Welche Landschaften brauchen wir? Was meinen wir, zu brauchen? Eine Luxus-Variante, in der Milch und Honig fließen - oder reicht eine light-Version auch aus? Die Frage nach der Zukunft der Landschaft ist auch eine Frage nach der Zunkunft der Gesellschaft. Aber bevor Ansprüche an die Landschaft gestellt werden, erscheint es sinnvoll, nach dem aktuellen Zustand der Landschaft, nach ihrer Leistungsfähigkeit zu fragen.
Während Gesetze geändert werden können und sich Gesellschaft und Wirtschaft mitsamt ihren Ansprüchen wandeln, ist der physische Zustand der Landschaft nur innerhalb enger Grenzen veränderbar - zumindest zum Besseren hin. Deshalb zunächst eine mehr grundsätzliche Analyse.
Die Sonne treibt ohne Ausnahme den Lebensprozess in der Landschaft an - und zerstörte ihn auch gleich wieder durch enorme Temperaturschwankungen, wenn diese nicht ausgeglichen würden. Der Ausgleich der Temperaturextreme, die so genannte Energiedissipation, ist im Wesentlichen eine Funktion des Wasserhaushaltes. Im Wasserkreislauf wird bei der Verdunstung Energie aufgenommen und bei der Kondensation zeitlich und räumlich verschoben wieder freigesetzt. Ohne die Vegetation, die die vorhandene Landoberfläche um ein Vielfaches vergrößert, wäre die Verdunstung allerdings deutlich geringer. Der Lebensprozess verbessert seine Umweltbedingungen rückgekoppelt selbst - und schafft auch für uns Menschen erst lebenswerte Bedingungen. Über den biologischen Kreisprozess des Aufbaus und der zeitverzögerten Mineralisation von Biomasse verstärkt die Vegetation den Energieumsatz.
Die Zönose, bestehend aus den Pflanzen, den Tieren als Konsumenten, der toten organischem Substanz (Detritus), den Zersetzern (Destruenten: Pilze und Bakterien) sowie dem unverzichtbaren Wasser, kann als eine Art Grundschaltkreis bezeichnet werden. Die Selbstorganisation der Zönose, die Sukzession, ermöglicht erst den nachhaltigen Lebensprozess, in dem die Stoffkreisläufe lokal geschlossener werden. In einem ungestörten und „reifen“ System wie in einem Urwald sind die Kreisläufe weitestgehend geschlossen: Es wird sehr viel Biomasse gebildet und wieder mineralisiert, so dass der absolute Zugewinn an Biomasse minimiert ist.
Die Zönosen der intensiv bewirtschafteten Landschaft heute sind von diesem Ideal weit entfernt. Die Produktionsweise verlangt einen fortgesetzt hohen Zugewinn an Biomasse, die Stoffkreisläufe sind aufgebrochen. Neben den biologischen und physikalischen Kreisprozess tritt nun der chemische Prozess: Nährstoffe und Basenkationen (wie Ca, K, Mg) werden gelöst, mit dem Niederschlagswasser forttransportiert und später wieder ausgefällt. Dieser Prozess verläuft gerichtet aus dem Wassereinzugsgebiet heraus; die Böden werden ausgewaschen und verarmen: ein irreversibler Verlustprozess. Damit wird der Zönose die physische Grundlage entzogen, da die derzeitigen Verluste über die Verwitterung des Gesteins nicht ausgeglichen werden können.
Die Auswertung der Abflussdaten und gewässerchemischen Parameter deutscher Flüsse weist Verluste von im Mittel über 1200 kg Gesamtsalzen/ha/a auf (ohne Cl-Salze) (Hildmann 1999, S. 21). Das ist deutlich mehr, als den Standorten über die Düngung wieder zugeführt wird. Bei diesem Prozess der beschleunigten Alterung der Landschaft sind die Austräge gegenüber natürlichen Stoffaustragsraten um den Faktor 50 bis 100 erhöht (Ripl, Hildmann 1997, S. 7).
Grund ist eine falsche Form der Bewirtschaftung. Dadurch, dass mehr entnommen als zurückgeführt wird, sind die Standorte nettoproduktiv. Die Pflanzen geben mehr Protonen ab, um benötigte Kationen aufnehmen zu können und verstärken so den Lösungsprozess. Dies gilt besonders für Monokulturen wie für Forste, in denen die Pflanzen zudem noch im gleichen Takt arbeiten.
Die Drainage fast aller Böden hat durch wechselfeuchte Bedingungen den Abbau des vorhandenen toten organischen Materials (Humus und Detritus) beschleunigt. Die Mineralisation ist zeitlich nicht an den Bedarf der Pflanze rückgekoppelt, wie dies in einer ungestörten Zönose der Fall ist. Dort wird die Mineralisation, angepasst durch die Wasserentnahme der Pflanze im Wurzelbereich, ermöglicht. - Die bei der Mineralisation Stickstoff und Schwefel enthaltender Substanz gebildeten Starksäuren tragen wesentlich zum Auswaschungsprozess bei. Die tote organische Substanz fehlt als Speicher und Puffer für Wasser und Nährstoffe.
Gegenüber einem Urwald mit seinen auch in Mitteleuropa im Laufe der Jahrhunderte beeindruckend hoch werdenden Bäumen besitzt die Landschaft von heute nur noch eine rudimentäre und löchrige Vegetationsdecke. Durch die geringere Verdunstung sind die Temperaturextreme größer; es verbleibt mehr Energie für den chemischen Verlustprozess. Der Wirkungsgrad der Landschaft ist nur noch gering.
Hinter dieser unzureichend angepassten Bewirtschaftung stehen zahlreiche sektorielle Konzepte wie der Land- und Wasserwirtschaft, mit deren Hilfe die jeweiligen Anforderungen möglichst gut und weitgehend erfüllt werden sollten. Auf der Strecke bleibt die Landschaft: weil Wasser- und Stoffhaushalt, Klima und Lebensraumfunktion in ihren vielfältigen und hier nur grob skizzierten Wechselwirkungen nicht erkannt und berücksichtigt werden. An die Stelle der Betrachtung landschaftlicher Strukturen muss die Erkennung und Analyse der treibenden Prozesse treten.
Noch immer ist es die Landschaft, die das physische und unverzichtbare Tragwerk der Gesellschaft bildet. Unter der Annahme, dass die heute eingesetzte Fremdenergie (Erdöl, Kohle, Erdgas, Atomenergie) auf Grund einer weltweit steigenden Nachfrage bei endlichen Vorräten durch Verknappung und Verteuerung mittel- bis langfristig zu weiten Teilen durch regenerative Energiequellen zu ersetzen ist, wird die Bewirtschaftung der Landschaft wieder einen zunehmenden Stellenwert einnehmen. Die Bereitstellung der benötigten regenerativen Energie ist neben der Minimierung der Stoffverluste der zweite Zwangspunkt, der bei der Entwicklung der Landschaft zu berücksichtigen ist.
Eine Fortsetzung der Stoffverluste und letztlich damit eine Versteppung der Landschaft entzöge nicht nur den Zönosen, sondern auch der Gesellschaft ihre Grundlage. Die Frage nach der Landschaft des nächsten Jahrhunderts wird durch den Zwangspunkt, diese Landschaft in einem lebenswerten Zustand zu erhalten, präzisiert und in den möglichen Antworten zugleich eingeschränkt.
In das Pflichtenheft der Landschaft sind zu allererst die grundlegenden Bedürfnisse der Gesellschaft bzw. die Landschaftsfunktionen, die für diese erhalten werden müssen, einzutragen.
Ein
Das lokale Klima steht in Wechselwirkung mit dem überregionalen Klima, d.h. eine einseitige Betrachtung des CO2 zur Klimaänderung greift zu kurz. Durch die großen vegetationsarmen Flächen können entsprechende Aufwinde in das Klimageschehen einwirken. - Innerhalb einer mit Feuchtgebieten gut ausgestatteten Landschaft entstehen diese Potenziale nicht; in der bodennahen Luftschicht entstehende Gase werden weniger in höhere Luftschichten transportiert.
Durch einen
Ausgeglichener Wasserhaushalt und sauberes Trinkwasser sind eng miteinander verbunden. Die gründlichste Reinigung des Wassers ist der Zyklus von Verdunstung und Kondensation (Destillation). Kleinräumige Wasserkreisläufe, die durch ausreichenden Wasserrückhalt und Verdunstung ermöglicht werden, sind deshalb eine Grundlage für saubere Oberflächengewässer.
Eine
Die Landschaft soll aber auch
Diese grundlegenden Anforderungen an eine nachhaltige Landschaftsentwicklung sind zu erfüllen, damit diese auch langfristig als Basis der Gesellschaft zur Verfügung steht. Bei einem drastischen Rückgang der ökonomisch nutzbaren Fremdenergie verbliebe im Wesentlichen allein der im primären Sektor in der Landschaft erwirtschaftete Ertrag zur weiteren Verteilung in den sekundären und tertiären Sektor. Die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung, deren Nutzung als Ausreitplatz, Moto-Cross-Strecke und Freizeitkulisse suggerieren derzeit, wir könnten auf die Landschaft zugunsten digitaler, virtueller Welten verzichten. Das Gegenteil ist richtig.
Weitergehende Ansprüche an die Landschaft, wie die Erholung, die Gestaltung des Landschaftsbildes oder die des konservierenden Naturschutzes, müssen diesen „Grundbedürfnissen“ untergeordnet werden. Das heißt nicht, dass derartige Forderungen nicht berechtigt wären. Allerdings sind die Freiheitsgrade für z.B. die Gestaltung einer Erholungslandschaft entsprechend eingeschränkt, weil diese zugleich den „Grundbedürfnissen“ gerecht werden muss. Dass derartig eingeschränkte Gestaltungsfreiheiten trotzdem zu hervorragenden Ergebnissen führen können, zeigen z.B. die Arbeiten Joseph Peter Lennes, dessen Verschönerungen der Landschaft zugleich wirtschaftlichen Zwekken zu dienen hatten.
Aus den vorgestellten Überlegungen lassen sich bereits einige richtungssichere Managementregeln für eine nachhaltige Entwicklung der Landschaft ableiten. Diese können freilich nur die Grundrichtung angeben, da alle in der Landschaft umzusetzenden Maßnahmen räumlich und zeitlich anzupassen sind.
Der Vegetation kommt eine tragende Rolle zu: Durch sie wird die Verdunstung über die Vergrößerung der Phasengrenzflächen erhöht, sie produziert Biomasse als Ausgangspunkt sämtlicher Nahrungsketten (auch für den Menschen) und Detritus. Der Energieumsatz und die Rückkopplungen zum Wasser- und Stoffhaushalt sind Flächenfunktionen, die nicht auf wenige verbliebene Naturschutzgebiete o.dgl. beschränkt werden können. Deshalb sollte diese funktionale Komponente der Vegetation gestärkt werden, indem höhere, vielschichtige Gehölzvegetation gegenüber niedriger annueller Vegetation bevorzugt und flächig entwickelt wird.
Der Bodenwasserspiegel ist aus Gründen der maschinellen Bewirtschaftbarkeit durch Drainagen vielerorts abgesenkt worden, oft weit über das nötige Maß hinaus. Dadurch sind wechselfeuchte Phasen mit ihren erhöhten Stoffverlusten zur Regelsituation geworden. Auch Waldstandorte wurden gedraint, um die Wuchsleistung zu erhöhen. Mit der reduzierten Streuschicht verpuffte dieser Effekt allerdings rasch. Nicht benötigte Drainagen sollten deshalb wieder verschlossen werden. Auch sollte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, die Wasserstände im Sommer wieder höher anzustauen, was auch den Kulturpflanzen zugute kommt.
Der Detritus ist ein Speicher sowohl für Wasser als auch für Nährstoffe, der von der Vegetation gebildet und bewirtschaftet wird. Bei einer flächigen Ausbildung (Hinna) kommt ihm eine Retentionsfunktion für den Wasserhaushalt zu; kleinräumige Wasserkreisläufe werden durch die bessere Wasserversorgung der Pflanzen gestärkt. Durch eine feuchte Oberfläche kann der Oberflächenabfluss gegenüber der Versickerung erhöht werden: Der strukturreiche und durchwurzelte Oberboden in einem Wald erodiert praktisch nicht, verringert aber die durch den Boden perkolierende Wassermenge und damit die Auswaschung von Basen und Nährstoffen.
Bei ausreichender Vegetation und hohem Bodenwasserspiegel kann der Detritus akkumulieren. Es kommt dann mehr darauf an, Eingriffe zu unterlassen und z. B. totes Material nicht aus der Fläche zu entfernen.
Die Bewirtschaftung eines Standortes ist so lange nicht nachhaltig, solange dessen physische Ausstattung durch Stoffverluste weiter degradiert. Stoffkreisläufe zu schließen bedeutet, einerseits die durch die Ernte entzogenen Stoffe wieder zu ergänzen und andererseits die Auswaschungsverluste zu kompensieren. Insgesamt wird den Standorten z.B. wesentlich mehr Calcium entzogen, als durch die Land- und Forstwirtschaft wieder nachgedüngt wird (Hildmann 1998, S. 40). Ökonomisch wäre es derzeit kaum leistbar, die in Deutschland über 1 t/ha/a betragenen Salzverluste mittels Mineraldüngern wieder zu ersetzen.
Deshalb sollten die festen und flüssigen organischen Abfälle wieder zurückgeführt werden, statt z.B. mit dem Abwasser ins Meer gespült werden (Ripl, Hildmann 1994, S. 135 f.). Damit könnte auch der Humusanteil im Boden erhöht werden. Nicht vermeidbare Stoffverluste einzelner Flächen sollten in bewirtschafteten Fangsystemen wie Feuchtgebieten (s.u.) in der Landschaft zurückgehalten werden. Die verbleibende Differenz müsste nachgedüngt werden.
Feuchtgebiete besitzen eine herausgehobene Bedeutung für den Landschaftshaushalt. Durch die dauerfeuchten Bedingungen ist die Zersetzung reduziert, Detritus akkumuliert, z. B. als Torf in einem wachsenden Moor. Gleichzeitig ist ihr Wasserspiegel, wenn nicht tiefgreifende Störungen vorliegen, identisch mit dem angrenzenden Grundwasserspiegel. Alles aus der Landschaft abfließende Wasser mitsamt den mittransportierten Stofffrachten muss deshalb die Feuchtgebiete passieren.
Werden die Basen- und Nährstoffe von der Vegetation aufgenommen, werden sie in der organischen Substanz festgelegt und damit zurückgehalten. Abgeschwemmte Partikel sedimentieren. Durch die Verzögerung des Wasserflusses in stehenden Gewässern oder die Vergrößerung der bespannten Oberfläche auf Pflanzen in Sumpfquellen kann bei Übersättigung des Wassers an CO2 dieses ausgasen: das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht ändert sich, und Kalk fällt aus (z.B. als Quelltuff oder Seekreide).
Feuchtgebiete sind als Fangsysteme die letzte Chance, bereits gelöste Stoffe zurückzuhalten, bevor sie in der fließenden Welle das Einzugsgebiet verlassen (Ripl, Hildmann, Janssen 1997, S. 1007 f.). Erst eine Bewirtschaftung der Feuchtgebiete schließt allerdings die Stoffkreisläufe, in dem dort gewachsene Biomasse, Detritus und sedimentiertes Material wieder in die Landschaft zurückgebracht wird. Eine zwischenzeitliche Nutzung der Biomasse widerspricht dem nicht.
Als Schadstellen in der Landschaft können Flächen bezeichnet werden, die ihre Vegetationsdecke verloren haben und auf denen eine Wiederbesiedlung durch dichte, geschlossene Vegetation in einem überschaubaren Zeitraum nicht absehbar ist. Kuppenlagen und Steilhänge sind besonders gefährdet, zur Schadstelle mit einem weitgehenden Ausfall der Funktionalität für den Landschaftshaushalt zu werden (Ripl, Hildmann 1994, S. 136). Hier aus der meist ohnehin dünnen Bodendecke ausgewaschene Nähr- und Basenstoffe werden auf Grund fehlender Oberlieger bzw. der beschleunigten Prozesse überhaupt nicht oder kaum ersetzt. Die geschlossene Vegetation hingegen bremst die Prozesse ab (biogene virtuelle Abflachung). Häufig weisen Kuppenlagen z.B. der Mittelgebirge einen deutlich weniger wüchsigen Wald als Talstandorte auf. Auch Binnendünen und Sandergebiete sind auf Grund des geringen Bodenvorrates besonders gefährdet. Ein Zusammenbruch der Vegetation wäre fatal, weil die umgebenden, noch bewachsenen Flächen beeinträchtigt würden (siehe Regel 7). Weitet sich solch eine Schadstelle aus, so ist dies für die Fläche ein nichtlinear beschleunigter Prozess.
Deshalb sollte auf derartigen „dünnen Stellen“ der Erhalt einer funktionsfähigen Zönose, d.h. einer geschlossenen Vegetationsdecke, Priorität besitzen. Die Bewirtschaftung z.B. des Waldes sollte aufgegeben werden oder nur äußerst behutsam erfolgen.
Flächen mit nur einer unzureichenden Vegetationsbedeckung, wie viele Freiflächen, weisen tagsüber starke Überwärmungen auf („hot spots“). Sie besitzen auf Grund des geringeren Energieumsatzes in physikalischen und biologischen Kreisprozessen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für irreversible Stoffverluste. Auf Grund der Temperaturgradienten bilden sich Windsysteme aus, die benachbarte Gebiete quasi „thermisch belasten“, d.h. hier zu einer verstärkten Verdunstung führen. Für die verringerte Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes ist ein Ausgleich zu entwickeln.
Ein thermischer Ausgleich könnte durch angrenzende, besonders stark verdunstende Vegetationsflächen wie Feuchtgebiete, Feucht- oder Laubmischwälder erfolgen. Dieser Ausgleich kann natürlich nur bei kleineren überwärmten Flächen wirksam werden.
Ein „chemischer Ausgleich“ könnte durch nachgeschaltete Feuchtgebiete erfolgen, die teilweise hierfür künstlich angelegt werden und die gelösten und ausgewaschenen Stoffe aufnehmen. Größere Flächen könnten durch derartige Strukturen unterbrochen werden. Über die Bewirtschaftung der Feuchtgebiete werden die Stoffkreisläufe wieder geschlossen.
Natürliche Entwicklungsprozesse führen, wie bei der Sukzession, zu einer Verbesserung des Naturhaushaltes. Deshalb sollten diese Prozesse nach Möglichkeit nicht unterbunden werden.
Die Entwicklung der Fließgewässer ist ein Beispiel für einen derartigen Optimierungsprozess. Die heute oftmals eingezwängten und begradigten Flüsse und Bachläufe setzen immer wieder an, diese künstlichen Grenzen wieder aufzubrechen. Die Entwicklung verläuft zu einem überwiegend sehr flachen Gewässerbett, bei dem die Phasengrenzflächen maximiert werden: die Grenzfläche zwischen Wasser und Luft vergrößert sich, so dass mitgeführte Basen ausfallen können. Die vergrößerte Grenzfläche zwischen dem Wasser und den Steinen im Gewässerbett schafft mehr Flächen für Aufwuchsstrukturen, in denen mitgeführtes organisches Material abgebaut wird; die so genannte Selbstreinigung wird verbessert.
Die Ausbildung von Mäandern bremst das Gewässer ab - auch hier wird die Energiedissipation gesteigert. Diese Strukturen sind das Ergebnis dynamischer Prozesse, für die der aus der Landschaft und seiner Bewirtschaftung resultierende Abfluss besonders prägend ist. Da sich die Beziehung zwischen Niederschlag und Abfluss jedoch verändert hat, ist die Wiederherstellung ehedem vorhandener Mäander auf der Grundlage historischer Karten meist von vornherein zum Scheitern verurteilt - die neuen Mäander als wiederum künstliches Korsett passten ebenso wenig wie die alte Begradigung. Die Eigenentwicklung zuzulassen, wo dies außerhalb bebauter Ortschaften möglich ist, ist deshalb preiswerter und dauerhafter.
„Harte“ Ökotonen, d.h. Grenzlinien, an denen höhere Vegetation wie Wald an Flächen mit niedriger oder fehlender Vegetation stößt, können zugleich Orte beschleunigter Prozesse sein. So steht außer an Nordexponierten Kanten während der Besonnung durch die vertikal vergrößerte Oberfläche mehr Energie zur Verfügung. Die Temperaturextreme steigen an. - Liegt z. B. der Wald etwas höher als die angrenzende Freifläche, so werden Stoffflüsse auch nicht gebremst, sondern beschleunigt. Neben der Exposition ist also auch die relative Lage im Raum zu berücksichtigen.
An den meisten scharfen Ökotonen sind nicht ausreichend Wasser und Vegetation vorhanden, um den Temperaturausgleich ohne erhöhte Gefahr für Stoffverluste zu bewältigen. Deshalb sollten angepasst an die Lage „weiche“ Übergänge ermöglicht werden, indem z. B. Waldsäume gepflanzt werden bzw. ausreichender Platz für die Eigenentwicklung zu einer weit auseinander gezogenen Kante verbleibt.
Die Auswirkungen einer Fläche mit geringerer Vegetationsbedeckung können nicht absolut betrachtet werden, sondern müssen relativ zu ihrer Umgebung gesehen werden. Auf einer kleinen Freifläche innerhalb eines ausgedehnten naturnahen Waldes nicht umgesetzte Energie wird weitgehend im umgebenden Wald in physikalischen und biologischen Kreisprozessen umgesetzt werden können. Je größer die Freifläche im Vergleich zum Wald ist, umso eher sind erhöhte Stoffverluste zu erwarten.
Anders herum wird eine kleine Waldfläche auf einer großen Freifläche nur geringe Ausgleichsfunktionen erfüllen können. Kompakte Flächen mit hohem landschaftlichem Wirkungsgrad, also geringen Stoffverlusten und gutem Temperaturausgleich, sollten demnach nach Möglichkeit erhalten bleiben oder durch Arrondierung wieder geschaffen werden.
Je größer vegetationsarme Flächen sind, desto stärker wird die sich dadurch im Sommer ausbildende Thermik: Größerräumige Windsysteme und eine geringere Kondensationswahrscheinlichkeit sind die Folge. Größere offene Flächen könnten durch ein dichtes Netz hoher Vegetation aufgebrochen werden, die zur Absenkung der Energieflussdichte beiträgt. Diese „Kühlrippen“ in der Landschaft dürfen nicht zu schmal sein, um nicht auf Grund starker Randeffekte wirkungslos zu werden.
Die Flächenanteile und Größen solcher Strukturen können nicht absolut festgemacht werden, da die Ausgangsbedingungen wie die Vegetation unterschiedlich sind; auch kann möglicherweise ein trockener Kiefernwald auf Flugsanddünen seiner Funktion nur eingeschränkt nachkommen.
Zu Beginn der Entwicklung in einer Zönose sind die Wachstumsprozesse lediglich zeitlimitiert, d.h. das weitere Wachstum ist nur durch die zur Verfügung stehende Zeit (= Energie) begrenzt. Sobald der Raum aber mit Vegetation angefüllt ist, limitiert der Raum, oder alternativ ein im Minimum befindlicher Nährstoff, das Wachstum (Ripl, Hildmann 1997, S. 5). Innerhalb der Zönose ist ein weiteres Wachstum von einer Vergesellschaftung der Organismen abhängig: Konsumenten schaffen durch Fraß wieder Raum, im Minimum befindliche Nährstoffe werden durch Destruenten rasch wieder mineralisiert und erneut zur Verfügung gestellt. So werden die Stoffkreisläufe wieder geschlossen.
Bei der Bewirtschaftung zeitlimitierter Zönosen, wie z.B. bei Getreideäckern, fehlen die Selbstorganisationsprozesse, die zu einer Minimierung der Stoffverluste führen. Die Raumlimitierung der zu bewirtschaftenden Zönosen darf allerdings nicht zu stark sein, da ansonsten die Produktivität des Standortes nur noch gering wäre.
Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Bewirtschaftungsformen sind bislang keineswegs optimiert. So entstehen z.B. nach wie vor große Mengen organischen Abfalls, die im besten Fall kompostiert werden, oft aber auch nur abgelagert und deponiert werden. Tatsächlich enthält dieses Material aber nach wie vor viel durch die Pflanzen gebundenen Kohlenstoff - und damit Energie. Außer einer energetischen Nutzung könnte auch der Abbau durch Destruenten, eine adäquate Prozessführung vorausgesetzt, durchaus wieder für den Menschen nutzbar gemacht werden, indem die darauf aufbauenden Nahrungsketten bewirtschaftet werden (Ripl, Hildmann 1995, S. 206).
Die Optimierung der Schnittstellen muss angepasst zu den tatsächlich genutzten Modulen erfolgen. Dabei ist auch zu bedenken, welche Prozesse energieintensiv parallel erfolgen müssen und welche sequenziell erfolgen können.
Um die Idee einer „neuen Landschaft“ zu konkretisieren, sollen mehrere mögliche Bewirtschaftungsmodule kurz vorgestellt werden.
Die Funktion von Feuchtgebieten als
Ein
Früher wurden Wiesen vielfach bewässert
In China wird die Bewirtschaftung von Teichen mit den umgebenden Deichen gekoppelt
Mithilfe von
Zur Bereitstellung von Energieholz können
Die Randeffekte an den Ökotonen relativieren ein wenig die Bedeutung der
Gerade
Die Entwicklung hin zu nachhaltigen Zönosen, die „Umsetzung“ des Nachhaltigkeitskonzeptes in der Natur, erfolgt durch die Raum- und Zeitlimitierung (s.o.). Während die Prozessgeschwindigkeit durch die zur Verfügung stehende Energie begrenzt ist, erfolgt die Optimierung der Prozesse erst unter einsetzender Raumlimitierung. Der Lebensprozess kann nur dann weiter maximiert werden, wenn die Nutzung der limitierenden Ressource durch eine bessere räumliche und zeitliche Kopplung der Prozesse vollständiger und mit geringeren Verlusten erfolgt und damit der Gesamtwirkungsgrad erhöht wird. Diese integrativ wirkende Selbstoptimierung fehlt in der Landschaft und Gesellschaft heute: Durch den massiven Fremdenergieeinsatz scheinen die Grenzen aufgehoben.
Den unter diesen Rahmenbedingungen zwangsweise eintretenden Umweltschäden wurde durch eine umfangreiche Umweltgesetzgebung begegnet. Trotz zahlreicher Erfolge sind die Probleme keineswegs gelöst, wie nicht nur die hohen Stoffverluste zeigen. Der Ansatz der Umweltgesetzgebung mit zahlreichen Einzelvorschriften mit teilweise divergierenden Zielsetzungen ist weit davon entfernt, eine erneute Selbstorganisation auszulösen. Viele Instrumente, wie die Eingriffsregelung oder die Umweltverträglichkeitsprüfung sind zudem eher als defensiv zu kennzeichnen.
Die Einführung einer Energie- und Bodenwertsteuer (Ripl 1995, S. 75 f., Ripl, Hildmann, Janssen 1997, S. 1009 f.) anstelle eines komplizierten und vor allem die in der Natur unlimitierte Arbeit belastenden Steuersystems ermöglichte diese Selbstorganisationsprozesse wieder. Durch die Veränderung der Rahmenbedingungen bekämen die Flächenbewirtschafter ein verstärktes Eigeninteresse, natur- und ressourcenschonend zu wirtschaften - finanziell belohnt durch geringere Produktionskosten. Über die positiven Umweltwirkungen einer Energiesteuer ist bereits viel geschrieben worden. Die Bodenwertsteuer hat nicht zuletzt die Aufgabe, einen Raubbau an den physischen Grundlagen der Landschaft, auch z. B. durch den wechselfeuchten Anbau von Biomasse zur Energiegewinnung, zu verhindern, indem diese Gewinne abgeschöpft würden.
Die Verteuerung der Transporte und die höheren Bodenpreise in den Städten machten das Leben auf dem Lande wieder attraktiver. Bei gleichzeitiger Verbilligung der Arbeit stiege der Anteil der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft wieder an. Auch Bewirtschaftungs- und Lebensformen mit Anteilen einer Subsistenzwirtschaft könnten dabei entstehen.
Eine Fortsetzung der derzeitigen Agrarpolitik der EU ist damit zu hinterfragen. Die Marktsteuerung bewirkt, einer Planwirtschaft darin nicht ganz unähnlich, dass Feldfrüchte in erheblichem Maße räumlich unangepasst in Form riesiger Monokulturen angebaut werden - und damit die Alterung der Landschaft beschleunigt wird. Eine Übertragung dieser überkommenen Strukturen auf die EU-Beitrittskandidaten Osteuropas lässt erhebliche, vermeidbare Schäden sowohl in der Landschaften als auch in der Beschäftigungs- und Sozialstruktur erwarten.
Während die umfassende Veränderung der Rahmenbedingungen die ganze Gesellschaft mit einschlösse, könnten als eine Art Zwischenstufe auch die Land- und Forstwirte als Flächenbewirtschafter für die Bereitstellung von Trinkwasser aus Oberflächengewässern bezahlt werden (Ripl, Hildmann 1994, S. 138, Ripl, Hildmann, Janssen 1997, S. 1009). Neben den Nahrungsmitteln produzierten die Flächenbewirtschafter dann auch Trinkwasser, regenerative Energie und übernähmen Entsorgungsaufgaben, v. a. für Abwasser und organische Abfälle. Ein qualitativ und quantitativ guter Oberflächenabfluss ist nur dann zu erreichen, wenn das gesamte Einzugsgebiet nachhaltig unter Minimierung der Stoffverluste bewirtschaftet wird. Dazu müssen die lokalen Akteure für eine räumlich und zeitlich angepasste Bewirtschaftung wieder mehr Verantwortung und Kompetenzen übertragen bekommen. Als Kontrollgröße bräuchte lediglich Abfluss und Gewässerchemie in ihrer zeitlichen Verteilung herangezogen werden.
Die Rolle der Landschaftsplanung als integrative Umweltplanung veränderte sich damit. Die Bedeutung hoheitlicher Planung träte gegenüber einer Beratung für die Flächenbewirtschaftung zurück. Die Land- und Forstwirte, die innerhalb der jeweiligen Einzugsgebiete enger miteinander kooperieren werden, müssen neben der einzelbetrieblichen Organisation verstärkt die Optimierung des Gesamtsystems mitsamt den vorhandenen Schnittstellen beachten. Derartige Bewirtschaftungspläne könnte die Landschaftsplanung unter Einbeziehung anderer Disziplinen erarbeiten, wenn sie sich auch die Analyse der Prozesse und Wechselwirkungen zu Eigen machte. Durch die Ende 2000 verabschiedete Wasserrahmenrichtlinie der EU wird ein auf das Einzugsgebiet bezogenes Vorgehen ohnehin notwendig.
Mit der Aufwertung der lokalen Ebene gewinnen auch kooperative und partizipative Planungsverfahren an Bedeutung. Die Aufstellung lokaler Agenden 21, wie sie derzeit vielerorts bereits erfolgt, passt dazu.
Bei der Planung gilt es, auf der Grundlage der verbleibenden Freiheitsgrade auch gestalterische und landschaftsästhetische Aspekte einzubeziehen. Die wieder mit wesentlich mehr Gehölzvegetation und Feuchtgebieten ausgestattete Landschaft gewinnt auch in ihrer Bedeutung für die Erholung. Damit wird nicht nur die Lebensqualität der Bevölkerung auf dem Land verbessert, sondern werden auch die Voraussetzungen für einen Fremdenverkehr aus der Stadt in eine gewandelte Landschaft geschaffen.
Auch der Naturschutz alter Prägung gewinnt mehr, als er verliert. Freilich gehen offene, trockene, vom Menschen künstlich geschaffene Sonderstandorte zurück, die aber, wie die Analyse der Stoffaustragsprozesse zeigt, ohnehin keine auf Dauer gesicherten Standorte sind. Zusätzliche Gehölze im Wechsel mit Feuchtgebieten und Kulturflächen bereichern die oft ausgeräumte Kulturlandschaft. Dennoch sind es genutzte oder der Sukzession überlassene Flächen, die funktional benötigt werden. Eine „Pflege“ durch z.B. Landschaftspflegeverbände mit dem Ziel, ein bestimmtes Landschaftsbild künstlich zu erhalten, muss als fremdenergiegetriebenes und keineswegs per se nachhaltiges Unterfangen als Auslaufmodell gelten.
Die Umsetzung einer derart veränderten Bewirtschaftung erfordert noch einige rechtliche Anpassungen. Es wäre eine Chance, die Idee des Man and BiosphereProgrammes, Mensch und Natur innerhalb der Biosphärenreservate nicht wie in einem Nationalpark zu trennen, aufzugreifen. In einem vorhandenen oder neu eingerichteten Biosphärenreservat könnten neuartige Bewirtschaftungsformen einfacher erprobt und demonstriert werden. Landschaft soll nicht konserviert oder in einen historischen Zustand zurückversetzt werden, sondern nachhaltig und zukunftsweisend entwickelt werden.
Die Landschaft für das nächste Jahrhundert unterscheidet sich damit beträchtlich von dem heutigen Landschaftsbild und ebenso von der historischen Landnutzung - und weist dennoch zahlreiche Anklänge an diese auf (Abbildung).
Um Stoffverluste erst gar nicht entstehen zu lassen, werden die großen Schläge der Agrarsteppen verkleinert und durch Gehölze unterbrochen. Damit wird eine kleinräumig angepasste Bewirtschaftung wahrscheinlicher. Überlegungen, mit Hilfe von GIS und GPS direkt auf den Traktoren eine umweltschonendere, weil angepasstere Bewirtschaftung zu ermöglichen, lassen diese Prozesse außer Acht und leisten der Bewirtschaftung in großen Schlägen und Monokulturen, für die solche Systeme erst ökonomisch werden, weiteren Vorschub.
Die Notwendigkeit der Fangsysteme zur Stoffretention verdichtet die Landschaft zu einem kleinräumigeren, aber sehr produktiven Mosaik. Anstelle ausgedehnter Monokulturen wechseln sich an die Standorte angepasst unterschiedliche Kulturen ab. Da überwiegend für die lokalen Märkte produziert wird, um Transportkosten zu sparen, wäre die Beschränkung auf wenige Fruchtarten wie Mais und Raps wenig lukrativ.
Wenn auf den Einzelflächen zugleich sehr intensiv gewirtschaftet wird, so können, anders als bei einer Extensivierung, die benötigten Nahrungsmittel auf einer kleineren Anbaufläche produziert werden. Damit werden Flächen für Gehölze und für Feuchtgebiete, aber auch für gänzlich unbewirtschaftete Flächen frei. Auf bereits verarmten Standorten bewahren diese Sukzessionsflächen die Funktionalität der empfindlichen Standorte. Nach einigen Jahrzehnten können diese Standorte vielleicht wieder genutzt werden, während andere dafür pausieren. Die „neue Landschaft“ ist also nicht statisch, sondern verändert sich dynamisch (Ripl, Hildmann, Janssen 1997, S. 1006).
Die tradierte Kulturlandschaft hat dabei nur insoweit Bestand, als ihre Landnutzungsmuster mit den nachhalten Bewirtschaftungsmodulen kompatibel sind. Die eher kleinräumige Bewirtschaftung, die vielen Gehölze erinnern an diese optisch, aber der Bewertungsmaßstab sind die Funktionen und Prozesse, nicht die Strukturen.
Die vorgestellten Ideen für eine „neue Landschaft“ mögen für einige Leser ungewohnt, vielleicht auch provokant oder etwas weltfremd klingen. Eine Fortsetzung bisheriger Bewirtschaftung führte jedoch zu einem Verlust der Landschaft als Grundlage der Gesellschaft. Wagen wir also die Entwicklung zu einer zukunftsfähigen und richtungssicheren Landschaft!
Einzugsgebiet heute - nicht nachhaltig mit hohen Basenverlusten
Zukünftiges Einzugsgebiet kurzgeschlossener Wasserkreislauf mit geringen Basenverlusten

