; besonders relevant im Kontext dieses Kapitels: Decock 2009; Baeck 1999. Zitiert nach Van Houdt 1999, S. 114; Lessius 1999 [1605], S. 234 (liber secundus, sectio tertia, cap. 20, dubitatio 11 [80]): „[…] pecunia illa […] est enim veluti semen foecundum lucri per industriam, in quo lucrum ipsum virtute continetur: ergo plus pro ea exigi potest, quam ipsa per se valeat.“ Zitiert nach Van Houdt 1999, S. 121–122; Lessius 1999 [1605], S. 253 (liber secundus, sectio tertia, cap. 21, dubitatio 3 [15–16]). Zitiert nach Van Houdt 1999, S. 253; Lessius 1999 [1605], S. 254 (liber secundus, sectio tertia, cap. 21, dubitatio 3 [17]): „Utrum res eae, quae non habent pretium legitimum, vel vulgare (ut sunt quaedam gemmae, insignes canes, falcones, aves indicae, picturae veteres, & simila) possint vendi quanti volet dominus […] Respondeo tamen, contrarium verius videri, nempe res tales non posse vendi pro arbitrio venditoris, sed iuxta aestimationem intelligentium, vel certe iuxta aestimationem ipsius venditoris, bona fide spectatis cirumstantiis supradictis.“
Im Van Mander 1604, Fol. *4v. Van Mander 1604, Fol. 233v. Van Mander erwähnt eine größere und eine kleinere Version des Koerner 2016, S. 90; Crivelli 1868, S. 119 (Brief vom 6.2.1609): „Sin a hora ha cercate un quader del mio pader, per mandare a VS Ill.mo, ma non trove niente a proposite. L’imperator ha fatto gran spese per aver tutti sua opera.“ Bauer / Haupt 1976, S. 130–139 (Bücher, Graphiken, Zeichnungen). Reitz 2015, S. 63–80, 536–550; Bukovinská 2007; Bukovinská 2003; Bukovinská 1986; Fučíková 1986. Bubenik 2013, S. 103–136. Bubenik 2013, S. 105–107.
Abb. 10
Aegidius Sadeler nach Albrecht Dürer,

Jan Brueghel der Ältere trat im Frühjahr 1604 eine achtmonatige Reise an, die ihn über Holland, Zeeland und Frankfurt nach Prag führte, just in dem Jahr, in dem auch Van Manders De Clippel / Van der Linden 2015, S. 84–85. Jan Brueghel der Ältere reiste mit einem von Erzherzog Albert von Österreich für acht Monate ausgestellten Reisepass: Brueghels Aufenthalt in Prag ist weiter durch die Signatur einer Zeichnung dokumentiert: „BRVEGHEL fecit in praga 1604“. Jan Brueghel der Ältere, Van Mander 1604, Fol. 234r: „Hy reysde voort nae Colen / en soo in Italien / en is in seer groot achten ghecomen / met te maken Landtschapkens / en seer cleen beeldekens / daer hy een uytnemende fraey handelingh van heeft.“
Brueghel hatte sich schon in einem auf Kupfer gemalten, 1598 datierten Jan Brueghel der Ältere, Brueghels benutzte eine Tafel von leicht größerem Format als Dürers Zeichnung. Zu Brueghels Gemälde: Honig 2016, S. 20; Neumeister 2013, S. 204–205, Kat. 27 (Francesca de Luca); Hirakawa 2009, S. 119–135; Silver 2008; Ertz / Nitze-Ertz 2008–2010, Bd. 2, S. 590–594, Kat. 275; Bedoni 1983, S. 132, 183–184; Bodart 1977, S. 88–89, Kat. 20; Lossky 1959. Zur Farbe und zum Relief als Mittel der Evidenzerzeugung: Von Rosen 2000, S. 184–186. Zur Animationskraft der Farbe: Fehrenbach 2005; Dackerman 2002. Van Mander 1604, Fol. 46v: „Want door verwen worden de doode streken / Der teyckeninghen te roeren en leven / En de rechte verweckinghe ghegheven.“
In der vergleichenden Gegenüberstellung der zwei zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Medien geschaffenen Kunstwerke Dürers und Brueghels traten deren Qualitäten umso deutlicher hervor. Während bei Dürer die affektive Gestaltung der Mimik und Gestik der am Passionsgeschehen beteiligten Figuren im Vordergrund stand, erzeugte Brueghel Dramatik durch eine stärkere Betonung landschaftlicher Texturen sowie eine wechselvolle Beleuchtung der unterschiedlichen Schauplätze. In Dürers Zeichnung und Brueghels Gemälde nimmt die Erzählung im Hintergrund mit der Ankunft Jesu auf Golgatha ihren Anfang, wird dann im Vordergrund weitergeführt und endet im Mittelgrund mit der Kreuzigung. In Brueghels Gemälde sind die einzelnen Episoden der Passionsgeschichte zudem mit Farbe, Licht und Schatten voneinander unterschieden. Sowohl der Hintergrund als auch der Mittelgrund sind in vorwiegend blassen, subtilen Farbtönen gemalt. Die bekannten Szenen der Kreuztragung und der Kreuzigung heben sich unter dem sich verdunkelnden Himmel nur schwach von der Landschaft ab. Im Gegensatz dazu wird im Vordergrund zwei selten dargestellten Szenen der Passion durch rote, orangerote und gelbe Töne Farbe und Leben verliehen: der Entkleidung Jesu und seinem geduldigen Warten auf die Annagelung an das Kreuz. Brueghel übernahm auch Dürers Paare von bildinternen Zeugen, wobei durch die Farbe der Kleidung angezeigt wird, welchem Teil der Heilsgeschichte sie angehören. Die Hüte und spitzen Bärte der in rote Gewänder gehüllten Figuren in der rechten unteren Ecke identifizieren sie als Juden, die sich in ihrer Ambivalenz auch auf die jeweiligen Betrachter beziehen, die durch ihre Sünden Jesu Passion fortwährend erneuern. Zwei weitere, blau akzentuierte Zeugen erscheinen in der oberen Hälfte der Komposition nahe am linken Bildrand; während der eine mit der Hand auf Jesus am Kreuz hinweist, dreht der andere seinen Kopf, um nach hinten zu blicken. Diese Figuren artikulieren die Wechselbeziehung zwischen Betrachter und Geschehen im Bild, zwischen Golgatha-Hügel, Kunstkammer und dem in der Imagination konstruierten Einsamkeitsort der Passionsmeditation.
Es wurde in der Forschungsliteratur bisher wenig beachtet, dass Jan Brueghel, wohl nach dem Vorbild der Kupferstiche des nahezu gleichaltrigen Aegidius Sadeler, sowohl Dürers Erfindung als auch seine eigene Schöpfung und Ausführung auf der rauen Oberfläche des Steins links im Vordergrund dokumentiert hat, auf welchem der Mann mit der blauen Kopfbedeckung eindringlich seinen Anteil an der Gewandung Jesu einfordert (Abb. 4). Die ausholende Geste der auffälligen Figur unterstreicht Brueghels Anspruch auf seinen Anteil am Gemälde. Die erste Zeile der Inschrift zeigt Dürers Monogramm – ein großes A mit einem eingeschriebenen D – gefolgt vom Wort „INVENTOR“ und der Jahreszahl 1505, die zweite Zeile lautet „BRUEGHEL FEC[IT] 1604“. Es handelt sich dabei um eine für ein Gemälde ungewöhnliche Künstlerinschrift, welche die geteilte Autorschaft zwischen ursprünglichem Erfinder und neuem Schöpfer zum Ausdruck bringt und dabei auch markiert, dass zwischen der Erfindung und Neufindung der Komposition eine Zeitspanne von genau 99 Jahren liegt. Bemerkenswerterweise hat Brueghel Dürers Monogramm von seiner ursprünglichen Position auf dem Täfelchen im mittleren Vordergrund in die Nähe seiner eigenen Signatur gerückt und dadurch sich selbst in die Nachfolge Dürers gestellt.
Wie Tobias Burg nachweisen konnte, waren die Niederlande und vor allem Antwerpen an der Erfindung und Verbreitung von Künstlersignaturen in der Frühen Neuzeit entscheidend beteiligt. Pieter Bruegel der Ältere signierte nach Burg „fast drei Viertel (70%)“ seiner Werke. Burg 2007, S. 400. Burg 2007, S. 424. Zur Entstehungsgeschichte des Kupferstichs: Koerner 2016, S. 81–83. Burg 2007, S. 434–436; Neumeister 2013, S. 429–431 („Übersicht der Signaturen“).
In Brueghels kreativer Anverwandlung einer zentralen religiösen Göttler / Meganck 2015, S. 343–344. Göttler / Meganck 2015, S. 342–343.
Brueghels Ölgemälde von 1604 diente nicht als ‚Ersatz‘ für Dürers Feder- und Pinselzeichnung von 1505, sondern vielmehr als deren unzertrennliches Pendant, das mit den entwickelten Mitteln der Malerei das unübertreffliche Vorbild Dürers zu erneuern versuchte. Im frühen 17. Jahrhundert wurden die beiden Werke als Bilderpaar aufgefasst und gelangten auch gemeinsam als Geschenk nach Florenz, wo sie noch heute in den Uffizien zu sehen sind. Nach einem auf den 28.12.1628 datierten Eintrag in einem mediceischen Inventar befand sich das Bilderpaar in der Tribuna; der Eintrag vermittelt ein sehr genaues Bild über die Art der Aufbewahrung der beiden Werke, die in aller Wahrscheinlichkeit schon in Prag angeordnet worden war. Zitiert nach Barocchi / Gaeta Bertelà 2005, S. 74–75, Anm. 281 (Inventario di tutte le figure, quadri et altre cose della tribuna, 1603–1631: Archivio della Biblioteca degli Uffizi, Ms. 71, c. 56): „Un quadro in dua parte mastiettato in mezzo che si apre con cornice d’ebano, alto braccia 1 ⅕, largo braccia ⅘, ch’è in una parte di dentro un disegno di minio di chiaroscuro d’Alberto Duro, del Monte Calvario con Nostro Signore in croce e più quantità di figure significanti quando l’andorno a crucifigere e da l’altra banda la copia di esso colorito di mano del Bruces e per di fuori, nella parte dinanzi un paesino con figure e animali con un cespuglio di un quercione, similmente colorito dal detto Bruces. Donato a Sua Altezza Serenissima dalla Serenissima Arciduchessa sua madre.“ Vgl. auch Gaetà Bertelà 1997, S. 69, Nr. 751 und Nr. 752 und Anm. 481. Ein Hinweis auf diese frühen Dokumente findet sich im Katalogeintrag von Francesca de Luca (Neumeister 2013, S. 204, Kat. 27). Hirakawa 2009, S. 119–135, und Bedoni 1983, S. 183–184, verweisen lediglich auf die Beschreibungen von Franceso Zacchiroli (Description de la Galerie Royale de Florence, 1783) und Luigi Lanzi (La Real Galleria di Firenze, 1782).
Nach der Beschreibung handelte es sich um ein aus zwei in Ebenholz gerahmten Tafeln bestehendes „Bild“ („quadro“), das mittels eines Scharniers geöffnet werden konnte; bei geöffnetem Zustand war auf der einen Seite Dürers Öl auf Holz, 56 × 38,5 cm. Florenz, Galleria degli Uffizi, Gabinetto dei Disegni e delle Stampe, Inv.-Nr. 1890 n. 8406. Bodart 1977, S. 90–91, Kat. 21 (mit falschen Maßangaben); Ertz / Nitze-Ertz 2008–2010, Bd. 2, S. 577–580, Kat. 270 (mit falschen Maßangaben). Mein herzlicher Dank geht an Luciano Mori, Gabinetto dei Disegni e delle Stampe, für seine Hilfe bei der Ausmessung der Tafel und der Bestimmung des Mediums. Zwischen 1602 und 1605 war Maria Magdalena öfters auch als mögliche Ehefrau Kaiser Rudolfs II. im Gespräch. Zu Maria Annas Heiratsprojekten für Maria Magdalena: Keller 2012, S. 187–189.
Diese Art der Aufbewahrung schützte Dürers Zeichnung einerseits vor weiteren Beschädigungen und verlegte sie andererseits in einen intimeren und zugleich exklusiveren Kontext. Nun wurden schon im Venedig des 16. Jahrhunderts Windows 2012, S. 34.
Bemerkenswerterweise wurde Dürers Zeichnung auch in Haarlem rezipiert, Van Manders Wahlstadt, die sich im frühen 17. Jahrhundert in Konkurrenz zu Antwerpen zu einem neuen Zentrum der Künste entwickelte. Das von Jacob Matham gestochene Blatt nach Dürers Zeichnung (oder nach einer Kopie nach Dürers Zeichnung) wurde 1615 vom Drucker Joannes Goyvaerts herausgegeben (Abb. 6, 7). Nachdem Goltzius sich nach 1600 zunehmend der Malerei zugewandt hatte, avancierte Matham zum bedeutendsten Stecher Haarlems, dem Rudolf II. zudem 1601 die kaiserlichen Druckprivilegien verlieh. Widerkehr 2007, Bd. 1, S. 82–84, Nr. 39; Bartrum 2002, S. 279–280, Kat. 238. Filedt Kok 1996, S. 339; Demonts 1937, Bd. 1, S. 36–37, Nr. 185, Tafel LXIII. Die Zeichnung stammt aus der bedeutenden Sammlung des Kölner Handelskaufmanns Everhard Jabach (1618–1695), der vielfältige Beziehungen zu den Niederlanden hatte.
Eine von Van Mander überlieferte Anekdote unterstreicht die zentrale Bedeutung Dürers für Goltzius’ Selbstverständnis als Kupferstecher und Zeichner. Goltzius hatte seinen von einem Holzschnitt Dürers angeregten Kupferstich der Wandrey 2017, S. 35–41; Michels 2017, S. 242–248 (Petra Wandrey, mit Angabe der neueren Literatur). Van Mander 1604, Fol. 284v.
Wahrscheinlich angeregt durch das von Matham gestochene Bild schuf ein unbekannter Bildschnitzer ein Relief, das sich heute in Wien befindet (Abb. 9). Beck / Bol 1982, S. 164, Kat. 97 (Bernhard Decker).
Um 1600 gehörte Dürers Zeichnung des
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Allochronie im Anthropozän: Ein Gespräch mit Erhard Schüttpelz (Re)Synchronisierung auf dem Boden der Tatsachen? Die Pedosphäre als Übersetzungsregion anthropologischer und geologischer Zeitlichkeit Zukunftspolitik im Technozän. Der Technikfolgendiskurs in den 1970er Jahren Walter Benjamins Eschatologie der Katastrophe: Fortschritt, Unterbrechung und das Ende der Geschichte Wie die Geschichte(n) der Erde bewohnen? (Literarische) Kompositionen von planetarer Zeit zwischen Moderne und Anthropozän Das „diplomatische Jahrhundert“: Mediatisierung von Zeitverhältnissen in den Staatswissenschaften des 18. Jahrhunderts Vom Ausgang der Erde aus der Welt des Menschen, oder: Wie das „Prä-“ vor die Geschichte kam Moderne Zeitlichkeiten und das Anthropozän