1. bookVolumen 63 (2005): Edición 4 (July 2005)
Detalles de la revista
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Formato
Revista
eISSN
1869-4179
Primera edición
30 Jan 1936
Calendario de la edición
6 veces al año
Idiomas
Alemán, Inglés
Acceso abierto

Umbau ohne Bau – den demographischen Wandel im Quartier gestalten

Publicado en línea: 31 Jul 2005
Volumen & Edición: Volumen 63 (2005) - Edición 4 (July 2005)
Páginas: 288 - 296
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eISSN
1869-4179
Primera edición
30 Jan 1936
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Alemán, Inglés
Der Kontext: demographische Trends

Neben dem oft vorherrschenden Thema des Bevölkerungsrückgangs sind Alterung und Internationalisierung wesentliche Komponenten der künftigen demographischen Entwicklung (vgl. Bucher et al. 2004). Während sich bis 2020 zunächst nur Trends andeuten, werden die Veränderungen dann in der weiteren Zeit bis 2050 voll zur Geltung kommen (Münz 2003).

Allerdings können Prognosen der Marke „grauer, bunter, einzelner“ schnell in die Irre führen. Denn die Entwicklungen werden in einzelnen Teilräumen erheblich - und deutlich stärker als in der Vergangenheit - differieren. Während die deutsche Bevölkerung bis 2020 insgesamt nur leicht zurückgeht, von 82,2 Mio. Einwohnern 1999 auf 81,5 Mio., werden Wachstumsregionen wie Havelland-Fläming und Hamburg-Umland-Süd mit einem Zuwachs von 24 % bzw. 11 % rechnen können, dagegen Regionen mit - durch Abwanderung verstärkten - Schrumpfungsprozessen wie Vorpommern oder Nordhessen einem Rückgang von 9 % bzw. 8 % entgegensehen müssen (Schlömer 2004).

Was sich auf regionaler Ebene abzeichnet, gilt - zumindest in den Großstädten - auch für einzelne Quartiere. Deshalb sollen in diesem Beitrag die Auswirkungen des demographischen Wandels und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten aus der Froschperspektive, also von der Quartiersebene aus, betrachtet werden. Als Zugang zu dieser Frage werden Entwicklungsstrategien gewählt, und zwar exemplarisch für das im Berliner Bezirk Lichtenberg gelegene Quartier Weitlingstraße, das einen Wandel unter Stagnationsbedingungen organisieren muss.

Solche quartiersbezogenen Zukunftsstrategien sind nicht nur für die Städte selbst erforderlich. Angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission die Bedeutung der Unterstützung städtischer Problemgebiete anerkannt hat (vgl. Europäische Union 2004), stellt sich für die Programmverantwortlichen - in Deutschland: die Länder - die Frage, wie diese Aufgabe im Zuge der Strukturpolitik zukünftig angemessen angegangen werden kann.

Für Berlin seheten die Prognosen wie folgt aus: Zwar wird insgesamt mit einer konstanten Einwohnerzahl von knapp 3,4 Mio. Einwohnern gerechnet, allerdings dürften z.B. die Großsiedlungen am östlichen Stadtrand bis zu einem Drittel ihrer Bewohner verlieren. Insbesondere wird dies den Verlust von sozial besser gestellten und mobileren Haushalten bedeuten. Dabei steigen die Anteile der Menschen über 65 Jahre um ein Viertel von 16 % auf 20 % und die der internationalen Zuwanderer um rund ein Fünftel von 13,1 % auf 15,5 % (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2004a). Zusätzlich sind die trotz konstanter Einwohnerzahl erheblichen innerstädtischen Wanderungsbewegungen zu beachten, die vorhandene Disparitäten weiter verstärken (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz 2004).

Die Berliner Prognosen werden durch die Untersuchungen der Segregationsforschung pointiert (Krätke 1995): Die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarkts, insbesondere in Folge der Erosion von Normalarbeitsverhältnissen, führen nicht nur zu einer Heterogenisierung zwischen Regionen, sondern auch zu einer Vervielfältigung sozialräumlicher Spaltungen und einer zunehmend kleinräumigeren Segregation innerhalb der Städte. Mit dem Begriffder „vielfach geteilten Stadt“ versucht Krätke in Anlehnung an Peter Marcuses „quartered city“ die Auflösung großflächiger Zonen in eine Vielzahl von Quartieren mit sozioökonomisch unterschiedlich starken Gruppen zu beschreiben. Dabei werden die sozioökonomischen Spaltungen durch kulturelle Faktoren überlagert, die die Konflikthaftigkeit der Auseinandersetzungen zusätzlich steigern. Insofern ist es durchaus berechtigt, von „urban frontiers“ oder innerstädtisch umkämpften Grenzräumen zu sprechen (vgl. Smith 1996).

Um die sozioökonomische wie kulturelle Differenzierung der Gesellschaft besser zu erfassen, bieten Milieukonzepte einen geeigneten Zugang. Die NRW-Enquetekommission „Zukunft der Städte“ hat deshalb zu Recht bemängelt, dass die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse noch nicht in ausreichendem Maße auf Konsequenzen für das stadtpolitische Handeln betrachtet worden sind (Landtag NRW 2004, S. 206). Neben einer verstärkten Ausrichtung der Wohnungswirtschaft auf qualitative, milieuspezifische Wohnungsmarktbeobachtungen und hierauf ausgerichtete Modernisierungsaktivitäten sind auch in der Wohnumfeldgestaltung sowie der Gestaltung öffentlicher Infrastrukturangebote oder privater Dienstleistungen milieuspezifische Anforderungen zu berücksichtigen (vgl. auch Jeschke 2004).

So wird trotz der Erwartung, dass die Berliner Bevölkerung mittelfristig stagniert, aufgrund von Alterung und Wanderungen mit erheblichen demographischen Veränderungen in der Stadt zu rechnen sein. Diese werden in einzelnen Quartieren unterschiedliche Ausmaße und Formen annahmen. Die Aufgabe des demographischen Wandels auf Quartiersebene muss deshalb die gesellschaftliche Differenzierung im Blick behalten, zumal zu vermuten ist, „dass es in den demographisch schwierigen Jahren ab 2015 weder eine Diktatur der Alten noch eine Herrschaft der Jungen geben wird. (…)Ein hohes Einkommen wird jugendliches Aussehen und Auftreten erleichtern, Jugendlichkeit wiederum wird helfen, Einkommen und Status zu erzielen. Die sozialen Unterschiede nehmen zu.“ (Niejahr 2004, S. 123)

Entwicklungsoptionen des Quartiers „Weitlingstraße“

Auf Entwicklungsszenarien wird hier zurückgegriffen, weil Prognosen umso unsicherer werden, je kleiner ihr Bezugsraum ist (Bucher et al. 2004, S. 108). So sind Prognosen für einzelne Quartiere in langen Zeiträumen wenig robust. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade in einer Situation wie in Berlin mit einem nachfragebestimmten Immobilienmarkt und oftmals nur geringfügigen Lagedifferenzierungen eine erfolgreiche Stabilisierung des Quartiers nicht nur von der Situation im Quartier selbst abhängt, sondern auch von den konkurrierenden Quartieren in vergleichbarer stadträumlicher Lage, und zwar bezogen auf die materielle Situation wie auf das Image.

Ausgangslage

Das Quartier „Weitlingstraße“, in dem rund 11 000 Menschen leben, liegt im Berliner Bezirk Lichtenberg und grenzt unmittelbar an den dortigen Bahnhof an. Es befindet sich ca. 5 km östlich des Alexanderplatzes, kurz außerhalb des S-Bahn-Rings, also in Randlage zur Innenstadt. Ausgewiesen ist es als Stadtumbaugebiet sowie in Teilen als Sanierungsgebiet.

Die bauliche Struktur des Gebiets lässt sich so charakterisieren (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2002b):

ca. 8 400 Wohneinheiten, vorwiegend in Gebäuden der Gründerzeit und der 20er Jahre

überwiegend 1 1/2 bis 2 1/2-Zimmer-Wohnungen mit Duschbad und Ofenheizungen zwischen 35 und 50 m2; weniger als 10 % der Wohnungen haben über 80 m2

hohe Wohnungsleerstände, insbesondere in unsanierten Beständen (18,5 %, z.T. sanierungsbedingt).

Während die bauliche Situation aufgrund ihrer Langlebigkeit weitgehend determiniert ist, weist die Bevölkerung eine geringere Stabilität auf (ebda.):

starke Einwohnerverluste zwischen 1995 und 2000 (-17,3%)

unterdurchschnittliche Anteile von Kindern und Jugendlichen (11,3%; Berlin: 13,4%) sowie Senioren (13,6 %; Berlin: 14,3 %)

großstadttypisch hohe Anteile von 1- bzw. 2-Personen-Haushalten von über 75 %.

Im Sozialindex, der sich aus Indikatoren für die Bereiche Sozialhilfe, Arbeitslosigkeit, Ausländeranteil und Anteil der jungen Erwachsenen zusammensetzt, spiegelt sich die soziale Situation des Quartiers: Bei diesem belegt die Verkehrszelle 1471 (Nöldnerplatz) Platz 255 von 298 einbezogenen Berliner Verkehrszellen; dies ist der niedrigste Wert des Alt-Bezirks Lichtenberg (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz 2004). Besonders hoch ist der Arbeitslosenanteil (Rang 264 von 298), während der Ausländeranteil im Berliner Schnittstark unterdurchschnittlich ausfällt.

Auch Akteure im Gebiet selbst bewerten die Entwicklung der vergangenen Jahre und die Zukunftsperspektive des Gebiets als kritisch (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2005, S. 25 ff.). Geprägt ist die Wahrnehmung dabei insbesondere von der Situation der Läden in der Weitlingstraße; sie scheint der maßgebliche Identifikationspunkt im Gebiet zu sein. Angesichts der Konkurrenz im Einzelhandel mit großen Einkaufszentren in unmittelbarer Nachbarschaft sind Strategien zur Belebung der Geschäfte allerdings schwer realisierbar.

Trotz aller Schwierigkeiten sollten auch die Potenziale des Quartiers beachtet werden. Dazu zählen neben der guten ÖV-Anbindung der hohe Anteil nutzbarer Freiflächen und die hohe gestalterische Qualität im Reformwohnungsbau. Dies wird auch daran deutlich, dass die bisher sanierten Wohnungen gut nachgefragt wurden, was in einem überdurchschnittlichen Anstieg der Einwohnerzahlen innerhalb des Sanierungsgebiets zum Ausdruck kommt.

Entwicklungsszenarien

Auf der Basis der Situationsbeschreibung sollen im Folgenden Entwicklungsszenarien erörtert werden. Angesichts der Dominanz der Wohnnutzung im Gebiet wird deren Perspektive als Ausgangspunkt gewählt. Die Entwicklungsszenarien sind ein Nachdenken über mögliche Zukünfte vor dem Hintergrund von Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Positionen im Lebenszyklus. Ausgehend von der Annahme, dass die Zukunft sich als grundsätzlich gestaltbar darstellt, es also keine klar determinierte Entwicklung gibt, ist keines der entwickelten Szenarien zwingend. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Wohnungsnachfrager verhalten, aber auch in welcher Weise die Akteure (Senat, Bezirk, Wohnungsbaugesellschaften, Bürger) ihre Ziele setzen und wie die Akteure Zusammenwirken.

Szenario I: Familien

Das von den meisten Wohnungseigentümern bisher präferierte Szenario der Modernisierung für (Mittelklasse)Familien, die ja nicht zwangsläufig auf suburbane Standorte orientiert sind (Landtag NRW2004, S. 129), ist in Berlin bisher durchaus erfolgreich gewesen, zumal in innenstadtnahen Quartieren. Durch das bessere Wohnungsangebot werde auch eine sozial stabilere Bevölkerung einziehen, so die Hoffnung. Allerdings darf trotz grundsätzlich vorhandener Nachfrage nicht vergessen werden, dass eine harte Konkurrenz mit anderen Innenstadtstandorten um Familien mit Kindern besteht.

Szenario II: Substandard-Wohnen

Aufgrund der kleinen Wohnungen würde ein Verzicht auf weitere Investitionen im Quartier eine Entwicklung als Substandard-Wohngebiet zur Folge haben. Da keine größeren finanziellen Ressourcen benötigt würden, wären im Gegenzug günstige Mieten möglich, die wiederum einen monetären Anreiz böten, in das Gebiet zu ziehen. Im Ergebnis wäre allerdings zu befürchten, dass eine Verwahrlosung des Gebiets einsetzt und insbesondere jene Bewohner abwandern würden, die zur sozialen Stabilisierung beitragen könnten.

Szenario III: Studentisches Wohnen

Eine weitere Möglichkeit der Entwicklung des Wohnungsbestands wäre es, gezielt auf Studierende zu setzen. Dies erscheint angesichts der kleinen Wohnungsgrößen, der relativ zentralen Lage und der einsetzenden Verdrängungseffekte im derzeit stark studentisch geprägten benachbarten Friedrichshain aussichtsreich. Im Erfolgsfall bestünde langfristig die Chance, Sickereffekte zu erzielen - wenn nämlich einige Studierende auch nach der Familiengründung im Gebiet bleiben und so zu einer Stabilisierung und sozialen Pluralisierung beitragen. Bereits derzeit werden von Wohnungsunternehmen spezielle Angebote für Studierende entwickelt (vgl. Schröter 2001; Berliner Morgenpost, 27.11.2004: Billigmiete für Studenten).

Szenario IV: Integrationsquartier

Vorstellbar wäre auch, für die Wohnungen gezielt Migrantenhaushalte zu werben. Ausschlaggebend hierfür ist weniger die unmittelbare Lage am Bahnhof Lichtenberg als Fernbahnhof für die Verbindungen nach Osteuropa, sondern vor allem das Angebot an günstigem innerstädtischen Wohnraum. Wenn diese Haushalte in der Stadt Fuß gefasst haben, dürften einige weiter in andere Stadtteile ziehen, andere hingegen im Gebiet bleiben.

Szenario V: Wohnen im Alter

Gerade für weniger mobile ältere Menschen könnte das Quartier geeignete Wohnungsangebote bereitstellen. Die kleinen Wohnungszuschnitte sind hier kein Hemmnis, sondern für 1- bis 2-Personen-Haushalte durchaus interessant. Allerdings werden sich auch in diesem Segment die Bedarfe ändern: Die Wohnerfahrungen zukünftiger Alter haben bereits zu einer Vielfalt von Modellprojekten geführt, die die vorhandene Dichotomie von 1-Personen-Haushalten auf der einen und Altersheimen auf der anderen Seite durch gemeinschaftliche Wohnformen bei grundsätzlicher Eigenständigkeit ergänzen (Niejahr 2004, S. 153 ff.; vgl. auch Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2004b). Dies lässt vermuten, dass in Zukunft in stärkerem Umfang Angebote gefragt sein werden, die sich für gemeinschaftliches Wohnen eignen.

Szenario VI: Selbstbauquartier

Vor dem Hintergrund der geringen finanziellen Ressourcen der Wohnungseigentümer wie auch der heutigen Mieter wäre auch die Entwicklung als Selbstbauquartier denkbar. Analog zum Projekt „einfach und selber bauen“ der IBA Emscher Park könnte versucht werden, durch Verkauf der Wohnungen zu günstigen Konditionen Haushalte an das Quartiers zu binden. Diese müssten dann im Gegenzug über Eigenleistungen in Form einer „Muskelhypothek“ die Instandhaltung und den nachfragegerechten Ausbau der Wohnungen übernehmen. Durch die Eigentumsbildung könnte mittelfristig eine stärkere Identifikation mit dem Quartier erreicht werden. Trotz niedrigschwelliger Angebote sind allerdings in diesem Fall auf Seiten der Bewohner eine (wenn auch geringe) eigene Kapitaldecke und entsprechende handwerkliche Fähigkeiten bzw. ein soziales Netzwerk erforderlich.

Fazit

Bei der Einschätzung der Entwicklungsszenarien müssen folgende drei Punkte beachtet werden:

die den skizzierten demographischen und soziokulturellen Entwicklungen entsprechende Nachfrage

die dem entsprechende Eignung des Wohnungsangebots bzw. der baulichen Struktur

die Verfügbarkeit zielgruppenbezogener Infrastruktur- und Versorgungsangebote.

Betrachtet man die zukünftige Nachfrage, erscheint das erste Entwicklungsszenario (Wohnen für Familien)als ungeeignet: Angesichts des Rückgangs von Familienhaushalten und der starken Konkurrenz um sie ist eine Fokussierung auf diese Gruppe sehr risikoreich - selbst wenn man in Rechnung stellt, dass durchaus Interesse an innerstädtischen Wohnlagen besteht. Im Gegensatz hierzu ist bei Migrantenhaushalten und Altenwohnen (Szenarien IV und V) in Zukunft mit verstärkter Nachfrage zu rechnen. Das gilt zumindest kurzfristig auch für die Studenten (Szenario III): Durch Verdrängungseffekte in benachbarten Stadtteilen hat das Quartier aufgrund seiner zentralen Lage und günstigen Angebote durchaus Potenziale. Allerdings ist auf Dauer auch hier mit sinkenden Zahlen und als Folge einem verstärkten Konkurrenzkampf zu rechnen.

Etwas anders gelagert ist die Situation im Szenario II (Substandard-Wohnen): Während aus der Sicht der Segregationsforschung auch zukünftig mit einer (wieder zunehmenden) gesellschaftlichen Spreizung zu rechnen ist, sorgt die Finanzierung des Wohnraums im Rahmen des Sozialstaatsgebots für eine effektive Preisgrenze nach unten. Dieser Kontext lässt die Entwicklung als Substandard-Wohngebiet wenig sinnvoll erscheinen, einmal abgesehen davon, dass dies auch benachbarte Quartiere stark in Mitleidenschaft ziehen dürfte.

Beim Selbstbauquartier (Szenario VI) hingegen ist zunächst zu untersuchen, in welchem Umfang die derzeitige Bevölkerung zur Eigentumsbildung im Quartier willens und auch materiell in der Lage ist.

Als zweiter Aspekt ist die durch den Wohnungsbestand weitgehend determinierte bauliche Situation einzubeziehen: Die Vielzahl kleiner Wohnungen spricht gegen die Szenarien I und IV. Allerdings ist vorstellbar, dass gerade einzelne Migranten, die unter der Woche oder vorübergehend in Berlin wohnen, hier Unterkunft finden. Auch wenn die Bedarfe der Szenarien III bis V mit dem Bestand gut zu harmonieren scheinen, gewinnt die Verfügbarkeit großer Wohnungen auch für diese Haushalte an Bedeutung. Angesichts dieser Tatsache sollten sich Umbaumaßnahmen unabhängig vom zu wählenden Szenario verstärkt darauf ausrichten, das Angebot an großen Wohnungen zu verbessern.

Betrachtet man als Drittes die Infrastruktur- und Versorgungsangebote, so beziehen diese sich derzeit meist auf Familien. Allerdings ist dies keineswegs eine „sichere Bank“, sondern es muss durch eine beständige Qualitätsentwicklung bei Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen ständig neu um die Gunst der Nutzer geworben werden. Sieht man einmal von der Substandard-Variante ab, wo die Situation eher aufgrund der Nähe zu Behörden als aufgrund spezieller Angebote als akzeptabel zu bezeichnen ist, so ist für die übrigen Zielgruppen das lokale Angebot unzureichend: Für die älteren Menschen fehlen nicht nur die Zugänglichkeit der Wohnungen (Aufzüge etc.) und wohnungsnahe Freiflächen, sondern auch ein breites Dienstleistungsangebot (von Pflege bis hin zu Kommunikation). Angebote für Studenten (von Copyshops bis hin zu Szenekneipen) sind ebenso Mangelware wie solche für Menschen mit anderer ethnischer Herkunft oder Serviceleistungen für Eigentumsinteressenten mit geringer Kapitaldecke. Hier müsste entsprechend der Zielsetzung ein gezielter Aufbau der öffentlichen wie privaten Angebote angestrebt werden.

Szenario

Nachfrage

Eignung der Wohnungen

Infrastruktur / Versorgung

Gesamteignung

I: Familien

-

0

0

-

II: Substandard-Wohnen

-

+

0

-

III: Studentisches Wohnen

+ (langfristig:-)

+ (WGs: -)

-

+

IV: Integrationsquartier

+

-

-

0

(Einzelpers.:+)

V: Wohnen im Alter

+

+

-

+

VI: Selbstbauquartier

?

+

-

+

gute Voraussetzungen

schlechte Voraussetzungen

Situation derzeit neutral; bedarf aber zukünftig verstärkter Anstrengungen

offen; müsste durch Pilotprojekte und Marktforschung weiter ermittelt werden

Zusammenfassend ist festzustellen: Einerseits sollte bei den derzeitigen Bewohnern durch kapitalextensive Eigentumsbildung (Szenario VI) angesetzt werden. Zum anderen müssten derzeit unterrepräsentierte Gruppen verstärkt für das Quartier geworben werden. Aussichtsreich erscheint dies insbesondere bei Studierenden (Szenario III) und Senioren (Szenario V), zumal sie über eine sozioökonomische und kulturelle Kompatibilität zur bisherigen Bewohnerschaft verfügen.

Quartier 2020: Eine Agenda für den Quartiersumbau

Im Folgenden sollen die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden in den zentralen Interventionsbereichen Wohnungsangebot, soziale Infrastruktur, lokale Ökonomie und öffentlicher Raum untersucht werden. Zugrunde liegt die These, dass im Falle der Weitlingstraße (und vergleichbarer Quartiere) ein struktureller Wohnungsleerstand vermieden werden kann, wenn geeignete Maßnahmen zum Umbau des Quartiers ergriffen werden. Dabei ist die Bestimmung konkreter Maßnahmen abhängig vom angestrebten Entwicklungsszenario.

Wohnungsangebot

Der Handlungsbedarf im Wohnungsangebot liegt darin, den vorhandenen baulichen Bestand an die sich durch Demographie oder Wertewandel ändernde Nachfrage anzupassen. Dies bedeutet - je nach Entwicklungsszenario - z.B. eine Zusammenlegung von Wohnungen, Modernisierung des Bestands, Umwandlung in Eigentum oder Herstellung von Barrierefreiheit. Diese Anpassung an die geänderte bzw. sich zukünftig ändernde Nachfrage ist die Basis des Quartiersumbaus.

Allerdings sind - falls die Eigentümer nicht aus wohlverstandenem Eigeninteresse handeln - die Interventionsmöglichkeiten der öffentlichen Hand begrenzt: Während der Einsatz von EU-Strukturfondsmitteln für den Wohnungsbereich vollständig ausgeschlossen ist, dürfte der Einsatz nationaler Mittel angesichts klammer Kassen nur ausnahmsweise (insbesondere bei vollständigem Rückbau) infrage kommen. So hat der Berliner Senat mit der Devise „öffentliches Geld für öffentliche Aufgaben“ den Abschied von der Förderung von Modernisierung und Instandsetzung eingeläutet.

Auch die Bauleitplanung hilft kaum weiter, weil ihre Instrumente paradigmatisch darauf zielen, eine vorhandene Nachfrage nach Flächen zu kanalisieren (Bauleitplanung). Da, wo es an Nachfrage fehlt, bedarf es aber stattdessen Anreize, eine solche zu erzeugen. Zwar dürften in Einzelfällen auch bauleitplanerische Instrumente (z. B. Aufstellung eines Bebauungsplans zur Sicherung einer Nachnutzung auf einem Rückbaustandort) hilfreich sein, aber sie werden den Quartiersumbau im Ganzen nicht steuern können. Eher dürften schon die Instrumente des besonderen Städtebaurechts infrage kommen. Neben den allenfalls in Einzelfällen anwendbaren städtebaulichen Geboten (Modernisierungs-, Instandsetzungs-, Rückbaugebot) könnte die Ausweisung von Sanierungsgebieten (§ 171 d BauGB) ein geeignetes und flexibles Instrument sein, um alle Eigentümer an einen Tisch zu bekommen und Trittbrettfahrereffekte zu vermeiden - ein Problem, das insbesondere in Altbaubeständen mit einer Vielzahl von Eigentümern von großer Bedeutung ist.

Wichtiger als eine Intervention in Einzelmaßnahmen der Bestandsentwicklung ist jedoch, dass die Strategien der Akteure miteinander kompatibel sind und auf einer milieusensiblen Marktbeobachtung beruhen. Dies dürfte allerdings nicht leicht zu erreichen sein, da unabgestimmtes Handeln für die verschiedenen Akteure durchaus rational sein kann. Dem muss die Gemeinde durch Überzeugungsarbeit entgegenwirken. Dabei kann sie in die Waagschale werfen, dass auch für die Eigentümer die Verknüpfung der Entwicklung ihrer Bestände mit der Infrastrukturentwicklung der Gemeinde auf Dauer lohnend sein dürfte.

Soziale Infrastruktur

Aus Sicht der Gemeinde muss das Handlungsfeld „soziale Infrastruktur“ die Leitfunktion im Umbauprozess wahrnehmen, weil es in erheblichem Umfang der eigenen Steuerung unterliegt. In manchen Bereichen sind die Gemeinden selbst tätig, in anderen befinden sich die Einrichtungen zwar in freier Trägerschaft, unterliegen aber dennoch in Planung und Finanzierung dem Einflussbereich der Gemeinden. Die Infrastruktur stellt somit das wesentliche Pfund dar, mit dem diese im Stadtumbauprozess wuchern können.

Allerdings steht auch die Infrastruktur nicht außerhalb der Umbauzwänge, sondern ist deren integraler Bestandteil. Denn:

Die Finanzierung der Infrastrukturangebote und -einrichtungen wird immer prekärer. Schon bei stagnierenden Einwohnerzahlen stehen die Gemeinden vor der Aufgabe, den Betrieb der Infrastruktur mit weniger Ressourcen bewerkstelligen zu müssen. In Gebieten mit schrumpfender Bevölkerung verstärken sich diese Zwänge noch zusätzlich. Zwar kann versucht werden, die geringeren Ressourcen durch Eigenbeiträge der Nutzer zu kompensieren, doch sind dem enge Grenzen gesetzt. Während z. B. die Nutzung von Kitas politisch gewollt ist und durch Beiträge ungewollte Nachfragerückgänge eintreten könnten, ist bei anderen Nutzungen wie z.B. Schwimmbädern zu befürchten, dass die Einnahmen durch rückläufige Nachfrage sinken, so dass eine Erhöhung der Eigenfinanzierungsquote nicht gelingt. Als Alternative verbleibt dann nur noch die Schließung.

Zudem sind Einrichtungen mit den sich ändernden Bedarfen aufgrund der Alterung der Gesellschaft konfrontiert: Wo weniger Kinder sind, sinkt der Bedarf an Schulen: wo mehr Alte leben, steigt der Bedarf an Alten- und Pflegediensten. Diese Veränderungen muss die Infrastrukturentwicklung im Blick haben.

Der Prozess der Alterung wird überlagert durch den Prozess der Pluralisierung. Daraus ergibt sich, dass jenseits von Alter und sozioökonomischem Status auch kulturelle und bildungsbezogene Faktoren die Nachfrage nach Angeboten bestimmen. Hierauf müssen sich die Einrichtungen einstellen.

Schließlich kommt noch hinzu, dass die ethnische Mischung durch Zuwanderung erheblich zunimmt - gerade in den Agglomerationen. Auch hieraus erwachsen neue Bedarfe, die zu einer weiteren Diversifizierung der Nachfrage führen.

Deutlich wird: Die Kalkulation des quantitativen Bedarfs an Infrastruktur ist allenfalls ein erster Schritt. Mindestens genauso wichtig ist es, das inhaltliche Angebot der Einrichtungen zu planen und das derzeitige Angebot mit den ermittelten Bedarfen abzugleichen.

Wie bereits in den Überlegungen zu den Entwicklungsszenarien deutlich wurde, ist eine Kompatibilität der Infrastrukturangebote bezogen auf die Entwicklungsstrategie erforderlich, da die Standortentscheidung in einem Nachfragermarkt nicht allein von der Wohnung selbst, sondern auch vom Quartier mitbestimmt wird. So wird ältere Menschen eine barrierefreie Wohnung nicht überzeugen, wenn im Umfeld keine seniorenbezogenen Kommunikations-, Bildungs- und Gesundheitsangebote vorhanden sind. Ähnliches gilt - mit anderen inhaltlichen Ausrichtungen - für Zielgruppen wie Menschen anderer ethnischer Herkunft, Studierende oder Familien mit Kindern. Selbstverständlich muss auch hier die innere Differenzierung dieser Gruppen mitbedacht werden (zum Gesundheitsbereich siehe Niejahr 2004, S. 111 ff.).

Grundlage für die Planung der Infrastruktur muss ein am Entwicklungsszenario ausgerichtetes, für die gesellschaftliche Differenzierung in Zielgruppen, Milieus und ethnische Herkünfte sensibilisiertes Konzept sein. Angesichts der begrenzten Beeinflussbarkeit der anderen Handlungsfelder kommt der Infrastrukturplanung insofern zukünftig eine Leitfunktion für die Quartiersentwicklung zu.

Unter der Bedingung von Stagnation (oder Schrumpfung) sind besondere Koordinationsleistungen erforderlich, weil sich abzeichnende neue Bedarfe nicht mehr durch zusätzliche Angebote, sondern durch Umsteuerung bei bestehenden Einrichtungen - bis hin zur Schließung - abzudecken sind. Deshalb steht die inhaltliche Fortentwicklung bestehender Angebote im Vordergrund. In der Konsequenz kann es sich als erforderlich erweisen, vorhandene Einrichtungen umzunutzen, z. B. eine Schule in ein Altenpflegeheim umzuwidmen. Diese Umnutzung kann auch bauliche Veränderungen einschließen (z.B. Gewährleistung von Barrierefreiheit), sogar Neubauten erfordern, wenn so die Wirtschaftlichkeit des Betriebs verbessert wird, muss damit aber nicht zwingend verbunden sein.

Lokale Ökonomie

So wichtig die wirtschaftliche Entwicklung für die Zukunft auch sein mag, so sehr entzieht sie sich doch einer unmittelbaren Steuerung von der Quartiersebene aus. Deshalb sind hier komplementäre Anstrengungen auf der Ebene der regionalen Arbeitsmärkte erforderlich.

Auf Quartiersebene müssen die lokalen Versorgungsangebote als die private Seite der Medaille Infrastruktur angesichts von Privatisierungsprozessen (z.B. bei Ver-/ Entsorgung oder im Freizeitbereich) mehr Beachtung erfahren. Allerdings wird die Situation der lokalen Ökonomie zukünftig eher schwieriger werden. Denn es ist vorauszusehen, dass bestehende Betriebe, die stark auf den lokalen Markt ausgerichtet sind, wegen rückgängiger Kaufkraft verstärkt in Existenzschwierigkeiten geraten (vgl. Niejahr 2004, S. 34 f.). Ziel einer Intervention für den „Handel im Wandel“ muss sein, die Betriebsinhaber zu eigenen Aktivitäten und zur Aufschließung neuer (weiterhin vorwiegend lokaler) Kundenkreise zu ermuntern - z. B. durch innovative Angebote, besondere Dienstleistungsqualitäten und gemeinsames Marketing statt den Prozess des Wandels nur als Niedergang über sichergehen zu lassen.

Handlungsbedarf besteht zudem bei der Nutzung leer stehender Immobilien, insbesondere in den Erdgeschossbereichen. Die Ansiedlung von Dienstleistern führt hier nicht nur zur besseren Nutzung der Bausubstanz, sondern auch zur Belebung des Stadtraums.

Öffentlicher Raum

Angesichts der Finanznot der Gemeinden steht die Schaffung neuer öffentlicher Freiflächen nicht auf der Tagesordnung. Allenfalls in dicht bebauten Innenstadtgebieten bietet es sich an, Rückbauvorhaben dazu zu nutzen, Freiflächendefizite zu reduzieren. In vielen Gebieten aber bestehen bereits genügend Flächen, wenn auch möglicherweise nicht in gewünschter Qualität. Dies gilt nicht nur für Großsiedlungen der 1950er bis 80er Jahre, sondern auch für das Gebiet Weitlingstraße mit den ausgedehnten Höfen der 20er Jahre- Bebauung.

Wesentlicher als neue Quantitäten ist daher die Ausrichtung des öffentlichen Raums auf sich verändernde Anforderungen seitens der Bewohnerschaft. Gerade in diesem Bereich müssen auch Konflikte zwischen verschiedenen Milieus, die hier als Nutzungskonflikte in Erscheinung treten, thematisiert und bewältigt werden. Insofern geht die Aufgabe der öffentlichen Hand hier deutlich über die Bereitstellung der Räume hinaus in Richtung auf ein Konfliktmanagement im Quartier.

Die Gestaltung des öffentlichen Raums muss aber unter heutigen Bedingungen noch weiter gefasst werden. Sie beinhaltet auch die Aufgabe, die verschiedenen, in ihrem Verhalten voneinander stark abhängigen lokalen Akteure an einen Tisch zu führen. Die Ausbildung eines Quartiersleitbilds wird zu einem wichtigen Instrument, um die Handlungsstrategien jedenfalls soweit zu synchronisieren, dass Dysfunktionalitäten vermieden werden - z. B. dergestalt, dass ein Eigentümer auf Modernisierung, sein Nachbar hingegen auf Desinvestition setzt. Das scheinbar zu vernachlässigende Handlungsfeld von Identität und Image hat deswegen eine zentrale Bedeutung für den Umbauprozess.

Ungeklärt bleibt die Frage, ob sich eine solche Identität quasi als Ergebnis eines erfolgreichen Umbauprozesses von selbst einstellt oder ob sie im Vorfeld und als Anschub hierfür generiert werden kann. Auf jeden Fall können externe Rahmenbedingungen wie z. B. die Abgeschlossenheit des Quartiers diese Entwicklung wesentlich befördern, oder es kann - wie im Falle der Weitlingstraße - das Fehlen einer klaren, wahrnehmbaren Gebietsabgrenzung als zusätzliches Manko wahrgenommen werden. Unabhängig von der Ausgangslage muss eine erfolgreiche Umbaustrategie einen von den Quartiersakteuren geteilten Grundkonsens hinsichtlich der Entwicklungsperspektive erzielen, der als Bezugspunkt für das Handeln der einzelnen Akteure dienen kann (vgl. Franz 1997).

Urban plus: Skizze einer Förderkonzeption

Im Zuge der aktuellen Diskussion um die zukünftige EU-Strukturpolitik hat die EU-Kommission deutlich gemacht, dass sie die bisherigen Aktivitäten der Gemeinschaftsinitiative URBAN als sehr erfolgreich betracht (vgl. Europäische Union 2003). Entsprechend stuft sie auch in der zukünftigen Förderstruktur die Berücksichtigung solcher Initiativen als wichtig ein und hat sie als „städtische Dimension“ nicht nur in den Entwürfen der Strukturfondsverordnungen berücksichtigt, sondern auch im Entwurf der Strategischen Leitlinien vom Mai 2005 hervorgehoben. In der Saarbrücker Erklärung vom 9. Juni 2005 haben zahlreiche Städte bekundet, dass die wesentlichen Elemente des Programms, der sog. „Acquis URBAN“, den europaweiten Maßstab für zukünftige quartiersbezogene Stadtentwicklungsansätze bilden:

Dieser „Acquis URBAN“ besteht aus vier Säulen:

einem integrierten Ansatz auf der Basis eines abgestimmten Entwicklungskonzepts mit Bearbeitung der Defizite und Risiken unter Einbeziehung der Potenziale

kooperativen Entscheidungsstrukturen (Lenkungsgremien mit Vertretern von Behörden, Wirtschaftsund Sozialpartnern und aus der Bürgerschaft) sowie einer breiten Beteiligung der Bürger an der Entwicklung und Durchführung von Vorhaben

einer Konzentration der Mittel auf Gebiete mit besonderem Bedarf bestimmt nach sozio-ökonomischen Kriterien

einem europaweiten Erfahrungsaustausch.

Dass dieser Weg mit Erfolg beschritten werden kann, zeigt neben den Erfahrungen des laufenden URBAN II- Programms auch ein Blick auf Stadterneuerungspolitiken in anderen europäischen Ländern (Güntner 2005).

Während die EU-Institutionen die Herausforderung bereits erkannt haben und darauf drängen, diese in der künftigen Strukturpolitik anzugehen, kommt es - entsprechend der Kompetenzverteilung - nun auf Bund und Länder an, diese städtische Dimension im strategischen Rahmenplan bzw. in den Programmen zu berücksichtigen.Durch die starke Differenzierung der Entwicklung zwischen Teilräumen erscheint es dabei wenig sinnvoll, umfangreiche zentrale Vorgaben zu den Inhalten zu machen. Vielmehr sollte diese Aufgabe den Quartiersakteuren übertragen und so die Förderung „auf die Füße gestellt“ werden. Vorgaben der Länder sollten sich in erster Linie auf die Sicherung der Prozessqualität konzentrieren - den Inhalten des „Acquis URBAN“ entsprechend.

Den Gemeinden obliegt es, die Handlungsbedarfe in Projekte zur Quartiersentwicklung zu übersetzen. Wie bereits betont, ist zunächst eine abgestimmte Strategie unter frühzeitiger Einbeziehung aller lokal relevanten Akteure (auch der Eigentümer) zu entwickeln, um eine Kongruenz zwischen den Aktivitäten einzelner zu erreichen und durch eine quartiersbezogene Identitätsbildung zu verhindern, dass sich die Akteure gegenseitig ausbremsen.

Die für diese Strategie relevanten Handlungsfelder (siehe Kap. 3) seien in Kürze noch einmal wiederholt:

eine (in Verantwortung der Eigentümer durchzuführende) Anpassung des Wohnungsangebots

eine Anpassung der sozialen Infrastruktur auf eine durch Demographie, neue Nutzergruppen oder gewandelte Bedarfe sich ändernde Nachfrage, und zwar insbesondere bezogen auf Angebote im Bildungs-, Gesundheits- und Kommunikationsbereich sowie auf die Nutzung von Potenzialen durch Vernetzung von Initiativen im Gebiet

eine Förderung der lokalen Ökonomie durch Unterstützung der Neuausrichtung auf neue Geschäftsfelder (neue Bedarfe) sowie durch Umnutzung leer stehender Immobilien

die Anpassung der öffentlichen Räume für geänderte Bedarfe (auch: neue Nutzergruppen) einschließlich eines quartiersbezogenen Konfliktmanagements.

Die Aufgabe auf den Punkt gebracht, kann man bezogen auf die Weitlingstraße und vergleichbare Fälle - sicherlich im Gegensatz zu Gebieten mit starken Bevölkerungsrückgängen oder -Zuwächsen - tatsächlich von einem „Umbau ohne Bau“ sprechen. Zwar wird es auch zukünftig bauliche Handlungsbedarfe geben, doch liegt der Schwerpunkt eindeutig in der Umnutzung und Verbesserung der Angebotsqualität durch eine bessere Ausrichtung auf die verschiedenen Zielgruppen und Milieus. Oftmals kann diese Veränderung innerhalb des vorhandenen baulichen Bestands realisiert werden. Sinngemäß gilt, was Lampugnani bezogen auf die Digitalisierung formuliert hat: nämlich, dass die vorhandenen baulichen Strukturen keiner großen Veränderung bedürfen, wohl aber einer von Außen unsichtbaren Umrüstung (2000, S. 21). Angesichts dessen und der geringen finanziellen Ressourcen der öffentlichen Hand muss das Primat künftig auf der Sicherung einer Nutzung der Bestandsimmobilien liegen. Bauliche Interventionen erfolgen nur nachrangig, nämlich dort, wo die für die Sicherung der Nutzung erforderlichen Angebote nicht im Bestand realisiert werden können.

Damit ist nicht gesagt, dass die Aufgaben für die Stadtplanung erledigt sind. Auch die Sicherung einer weiteren Nutzung des Bestands ist ein wesentlicher Beitrag zur in § 1(5) BauGB formulierten Aufgabe, „eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung (zu) gewährleisten“. Allerdings werden dabei weniger die Instrumente des Baurechts als Management- und Moderationsfähigkeiten von Belang sein. Trotz der erforderlichen fachlichen Beiträge der klassischen Infrastrukturträger im Sozial- oder Bildungsbereich wird den Planern niemand die Aufgabe abnehmen, Strategien der Quartiersentwicklung anzustoßen, abzustimmen und umzusetzen.

Es bleibt also viel zu tun beim „Umbau ohne Bau“, wenn man nicht blind auf die unsichtbare Hand hoffen will eine Hoffnung, die sich angesichts der vielfältigen Abhängigkeiten der Akteure als trügerisch erweisen dürfte. Stattdessen sollten sich alle Beteiligten bewusst machen, dass sie in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit (wenn auch zuweilen unfreiwillig) eine gemeinsame Zukunft teilen im Guten wie im Schlechten - und dass es sich deshalb lohnt, die Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Szenario

Nachfrage

Eignung der Wohnungen

Infrastruktur / Versorgung

Gesamteignung

I: Familien

-

0

0

-

II: Substandard-Wohnen

-

+

0

-

III: Studentisches Wohnen

+ (langfristig:-)

+ (WGs: -)

-

+

IV: Integrationsquartier

+

-

-

0

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V: Wohnen im Alter

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VI: Selbstbauquartier

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Bucher, Hansjörg: Die Bevölkerungsentwicklung in den Kreisen der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1990 und 2020. Inform. z. Raumentwickl. 2004. 3/4, 107–107BucherHansjörgDie Bevölkerungsentwicklung in den Kreisen der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1990 und 2020Inform. z. Raumentwickl.20043/4107107Search in Google Scholar

Europäische Union: Partnerschaft mit Städten. Die Gemeinschaftsinitiative URBAN. – Luxemburg 2003Europäische Union: Partnerschaft mit Städten. Die Gemeinschaftsinitiative URBAN. – Luxemburg 2003Search in Google Scholar

Europäische Union: Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. – Luxemburg 2004Europäische Union: Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. – Luxemburg 2004Search in Google Scholar

Franz, Peter: Was kann die Stadt heute noch leisten? Integration, urbane Regimes und die Durchsetzbarkeit von Leitbildern. Die alte Stadt. 1997. 4, 294–294FranzPeterWas kann die Stadt heute noch leisten? Integration, urbane Regimes und die Durchsetzbarkeit von LeitbildernDie alte Stadt19974294294Search in Google Scholar

Güntner, Simon: Sozialorientierte Stadterneuerungspolitiken in Europa. Beispiele aus dem Forschungsverbund ENTRUST. Inform. z. Raumentwickl. 2005. 2/3, 159–159GüntnerSimonSozialorientierte Stadterneuerungspolitiken in Europa. Beispiele aus dem Forschungsverbund ENTRUSTInform. z. Raumentwickl.20052/3159159Search in Google Scholar

Jeschke, Markus A.: Bevölkerungsentwicklung und Stadt-Umland-Wanderung im Ruhrgebiet. Raumplanung, 2004. 117, 245–245JeschkeMarkus A.Bevölkerungsentwicklung und Stadt-Umland-Wanderung im RuhrgebietRaumplanung2004117245245Search in Google Scholar

Krätke, Stefan: Stadt – Raum – Ökonomie. – Basel 1995Krätke, Stefan: Stadt – Raum – Ökonomie. – Basel 199510.1007/978-3-322-94961-5Search in Google Scholar

Lampugnani, Vittorio Magnago: Die dauerhafte Seite. Mutmaßungen zur Stadt im digitalen Zeitalter. Bauwelt. 2000. 3, 19–19LampugnaniVittorio MagnagoDie dauerhafte Seite. Mutmaßungen zur Stadt im digitalen ZeitalterBauwelt200031919Search in Google Scholar

Landtag NRW: Zukunft der Städte. Bericht der Enquetekommission des Landtags von Nordrhein-Westfalen. – Düsseldorf 2004Landtag NRW: Zukunft der Städte. Bericht der Enquetekommission des Landtags von Nordrhein-Westfalen. – Düsseldorf 2004Search in Google Scholar

Münz, Rainer: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland – Konsequenzen für Wohnbau und Wohneigentum. vhw Forum Wohneigentum. 2003. 4, 174–174MünzRainerBevölkerungsentwicklung in Deutschland – Konsequenzen für Wohnbau und Wohneigentumvhw Forum Wohneigentum20034174174Search in Google Scholar

Niejahr, Elisabeth: Alt sind nur die anderen. So werden wir leben, lieben und arbeiten. – Frankfurt/M. 2004Niejahr, Elisabeth: Alt sind nur die anderen. So werden wir leben, lieben und arbeiten. – Frankfurt/M. 2004Search in Google Scholar

Schlömer, Claus: Ausgewählte Ergebnisse der Raumordnungsprognose 2020. Inform. z. Raumentwickl. 2004. 3/4, 201–201SchlömerClausAusgewählte Ergebnisse der Raumordnungsprognose 2020Inform. z. Raumentwickl.20043/4201201Search in Google Scholar

Schröter, Frank: Suche Mieter, biete Rundumservice. Raumplanung. 2001. 95, 93–93SchröterFrankSuche Mieter, biete RundumserviceRaumplanung2001959393Search in Google Scholar

Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz: Sozialstrukturatlas 2003. – Berlin 2004Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz: Sozialstrukturatlas 2003. – Berlin 2004Search in Google Scholar

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Stadtumbau Ost – Integriertes Stadtteilkonzept für das Gebiet „Ostkreuz“. – Berlin 2002 (www.stadtumbau-berlin.de)Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Stadtumbau Ost – Integriertes Stadtteilkonzept für das Gebiet „Ostkreuz“. – Berlin 2002(www.stadtumbau-berlin.de)Search in Google Scholar

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Bevölkerungsentwicklung in der Metropolregion Berlin 2002–2020. – Berlin 2004 (a)Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Bevölkerungsentwicklung in der Metropolregion Berlin 2002–2020. – Berlin 2004 (a)Search in Google Scholar

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Selbstbestimmtes Wohnen im Alter – stadtentwicklungspolitische Rahmenbedingungen. – Berlin 2004 (b)Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Selbstbestimmtes Wohnen im Alter – stadtentwicklungspolitische Rahmenbedingungen. – Berlin 2004 (b)Search in Google Scholar

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Urban II Berlin. Aktualisierung der Halbzeitbewertung. – Berlin 2005 (alle genannten Veröff. der SenStadt unter www.stadtentwicklung.berlin.de)Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Urban II Berlin. Aktualisierung der Halbzeitbewertung. – Berlin 2005(alle genannten Veröff. der SenStadt unter www.stadtentwicklung.berlin.de)Search in Google Scholar

Smith, Neil: The new urban frontier. Gentrification and the revan-chist city. – New York City 1996Smith, Neil: The new urban frontier. Gentrification and the revan-chist city. – New York City 1996Search in Google Scholar

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