Der Zertifikatehandel zu Kohlendioxid (CO2) wird, wenn er funktioniert, wahrscheinlich das marktwirtschaftliche Instrument der Umweltpolitik mit der größten Wirkungsbreite sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn zusätzliche Sektoren und Teilnehmerländer hinzukommen und die Maßnahmen im Laufe der Zeit verschärft werden. Folglich wird dieses Instrument mit Sicherheit auch erhebliche raumbedeutsame Wirkungen entfalten, und zwar, wie sich zeigen wird, in mehrfacher Hinsicht. Daher ist früh die Frage zu stellen, welcher Art diese Wirkungen vermutlich sein werden, damit sich die Raumplanung auf diese einstellen kann.
Hingegen wird in diesem Beitrag noch nicht erörtert, ob und ggf. in welcher Weise die Raumplanung tätig werden sollte und ob gar das umweltpolitische Instrument in Kenntnis dieser Wirkungen umgestaltet werden sollte, damit die als Nebenwirkungen verstandenen Raumwirkungen in die richtige Richtung gehen. Dazu müsste außer der Richtung der Effekte - dies ist der Gegenstand dieses Beitrags - auch deren Größenordnung verlässlich abgeschätzt worden sein. Das kann schon deshalb nicht der Fall sein, weil in Deutschland der Handel zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Beitrags (März 2005) noch gar nicht begonnen hatte (NN 2005b). Daher wird auf Größenordnungen nur insoweit eingegangen, wie diese in Relation zueinander und im regionalen Vergleich vermutlich deutlich größer oder kleiner ausfallen dürften. Eine Kardinalität der Messung soll damit nicht angedeutet werden.
Vorerst scheint festzustehen, dass die Raumwirkungen dieses Instruments allenfalls in Ansätzen analysiert worden sind. Daher ist es zweckmäßig, bei diesem Stand der Diskussion zunächst einmal eine geordnete Struktur der relevanten Fragestellungen zu erstellen. Hierzu soll im Folgenden ein Beitrag geleistet werden, und er kann folglich nur explorativer Art sein.
Die Zertifikatepolitik als spezielles umweltpolitisches Instrument wird an einer bestimmten Stelle des Wirkungsablaufs eingesetzt, der von der Verursachung des umweltpolitischen Problems über die Maßnahmen zu seiner Vermeidung bzw. Verringerung bis hin zu den Folgen eines Nicht-Vermeidens reicht. Hierbei werden Besonderheiten dieser speziellen Problemlage sichtbar, die dieses Instrument von den anderen positiv abheben.
Am Anfang des gesamten Wirkungszusammenhangs stehen als Auslöser die CO2-Emissionen. Sie sind wegen ihrer vermutlichen Klimawirkung der Anlass für die Zertifikatepolitik, und auf sie richtet sich diese Politik. Die Emissionen verteilen sich pro Kopf, aber auch je Einheit des Sozialprodukts sehr unterschiedlich zwischen deutschen Regionen wie auch international beispielsweise zwischen Hocheinkommens- und Entwicklungsländern.
Die zweite Stufe bildet die durch die Emissionen bewirkte globale Klimaänderung, kurz globale Erwärmung. Wohlgemerkt ist das Wirksamwerden des anthropogenen Klimaeffekts hier unterstellt, auch wenn eine Restwahrscheinlichkeit bleibt, dass er ein Konstrukt der Modellbildung ist. Diese Restwahrscheinlichkeit ist zum Teil in der Unsicherheit der Modelle selbst begründet. Hinzu tritt aber möglicherweise eine gewisse einseitige Modellbetonung, die ihrerseits wiederum mit den „sunk costs in der Wissenschaft“ zu erklären ist, wie sie jede etablierte kostenintensive Wissenschaft aufweist (Zimmermann 2001, Teil 5).
Die Verhinderung der Klimaerwärmung ist, ökonomisch gesprochen, ein globales öffentliches Gut. Das bedeutet, dass man die regionale Auswirkung einer Klimaerwärmung (s. u. Stufe 4) in keiner Weise mit den regionalen Emissionen in einen technischen Kausalzusammenhang bringen kann. Das unterscheidet diesen Wirkungspfad kategorial von den meisten anderen. Beispielsweise spricht man bei S02 von Ferntransport, und der kann über mehrere tausend Kilometer führen. Bei CO2 ist der gedankliche „Ferntransport“ eigentlich unendlich, denn die regionale Emission führt in einen nicht regional abgrenzbaren Raum (das Weltklima). Und diesem gleichen Raum entstammen dann auch die - ihrerseits wiederum regional wirksamen - Klimaeffekte (Stufe 4). Wenn in der klimapolitischen Diskussion dennoch die hohen Emissionen der USA oder anderer Hocheinkommensländer den hohen vermuteten Klimaeffekten etwa in Afrika südlich der Sahara gegenübergestellt werden, so kann das nicht auf einen „Ferntransport“ zurückgeführt werden. Es handelt sich vielmehr um die politische Gegenüberstellung einer hohen Pro-Kopf-Emission in den entwickelten Ländern mit der pro Kopf niedrigen Emission in anderen Ländern. Aus ihr werden dann häufig besonders hohe zu erbringende Minderungsleistungen der stark emittierenden Länder gefolgert (vgl. die verschiedenen Verteilungsansätze in WBGU 2003, S. 26-29).
Dieser globale Vorgang hat für sich genommen noch keine regionale Bedeutsamkeit. Das wird deutlich, wenn man für einen Augenblick den - leider unwahrscheinlichen - Fall annimmt, die umweltpolitischen Maßnahmen würden den antizipierten Klimaeffekt völlig vermeiden. Die Erörterung dieser Wirkungsstufe ist aber hilfreich, um den richtigen Typ des einzusetzenden Instruments zu bestimmen.
Der erwartete globale Klimaeffekt ist der Auslöser für Gegenmaßnahmen. Wenn diese globale Klimaänderung, wie dargestellt, ein globales öffentliches Gut ist, so lässt sich daraus eine wichtige Folgerung für die adäquate Instrumentenwahl ableiten: Man kann dann effizienztheoretisch zu Recht argumentieren, dass, wenn es allein um die Erreichung des Ziels „Klimaeffekt vermeiden“ geht (also insbesondere interregionale Verteilungswirkungen der Maßnahmen außer Acht gelassen werden), die Vermeidung ausschließlich dort erfolgen sollte, wo die TonneCO2 mit den geringsten Kosten „aus der Luft genommen“ werden kann. Dies kann die Zertifikatepolitik besser leisten als eine Politik, die wie das Ordnungsrecht an der einzelnen Anlage ansetzt (s. Kap. 3.1).
Da sich die Gegenmaßnahmen auf die Emissionen richten, ist die regionale Verteilung der Emissionen (Stufe 1) relevant für die regionale Inzidenz der durch das Zertifikate system initiierten Vermeidungskosten. Diese regionale Inzidenz ist Gegenstand dieses Beitrags, und sie ist dementsprechend nach den einzelnen Elementen der Zertifikatepolitik zu analysieren (s. Kap. 3.1).
Die letzte Stufe im Gesamtprozess schließlich besteht aus der regionalen Auswirkung der Klimaänderung, soweit diese eben trotz der Gegenmaßnahmen eintritt. Ein Prozent globale Erwärmung bedeutet nicht ein Prozent Erhöhung der Durchschnittstemperatur an allen Punkten der Erde, nicht einmal in allen Regionen Europas oder auch Deutschlands. Vielmehr kann sie regional deutlich höher oder niedriger ausfallen.
Diese Stufe ist für die regionalen Effekte der Zertifikatepolitik selbst wiederum nicht relevant. Daher wird auch sie im Folgenden nicht genauer erörtert und werden hier nur einige Anmerkungen zu diesem an sich wichtigen Sachverhalt gemacht.
Weil ein gewisser anthropogener Klimaeffekt erwartet wird, besteht auch ein allgemeines Interesse daran zu prüfen, welche regionalen Wirkungen diese Klimaänderung ausübt, getrennt nach unterschiedlich starken Graden der Erwärmung der Erdatmosphäre. Die Klimamodelle haben sich in den letzten Jahren verstärkt diesem Aspekt zugewandt. So konnte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung „Globale Umweltveränderungen“ (WBGU), getrennt für Ökosysteme, Nahrungsmittelproduktion, Wasserverfügbarkeit, wirtschaftliche Entwicklung und menschliche Gesundheit, den Stand der vermuteten weltweiten Effekte darstellen (WBGU 2003, Teile 2.1.2 bis 2.1.5).
Der eine betrifft die Gefährdung der alpinen Gletscher: Der Rhein ist unter den großen deutschen Flüssen insoweit eine Besonderheit, als er im Sommer aus dem Abschmelzen der schweizerischen Gletscher mit gespeist wird und deshalb übers Jahr eine sehr viel gleichmäßigere Wasserführung aufweist als andere gleich große Flüsse. Das hat offensichtlich große Auswirkungen auf die Schifffahrt, aber auch Effekte auf die Wasserversorgung flussabwärts, auf den dortigen Tourismus usw. Ein Versiegen dieses Beitrags der Gletscher hätte dementsprechend gravierende Folgen, auf die sich die Raumplanung in dem Maße einstellen sollte, wie das beobachtete Abschmelzen sich als anthropogen verursacht und irreversibel herausstellt.
Der zweite Ausschnitt aus den Klimafolgen-Untersuchungen bezieht sich auf die Nahrungsmittelproduktion in Deutschland: Für die Industrieländer wird angenommen, dass die Getreideerträge bei geringer globaler Erwärmung (1,0 bis 1,7 Grad) in vielen Regionen, bei etwas stärkerer auch noch in den meisten Teilen Europas (u. a. Deutschlands) steigen, dass aber auch dort bei starker Erwärmung (2,0 bis 6,4 Grad) in den meisten Regionen eine Minderung der Getreideerträge eintritt und die Nahrungsmittelpreise steigen. Welche Auswirkungen dies in Deutschland regional haben würde, ist bei einem Blick auf die deutschen Ackerbaugebiete im Vergleich mit den anderen Landwirtschaftsregionen evident.
Abschließend sei noch auf einen eher indirekten Bezug zur Zertifikatepolitik verwiesen: Wenn die CO2-Emission und der Klimaeffekt durch das Zertifikatesystem stärker reduziert werden als bei Einsatz etwa des Ordnungsrechts, dann erlaubt die größere Effizienz in der Erreichung des Reduktionsziels ceteris paribus eine weitergehende Reduktion. Man könnte unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten allerdings auch argumentieren, dass die Effizienzgewinne in erster Linie an den privaten Sektor zurückgegeben werden sollten, statt sie zu einer Intensivierung der auslösenden Politik, hier der Umweltpolitik, zu benutzen. Dies sollte in einer vorgelagerten Politikentscheidung geklärt werden.
Im Vordergrund steht im Folgenden also die dritte Stufe des Wirkungsablaufs. Um sie strukturieren zu können, sind vorweg die Grundelemente einer Zertifikatepolitik hervorzuheben, weil nach ihnen die nachfolgenden Ausführungen aufgebaut sind.
Die Zertifikatepolitik als umweltpolitisches Instrument besteht aus mehreren Elementen. Vorab ist die Menge der insgesamt als zulässig angesehenen Emissionen festzulegen. Dann werden den einzelnen Emittenten Emissionsrechte in Form von Emissionszertifikaten zugesprochen. Diese Zertifikate können anschließend auf dem speziellen sich herausbildenden Markt für diese Zertifikate verkauft und gekauft werden. Die Unternehmen können dann soviel emittieren, wie sich aus der Summe der ursprünglich erhaltenen Zertifikate zuzüglich der gekauften und abzüglich der verkauften Zertifikate ergibt.
Bei diesem Instrument wird das Gesamtvolumen der Emissionen vorab festgelegt und der Preis je gehandelter Emissionseinheit bildet sich auf dem Zertifikatemarkt. Bei einer Umwehabgabe ist es umgekehrt: Die Abgabe stellt einen Preis je Emissionseinheit dar, und die Gesamtmenge an Emissionen ergibt sich durch die Anpassungsreaktionen der Emittenten, was die staatliche Steuerung der Gesamtemission erschwert. Bei beiden Instrumenten werden Emittenten mit geringen Kosten je zusätzlicher Emissionseinheit die Emissionen verringern: Die Emissionsrechte wandern zum Ort der geringsten Vermeidungskosten, was volkswirtschaftlich sinnvoll ist, weil auf diese Weise die Kosten der Emissionsminderung insgesamt niedrig gehalten werden. Beim Ordnungsrecht, also einer Vorschrift zur Emissionsbegrenzung an der emittierenden Anlage, wird auf diese Kostenunterschiede nicht grundsätzlich eingegangen, sondern allenfalls durch Differenzierung der Vorschriften nach Typen von Emittenten und Anlagen.
Wenn man nunmehr versucht, sich die möglichen Raumwirkungen einer solchen CO2-Minderungspolitik mittels Zertifikaten vor Augen zu führen, so ist an den Elementen dieser Politik anzuknüpfen. Eine Politik der Emissionszertifikate muss mithin als Erstes eine Ausgangsverteilung von Emissionsrechten bestimmen, die dann „heruntergeschrieben“ und anschließend gehandelt werden („cap and trade“). Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, die Ausgangsverteilung zu bestimmen: zum einen das „Grandfathering“, bei dem die bisherigen Emissionen jedes einzelnen Emittenten als „berechtigt“ zertifiziert werden, und zum anderen eine Auktion aller vorgesehenen Zertifikate. Je nach gewählter Ausgangsverteilung fallen die räumlichen Effekte deutlich verschieden aus.
CO2-Zertifikate betreffen, wie eingangs angemerkt, die breiteste Bemessungsgrundlage, die wohl je einem ökonomischen Instrument der Umweltpolitik zugrunde gelegen hat. CO2 entsteht bei jeder Verbrennung kohlenstoffhaltiger Stoffe, wobei die fossilen Brennstoffe bei weitem überwiegen. Folglich greift eine wirkungsvolle CO2-Minderungspolitik mit ihren intendierten Belastungen in einer Weise in alle wirtschaftlichen Vorgänge in Unternehmen und privaten Haushalten (sowie im öffentlichen Sektor etwa als Anbieter von und Nachfrager nach Energie) ein, wie dies sonst nicht geschieht. Das erklärt auch die Intensität der politischen Diskussion.
Diese Breite der Bemessungsgrundlage ist zugleich ein erster Hinweis darauf, dass auch die regionalen Wirkungen vermutlich sehr stark sein werden. Es spricht nämlich nichts für eine pro Kopf oder pro Einheit des Sozialprodukts auch nur annähernd gleiche regionale Verteilung derjenigen Belastungen, die mit den resultierenden Vermeidungsanstrengungen (oder den sie ersetzenden Zahlungen) einhergehen. Für Deutschland geht man von einer Zahl von nur etwa 2600 Anlagen aus, die -jedenfalls auf der ersten Stufe dieser Politik - teilnehmen können (Kier/Bals 2003, S. 16). Die Unternehmen entstammen in den EU-Ländern den Branchen Energie, Eisen, Papier und Zellstoff (NN 2005 a).
Die sektorale Verteilung der Emittenten ist zugleich die bestimmende Größe für die regionale Ausgangsverteilung der Zertifikate. Die Diskussion um die regionale Verteilung der Emittenten wurde für die Europäische Union (EU) ebenso wie für Deutschland bisher nur mit Bezug auf die Mitgliedsländer als räumliche Einheiten (Hansjürgens 2003, Folie „Die EU-Lasteneinteilung“), ansonsten aber ausschließlich sektoral diskutiert. Die 2600 Anlagen werden aber mit Sicherheit in einigen regionalen Ausschnitten des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland besonders stark vertreten sein. Von den vier genannten Branchen, von denen nur die jeweils größeren Unternehmen einbezogen sind, haben Eisen, Papier und Zellstoff sehr spezielle Standortanforderungen, die nicht ubiquitär sind, und auch die großen Energieversorger und -abnehmer verteilen sich nicht annähernd gleichmäßig über das Land. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, auf Basis regionaler Strukturdaten bald eine regionale Zuordnung vorzunehmen, die die ungefähren Emissionsvolumina der Unternehmen und - im Idealfall - schon deren vermutliche Käufer- bzw. Verkäuferposition berücksichtigt. Siehe dazu den Bericht von Jakubowski, Schmitt und Zarth i.d.H.
Bei den folgenden Überlegungen zu den zu erwartenden regionalen Effekten wird nach den zuvor aufgeführten Elementen der Zertifikatepolitik vorgegangen. Zuerst wird untersucht, wie sich die unterschiedlichen Formen der Ausgangsverteilung auswirken würden (Kap. 3.2-3.5). Nachfolgend wird der Zertifikatehandel in den vermutlichen regionalen Wirkungen betrachtet (Kap. 4), und abschließend werden einige Ausführungen zu den grenzüberschreitenden Effekten gemacht (Kap. 5).
Zunächst werden also die verschiedenen Möglichkeiten, eine Ausgangsverteilung der Emissionszertifikate herzustellen, in ihren wahrscheinlichen regionalen Effekten untersucht. Die zuerst erörterte, das „Grandfathering“, war zugleich immer die wahrscheinlichste und ist auch in der EU gewählt worden. Die Gegenüberstellung mit anderen möglichen Ausgangsverteilungen erlaubt es, die jeweiligen Ungleichheiten in der regionalen Auswirkung besonders deutlich vor Augen zu führen.
Wenn man eine Ausgangsverteilung der Emissionsrechte nach dem Prinzip des Grandfathering wählt, werden die bisherigen Emissionen als „berechtigt“ deklariert. Dies bedeutet unter regionalem Blickwinkel zunächst, dass sich die zugesprochenen Emissionsrechte nach der regionalen Verteilung der Emissionsquellen richten, derzeit also nach den emittierenden Anlagen der Energieerzeugung, der Eisenproduktion usw. Diese regionale Emittentenstruktur ist vielfältig. Es dominieren wahrscheinlich die industriellen Regionen mit verbrennungsabhängigen (bzw. energieabhängigen) Branchen. Dienstleistungsregionen hingegen weisen pro Sozialproduktseinheit geringere Emissionen auf, ländlich-periphere strukturschwache Regionen besonders geringe. Die altindustriellen Regionen stehen sich hier im ersten Schritt gut, weil sie reichlich mit Emissionsrechten ausgestattet werden.
Wenn man aber hierauf bezogen jetzt im zweiten Schritt eine Emissionsminderung von 10 % an allen Quellen dekretiert (und das ist der letztliche Zweck dieses umweltpolitischen Instruments!) und für die so reduzierten Emissionsrechte den Emissionshandel freigibt Es ist anzumerken, dass ein Handel auch ohne vorherige Reduktion des Gesamtvolumens an Emissionen möglich ist, weil typischerweise wachsenden Unternehmen (und ihren Regionen), die zusätzliche Emissionszertifikate benötigen, schrumpfende Unternehmen (und ihre Regionen) gegenüberstehen, die solche Zertifikate verkaufen wollen. (Der Verfasser dankt einem anonymen Reviewer für diesen Hinweis.)
Eine gesonderte Frage in diesem Zusammenhanglautet, ob früher erbrachte Emissionsminderungen jetzt angerechnet werden sollen. So reduzierten sich in den neuen Ländern die Emissionen nach der Wende drastisch, weil schadstoffintensive Industriebetriebe geschlossen oder in ihren Emissionen stark reduziert wurden. Dies erbrachte damals einen in internationalen Verhandlungen hervorgehobenen starken Emissionsminderungsbeitrag. Denkbar wären also Argumentationen, dass dies bei der Anfangsverteilung in Deutschland als regionale Sonderleistung zu berücksichtigen sei. Sachsen-Anhalt erhob inzwischen wegen der Nicht-Berücksichtigung der zwischen 1990 und 2000 erfolgten Minderungsleistungen Klage gegen das Gesetz zum Emissionshandel (NN 2005c).
Ein konsequent durchgeführtes Zertifikatesystem mit Grandfathering wird die Raumplanung also vor verschärfte Aufgaben stellen. Es wird die altindustriellen Regionen besonders treffen. Dadurch werden deren Probleme zwar nicht erst hervorgerufen, aber möglicherweise spürbar verschärft. Die Produkte aus diesen Regionen sind, soweit sie emissionsintensiv hergestellt werden, oft auf Märkten mit geringer Angebotsmacht abzusetzen. Folglich sind durch diese geringeren Überwälzungsmöglichkeiten die negativen Arbeitsplatzeffekte besonders hoch und gerade in solchen Regionen am schlechtesten durch neue Arbeitsplätze zu kompensieren.
Umgekehrt wird sich die Belastung in modernen Agglomerationen aus zwei Gründen in engen Grenzen halten. Zum einen wird die Einheit des Sozialprodukts mit weniger Emissionen produziert. Zum anderen sind die Produzenten in ihren Märkten vergleichsweise stärker und können die zusätzliche Belastung leichter überwälzen. Das stärkt die relative Position dieser Agglomerationen zusätzlich. Es hängt dann davon ab, wie die Raumplanung unter dem Aspekt des gesamtwirtschaftlichen Wachstums die Rolle dieser Räume in der großräumigen Siedlungsstruktur einschätzt (Zimmermann 2003), ob man dies bedauert oder begrüßt. Entsprechend weiterführen könnte man diese Argumentationen innerhalb solcher Agglomerationen (Kernstadt versus Umland usw.), aber auch im Verhältnis zwischen Agglomeration und peripherem ländlichem Gebiet.
Eine ähnliche Argumentation wie für die industriellen Emissionen gilt im Übrigen auch für die Emissionen aus privaten Haushalten und Verkehr. Wo gut verdient wird, trägt sich eine zusätzliche Belastung leichter, und sei es dadurch, dass man als gesuchte Arbeitskraft die Zusatzbelastung, etwa durch eine höhere Benzin- und Heizölbelastung, bei den nächsten Lohnverhandlungen auf den Arbeitgeber weiterwälzt. Sollten diese Bereiche also später einmal in das Zertifikatesystem in irgendeiner Form einbezogen werden, so würden die regionalen Wirkungen insoweit ähnlich aussehen.
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Ausgangsverteilung der Emissionsrechte nicht mittels Grandfathering bestimmt, sondern eine Auktion der Zertifikate an den Anfang stellt. Dies würde die genannten Probleme vermutlich noch verschärfen. Die altindustriellen Gebiete müssten ihre Emissionsrechte, die sie bisher implizit besaßen, erneut am Markt kaufen, was für viele von ihnen das unmittelbare Aus bedeuten würde. Und das Umgekehrte gilt für die modernen Agglomerationen. Die Umwertung der in dem bisherigen Emissionsverhalten liegenden impliziten regionalen Eigentumsrechte wäre sehr stark. Nicht zuletzt deshalb war eine Ausgangsverteilung mittels Auktion bei einem so umfassenden Ansatz wie der CO2-Minderung kaum zu erwarten.
Die bisherigen Überlegungen fallen völlig anders aus, wenn sich die Primärverteilung nicht, wie am ehesten zu erwarten, an den bisherigen Emissionen ausrichtet, sondern wenn etwa eine pro Kopf gleiche Erstzuteilung erwogen wird. Was sich für Deutschland eigenartig anhört, ist in der internationalen Diskussion keineswegs neu. Dort sind durchaus für alle Staaten gleiche Emissionsrechte pro Kopf erwogen worden. Für einen späteren Termin werden sie sogar häufig vorgesehen, in Form einer „Konvergenz der Pro-Kopf-Emissionsrechte“, etwa für das Jahr 2050 oder 2100 (WBGU 2003, S. 42).
Pro Kopf gleiche Emissionsrechte geben den Nicht- Emittenten die Möglichkeit, durch Verkauf ihrer Rechte Einnahmen zu erzielen. Bezogen auf deutsche Regionen würden sich die industriearmen ländlichen Regionen am besten stehen. Am schlechtesten stünden wiederum die altindustriellen Gebiete da.
Bei der Ausgangsverteilung kann man auch versuchen, sich am Stand der Technik zu orientieren und Anlagen, die bereits eine effiziente Minderung aufweisen, günstiger zu stellen. Dadurch werden Vorreiter, die schon früher Vermeidungsanstrengungen unternommen haben, belohnt. Man muss dann den Ausstoß der jeweiligen Anlage mit der Durchschnittsemission der zugehörigen Branche vergleichen, was sicherlich aufwändiger ist als etwas das Grandfathering. ZuVor- und Nachteilen des Benchmarking s. Hansjürgens 2004
Es ist zu vermuten, dass sich unter den genannten Ausgangsverteilungen überall auf der Welt das Grandfathering durchsetzt, nicht zuletzt, weil sonst die bisherigen impliziten Eigentumsrechte möglicherweise eingeklagt werden könnten. Allenfalls wird man versuchen, frühere Minderungsleistungen in Grenzen anzuerkennen, weil deren Außerachtlassen ebenfalls Gerechtigkeitsprobleme aufwirft, aber auch eine nachträgliche Bestrafung von besonderer Effizienz darstellt und damit unter dem Allokationsziel problematisch ist.
Nach den regionalen Auswirkungen der Ausgangsverteilung sind nunmehr die des Zertifikatehandels zu betrachten. Vorweg sei angemerkt, dass die umweltpolitisch erwünschte Reduktion der Emissionen nicht durch den Zertifikatehandel als solchen bewirkt wird. Vielmehr geschieht dies durch die
Die erste Reduktion kann schon durch eine reduzierte Gesamtmenge an erstmals ausgegebenen Zertifikaten erfolgen. Diese Anfangsreduzierung war der Grund für den Streit zwischen Bundesumwelt- und -Wirtschaftsministerium Anfang 2004. Das Umweltministerium wollte gleich in der ersten Phase eine Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes von 3,4 % vorsehen, während die Wirtschaft davon ausging, dass frühere Minderungsleistungen die internationalen Verpflichtungen für diese Phase bereits erfüllt hätten (NN 2004).
Die regionalen Effekte solcher anfänglichen Reduktionsmaßnahmen entsprechen zumeist denen, die für die Ausgangsverteilung des Grandfathering beschrieben wurden. Nur wenn nicht gleichmäßig für alle Zertifikate reduziert wird (s. etwa WBGU 2003, Teile 2.3.3 und 2.3.4), ergeben sich abweichende Effekte, die gesondert zu analysieren wären. Zum Zusammenhang der Erstverteilung der Emissionsrechte und der Anrechnung früherer Minderungsleistungen mit dem Beihilfenrecht der Europäischen Union s. Döring/Ewringmann 2004, S. 35-36
Anschließend an die Erstverteilung (und ggf. eine gleichzeitige Reduktion) kommt es dann zum
Wenn hingegen realistischerweise
Bei einer Insofern kann man auch davon sprechen, dass eine Ausgangsverteilung mittels Auktion gleichzeitig den ersten Schritt des Zertifikatehandels bildet, weil gleich am Anfang Zertifikate gekauft werden müssen.
Beim So würde sich der ostdeutsche Stromversorger Vattenfall hierbei gut stehen (Mönstadt 2004).
Für alle diese Varianten ist zum einen wichtig, ob der Markt „dick“ genug ist, um überhaupt einen Handel entstehen zu lassen. „Market thickness“ ist bei der ungewöhnlich breiten Bemessungsgrundlage für CO2 gegeben. Erste Erfahrungen seit Beginn 2005 bestätigen dies, denn es wird mit einem Umsatz allein für Deutschland von mehr als 1 Mrd. € und einer Verdreifachung bis 2008 gerechnet (NN 2005a). Zum anderen ist wichtig, zu welchem Preis je Emissionseinheit die Zertifikate gehandelt werden. Wenn er zu niedrig ist, hat die Umweltpolitik die Zertifikate nicht knapp genug angesetzt. Ist er sehr hoch, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere in den besonders belasteten Regionen, entsprechend hoch. Hierzu sagen die Anfangspreise (z.B. 7,84 € Mitte Februar 2005; NN 2005a) noch nicht viel aus. Sie scheinen aber weder extrem hoch noch extrem niedrig zu sein, weil sonst von Seiten der Politik oder Wirtschaft entsprechend starke Kritik geäußert worden wäre.
Zu den regionalen Effekten des Handels mit Emissionszertifikaten ist abschließend ein Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus angezeigt. Zertifikate sollen grenzüberschreitend gehandelt werden können, denn das erhöht die Effizienz des Gesamtsystems. Folglich wird auch das Ausland deutsche Zertifikate kaufen. Dadurch fließt den verkaufenden deutschen Unternehmen Liquidität zu, die nicht in einer deutschen Region aufgebracht werden musste. Es handelt sich dann um eine aus dem volkswirtschaftlich-nationalen Nichts herrührende Liquiditätszufuhr zu der Region des Verkäufers, was je nach den regionalen Multiplikatoren dort zu entsprechenden positiven Effekten führt. Wichtig ist dafür die Kenntnis der potenziellen Käuferländer (Hansjürgens 2003, Folie „Potenzielle Käufer - potenzielle Verkäufer“).
Das Umgekehrte gilt dann leider auch für Käufe von Zertifikaten durch deutsche Unternehmen. Da Deutschland eine starke negative Zielabweichung bei den Minderungszielen aufweist (Hansjürgens ebda.), wird der zweite Fall wichtiger werden: Aus welchen Regionen in Deutschland fließt Liquidität ins Ausland ab, weil von deutschen Unternehmen Zertifikate zugekauft werden müssen? Diese regionalisierte Zukauf-Wahrscheinlichkeit wurde weiter oben bereits angesprochen.
Die Ausführungen haben gezeigt, dass die regionalen Wirkungen der derzeit begonnenen Zertifikatepolitik sehr unterschiedlich sein werden. Zwar können wegen mangelnder Erfahrung noch keine quantitativen Angaben gemacht werden. Doch zeigen die Überlegungen, dass es die ohnehin benachteiligten Regionen, vor allem die altindustriellen Regionen, überproportional treffen wird und dass die modernen Agglomerationen, nicht zuletzt wegen ihrer Überwälzungskraft, relativ am besten wegkommen dürften. Unter dem Aspekt der wachstums- versus ausgleichsorientierten Raumplanung ist das ein Ergebnis von raumplanerischem Gewicht. Wenn der Zertifikatehandel also vom Volumen her zunimmt, was erwartet wird, hat sich die Raumplanung frühzeitig auf spürbare regionale Auswirkungen einzustellen. Die regionale Struktur und ungefähre relative Bedeutung dieser Belastungen aufzuzeigen, war Absicht dieses Beitrags.