
Der Autor Ernst-Rainer Hönes legt ein in mehrfacher Hinsicht opulentes Werk vor: 774 Seiten fortlaufender Text in Verfolgung des Themas „Entstehung des städtebaulichen Denkmalschutzes“, 5.222 Fußnoten im Kontext zu den Textpassagen und allein die Seiten 775 bis 868 enthalten das Literaturverzeichnis. Man sollte sich von dieser zu vermutenden Fülle aber nicht abschrecken lassen und das Werk getrost und mutig zur Hand nehmen. Wer sich auf die Thematik und die außerordentlich gewissenhafte Recherche des Autors einlässt, wird nicht enttäuscht. Auch dem Rezensenten – in der vorliegenden Thematik nicht ganz unbedarft – ist eine solche Fülle ermittelten und verständlich erfassten und dargestellten Wissens zum städtebaulichen Denkmalschutz bisher nicht bekannt gewesen.
Wie von ihm eingangs dargestellt, hat sich der Autor schon länger in seiner dem Verwaltungsrecht gewidmeten Berufslaufbahn mit dem Metier befasst. Seine juristische Dissertation und nun auch die hier vorliegende Habilitationsschrift bauen aufeinander auf. Seine federführende Mitwirkung am 2013 erschienenen „Handbuch Städtebauliche Denkmalpflege“ ergänzt diesen Entwicklungsweg. Dort stammt der Part „Rechtliche Rahmenbedingungen der städtebaulichen Denkmalpflege“ von Ernst-Rainer Hönes (Hönes 2013). Bereits dort hatte er sich mit den Begrifflichkeiten von „Städtebaulicher Denkmalpflege“ und „Städtebaulichem Denkmalschutz“ auseinandergesetzt und die jeweiligen Bezüge und damit rechtlichen Verknüpfungen mit dem Denkmalschutzgesetz und dem Baugesetzbuch aufgezeigt. Im Fokus der Betrachtung steht hier wie da das städtebauliche Ensemble als historisch gewachsenes Kontinuum, welches weit über das definierte Einzeldenkmal hinaus existiert.
In dem hier zu behandelnden Werk geht der Autor sehr weitgespannt und grundlegend mit der Thematik um. Der Ansatz seiner Überlegungen erwächst aus der unterschiedlichen Bewertung von Bedarfen der Zivilgesellschaft in Deutschland. Für den Autor stellt dies einen Zielkonflikt dar: zum einen die Aufnahme des Naturschutzrechts ins Grundgesetz und zum anderen die Nicht-Aufnahme des Kulturgutschutzes und damit auch des Denkmalschutzes. Vor diesem Hintergrund wird aufgezeigt, „warum es dem Gesetzgeber und den in den für die Erhaltung des gebauten Erbes zuständigen Verwaltungen bisher nur unzureichend möglich war, unsere Städte, Dörfer und Kulturlandschaften mit ihrem reichen Erbe in ihrer baukulturellen Identität zu erhalten“ (S. 27). Diese Kritik wird im weiteren Verlauf deutlich erläutert in einer durchaus spannenden terminologischen Aufreihung von verwaltungsrechtlichen Versuchen und Erfolgen, diesem Kritikpunkt entgegenzuwirken. Das beginnt mit „Erscheinungsformen in der Antike“, wird fortgesetzt mit „Stadtrechte und Rechtsspiegel im Mittelalter“, weiter mit „Herausbildung ab der Renaissance“, dem „Vorbild Frankreich“ bis hin zu „Erstes Aufkommen des organisierten Denkmalschutzes in Deutschland“. Neben vergleichenden Wertungen des Strafrechts und des Naturschutzrechts werden in der Folge in sehr eindeutig ausdifferenzierten ‚Epochen‘ ab 1871 die vom Autor außerordentlich akribisch erforschten und aufgezeigten Ansätze und Versuche, der Problematik mit Verwaltungsakten und Verwaltungsvorschriften gerecht zu werden, aufgezeigt. Die zahlreichen Fußnoten in den Texten lassen vielfältige Querverweise zu und regen eigene Recherchen an. Sie sind ab 1871 gegliedert in landesspezifische „Versuche der deutschen Länder“ oder „Heimatschutz bis 1918“ oder Denkmalschutz in Österreich und in der NS-Zeit, die Wiederaufbauphasen nach 1945, die besondere „Entwicklung in der SBZ/DDR“ und ein Ausblick auf die Folgen der Wiedervereinigung, aufgelistet nach den Legislaturperioden des Bundestags nach 1990. Diese reiche Sammlung von nachweislich formulierten und bibliographisch nachgewiesenen Dokumenten ist zu bewundern. Sie kann jedem an der Thematik Interessierten eine sehr ergiebige Hilfe sein.
Eine ganz besondere Bedeutung ist dem Bemühen des Autors zuzuschreiben, sein Werk und damit die aufgezeigte Problematik in der realen gesellschaftlichen Gegenwart zu verankern und damit das Nachdenken über die Zukunft anzuregen. So setzt er sich mit dem Problem der Baukultur und dem Weg zu der dazu geschaffenen Bundesstiftung Vgl.
Schlussendlich fasst Hönes im letzten Abschnitt seine Vorschläge im „Ergebnis für die Gesetzgebung und Verwaltung“ zusammen. So fordert er die Änderung des Grundgesetzes um die Einführung der bisher vom Bundestag im Jahr 2006 abgelehnten Formulierung: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“ Er unterbreitet in der Folge Änderungsvorschläge zu Bundesgesetzen wie dem Strafgesetzbuch, dem Raumordnungsgesetz, dem Baugesetzbuch und dem Bundesnaturschutzgesetz. Und er macht Vorschläge zu Änderungen im Landesdenkmalschutzrecht, so zu den örtlichen Erhaltungs- und Gestaltungsvorschriften, zur Weiterentwicklung von Verursacherhaftung, von denkmalrechtlichen Rechtsbehelfen entsprechend dem Bundesnaturschutzgesetz und zum „Wegfall des öffentlichen Interesses beim Denkmalbegriff“. Zu allen genannten Aspekten sind interessante, relevante und die Auseinandersetzung in der Sache unter den Fachleuten herausfordernde Anregungen benannt. Wer vor der Opulenz des Werkes zurückschreckt, könnte sich eingangs den Schlussbemerkungen auf Seite 771 widmen. Dort ist die Problematik in ihrer Aktualität gebündelt noch einmal zu lesen.
Und noch ein Aspekt zur Aktualität der Problematik darf nicht vergessen werden. Der Autor hat seine Ausarbeitung auch unter der Vorausschau auf das „Europäische Kultur-Erbe-Jahr 2018“, das dafür aufgerufene Thema „Die Zukunft der europäischen Stadt“ und seinerseits damit verbundene Hoffnungen auf weitere positive Ausgestaltungen verfasst. Seine Rückschau auf das Jahr deckt sich leider mit der Sicht vieler anderer Beteiligter: „Es ist eine verpasste Chance gewesen!“ Und die aktuelle Politik setzt nun in 2019 noch einen neuen Sachverhalt: Die über Jahrzehnte entwickelte und verwaltungstechnisch durchstrukturierte, in ihren Ergebnissen hocheffiziente Städtebauförderung soll neu strukturiert und verwaltungstechnisch vereinfacht werden. Ihr Kernprogramm war und ist der Städtebauliche Denkmalschutz. Seine Qualitäten dürfen dabei keinen Abbruch erleiden.