In der Tradition früherer Jahrzehnte wurde die Stadterneuerung auf räumlich-materielle und investive Maßnahmen beschränkt. Die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses verstärkten gegen Ende des 20. Jahrhunderts den gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel und veränderten tiefgreifend soziale und räumliche Strukturen in den Städten. In einem neueren Verständnis von Stadtumbau und Stadterneuerung werden deshalb die sozialen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen in die städtebaulichen Revitalisierungs- und Entwicklungsprozesse einbezogen. Über investive Projektfinanzierungen hinaus sollen Selbsthilfe sowie Eigeninitiative in der Bevölkerung geweckt und unterstützt werden, damit die Entwicklung von Stadtteilen zukünftig durch die endogenen lokalen Potenziale erfolgen kann.
Um diesem anspruchsvollen Handlungsansatz gerecht werden zu können, sind angemessene neue Organisationsformen erforderlich. Die Diskussion darum wurde schon in den 80er Jahren geführt, als die institutionelle Einbettung ortsnaher Beratungs- und Kommunikationsstellen als organisatorischer Baustein der Städtebauförderung erörtert wurde (Schnepf-Ort/ Staubach 1989). Es geht darum, dass im Quartier geeignete flexible und kooperative administrative Strukturen geschaffen werden müssen, um die beabsichtigte Integration von Maßnahmen der Mobilisierung und Revitalisierung aus dem Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher Ressorts organisatorisch bewältigen zu können. Dieses Instrumentarium zur systematischen Entwicklung von Stadtquartieren wird heute im Allgemeinen mit dem Schlüsselbegriff des „Quartiermanagements“ bezeichnet (vgl. Austermann/Zimmer-Hegmann 2000).
Vorbilder und Vorläufer für den neuen sozialräumlichen Managementansatz sind in europäischen Nachbarländern und in der innovativen Weiterentwicklung der Städtebauförderung in Deutschland zu finden. Beispielsweise ist das Instrument des „Stadtvertrages” in der Quartierserneuerung in Frankreich zu nennen. Darin werden die Ziele der Stadtteilpolitik, die geplanten Maßnahmen, die finanzielle Unterstützung, die Kooperationsformen zwischen den Akteuren und die Überprüfung der Zielerreichung festgeschrieben (Kemper/Schmals 2000). In den niederländischen Programmen der sozialen Stadtteilerneuerung wurden zum Beispiel schon frühzeitig Erfahrungen mit Quartiersfonds bzw. Quartierbudgets gesammelt, deren Vergabe in den Händen von Bürgergremien und lokalen Akteuren liegt (Rosemann 2001). Dieses partizipative Instrument zeigte positive Effekte, um die Mitverantwortung auf lokaler Ebene zu stärken und selbst tragende Strukturen zu aktivieren (Stratmann 2000). Auch in Großbritannien wurde relativ früh ein integrierter Ansatz verfolgt (Froessler 2000; Social Exclusion Unit/Cabinet Office 2000; dies. 2001). Das dort implementierte Konzept des „Neighbourhood Managements“ entspricht in der inhaltlichen Ausrichtung dem deutschen Verständnis von integriertem Quartiermanagement, dessen erste Formen im Förderprogramm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf” des Landes Nordrhein-Westfalen erprobt wurden (MSKS 1998). Für die Organisation der Prozesse in den Erneuerungsstadtteilen spielten intermediäre Instanzen eine Rolle, die die Initiativen vor Ort koordinieren und zwischen den beteiligten Akteuren vermitteln. Im Jahr 1999 wurde die deutsche Bund-Länder-Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ gestartet. In den „Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf” – es handelt sich einerseits um innerstädtische oder innenstadtnahe (oft gründerzeitliche) Quartiere in benachteiligten Regionen mit nicht modernisierter Bausubstanz und deutlich unterdurchschnittlicher Umweltqualität, aus denen ökonomisch aufstrebende jüngere Haushalte abwandern und Haushalte mit sehr begrenzter ökonomischer Leistungsfähigkeit sowie mit geringem Integrationsvermögen nachrücken, und andererseits um große Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit mit wenig individueller Architektur – werden die Ressourcen in integrierten Handlungskonzepten zusammengefasst. Zur Gesamtkoordination des Entwicklungsprozesses eines Stadtquartiers wird in der Regel die Aufbauorganisation eines Quartiermanagements realisiert.
Neben der inhaltlichen Schwerpunktsetzung ist die Institutionalisierung von Steuerungsfunktionen eine entscheidende Erfolgsbedingung für das Quartiermanagement. Besonders an den Schnittstellen zwischen kommunaler Politik, Verwaltungsadministration auf Stadt- und Quartiersebene, Quartiersakteuren und Bürgern muss ein integriertes Managementsystem ansetzen, um einen reibungsfreien Informationsaustausch bzw. Entscheidungsablauf sicherzustellen und bei Bedarf neue Kooperationsformen zu etablieren. Es ist eine Kombination von formalen Entscheidungsund Informationswegen sowie informellen Netzwerkstrukturen erforderlich, indem einerseits neue Gremien bzw. Arbeitsgemeinschaften geschaffen werden und anderseits ein zielorientiertes Netzwerkmanagement erfolgt. Die Formulierung von Standards des Quartiermanagements wurde erst vereinzelt vorgenommen (vgl. Bertelsmann-Stiftung/Böckler- Stiftung / KGSt 2002). Auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse (Schubert / Spieckermann / Franzen 2002) wird hier versucht, ein idealtypisches Organisationsmodell für das Quartiermanagement zu skizzieren.
Quartiermanagement wird allgemein als strategischer Ansatz zum systematischen Aufbau von selbst tragenden und nachhaltig wirksamen personellen sowie materiellen Strukturen in einem Stadtquartier definiert. Durch den gezielten Einsatz kommunaler Ressourcen und eingebettet in eine gesamtstädtische Entwicklungsstrategie wird das Quartier unter Anwendung eines Ressorts übergreifenden Prozesses zu entwickeln versucht (vgl. z.B. Becker et al. 1998). Zum Ende der initiierten Entwicklung soll sich das Quartiermanagement schrittweise zurückziehen und durch Kooperationsnetze lokaler Kräfte ersetzt werden. Vor diesem Hintergrund wird die -Verbindung der Ressorts zu einem abgestimmten konzertierten Handeln im Quartier; Vernetzung der kommunalen Fachbereiche mit freien Trägern und lokalen Diensten, Einrichtungen, Vereinen, Verbänden und Initiativen im Quartier; Aufstellen integrierter Budgets für Maßnahmen im Quartier; Aktivierung von Bewohner/innen und Akteuren der lokalen Wirtschaft zur Mitwirkung im Netz des konzertierten Handelns; Einsatz von Organisations- und Managementformen, die die Ziele einer solchen Strategie erreichbar machen; Initiieren des Prozesses einer dauerhaften Entwicklung im Quartier, aufgeteilt in eine von den Akteuren des Quartiermanagements ausgelöste Impulsund Förderungsphase und in eine von den lokalen Potenzialen eigenständig fortgeführte Konsolidierungsphase.
Während der Begriff des Quartiermanagements in einer engeren Definition auf sozialkulturelle Strategien der Gemeinwesenarbeit zum Aufbau von Kommunikationsstrukturen im Stadtteil, zur Aktivierung der Bewohner und des Bildens von Strukturen der Selbstorganisation beschränkt wird (vgl. Bertelsmann-Stiftung/Böckler-Stiftung/KGSt 2002), sprechen viele Gründe dafür, die Bedeutung des Begriffes auf den gesamten Integrationsvorgang von Handlungen der beteiligten Institutionen und Professionen zu beziehen, also auf den gesamten Prozess des Integrierens programmatischer Aktivitäten auszuweiten (Schubert 2000)
Das Quartiermanagement kann deshalb auch nicht als alleinige Aufgabe eines einzelnen Akteurs aufgefasst werden. In „überforderten Nachbarschaften“ (GdW 1998) sind viele professionelle Akteure in der Regel bereits mittelfristig in der Bearbeitung der lokalen Probleme engagiert, aber ihre Kapazitäten sind erschöpft und ihre Kompetenzen begrenzt, so dass für das „Missing Link“ ein Quartiermanagement gebraucht wird. Auch wenn der bzw. die „Quartiermanager/in“ zentrale Entwicklungs-, Koordinations- und Vernetzungsaufgaben in einem solchen System wahrnimmt, darf das Anforderungsprofil nicht auf diese Person reduziert werden. Für den Erfolg der sozialen Quartiersneuerung in einem Quartier ist das gesamte Geflecht der beteiligten Akteure als sozialräumliches Handlungssystem verantwortlich (Spieckermann 2002; vgl. auch Fürst/Schubert 2001).
Der Erfolg des Quartiermanagements hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Strategie und die örtliche Umsetzung in eine geeignete Organisationslogik übertragen werden. Der im Rahmen des Quartiermanagements verfolgte Auf der normativen Ebene muss durch den Auf der strategischen Ebene soll eine Dezernate Die Funktion der Koordination innerhalb der Stadtverwaltung leistet die Als zentrales Instrument für die Steuerung braucht die Geschäftsstelle Koordination Quartiermanagement ein Auf der operativen Ebene übernehmen Fachkräfte des Quartiermanagements – die so genannte Quartiermanagerin bzw. der Quartiermanager – die konkrete Umsetzung der Quartiersentwicklung. In der Praxis haben sich Eine zentrale Aufgabe der Quartiermanager/innen besteht in der Beteiligung von Bürger/innen und in der Aktivierung von lokalen Potenzialen. Für diese Netzwerkarbeit müssen feste Gremienstrukturen geschaffen werden: (1) der Quartierbeirat und (2) die Bürgerjury.
Abbildung 1
Organisationsstrukturen und Steuerungsebenen des Quartiermanagements

Der
Die Aufgaben des Quartierbeirates bestehen darin, Informationen weiterzuleiten, gemeinsame Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Dieses Bürgergremium darf eine arbeitsfähige Größe nicht überschreiten, damit die Sitzungen nicht reine Informationsveranstaltungen sind und die Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird. Zielsetzung ist die aktive Einbindung der Akteure in den Quartiersentwicklungsprozess.
Die Aufgaben der
Das Organisationsmodell erfordert eine
Im
Es gibt nicht die Einrichtung einer Anlaufstelle im Quartier, der Netzwerkaufbau und die Formulierung eines integrierten Handlungskonzepts zur zielbezogenen Initiierung von Entwicklungsprojekten.
Zum Standardverfahren des Quartiermanagements gehört die Einrichtung einer
Der bzw. die „Quartiermanager/in“ nimmt zentrale Entwicklungs-, Koordinations-, Beteiligungs- und Vernetzungsaufgaben im lokalen System wahr. Allerdings muss sich das Quartiermanagement als Kern eines Akteursnetzwerkes sehen, als Motor eines
Das Quartiermanagement ist nicht für sich leistungsfähig, sondern nur in der wirkungsvollen Einbettung in das gesamte lokale Akteursnetzwerk. „Top down“ vollzieht sich in diesem Netz der Informations- und Abstimmungsfluss von der strategischen Handlungsebene der Stadtverwaltung in das Quartier hinein und „bottom up“ findet die Initiierung und Generierung von Projekten aus den lokalen Potenzialen heraus statt. Das Quartiermanagement hat dabei steuernde Kanalisierungsfunktionen, aber es ist die netzförmige Arbeitsweise und Kooperation der Akteure im Stadtquartier, die – kaskadenförmig – Folgevernetzungen unter der Bewohnerschaft und unter den intermediären Kräften im Quartier auslöst (vgl. Fürst / Schubert 2002)
Die Agenda des Quartiermanagements resultiert aus einem
Auf der Grundlage des integrierten Handlungskonzeptes entwickelt das Quartiermanagement einen Handlungsansatz zur Aktivierung der Bewohnerschaft und zum bürgerschaftlichem Engagement in Entwicklungsprojekten. Die aus dem integrierten Handlungskonzept abgeleiteten Projekte müssen immer unter Einbindung der Bewohnerschaft bzw. örtlicher Kräfte entwickelt werden, um eine hohe Akzeptanz und um einen breiten Nutzen daraus zu ziehen. Das Quartiermanagement soll die Projekte nicht selbst durchführen, sondern in der Anfangsphase im Sinne einer Initialzündung fördern. Im Zusammenwirken mit lokalen Akteuren in den Gremien des Quartierbeirates und der Bürgerjury sollen Projektideen zur Quartiersentwicklung generiert werden. Danach ist ihre Realisierbarkeit zu überprüfen und in einem Umsetzungskonzept unter Einbindung des lokalen Netzwerkes zu klären, wer Verantwortung für die Umsetzung übernimmt.
Für die Umsetzung des integrierten Handlungskonzeptes hat sich das Instrument des Kontraktmanagements bewährt. So wie die strategische Ebene mit den Trägern des Quartiermanagements Verträge über deren Aufgaben, Leistungen und die darüber notwendigen Mittel abschließen kann, so kann das Quartiermanagement auch mit lokalen Akteuren im Quartier Kontrakte vereinbaren. Das Kontraktmanagement hat sich zur Organisation eines komplexen Netzwerkes verschiedenster Einrichtungen und Träger bewährt. Mit den Trägern werden Vereinbarungen getroffen, um Verbindlichkeiten und gemeinsame Handlungsgrundlagen herzustellen. Die Kontrakte sollten präzise definierte quantitative und qualitative Zielformulierungen sowie zeitliche Festlegungen beinhaltet. Die Vereinbarungen müssen überprüfbar sein und die Ergebnisse dokumentiert werden. Die Einhaltung der getroffenen Kontrakte wird während und nach Abschluss der Maßnahmen durch das Lenkungsgremium bewertet.
Das integrierte Handlungskonzept bildet den „roten Faden“ im Abstimmungsprozess zwischen der normativen, der strategischen und der operativen Ebene des. Der Prozess seiner Erstellung beginnt auf der normativen Ebene und wird über die strategische bis zur operativen Ebene herunter fortgesetzt:
Auf der normativen Ebene der Entscheidungen des Gemeinderats werden die Orientierungsziele formuliert und die zu ihrer Erreichung notwendigen Ressourcen im Haushalt bereitgestellt. Auf der strategischen Ebene wird der normativ vorgegebene Orientierungsrahmen weiterentwickelt. An Hand von gebietsbezogenen Strukturdaten wird eine Ist-Analyse der Situation im Quartier vorgenommen. Auf dieser Grundlage werden die Orientierungsziele konkretisiert, die zur Zielerreichung erforderlichen organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen und in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren messbare Umsetzungsziele, Prioritäten und Handlungsschritte für das Quartiermanagement im Quartier vereinbart. Auf der operativen Ebene wird der Zielkatalog in konkrete Maßnahmen umgesetzt.
Mit zunehmender Konkretisierung der Ziele von der normativen bis zur operativen Ebene soll sich ihre Formulierung an den Die Ziele sollen nicht allgemein formuliert, sondern auf die spezifischen Rahmen- und Arbeitbedingungen in den jeweiligen Einrichtungen oder das jeweilige Projekt abgestimmt sein. Für die Ergebniskontrolle müssen die Ziele messbar sein. Es müssen Verfahren und Indikatoren entwickelt werden, an denen sich die Erreichung oder Nichterreichung der Ziele auch für Außenstehende ablesen lässt. Die Akzeptanz eines Zieles zeichnet sich dadurch aus, dass ein weitgehender Konsens unter der Mitarbeiterschaft bzw. zwischen den beteiligten Organisationen über die konkrete Zielausprägung herrscht. Ziele sollen nicht trivial sein, indem sie einen Zustand beschreiben, der unabhängig vom Projektablauf ohnehin zu erwarten ist, sondern eine realistische Perspektive entwickeln. Das schließt vor allem utopische, also nicht erreichbare Vorstellungen aus, die unter gegebenen politischen oder finanziellen Rahmenbedingungen unrealistisch sind. Für die Erreichung der Ziele muss eine Zeitperspektive bestimmt und eine konkrete Terminierung gesetzt werden. Das ist eine der Grundvoraussetzungen für effektives Projektmanagement und schafft eine Verbindlichkeit bei der Aufgabenverteilung unter den Beteiligten.
Alle Evaluationsverfahren orientieren sich an den im Rahmen des Handlungskonzepts enthaltenen Zielen und messen daran den Erfolg des Quartiermanagements. Ohne die Formulierung von klaren Zielen auf der operativen Ebene sind eine Qualitätssicherung und eine fundierte Evaluation der Projekte und Maßnahmen nicht möglich.
Für die
Die
Abbildung 2
Modell für den Verfahrensablauf des Quartiermanagements

Für das
Zur Sicherung einer angemessenen Prozesssteuerung ist das Verfahren der
Anschließend werden die Ziele im Rahmen eines
In diesem Prozess werden die jeweiligen Handlungsbedarfe ermittelt und über eine Prioritätenliste bestimmt, welche Projekte und Maßnahmen im Quartier umgesetzt werden sollen. Dabei müssen die bereits bestehenden Gremien, Arbeits- und Projektgruppen gezielt einbezogen werden. Mit der Formulierung von Leit- und Handlungszielen im Sinne einer Zielhierarchie und mit der abschließenden Festlegung von konkret operationalisierten und überprüfbaren Zielen bekommt der Erneuerungsprozess im Quartier eine klare strategische und operative Ausrichtung.
Im Programmverlauf werden sich Veränderungen und Anpassungen des Handlungskonzeptes ergeben, so dass auch eine kontinuierliche Fortschreibung des integrierten Handlungsprogramms Bestandteil der Evaluierung ist.
Abbildung 1

Abbildung 2
