Anfang der 2000er-Jahre entschied die Europäische Zentralbank (EZB), ihren Sitz ins Frankfurter Ostend zu verlegen. Seitdem ist der Stadtteil in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Es wird befürchtet, dass dem traditionellen Arbeiterviertel nun die Gentrifizierung droht (z. B. Ochs 2002; Köneke 2015; Schulze 2015). Dies ist insofern bemerkenswert, da Bestrebungen der Stadt Frankfurt am Main, das Ostend umfassend aufzuwerten, keineswegs neu sind, sondern sich bis in die späten 1980er-Jahre zurückverfolgen lassen (Ronneberger/Keil 1995: 328 ff.). In Anbetracht dieser Situation untersucht der Beitrag erstens, inwiefern der Stadtteil gegenwärtig tatsächlich von Gentrifizierung betroffen ist, und fragt zweitens nach der Bedeutung von stadtpolitischen Aufwertungsstrategien einerseits sowie des Umzugs der Europäischen Zentralbank andererseits.
Entstanden ist das heute innerstädtisch gelegene Ostend mit 27.613 Einwohnern (Stadt Frankfurt am Main, Amt für Wohnungswesen 2015: 82; zur Lage vgl. Abb. 3) Mitte des 19. Jahrhunderts. Angesichts der ab den 1870er-Jahren im Zuge der Industrialisierung einsetzenden Wohnungsknappheit wurden in der östlichen Außenstadt Frankfurts sowohl Wohnhäuser für das Bürgertum als auch einfache Wohnungen für Arbeiterhaushalte errichtet. Zu einem industriell geprägten Arbeiterviertel entwickelte sich das Ostend ab der Jahrhundertwende mit der Einweihung des Osthafens 1912, dem Bau der Großmarkthalle in den 1920er-Jahren und der verkehrstechnischen Erschließung durch den Ausbau der Eisenbahn (Bischoff 2007: 196 ff.).
Abb. 1
Entwicklungsdynamik der Bodenrichtwerte an ausgewählten Standorten in Frankfurt am Main 1984 bis 2016, 1984 = 100 (Daten: Gutachterausschuss für Immobilienwerte; eigene Berechnungen)

Abb. 2
Entwicklungsdynamik der Bodenrichtwerte an ausgewählten Standorten in Frankfurt am Main 2004 bis 2016, 2004 = 100 (Daten: Gutachterausschuss für Immobilienwerte; eigene Berechnungen)

Abb. 3
Mietpreise in den Frankfurter Stadtteilen 2014 und Änderung der Mietpreise von 2009 zu 2014 (Daten: IWU (2015: 49 ff.); eigene Berechnungen)

Im gesamtstädtischen Kontext Frankfurts fungierte das Ostend insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg als „Entlastungsraum für den unteren Wohnungsteilmarkt“ (Ronneberger/Keil 1995: 329). Da der Wohnstandard vergleichsweise niedrig war, die Bausubstanz für Aufwertungsprozesse häufig unattraktiv erschien, Gleise, Durchgangsstraßen und Wallanlagen den Stadtteil vom Stadtzentrum trennen und selbigem zudem ein negatives Image Beispielsweise fragt die Frankfurter Neue Presse (FNP) im April 1959, ob bezüglich des vernachlässigten und verwahrlosten Zustands des Viertels „der Osten Frankfurts zum ,Verbrecherviertel‘ der Stadt geworden“ sei, und stellt fest, dass „die Frankfurter Vagabunden des Ostends fast ausnahmslos kriminell sind“ und in den „Trümmerkellerkreisen [...] Bluttaten ausgeheckt“ würden (zitiert nach Bischoff 2007: 199 f.).
Die historische Entwicklung als Arbeiterviertel, welches jahrzehntelang Haushalten mit niedrigen Einkommen, Tagelöhnern, Nichtsesshaften, Migranten und Arbeitslosen bezahlbaren Wohnraum bot, spiegelte sich lange Zeit in der relativ geringen Dynamik der Bodenpreise bzw. der Bodenrichtwerte Bodenrichtwerte bezeichnen den durchschnittlichen Lagewert von Grundstücken. Für Frankfurt am Main werden sie vom Gutachterausschuss für Immobilienwerte alle zwei Jahre auf der Grundlage einer Kaufpreissammlung flächendeckend ermittelt. Die Werte beziehen sich auf unbebaute Grundstücke, beziehen jedoch die von der Bauleitplanung vorgesehene Nutzungsart mit ein (Schipper 2013a: 189 ff.). Untersucht wurde die Entwicklung der Bodenrichtwerte zwischen 1984 und 2016 für 102 ausgewählte Standorte im gesamten Frankfurter Stadtgebiet, bei denen sich im Zeitverlauf weder die Nutzung noch die zulässige Geschossflächenzahl verändert hat (zur Methode siehe Schipper 2013a). Zu Veranschaulichungszwecken werden in Abb. 1 und 2 Bodenpreisentwicklungen im Ostend mit Standorten in innerstädtischen sowie peripheren Stadtteilen verglichen. Zur besseren Lesbarkeit sind für die Abbildungen nur einige wenige Vergleichsstandorte ausgewählt worden, die als typisch für innerstädtische bzw. periphere Lagen gelten können.
Ab Mitte der 2000er-Jahre ändert sich dies jedoch grundlegend, insofern sich seitdem die Bodenpreisdynamik umgekehrt hat und das Ostend mit die höchsten Bodenpreissteigerungen in Frankfurt aufweist (vgl. Abb. 2). Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass Immobilieninvestoren nun erwarten, im Ostend zukünftig höhere Mieten und Wohnungspreise erzielen zu können. Bezogen auf den Wohnungsbestand und existierende Mietverhältnisse lässt sich daraus schließen, dass in Relation zur gegenwärtigen Verwertung der Grundstücke, die noch durch vergleichsweise niedrige Mieten geprägt ist, eine Ertragslücke bzw.
Gemäß der
Vor diesem Hintergrund verfolgt der Beitrag zwei Ziele: Erstens untersuchen wir auf der Grundlage verschiedener sekundärstatistischer Quellen im folgenden Kap. 2, inwiefern sich die Schlussfolgerung einer ab Mitte der 2000er-Jahre entstandenen
Wohnraum verwehrt wird. Darüber hinaus kann man auch noch Formen der indirekten Verdrängung unterscheiden, bei denen sich die bisherigen Bewohner beispielsweise aufgrund von entfremdenden Veränderungen im Wohnumfeld zum Auszug entscheiden. Diese Art der Verdrängung kann aber mit den hier zur Anwendung kommenden Methoden nicht betrachtet werden.
Zweitens werden wir analysieren, warum sich die Bodenpreisdynamik im Ostend ab Mitte der 2000er-Jahre so grundlegend umgekehrt hat und wie das Viertel erfolgreich aufgewertet werden konnte, sodass es nun zu Verdrängungsprozessen kommt. Diesbezüglich werden wir in Kap. 3 auf der Basis einer Dokumentenanalyse von Publikationen des Stadtplanungsamtes und Veröffentlichungen des Frankfurter Magistrats seit den 1980er-Jahren Im Rahmen der Dokumentenanalyse wurden sämtliche Veröffentlichungen der Stadt Frankfurt am Main bzw. konkreter des Magistrats, des Stadtplanungsamtes und des Ortsbeirats Bornheim/Ostend zu Planungsprozessen im Ostend untersucht. Genutzt wurde dazu unter anderem das Parlamentsinformationssystem (Parlis), welches es erlaubt, für den Zeitraum seit 1993 online nach Anfragen, Berichten, Stellungnahmen und Vorträgen des Magistrats, Debatten im Stadtparlament sowie Anträgen im Ortsbeirat zu recherchieren. Für den Zeitraum 2000–2015 wurden insgesamt 64 Artikel mit Bezug zum Ostend aus der
Mit einer Einordnung in die gesamtstädtische Entwicklung wird im Folgenden anhand verschiedener sekundärstatistischer Indikatoren überprüft, ob sich im Ostend Gentrifizierungsprozesse beobachten lassen. Als Indikatoren des sozialstrukturellen Wandels und der Wohnungsmarktentwicklung dienen Daten zu Armut, Wohlstand und Mietpreisen. Armut wird hier über die Arbeitslosendichte Arbeitslosigkeit wird hier differenziert als Arbeitslosendichte, das heißt die Zahl der Arbeitslosen in Bezug auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Zu den bedarfsorientierten Sozialleistungen zählen die Grundsicherung für Arbeitsuchende (ALG II) sowie im Alter und bei Erwerbsminderung, die Hilfe zum Lebensunterhalt und Asylbewerberleistungen.
Während die Daten zur Bevölkerung aus der amtlichen Statistik stammen, stehen Mietpreise auf Stadtteilebene nur von privaten Anbietern zur Verfügung. Für die vorliegende Untersuchung wurde auf die Daten eines Gutachtens des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU) zurückgegriffen. Dieses im Auftrag der hessischen Landesregierung erstellte Gutachten dient der Feststellung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten und ist damit Grundlage für die Festlegung der sogenannten Mietpreisbremse in Hessen. Im Gutachten werden Daten des privaten Anbieters „IDN Immodaten“ so aufbereitet, dass von zeitlich und räumlich konstanten Fehlern ausgegangen wird und damit Vergleiche zulässig sind (IWU 2015: 10). Ein Vergleich mit ebenfalls zur Verfügung stehenden Daten von „Immobilien Scout“ bestätigt diese Annahme, da räumlich und zeitlich sehr ähnliche Muster festzustellen sind. Die verwendeten Daten aus dem IWU-Gutachten stellen Angebotsmieten in Euro/m2dar und bilden damit die jüngere Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ab. Für die meist etwas niedrigeren Bestandsmieten werden näherungsweise die Informationen des Mietspiegels herangezogen.
Für die Indikatoren Sozialleistungsbezug und Mieten stehen Daten einheitlich für den Zeitraum 2009 bis 2014 zur Verfügung. Für die Arbeitslosigkeit liegen darüber hinaus Daten seit 1997 vor, die für eine längerfristige Trendanalyse genutzt werden, um der Langsamkeit sozialstruktureller Prozesse Rechnung zu tragen. Einkommensdaten liegen für die Jahre 2005 und 2013 vor.
Ausschlaggebend für exkludierende Verdrängungsprozesse auf dem Wohnungsmarkt sind die Angebotsmieten und ihre Entwicklung. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sich die in Kap. 1 dargestellten Trends steigender Bodenrichtwerte bereits in deutlich höheren Angebotsmieten niederschlagen, wodurch einkommensschwächere Haushalte im Ostend zunehmend vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen werden. Im Zeitraum 2009 bis 2014 sind die Angebotsmieten in Frankfurt insgesamt um 20,2% gestiegen, von 8,46 Euro auf 10,17 Euro je Quadratmeter (IWU 2015: 49). Das Ostend liegt mit 29,3% Steigerung nicht nur deutlich über dem Durchschnitt, sondern nach Innenstadt (33,2%) und Bahnhofsviertel (29,8%) an dritter Stelle im Stadtteilvergleich.
In Abb. 3 ist der Lokalisationsquotient der Angebotsmieten von 2014 dargestellt. Er wird berechnet als Relation der Stadtteilwerte zum städtischen Durchschnitt. Der Vorteil gegenüber der Abbildung absoluter Preise liegt in der Abstraktion von diesen je nach Datenanbieter leicht variierenden Werten, womit der oben diskutierten Problematik der Verwendung privater Daten begegnet wird. Stadtteile mit einem Lokalisationsquotienten über 1 sind demnach durch überdurchschnittliche Angebotsmieten gekennzeichnet, während Werte unter 1 auf unterdurchschnittliche Preise verweisen. Die Pfeile kennzeichnen die Mietsteigerung in Prozent.
Die höchsten Angebotsmieten und größten Zunahmen sind demnach nahezu flächendeckend in den innenstadtnahen Stadtvierteln zu verzeichnen. Ausnahmen sind lediglich einerseits das innenstadtnahe Gallusviertel mit durchschnittlicher Miethöhe und eher geringer Steigerung und andererseits die am Rand gelegenen Stadtteile Seckbach und Sachsenhausen-Süd mit überdurchschnittlichen Angebotsmieten. Das Ostend gehört 2014 zu den Stadtteilen mit den höchsten Angebotsmieten (11,75 Euro) und den höchsten Mietsteigerungen (29,3%). Tab. 1 zeigt Höhe und Entwicklung der Angebotsmieten des Ostends im Vergleich mit den innenstadtnahen Stadtteilen (einschließlich Ostend) und äußeren Stadtteilen sowie den Werten für ganz Frankfurt. Insgesamt lassen sich zunehmende räumliche Gegensätze bei den Wohnkosten in Frankfurt feststellen. Die hohen und stark steigenden Angebotsmieten in den inneren Stadtteilen werden im Ostend übertroffen. In den äußeren Stadtteilen liegen die Angebotsmieten auf einem niedrigeren Niveau und wachsen langsamer.
Mieten und Sozialleistungsbezug im Ostend im Vergleich mit den inneren und äußeren Stadtteilen sowie dem Frankfurter Durchschnitt (Daten: Stadt Frankfurt am Main, Bürgeramt, Statistik und Wahlen; IWU (2015: 49 ff.); eigene Berechnungen)
Gebiet | Angebotsmiete 2014 (in Euro) | Entwicklung der Angebotsmiete 2009–2014 (in %) | Sozialleistungsbezieher je 1000 Einwohner 2014 | Entwicklung des Sozialleistungsbezugs 2009–2014 (in %) |
---|---|---|---|---|
Ostend | 11,75 | 29,3 | 116 | –1,1 |
Innere Stadt | 11,66 | 21,6 | 116 | –4,3 |
Äußere Stadt | 9,40 | 15,9 | 143 | 4,0 |
Gesamtstadt | 10,17 | 20,2 | 130 | 0,8 |
Abb. 4
Das Frankfurter Ostend (Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Basis Stadt Frankfurt (2014) und von Daten vom Amt für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt am Main)

Abb. 5
Sozialleistungsbezug in den Frankfurter Stadtteilen 2014 und Änderung des Sozialleistungsbezugs 2009 zu 2014 (Daten: Stadt Frankfurt am Main, Bürgeramt, Statistik und Wahlen; eigene Berechnungen)

Während das Ostend bei den Angebotsmieten zu den traditionell hochpreisigen Wohnlagen in Westend und Nordend aufgeschlossen hat, zeigt sich eine hohe Diskrepanz zu den Mieten im Bestand. Im Mietspiegel 2014, der als Indikator für die Bestandsmieten verwendet wird, gilt das Gebiet um den Ostbahnhof und südlich der Hanauer Landstraße mit Ausnahme des direkten Mainufers als „mittlere, einfache oder sehr einfache Wohnlage“ (Stadt Frankfurt 2014), also als ein Gebiet, in dem aktuell noch preisgünstigere Wohnungen vorhanden sind (vgl. Abb. 4). Dieses Spannungsverhältnis zwischen überdurchschnittlich hohen Angebotsmieten und zum Teil noch relativ günstigen Bestandsmieten lässt sich als Ausdruck einer
Im Ergebnis der Analyse der Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt weisen die hohen Angebotsmieten und ihre starke Dynamik folglich auf Prozesse der exkludierenden Verdrängung hin. Für Wohnungssuchende mit niedrigen Haushaltseinkommen bietet das Ostend immer weniger bezahlbaren Wohnraum. Die länger ansässige Bevölkerung profitiert jedoch noch von den niedrigeren Bestandsmieten.
Bei der direkten Verdrängung sind ansässige Haushalte gezwungen, ihre Wohnung aufgrund von Mietsteigerungen oder Umwandlung in Eigentumswohnungen aufzugeben. Prozesse der direkten Verdrängung von Bevölkerungsgruppen sind auf der Grundlage der Sekundärstatistik nicht explizit erfassbar, da die Daten nichts über die Art des Prozesses und auch nichts über Kausalitäten aussagen. Gleichzeitig stattfindende Prozesse der Wohnraumverteuerung und des Rückgangs einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen können jedoch als starke Hinweise auf Verdrängung gedeutet werden. Um in diesem Sinne die Veränderung der Bevölkerungsstruktur zu analysieren, werden im Folgenden neben den Bruttoarbeitsentgelten der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch Sozialleistungsbezug und Arbeitslosigkeit untersucht, um sowohl Wohlstand als auch Armut abbilden zu können.
Der Sozialleistungsbezug ist im Frankfurter Durchschnitt zwischen 2009 und 2014 geringfügig von 12,9% auf 13,0% gestiegen. Im Ostend ist dagegen mit –1,1% ein leichter Armutsrückgang zu verzeichnen. Die folgende Karte des Sozialleistungsbezugs und seiner Entwicklung (Abb. 5) zeigt ein weniger offensichtliches Muster als die Karte der Mieten (Abb. 3). Es lässt sich jedoch festhalten, dass in den innenstadtnahen Stadtteilen unterdurchschnittliche oder durchschnittliche Armutsquoten überwiegen und dass diese weiter abnehmen (vgl. auch Tab. 1). Ausnahmen sind das Gallusviertel mit einer hohen, aber sinkenden Armut sowie die Altstadt mit steigender Armutsquote. Überdurchschnittliche Armut ist in (ehemals) industriell geprägten Stadtteilen entlang des Mains zu verzeichnen. Außerdem fällt der steigende Sozialleistungsbezug in zahlreichen peripheren Stadtteilen auf. Zusammenfassend zeigt Tab. 1 geringere und abnehmende Armut in den inneren Stadtteilen, während die äußeren Stadtteile durch höheren und steigenden Sozialleistungsbezug gekennzeichnet sind. Das Ostend weist eine unterdurchschnittliche Armutsquote bezüglich der Gesamtstadt auf und liegt genau im Durchschnitt der inneren Stadtteile. Der Sozialleistungsbezug ist rückläufig, aber schwächer als in den anderen innerstädtischen Gebieten.
Beim Vergleich der räumlichen Muster der Miet- und Armutsentwicklung In diesem Kapitel sollen keine statistischen Zusammenhänge dargestellt werden, sondern inhaltliche Annahmen dergestalt, dass das Zusammentreffen von starker Mietsteigerung und gleichzeitig starkem Rückgang der Armut auf Verdrängungsgefahr hinweist.
Im Ostend weist der trotz der hohen und überaus stark steigenden Angebotsmieten nur leichte Armutsrückgang kaum auf direkte Verdrängung hin. Allerdings liegt die Entwicklung im Ostend mit –1,1% klar unter dem städtischen Durchschnitt von +0,8% (vgl. Tab. 1). Ein möglicher Grund für den 2009 bis 2014 nur wenig rückläufigen Sozialleistungsbezug im Ostend ist, dass die Stadt Frankfurt die Kosten der Unterkunft für SGBII Sozialgesetzbuch II: Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Ein Blick auf längere Zeiträume und andere Indikatoren, wie Arbeitslosigkeit und Einkommen, die im Folgenden betrachtet werden, bestätigt, dass die Armut im Ostend abgenommen hat. Da der Sozialleistungsbezug aufgrund definitorischer Änderungen nicht langfristig rekonstruierbar ist, wird hierfür die Arbeitslosendichte herangezogen, für die Daten seit 1997 auf Stadtteilebene existieren. Wie Abb. 6 zeigt, war das Ostend lange Zeit durch überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Parallel zur Umsetzung der Aufwertungsmaßnahmen (vgl. Kap. 3) haben sie sich allmählich dem städtischen Durchschnitt angenähert, seit 2006 liegen sie leicht darunter. Der Wandel der Bevölkerungsstruktur vollzieht sich im Ostend also in einem langfristigen Prozess.
Abb. 6
Entwicklung der Arbeitslosendichte des Ostends im Vergleich zu Frankfurt insgesamt 1997 bis 2014 (Daten: Stadt Frankfurt am Main, Bürgeramt, Statistik und Wahlen; eigene Berechnungen)

Diese Tendenz abnehmender Armut bezüglich Sozialleistungsbezug und Arbeitslosigkeit wird durch einen Zuzug wohlhabenderer Personen mit höheren Erwerbseinkommen verstärkt. So haben die Bruttoarbeitsentgelte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 2005 und 2013 im Ostend überdurchschnittlich zugenommen: Der Median erhöhte sich um 22,1%, während er in ganz Frankfurt um 17,1% stieg. Daten vom Bürgeramt, Statistik und Wahlen, Stadt Frankfurt am Main. Zur Einschätzung der Einkommenshöhe ist festzuhalten, dass nur die Bruttoeinkommen von Vollzeiterwerbstätigen und sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen erfasst werden. Mögliche Verzerrungen beziehen sich jedoch auf alle Frankfurter Stadtteile, sodass die Relationen bestehen bleiben und Vergleiche möglich sind.
Als Zwischenfazit lassen sich Gentrifizierungsprozesse im Ostend festhalten. Dies gilt insbesondere bezüglich der exkludierenden Verdrängung, da hohe und weiter stark steigende Angebotsmieten zu Schließungsprozessen auf dem Wohnungsmarkt führen. Direkte Verdrängungsprozesse können dagegen auf der Grundlage der sekundärstatistischen Analysen nicht explizit nachgewiesen werden. Allerdings hat sich in den letzten 15 Jahren die Bevölkerungsstruktur im Ostend langsam, aber klar erkennbar gewandelt, indem Sozialleistungsbezug und Arbeitslosigkeit rückläufig sind und gleichzeitig die Erwerbseinkommen überdurchschnittlich steigen. Die festgestellte Ertragslücke (
„So geschieht die Aufwertung des Ostends nicht natürlich [...]. Was sich im Ostend tut, ist zuallererst die Folge eines großen Plans der Stadt“ (Nienhaus 2013: 25).
Spätestens seit Ende der 1980er-Jahre ist die Stadt Frankfurt am Main im Kontext der „Global-City-Formierung“ (Ronneberger/Keil 1995; Schipper 2013a) und ihrer unternehmerischen Ausrichtung (Schipper 2013b) bestrebt, das Ostend als Standort für „verdichteten Wohnungsbau von hoher Wohnqualität“ (Stadt Frankfurt 1994: 6) aufzuwerten (Ronneberger/Keil 1995: 328 ff.). Aus der Perspektive der Frankfurter Stadtregierung bestand damals angesichts „immer deutlicher werdender gravierender Missstände“ (Stadt Frankfurt 2015: 7) ein dringender stadtplanerischer Handlungsbedarf „zur Umkehr dieser negativen Entwicklung“, da „das Ostend im Vergleich zu den umliegenden Stadtteilen qualitativ eine geringere wirtschaftliche Aktivität,Wohnqualität und Investitionstätigkeit“ (Stadt Frankfurt 2015: 7) aufweise. Als Entwicklungsziele definierte die Stadt, emissionsstarke Gewerbebetriebe zu verlagern, die Wohnqualität im Viertel zu stärken und die Stadtgestalt insgesamt aufzuwerten (Stadt Frankfurt 2015: 11 f.). Tiefgreifende staatliche Eingriffe zur Initiierung von derartigen Aufwertungsprozessen erschienen den städtischen Entscheidungsträgern als notwendig, weil trotz der innenstadtnahen Lage eine „aus dem Stadtteil heraus eigenständig motivierte Entwicklung nicht abzusehen“ (Stadt Frankfurt 2015: 8) sei, private „Investitionen seitens der Hauseigentümer“ ausblieben und auf „den Grundstücken innerhalb des Untersuchungsgebietes [...] kein Verwertungsdruck“ (Stadt Frankfurt 2015: 8) bestünde.
Vor diesem Hintergrund wurde daher 1985 eine „Vorbereitende Untersuchung“ im Ostend durchgeführt, die im Ergebnis in einer förmlichen Festsetzung des Bereichs südlich der Ostendstraße als Sanierungsgebiet (21,16 ha) mündet (Abb. 4). Das Gebiet von ursprünglich 18,66 ha wird 2003 um 1,02 ha und 2006 um 1,48 ha erweitert. Zu dieser Zeit erhält das Ostend mit einem S-Bahn- (1988) und U-Bahn-Anschluss (1992) eine verkehrliche Aufwertung, was laut Aussage des Stadtplanungsamtes „auch negative Folgen wie Bodenpreissteigerungen und beginnende Tendenzen von Bodenspekulationen zur Folge“ (Stadt Frankfurt 2015: 9) gehabt habe.
Ziel des auf zehn Jahre angelegten Programms der „Einfachen Stadterneuerung“ (1985–1994) war es, „mit mittlerem Aufwand im öffentlichen Bereich und Anstoßwirkung im privaten Bereich die Verbesserung von Gebieten, die einzelne städtebauliche Mängel oder Mißstände aufweisen, zu fördern“ (Bischoff 2007: 194). Konkret sollte die Wohnnutzung etwa durch die öffentliche Bezuschussung von baulichen Sanierungsmaßnahmen gestärkt, störende Gewerbebetriebe verlagert und die Verkehrssituation verbessert werden (Stadt Frankfurt 1994: 6 f.).
Bemerkenswert ist der noch sozialverträgliche Charakter der ,Einfachen Stadterneuerung‘. Laut dem Abschlussbericht des Programms aus dem Jahre 1994 war wesentliches Entwicklungsziel, die „Versorgung des unteren Wohnungsteilmarktes“ sicherzustellen und eine „Verdrängung der derzeitigen Bewohner“ zu vermeiden (Stadt Frankfurt 1994: 8). Dazu galt es erstens, mit öffentlichen Fördermitteln private Eigentümer von der Instandsetzung der vorhandenen Bausubstanz bzw. von einer „Modernisierung mit einfachen Standards“ (Stadt Frankfurt 1994: 8) zu überzeugen und dabei im Gegenzug eine temporäre Mietbindung von 6,00 bis maximal 9,50 DM/m2über 12 Jahre, einen Verzicht auf die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete sowie ein Umwandlungsverbot in Eigentumswohnungen vertraglich festzuschreiben (Stadt Frankfurt 2015: 20). Durch die Bereitstellung von 7,6 Mio. DM an Fördermitteln durch das Land Hessen und weiterer 1,8 Mio. DM durch die Stadt Frankfurt konnten schließlich im gesamten Gebiet bis 1994 etwa 300 Wohneinheiten (davon 128 mit öffentlicher Förderung) saniert werden. Der volle Umfang der bewilligten Mittel wurde jedoch nicht ausgeschöpft, da die Mehrheit der in Frage kommenden Hauseigentümer nicht an einer Modernisierung ihrer Gebäude interessiert war, weil sie die Bewilligungsmiete als zu niedrig beurteilte. Eine höhere Bewilligungsmiete wollte aber die Stadt Frankfurt wiederum nicht zulassen, da „höhere Mieten [...] möglicherweise zu Verdrängungsprozessen geführt“ (Stadt Frankfurt 1994: 22) hätten.
Zudem hatten zweitens „Neubaumaßnahmen in Baulücken und auf brachliegenden Flächen vorrangig im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus“ (Stadt Frankfurt 1994: 8) zu erfolgen. Dementsprechend entstanden 1990 bei vier Neubauprojekten im Gebiet der „Einfachen Stadterneuerung“ ausschließlich Sozialwohnungen gemäß dem 1. Förderweg (insgesamt 47 Wohneinheiten). Da die Wohnbauförderung damals überwiegend mit relativ langen Bindungsfristen operiert hat (im Unterschied zu späteren Wohnbauförderprogrammen, vgl. folgendes Kapitel), befinden sich auch Ende 2014 noch immerhin 39 der damals errichteten Sozialwohnungen weiterhin in der Preis- und Belegungsbindung (vgl. die drei einzelnen roten Punkte 11, 12 und 16 im Gebiet der „Einfachen Stadterneuerung“ in Abb. 4).
Südlich der Ostendstraße führt die Stadt Frankfurt zwischen 1987 und 2015 eine im Vergleich zur „Einfachen Stadterneuerung“ weit umfassendere „Städtebauliche Sanierungsmaßnahme“ durch, um aus „einem ehemals gewerblich-industriell geprägten Gebiet [...] ein attraktives Stadtquartier“ (Stadt Frankfurt 2007: 6) zu machen (vgl. Abb. 4). Genutzt werden dazu neben öffentlichen Fördermitteln die weitreichenden bodenrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten, welche das Baugesetzbuch vorsieht. In dem Sanierungsgebiet entstehen ab 1994 und verstärkt ab 2000 insgesamt etwa 1000 neue Wohneinheiten.
Als Entwicklungsziel wird seitens der Stadt neben der Behebung städtebaulicher Missstände und der Aufwertung des Stadtteils zu Beginn des Verfahrens ebenfalls hervorgehoben, dass eine „Verdrängung der alteingesessenen Bewohner“ vermieden werden müsse und es wichtig wäre, „die Bedeutung des Quartiers für den unteren Wohnungsteilmarkt in Form von gefördertem Wohnungsbau weiterhin zu bewahren“ (Stadt Frankfurt 2015: 11 f.). Wie im Folgenden dargelegt wird, lässt sich im Kontext der städtebaulichen Sanierung jedoch ab der Jahrtausendwende ein grundlegender Bruch bezüglich der Zielrichtung identifizieren. Im Gegensatz zum Programm der „Einfachen Stadterneuerung“ und im Unterschied zu den frühen Sanierungsmaßnahmen zwischen 1987 und 1999 werden die Aufwertungsbestrebungen und umfangreichen Bauvorhaben ab spätestens Anfang der 2000er-Jahre nicht mehr von Instrumenten begleitet, die Verdrängungsprozesse verhindern (sollen).
Um das Ziel der Aufwertung des Stadtteils zu erreichen, verfolgt die Stadt im Rahmen der Städtebaulichen Sanierung „Ostendstraße“ im Wesentlichen vier Strategien: Erstens werden die öffentlichen Plätze im südlichen Ostend renoviert, ehemalige Hafenflächen grundlegend umgestaltet und zahlreiche attraktive Grünflächen, Spielplätze und Freizeitanlagen neu geschaffen (beispielsweise der Mainuferpark sowie der außerhalb des Sanierungsgebiets liegende Hafenpark). Zudem werden, zweitens, zahlreiche Kultur-und Bildungsinstitutionen neu angesiedelt. Dazu zählen etwa eine private Hochschule der Finanzindustrie, der Wiederaufbau der Alten Stadtbibliothek sowie das Bildungszentrum Ostend, welches unter anderem die Volkshochschule, ein Abendgymnasium und eine Berufsschule umfasst. Drittens bewirkt die Stadt eine Verlagerung des störenden Kleingewerbes mit hoher Lärm- und Emissionsbelastung und nimmt, viertens, im südlichen Ostend eine umfangreiche und großflächige Neuordnung mindergenutzter Flächen vor (Stadt Frankfurt 2015).
Um die kleinteilige Eigentümerstruktur südlich der Sonnemannstraße und westlich der Großmarkthalle aufzubrechen und attraktive Grundstückszuschnitte für gehobenen Wohnraum zu schaffen, hat die Stadt für insgesamt 43 Mio. Euro Flächen aufgekauft, Gebäude abgerissen, Altlasten entsorgt und Entschädigungen gezahlt mit dem Ziel, die so neugeordneten Grundstücke anschließend wieder an private Investoren zu verkaufen (Stadt Frankfurt, Stadtplanungsamt 2007; Stadt Frankfurt 2015). Die Verkaufserlöse aus den neugeordneten und dann reprivatisierten Grundstücken sollten laut Auftrag des Magistrats zudem dafür sorgen, dass die Aufwertungsmaßnahmen „sich selbst finanzier[en]“ (Magistrat der Stadt Frankfurt 2003: 2). Im Unterschied zur „Einfachen Stadterneuerung“ wird so ab Frühjahr 2000 in der entscheidenden Umsetzungsphase der städtebaulichen Sanierung ein Mechanismus verankert, welcher strukturell Maßnahmen zur Verhinderung von Verdrängungsprozessen entgegensteht, da er dafür sorgt, dass die städtischen Entscheidungsträger selbst ein Interesse an hohen Bodenpreisen und einem entsprechend hohen Mietniveau entwickeln. Städtebauliche Fördermittel zur Verhinderung von Verdrängungsprozessen oder Mietpreisbindungen sind dagegen nicht mehr vorgesehen. Während zwischen 1987 und 1999 die Sanierung noch federführend durch das Stadtplanungsamt bearbeitet wurde, führten die Reduzierung staatlicher Fördermittel und ein Personalabbau im Stadtplanungsamt zudem dazu, dass die Trägerschaft an eine private Agentur ausgelagert wird (Stadt Frankfurt 2015: 15). Um „das Verfahren finanziell zu entlasten“ (Magistrat der Stadt Frankfurt 2015: 2), setzt die Stadt zur Erreichung der oben genannten Ziele ab März 2000 die Deutsche Bau- und Grundstücks-AG als treuhänderischen Sanierungsträger ein, die sich seitdem vorrangig um den Verkauf der städtischen Liegenschaften kümmert (Magistrat der Stadt Frankfurt 2003).
Nach Abschluss des Sanierungsverfahrens im September 2015 stehen den Gesamtkosten von 68 Mio. Euro schließlich 44 Mio. Euro an Einnahmen durch die Privatisierung städtischer Liegenschaften und die Erhebung von Ausgleichsbeträgen sowie 13 Mio. Euro an Zuschüssen von Bund und Land gegenüber. Bei der Stadt verbleibt so trotz der hochpreisigen Vermarktung der restrukturierten Grundstücke ein Defizit von 11,3 Mio. Euro (Stadt Frankfurt 2015: 76 ff.). Insgesamt sind im Sanierungsgebiet und dort hauptsächlich südlich der Sonnemannstraße 246 Miet- und 480 Eigentumswohnungen im ausschließlich gehobenen bis luxuriösen Marktsegment entstanden (Stadt Frankfurt 2015: 79 f.). Nördlich der Sonnemannstraße werden zwar in zwei Neubauprojekten insgesamt auch 274 Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau entweder als klassische Sozialwohnungen im 1. Förderweg (5,00 bis 5,50 Euro/m2) oder im Rahmen von städtischen Mittelschichtprogrammen mit einkommensabhängiger Förderung errichtet (Magistrat der Stadt Frankfurt 2015: 3), auffällig ist jedoch, dass sämtliche geförderten Wohnungen bereits vor 2000 und damit in der frühen Phase der Sanierung entstehen (vgl. Abb. 4). Konkret werden 1994 zunächst 51 und 1998 weitere 40 Sozialwohnungen zwischen Howaldtstraße und Windeckstraße errichtet sowie 1999 183 Wohneinheiten mit einkommensabhängiger Förderung zwischen Ostendstraße und Martin-Elsässer-Weg eingeweiht (Stadt Frankfurt 2015: 30, 35). Bei allen folgenden, viel umfangreicheren Neubauprojekten mit insgesamt über 700 Wohneinheiten war dagegen kein sozialer Wohnungsbau mehr vorgesehen (Stadt Frankfurt, Stadtplanungsamt 2007; Stadt Frankfurt 2015: 79 ff.). Von diesen 274 geförderten Wohneinheiten befanden sich laut Angaben des Wohnungsamtes Ende 2014 zudem nur noch 51 Sozialwohnungen in der Preis- und Belegungsbindung gemäß dem 1. Förderweg; und zwar jene, die bereits 1994 an der Howaldtstraße errichtet worden sind (vgl. die drei roten Punkte im Sanierungsgebiet in Abb. 4).
Im Unterschied zum Programm der „Einfachen Stadterneuerung“ werden die jüngeren Aufwertungsmaßnahmen im Rahmen der städtebaulichen Sanierung zwischen 2000 und 2015 also nicht mehr von Instrumenten flankiert, die der Verdrängung einkommensschwacher Schichten entgegenwirken. Stattdessen werden Flächen nun von gewinnorientierten Akteuren im freifinanzierten Neubau und völlig ohne sozialen Wohnungsbau entwickelt. Legitimiert wird dieser Wandel mit dem Entwicklungsziel, durch eine „ausgewogene soziale Mischung“ die „einseitige und instabile“ Bevölkerungsstruktur des Viertels stabilisieren und „für einen sozialen Ausgleich“ sorgen zu wollen (Stadt Frankfurt 2015: 38, 83 f.). Zwar wird Ende 2014 mit Geltung ab 2016 im Ostend eine Erhaltungssatzung nach Baugesetzbuch zur Verhinderung von Verdrängungsprozessen eingeführt, allerdings ist angesichts des beschränkten Kriterienkatalogs und der fehlenden Umwandlungsverordnung ihre tatsächliche Effektivität fraglich.
Bis Ende der 1990er-Jahre erfolgt der Neubau im Sanierungsgebiet vorrangig im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. Ab der Jahrtausendwende wird der Wohnungsbau im Ostend dagegen von frei finanziertem Neubau dominiert und von profitorientierten Investoren getragen. Stadtplanerisch werden beispielsweise keine Grundstücke für genossenschaftliche oder gemeinnützig ausgerichtete Wohnungsbauträger mit potenziell vergleichsweise günstigen Mieten vorgehalten (Günther 2014: 38). Auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding wird im Ostend nicht aktiv. Aufgrund der gewinnorientierten Restrukturierung des ehemals gemeinnützigen öffentlichen Unternehmens seit Anfang der 1990er-Jahre wäre von diesem kommunalen Investor jedoch nicht zu erwarten gewesen, bezahlbaren Wohnraum in nennenswertem Umfang zu schaffen (Schipper/Wiegand 2015).
Seit Anfang der 1990er-Jahre ist der Bestand an Sozialwohnungen in Frankfurt von knapp 70.000 Wohneinheiten (= etwa 20% des Wohnbestandes) auf unter 30.000 (= etwa 8% des Wohnbestandes) zurückgegangen (Schipper 2013b: 350). Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Ostend wider, da zwar noch bis Ende der 1990er-Jahre 274 geförderte Wohnungen im Sanierungsgebiet errichtet worden sind, der geförderte und mietpreisgebundene Wohnungsbau jedoch seit 2000 keine Rolle mehr spielt (vgl. Abb. 4). Als Alternative zum sozialen Wohnungsbau hat die Stadt Frankfurt seit 2007 begonnen, Belegungsrechte im Bestand für eine Dauer von 10 bis 15 Jahren anzukaufen. Angesichts des geringen Interesses privater Eigentümer konnten so im Ostend allerdings insgesamt nur 15 Wohneinheiten (Stand Ende 2014) in die Preis- und Belegungsbindung genommen werden (vgl. Abb. 4). Darüber hinaus unterliegen weitere 192 Wohneinheiten einer Preisbindung gemäß dem Frankfurter Mittelschichtprogramm. Im Europaviertel, in dem etwa 6.000 neue Wohnungen entstehen, liegt diese Quote bei unter 7% (Schipper/Wiegand 2015: 18 f.).
Angesichts vermehrter Mieterproteste prüft die Stadt Frankfurt am Main ab Ende 2014, Milieuschutzsatzungen (Erhaltungssatzungen nach Baugesetzbuch), unter anderem für Teile des Ostends, „zur Dämpfung einer unerwünschten, übermäßigen Aufwertungs- und Verdrängungsdynamik“ (Magistrat der Stadt Frankfurt 2014b: 2) zu erlassen. Mit Geltung ab 2016 und einer zeitlichen Befristung auf fünf Jahre ist geplant, Luxussanierungen bzw. „die Aufwertungen von Wohnraum auf überdurchschnittlichen Standard“ (Magistrat der Stadt Frankfurt 2014b: 3) unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Dazu zählt die Zusammenlegung von Wohnungen zu einer Großwohnung von mehr als 130 m2, Balkone größer als 8 m2 und Personenaufzüge, die nur die oberen Geschosse erschließen. Bauliche Modernisierungsmaßnahmen, die der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards dienen, sind davon ausdrücklich ausgenommen. Darüber hinaus sind die Frankfurter Milieuschutzsatzungen nicht mit einem Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen gekoppelt, da die hessische Landesregierung bislang keine entsprechende Rahmenverordnung erlassen hat. Ohne dieses entscheidende Instrument und angesichts des beschränkten Kriterienkatalogs bezüglich der Nichtzulässigkeit von baulichen Aufwertungsmaßnahmen beurteilen Mieterinitiativen die Einführung der Satzungen als Symbolpolitik, die nicht nur viel zu spät käme, sondern – im Gegensatz zu den Mietpreisbindungen der frühen 1990er-Jahre (vgl. Kap. 3.1) – auch relativ wirkungslos bliebe. Der Milieuschutz in Frankfurt sei, so etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Schulze 2014a: 29), „Symbolpolitik mit hohem Aufwand und geringem Ertrag“.
Seit Ende der 1980er-Jahre wendet die Stadt Frankfurt am Main zahlreiche Instrumente an, um das Ostend als Wohnviertel und Dienstleistungsstandort aufzuwerten. Vor diesem Hintergrund ist seit Mitte der 2000er-Jahre eine Gentrifizierungsdynamik in Gang gekommen, die nun zu steigenden Mieten und Verdrängungsprozessen führt. Die erfolgreiche Aufwertung des Ostends ist jedoch kein Resultat einer linearen und bruchlosen Strategie. Vielmehr waren die frühen Maßnahmen bis etwa 1999 noch eng von Mechanismen begleitet, die der Verdrängung einkommensschwacher Schichten zumindest temporär entgegenwirkten; beispielsweise waren die öffentlichen Sanierungszuschüsse noch an Mietobergrenzen gebunden und es wurde Neubau noch prioritär als sozialer Wohnungsbau betrieben. Folglich waren die frühen Aufwertungsbestrebungen noch stark von Rationalitäten des sozialen Ausgleichs geprägt, indem durch begleitende wohnungspolitische Interventionen Marktkräfte im Interesse einkommensschwacher Schichten zumindest befristet außer Kraft gesetzt worden sind. Ein grundlegender Wandel hin zu einer tiefgreifenden Neoliberalisierung von Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik erfolgt im Ostend erst ab Anfang der 2000er-Jahre. Angesichts einer von Austerität geprägten Krise der Kommunalfinanzen, einer hegemonialen Akzeptanz von Markt- und Wettbewerbslogiken und einer damit verbundenen Neuordnung städtischer Politik in Frankfurt, die sich nun verstärkt an den (Wohn-)Bedürfnissen einkommensstarker Gruppen ausrichtet (Schipper 2013b), verschiebt sich auch der Charakter der Aufwertungsmaßnahmen im Ostend. Anders ausgedrückt erfolgte die Aufwertung seitdem marktkonform, das heißt konkret ohne flankierende Maßnahmen, die effektiv darauf abzielen, bezahlbaren Wohnraum für niedrige Einkommensgruppen zu sichern und Verdrängung zu verhindern. Die Einführung der Milieuschutzsatzung Anfang 2016 mag hier zwar ein erstes Umdenken seitens der städtischen Akteure andeuten, allerdings muss die zu erwartende Wirkung dieses Instruments relativiert werden, da ohne Umwandlungsverordnung und ohne strengere Vorgaben bezüglich der Zulässigkeit von Bauvorhaben Verdrängungsprozesse nur bedingt zu verhindern sind.
„Der Osten der Stadt ändert sein Gesicht. Fast ein Dutzend Bauvorhaben werden in den nächsten Jahren verwirklicht. Das liegt auch an der EZB“ (Schulze 2014b: 37).
Nachdem Anfang der 1990er-Jahre Frankfurt den Zuschlag als zukünftigen Sitz der Europäischen Zentralbank erhält, bezieht die Bank zuerst ein Hochhaus im Zentrum des Bankenviertels. Da dieses Gebäude jedoch nicht dem wachsenden Raumbedarf entspricht, tritt die Europäische Zentralbank schon früh in Verhandlungen mit der Stadt, um an anderer Stelle einen repräsentativen Neubau errichten zu können. Seit Anfang der 2000er-Jahre rückt dabei die Großmarkthalle im Ostend in den Fokus, weil sich hier die Interessen der Bank an einem großflächigen, innerstädtischen Areal sowie die Bestrebungen der Stadt, das Ostend aufwerten zu wollen, treffen. Das Stadtplanungsamt (Stadt Frankfurt, Stadtplanungsamt 2007: 26) formuliert beispielsweise: „Die Entscheidung, den Sitz der EZB auf das Areal des früheren Großmarktes zu verlegen, gibt zugleich einen wichtigen Impuls für die weitere städtebauliche Entwicklung des Frankfurter Ostens und seine Aufwertung gegenüber dem Westen der Stadt“. Auch vom Ortsbeirat Bornheim/Ostend (2001) kommt diesbezüglich kaum Widerspruch. Zwar wird kritisiert, dass die Stadtteilpolitiker lediglich aus der Presse von den Verhandlungen zwischen Stadt und Europäischer Zentralbank erfahren und auch im weiteren Verlauf nur schlecht informiert bleiben; jedoch „begrüßt“ der Beirat es prinzipiell „sehr, wenn das Ostend durch neue Baumaßnahmen aufgewertet wird“ (Ortsbeirat Bornheim/Ostend 2001: 1). Angesichts dieser Interessenskonstellation kann die Europäische Zentralbank schnell eine Einigung mit der Stadt erzielen und das entsprechende Grundstück bereits 2002 kaufen. Nach einer längeren Bauphase wird der 1,3 Mrd. Euro teure Neubau im November 2014 bezogen. Die offizielle, von heftigen Anti-Austeritäts-Protesten des Blockupy-Bündnisses begleitete Eröffnung erfolgt im März 2015.
Bemerkenswert ist, dass das Ostend bereits ab Anfang 2002, also kurz nachdem feststand, dass die Europäische Zentralbank ins Ostend zieht, verstärkt in den Fokus immobilienwirtschaftlicher Verwertungsstrategien gerät. So schrieb beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Ungeachtet der konjunkturellen Abkühlung an den Immobilienmärkten hegen etliche Investoren große Pläne für das Frankfurter Ostend. Spätestens seitdem sich die Europäische Zentralbank (EZB) entschieden hat, ihren Sitz auf dem Gelände des Großmarktes im Osten der Stadt zu errichten, ist der Stadtteil ins Blickfeld der Immobilienbranche gerückt“ (Ochs 2002: 49). Ähnlich diagnostiziert auch Bischoff (2007: 204 f.), dass seitdem „der Umzug der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das Großmarkthallengelände beschlossen ist, die Interessengemeinschaft Eastside, ein Zusammenschluss von Immobilienkaufleuten im Ostend“ begonnen hat, sich „mit einer gemeinsamen Vermarktung ihrer Immobilienprojekte in Szene“ zu setzen. Nachdem das Ostend jahrzehntelang von einer im stadtweiten Vergleich schwachen Bodenpreisdynamik gekennzeichnet war (vgl. Abb. 1), spiegelt sich dieser Wandel immobilienwirtschaftlicher Verwertungsstrategien ab Mitte der 2000er-Jahre auch in deutlichen Bodenpreissteigerungen wider (vgl. Abb. 2).
Kritiker, die die Bedeutung der Europäischen Zentralbank im Kontext gegenwärtiger Aufwertungsprozesse als überbewertet erachten, halten dem entgegen, dass die Bank keine Gentrifizierungsprozesse auslöse, weil ihre hochbezahlten Mitarbeiter über die ganze Stadt verteilt wohnen und daher die Nachfrage im Ostend nach gehobenem Wohnraum nicht zusätzlich anheizen würden (Schulze 2015). Der Einwand mag zwar sachlich zutreffend sein, da die Wohnungsnachfrage von Mitarbeitern der Europäischen Zentralbank im Ostend in der Tat wahrscheinlich eher zu vernachlässigen ist. Allerdings geht eine solche Kritik an den entscheidenden Wirkungsmechanismen vorbei, da nicht die direkte Nachfrage von Beschäftigten der Europäischen Zentralbank, sondern vielmehr die materielle sowie vor allem symbolische Aufwertung des Viertels durch den lokalräumlichen Umzug der Zentralbank ausschlaggebend sind. Auf materieller Ebene gehen beispielsweise zahlreiche Aufwertungsmaßnahmen im Stadtteil direkt auf konkrete Forderungen der Zentralbank zurück. Diese konnte im Rahmen der Umzugsverhandlungen mit der Stadt erfolgreich durchsetzen, dass der Danziger Platz umgestaltet, der Ostbahnhof grundlegend modernisiert, die Verkehrsinfrastruktur verbessert und eine neue Brücke über den Main errichtet wird (Nienhaus 2013).
Symbolisch galt das Ostend vor dem Umzug der Europäischen Zentralbank zudem trotz aller bisherigen Aufwertungs- und Sanierungsmaßnahmen noch immer als „Schmuddelkind der Stadt“ (Nienhaus 2013: 25). Die Trägheit des negativen Images, welches jahrzehntelang einen gewissen Schutz vor steigenden Mieten und Wohnungspreisen bot, wird erst mit der Ankündigung, den Neubau der Europäischen Zentralbank im Ostend zu errichten, endgültig durchbrochen. So schreibt etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Nun wächst hier die neue Europäische Zentralbank in den Himmel. Und plötzlich wird es schick“ (Nienhaus 2013: 25). Für Projektentwickler aus der Immobilienbranche sorgt die symbolische Aufwertung des Stadtteils durch die Europäische Zentralbank laut eigener Aussage für Euphorie und eine „Boom“-Stimmung, da sich nun das Negativimage umkehre und der Stadtteil darüber hinaus auf (inter-)nationaler Ebene in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerate; etwa indem man nun regelmäßig „in der Tagesschau das Ostend sehen“ (Schulze 2014b: 37) könne.
Der Neubau der Europäischen Zentralbank wirkt also lokalräumlich dahingehend, dass das Ostend einen radikalen Imagewandel erfährt und entsprechend leichter für Immobilienentwickler als gehobenes Wohnviertel zu vermarkten ist. Die symbolische Aufwertung führt darüber hinaus dazu, dass auf der Nachfrageseite einkommensstarke Haushalte im Allgemeinen (und nicht nur Beschäftigte der Europäischen Zentralbank) nun zunehmend bereit sind, für Wohnungen im Ostend höhere Mieten und Preise zu zahlen, was es wiederum Immobilieneigentümern erlaubt, sich über die Verwertung des gestiegenen Lagepotenzials ihrer Wohnungen und Grundstücke höhere Grundrenten anzueignen (Schipper 2013a). Die diskursive Repositionierung des Ostends hat also eine sich selbsterfüllende Prophezeiung in Gang gesetzt. Die durch den Umzug ausgelöste symbolische Aufwertung des Stadtteils resultiert in steigenden immobilienwirtschaftlichen Ertragserwartungen mit entsprechend spekulativen Preisentwicklungen – wodurch die symbolisch-diskursive Verschiebung letztlich performativ ihre Bestätigung erfährt. Makroökonomische Rahmenbedingung dafür ist jedoch, dass auf den globalen Kapitalmärkten die notwendigen Investitionssummen für Anlagen in Wohnimmobilien bereitstehen. Wie wir im folgenden Exkurs zeigen werden, ist auch diesbezüglich die Rolle der Europäischen Zentralbank nicht zu unterschätzen.
Um die Auswirkungen der globalen Finanzkrise und der anschließenden europäischen Staatsschuldenkrise zu begrenzen, verfolgt die Europäische Zentralbank – ähnlich wie andere Notenbanken auch – seit 2009 eine expansive Geldpolitik. Ausgehend von den Erfahrungen aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre, wonach eine kontraktive Zentralbankpolitik krisenverschärfend wirkt, hat die Europäische Zentralbank den Leitzinssatz seit Oktober 2008 stufenweise von 4,25% auf derzeit 0,05% (Dezember 2015) abgesenkt und damit die Liquiditätszufuhr in das Bankensystem deutlich ausgeweitet (Brühl/Walz 2015: 8), um die Finanzstabilität in Europa zu sichern. Darüber hinaus hat die Europäische Zentralbank in jüngster Zeit weitere Maßnahmen getroffen in der Hoffnung, durch die Ausweitung des Kreditangebots Wachstum zu erzeugen. Dazu zählt etwa der seit Anfang 2015 bis mindestens März 2017 erfolgende Ankauf von Staatsanleihen und weiteren Vermögenswerten in Höhe von 60 Mrd. Euro monatlich (Allen 2015).
Seit Beginn der Krise hat die Europäische Zentralbank durch diese Maßnahmen zwar ihren Bilanzumfang verdreifacht, allerdings ist es ihr mittels der Niedrigzinspolitik und der Wertpapieraufkäufe nicht gelungen, substanzielle Wachstumsimpulse zu setzen. Vielmehr weisen Kader und Schwarzer (2015: 289 ff.) darauf hin, dass Investitionen und Konsumausgaben nicht in einem relevanten Ausmaß gestiegen seien, sondern die expansive Geldpolitik lediglich die Inflation von Aktien, Anleihen und Immobilienpreisen antreibe. Dies habe vor allem den Effekt, dass die Vermögen der besitzenden Klasse gesteigert würden und sich die soziale Ungleichheit verschärfe.
Unabhängig von der kontrovers diskutierten Frage, ob sich hinter der jüngsten Preisexplosion eine Blasenbildung am Immobilienmarkt abzeichnet, besteht innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion ein breiter Konsens darüber, dass die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank strukturell ebenso für den jüngsten Preisanstieg am Wohnungsmarkt mitverantwortlich ist (Hiller 2014; Brühl/Walz 2015; Kholodilin/Michelsen/Ulbricht 2014). Bezogen auf den Immobilienmarkt in Deutschland hat die Kreditmengenexpansion zum Beispiel dazu geführt, dass die Preise für deutsche Wohnimmobilien seit 2010 im Durchschnitt um mehr als 10 % gestiegen sind (Brühl/Walz 2015: 27). Hinter solchen Durchschnittswerten verbergen sich aber regional zutiefst ungleiche Entwicklungen (Heeg 2013), da beispielsweise in Frankfurt am Main im gleichen Zeitraum (2010–2014) die Wohnungspreise im Neubau um 40 % (Gutachterausschuss für Immobilienwerte 2014: 22) und die Angebotsmieten jährlich im Durchschnitt um knapp 4 % angewachsen sind (IWU 2015: 50). Zusammengefasst trägt also auch die expansive Kreditmengenausweitung dazu bei, dass Kapital in den Immobiliensektor und dort insbesondere in innerstädtische Viertel mit Aufwertungspotenzial, wie etwa dem Ostend, fließt und Gentrifizierungsprozesse antreibt.
Während das Ostend als klassisches Arbeiterviertel jahrzehntelang vergleichsweise bezahlbaren Wohnraum für untere Einkommensgruppen bot, zeichnet sich ab Mitte der 2000er-Jahre ein grundlegender Wandel des Stadtteils ab. Nach Davidson und Lees (2005: 1187) kann dieser Wandel als Gentrifizierung bezeichnet werden, weil erstens Haushalte mit niedrigen Einkommen von exkludierender Verdrängung betroffen sind, zweitens der Zuzug einkommensstarker Gruppen die Bevölkerungsstruktur im Viertel verschiebt, sich drittens die urbane Landschaft tiefgreifend wandelt und viertens verstärkt anlagesuchendes Kapital in die gebaute Umwelt fließt. Direkte Verdrängung lässt sich nicht explizit nachweisen, allerdings ein langfristiger soziostruktureller Wandel, der zur Folge hat, dass heute Sozialleistungsbezug und Arbeitslosigkeit im gesamtstädtischen Vergleich unter- und die Einkommen überdurchschnittlich sind. Im Unterschied zu den Phasenmodellen der Gentrifizierung (vgl. Friedrichs 1996), in denen der Wandel häufig durch eine Phase als Szeneviertel eingeläutet wird, lässt sich im Ostend kein derartiges Stadium ausmachen. Auch die in diesen Modellen wichtige Akteursgruppe der Pioniere spielt im Ostend keine bedeutende Rolle.
Angestoßen und gefördert worden sind diese Transformationsprozesse von stadtpolitischen Aufwertungsstrategien, deren Ursprung sich bis in die späten 1980er-Jahre zurückverfolgen lässt. Auch wenn die Aufwertung des Viertels demnach schon seit Jahrzehnten auf der stadtpolitischen Agenda steht, waren die entsprechenden Maßnahmen allerdings noch bis Ende der 1990er-Jahre von Mechanismen begleitet, die die Verdrängung einkommensschwacher Schichten verhindern oder zumindest bremsen sollten. Seit der Jahrtausendwende erfolgt die Aufwertung jedoch marktkonform, was folglich Verdrängungsprozesse beschleunigt.
In Kap. 4 konnten wir darüber hinaus zeigen, dass auch die Europäische Zentralbank die Gentrifizierung im Ostend vorantreibt. Der Umzug und Neubau des Zentralbanksitzes hat eine grundlegende symbolisch-diskursive Repositionierung des Viertels bewirkt, was entscheidend dazu beiträgt, dass sich das negative und lange Zeit preisdämpfend wirkende Image des Stadtteils radikal wandelt. Die damit einhergehende Steigerung des Lagepotenzials ermöglicht es den Eigentümern von Immobilien nun aufgrund ihrer neu gewonnenen Monopolstellung (prestigeträchtige Nähe zur Europäischen Zentralbank), höhere Preise und Mieten zu verlangen und sich damit entsprechend hohe Grundrenten anzueignen. Dieser Mechanismus gewinnt insbesondere seit der globalen Finanzkrise von 2008 an Bedeutung, da Wohnraum auch angesichts der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank als Anlagesphäre im Vergleich zu konkurrierenden Investitionsfeldern attraktive Renditen verspricht.
Um derartige Prozesse der Gentrifizierung zu bremsen, wäre, wie Kap. 3 gezeigt hat, zuallererst ein grundlegender wohnungspolitischer Paradigmenwechsel notwendig hin zur Zielsetzung, Verdrängung verhindern und bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen sicherstellen zu wollen. In Anbetracht der Schwäche bestehender stadtplanerischer Instrumente, wie etwa den 2016 eingeführten Milieuschutzsatzungen, wären zudem neue Strategien zu verfolgen, die die Wohnraumversorgung, etwa über kommunale, nichtgewinnorientierte Wohnungsunternehmen oder neue gemeinnützige Wohnungsbauträger, dauerhaft dem Marktdruck und Prozessen der Finanzialisierung (Heeg 2013) entziehen.
Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 4

Abb. 5

Abb. 6

Mieten und Sozialleistungsbezug im Ostend im Vergleich mit den inneren und äußeren Stadtteilen sowie dem Frankfurter Durchschnitt (Daten: Stadt Frankfurt am Main, Bürgeramt, Statistik und Wahlen; IWU (2015: 49 ff.); eigene Berechnungen)
Gebiet | Angebotsmiete 2014 (in Euro) | Entwicklung der Angebotsmiete 2009–2014 (in %) | Sozialleistungsbezieher je 1000 Einwohner 2014 | Entwicklung des Sozialleistungsbezugs 2009–2014 (in %) |
---|---|---|---|---|
Ostend | 11,75 | 29,3 | 116 | –1,1 |
Innere Stadt Abgrenzung vgl. | 11,66 | 21,6 | 116 | –4,3 |
Äußere Stadt Abgrenzung vgl. | 9,40 | 15,9 | 143 | 4,0 |
Gesamtstadt | 10,17 | 20,2 | 130 | 0,8 |