Die Raumplanung ist gem. § 1 ROG ein Instrument zur vorausschauenden, nachhaltigen und die Interessen abwägenden Nutzung des Raumes. Sie hat Konflikte zwischen konkurrierenden Nutzungen aufzuzeigen und diese zu beurteilen. Konflikte müssen von vornherein planerisch vermieden werden und schon existierende Konfliktsituationen so weit wie möglich vermindert werden. Daher gehört das Verhüten von Katastrophen grundsätzlich in das Aufgabenfeld der Raumplanung, wird aber nur partiell aktiv als raumplanerische Aufgabe wahrgenommen. Störfallrisiken wurden bisher nicht systematisch in den Entscheidungsprozess der Raumplanung einbezogen. Es ist notwendig, dass die Instrumente der Raumplanung einen Beitrag zur Risikovorsorge leisten und bestehende Instrumente optimiert und weiterentwickelt werden, um
die Siedlungsentwicklung im Umkreis gefährlicher Anlagen steuern und so einen angemessenen Schutzabstand gewährleisten zu können und die Standortsuche für neue Industrieanlagen auch nach der bereits vorhandenen Risikobelastung eines Raumes auszurichten.
Störfälle werden für die Raumplanung relevant, wenn Wirkungen außerhalb des Betriebsgeländes auftreten, die Umwelt oder Dritte beeinträchtigen. Um das Schadensausmaß zu beeinflussen, müssen Risikoquellen und gefährdete Objekte idealerweise so weit voneinander entfernt sein, dass es auch bei einem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Beeinträchtigung der gefährdeten Objekte kommen kann. Auch wenn dies in dicht besiedelten Ballungsgebieten praktisch nicht möglich ist, ist es sinnvoll und notwendig, eine gewisse räumliche Distanz zwischen Risikoquellen und gefährdeten Objekten anzustreben, da das Risiko einer Schädigung durch eine zunehmende Entfernung zu der Risikoquelle vermindert wird.
Die Raumplanung verfügt über Instrumente, die prinzipiell geeignet sind, einen solchen Sicherheitsabstand zu realisieren. Grundsätzlich sollten in der Umgebung von Risikoquellen keine gefährdeten Objekte und umgekehrt in der Umgebung von gefährdeten Objekten keine Risikoquellen angesiedelt werden. Dazu müssen im Sinne einer Positivplanung geeignete Standorte für wichtige Risikoquellen frühzeitig geplant und gesichert werden sowie durch eine Negativplanung Bereiche festgelegt werden, in denen bestimmte Risikoquellen oder gefährdete Objekte nicht oder nur unter bestimmten Auflagen zulässig sind (Seiler 1996, S. 4).
Art. 12 der EU-Seveso-II-Richtlinie und § 50 BImSchG begründen die Pflicht zu einer raumplanerischen Störfallvorsorge. Die für die Raumplanung maßgebenden Gesetze, das ROG, das BauGB sowie die dazu gehörigen Verordnungen und Erlasse, definieren jedoch keinerlei Abstände oder andere Maßnahmen, die ausdrücklich zur Störfallvorsorge eingesetzt werden können. Auch in der Baunutzungs-Verordnung (BauNVO) finden Gefahren durch Störfälle keine Berücksichtigung. Weiterhin fehlen Kriterien zur Bewertung des Unfallrisikos. Dies gilt sowohl für die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch für die Unfallauswirkungen.
Mögliche Maßnahmen zur Verhinderung von Störfällen oder zur Begrenzung ihrer Auswirkungen werden sowohl im BImSchG und seinen Verordnungen als auch in der Umweltverträglichkeitsprüfung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt. In der Stadt- und Regionalplanung müssen Umwelt- und Sicherheitsbelange mit anderen privaten und öffentlichen Belangen abgewogen werden und haben daher nicht in jedem Fall höchste Priorität.
Bisher spielt die Störfallvorsorge in der Raumplanung kaum eine Rolle, beschränkt sich der Einfluss der Raumplanung auf die Störfallvorsorge doch lediglich auf die Zuweisung von Nutzungsarten und damit die Beeinflussung der Standortwahl im Rahmen der Bauleitplanung. Selbst dieser geringe Anteil der Raumplanung an der Störfallvorsorge basiert nicht auf Informationen zur Risikosituation, sondern kommt in erster Linie durch Empfehlungen des Abstandserlasses sowie die Zulässigkeit von Vorhaben gemäß der Baunutzungsverordnung zustande.
Im Bereich der Raumordnung, der Landes- und Regionalplanung ist eine raumplanerische Störfallvorsorge bestenfalls in der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung eingeschlossen. Während Risiken durch Hochwasser [§ 2 (8) ROG] und die räumlichen Erfordernisse der zivilen und militärischen Verteidigung [§ 2 (15) ROG] Eingang in die Grundsätze der Raumordnung des ROG fanden, werden Erfordernisse einer Vorsorge gegen andere Arten von Risiken nicht genannt. Als Grundlage für eine umfassende raumplanerische Störfallvorsorge, aber auch für eine Vorsorge gegen Risiken anderer Art, sollten die Grundsätze der Raumordnung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums zusätzlich die Vorgabe enthalten, dass der Schutz der Allgemeinheit vor natürlichen und technischen Risiken soweit wie möglich sicherzustellen ist. Durch dieses Erfordernis einer allgemeinen Risikovorsorge wird unter anderem auch der Störfallvorsorge Rechnung getragen.
Die Instrumente der Bauleitplanung eignen sich prinzipiell sehr gut, um die Zuordnung verschiedener Nutzungsarten rechtsverbindlich festzulegen. Nach § 5 (2) Nr. 6 BauGB sowie § 9 (1) Nr. 23 und 24 BauGB erfolgen stadtplanerische Nutzungszuweisungen und die Festsetzung von Schutzabständen mit dem Ziel des Immissionsschutzes bisher zum Schutz vor „schädlichen Umwelteinwirkungen“ im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, welche lediglich die „klassischen“ Immissionen wie Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen umfassen. Auswirkungen durch Störfälle zählen im BImSchG jedoch zu den „sonstigen Gefahren“, sodass diese bisher keine Grundlage für bauleitplanerische Festsetzungen darstellen. Um den Anforderungen von Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie gerecht zu werden, müssen die auf den Immissionsschutz bezogenen Steuerungsinstrumente der Bauleitplanung entsprechend dem § 50 BImSchG erweitert werden, sodass sie sich nicht nur auf „schädliche Umwelteinwirkungen“ im Sinne des BImSchG, sondern auch auf „von schweren Unfällen im Sinne des Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 96/82/EG in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen“ beziehen. Erst dann sind die Instrumente der Bauleitplanung explizit geeignet, bestimmte Nutzungen so zuzuordnen, dass auch Auswirkungen von Störfällen so weit wie möglich vermieden werden können.
Die Möglichkeiten einer raumplanerischen Risikovorsorge sind selbst bei eriner Optimierung durch die oben vorgeschlagenen Änderungen noch nicht zufrieden stellend: Eine Voraussetzung für die raumplanerische Berücksichtigung von Risikosituationen ist, dass die Planungsbehörden Kenntnis über die jeweilige Risikosituation haben. Sie benötigen eine geeignete Informationsbasis über Störfallrisiken bzw. eine rechtzeitige und qualifizierte Information durch die Immissionsschutzbehörden. Durch die Trennung der Raumplanung von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist dies in Deutschland nicht immer der Fall. Nur wenn eine Kenntnis der Risikovorbelastung gegeben ist, kann die Raumplanung geeignete und günstige Standorte für Anlagen von weniger geeigneten differenzieren sowie die Entwicklung in der Umgebung gefährlicher Anlagen angemessen steuern. Daher ist es erforderlich, die gesamträumliche Risikosituation zu ermitteln, um auf dieser Grundlage unterschiedliche Risikoraumtypen zu bilden.
Das im Folgenden vorgeschlagene Risikoinformationssystem hat drei Bestandteile und enthält verschiedene Risikokategorien mit Aussagen zur jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit.
Zum ersten enthält es eine immissionsschutzrechtliche Gefahrenhinweiskarte, welche darüber aufzuklären hat, welche Gefahren für Menschen und Umwelt in der Umgebung einer Anlage vorhegen. Die Gefahren für Menschen werden differenziert dargestellt als Gruppenrisiko und Individualrisiko. Das Individualrisiko wird kartografisch und ergänzend dazu das Gruppenrisiko in Wahrscheinlichkeits-Ausmaß-Diagrammen dargestellt. Dabei dient das Individualrisiko vor allem als Grundlage für Planungen sowie Baugenehmigungen in der Umgebung einer Anlage, das Gruppenrisiko dagegen ist ein Maßstab für die Genehmigungsfähigkeit der Anlage.
Der zweite Bestandteil ist eine Empfindlichkeitskarte, in der die Empfindlichkeit bzw. das Schadenpotential der Schutzgüter dargelegt wird. Die Empfindlichkeit ist anhand geeigneter Indikatoren (z.B. die Bevölkerungsdichte, Baugebietstypen, Schutzgebiete) zu ermitteln und in verschiedene Kategorien einzuteilen.
Für raumplanerische Maßnahmen, die über die örtliche Risikobetrachtung der Baugenehmigungen oder Bauleitplanung hinausgehen, ist die der dritte Bestandteil, die Risikodarstellung in Form einer Risikokarte, unerlässlich. Die Risikokarte stellt die Risikobelastung einzelner Raumelemente dar, welche durch eine Überlagerung der von Anlagen ausgehenden Gefahren und der Empfindlichkeit der derzeitigen Raumnutzungen ermittelt wird. Dafür wird die Empfindlichkeitskarte durch die Gefahrenhinweiskarte überlagert, sodass bestehende Raumnutzungskonflikte sichtbar werden. Erst durch das Prinzip der „Sichtumkehr“, wonach nicht mehr die Anlage und ihre Auswirkungen im Mittelpunkt stehen, sondern die räumliche Verteilung der Risikobelastung, werden Risikoschwerpunkte und Nutzungskonflikte innerhalb eines Raumes erkennbar, welche raumplanerische Maßnahmen erfordern können. Auf dieser Grundlage werden verschiedene Risikoraumtypen festgestellt, auf die eine gezielte raumplanerische Risikosteuerung folgt.
Erstellung einer Risikokarte (geandert nach Seiler 1996)

Das Risikoinformationssystem kann in mehreren Stufen aufgebaut werden. Als erste Ausbaustufe werden die Gefahrenhinweiskarten erarbeitet. Damit besteht für die kleinräumige Vermeidung räumlicher Nutzungskonflikten eine Grundlage, aus der hervorgeht, wo Bauvorhaben genehmigt werden dürfen. Als nächste Stufe werden die Empfindlichkeitskarten angefertigt und als letzte Ausbaustufe mit den Gefahrenhinweiskarten überlagert. Aus den daraus resultierenden Risikokarten werden verschiedene Risikoraumtypen abgeleitet, für die entsprechende raumplanerische Maßnahmen vorgesehen werden.
Ein Risikoinformationssystem kann auf verschiedenen Ebenen der Raumplanung verwirklicht werden, wie der Bauleitplanung oder der Regionalplanung oder im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Fachplanung. Die Landesplanung sowie die Bundesraumordnung scheiden aufgrund ihrer rahmensetzenden und wenig konkreten Aussagen von vornherein für die Umsetzung aus.
Für die tatsächliche Eignung der jeweiligen Planungsinstanz ist zunächst die Darstellungstiefe ihrer Pläne von Belang. Für die Risikodarstellung wird der Maßstab von 1:25 000 favorisiert, um eine möglichst hohe Aussagekraft und eine übergemeindliche Darstellung zu ermöglichen. Weiterhin ist die Verbindlichkeit der jeweiligen Planungen wichtig für die letztendliche Umsetzung der Darstellungen und damit für die Wirksamkeit eines Risikoinformationssystems. Nicht zuletzt spielt auch eine Rolle, inwiefern die zuständige Behörde fachlich und institutionell geeignet ist, ein Risikoinformationssystem einzuführen.
Für die Einführung des Risikoinformationssystems kommen sowohl ein räumlicher und sachlicher Teilplan zum Regionalplan als auch ein immissionsschutzrechtlicher Plan in Frage. Beide können im favorisierten Maßstab 1:25 000 aufgestellt werden und haben sowohl berücksichtigungspflichtige als auch beachtenspflichtige Elemente. Ein immissionsschutzrechtlicher Plan entfaltet in nicht durch qualifizierte Bebauungspläne beplanten Bereichen eine hohe Wirksamkeit, da er bei der Genehmigung von Vorhaben verbindlich ist. Währenddessen muss er im Rahmen der Planaufstellung lediglich berücksichtigt werden und kann in der planerischen Abwägung anderen, wichtigeren Belangen unterliegen. In einem regionalplanerischen Teilplan können, orientiert an den vorliegenden Risikobelastungen und der Risikoempfindlichkeit der jeweiligen Nutzung, die restriktiven Instrumente der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete eingesetzt werden.
Eignung der Planungsinstanzen
Maßstab | B-Plan: 1:500 bis 1:1 000 FNP: 1:5 000 bis 1:10 000 | 1:50 000 bis 1:100 000 | 1:25 000 bis 1:100 000 | 1:50 000, 1: 25 000 oder genauer |
Verbindlichkeit | B-Plan: Rechtsverbindlich Parzellenscharfe Festsetzungen FNP: Behördenverbindlich Wirkungen von erheblicher Reichweite | Behördenverbindlich Anpassungspflicht der Bauleitplanung und Fachplanungen Vorranggebiete: Beachtenspflicht Vorbehaltsgebiete: Berücksichtigungspflicht | Planungen: Berücksichtigungspflicht Genehmigungen: Behördenverbindlich Beachtenspflicht | |
Zustände Behörde und fachliche Kompetenz | Kommune Stadtplanungsamt Fachlich ungeeignet | Mittelbehörde: In NRW Bezirksregierung Für Regionalplanung zuständige Dezernate 61 und 62 Kompetenz zur Risikoermittlung fehlt | Mittelbehörde: Bezirksregierung Für die Belange des immissionsschutzes zuständiges Dezernat 56 Kompetenz zur räumlichen Risikosteuerung fehlt |
Quelle: Eigene Darstellung
Auch die fachliche Eignung der zuständigen Behörden weist jeweils Stärken und Schwächen auf. So ist die Regionalplanungsbehörde geeignet, Empfindlichkeitskarten herzustellen, während die Immissionsschutzbehörde ihre Stärken in der Erstellung von Gefahrenhinweiskarten hat. Beide haben jedoch gewisse Schwächen bei der Zusammenführung dieser beiden Elemente zu den Risikokarten. Die jeweiligen Vor- und Nachteile der regionalplanerischen Teilpläne und immissionsschutzrechtlichen Pläne sowie die jeweiligen Stärken und Schwächen der zuständigen Behörden sind durch eine gezielte Aufgabenteilung und Zusammenarbeit auszugleichen. Die Erarbeitung der Gefahrenhinweiskarten sollte Aufgabe der Immissionsschutzbehörden sein, während die Regionalplanungsbehörden für die Erstellung der Empfindlichkeitskarten zuständig sein sollten. Beim Schritt der Überlagerung dieser beiden Karten zu Risikokarten wird eine Zusammenarbeit beider Behörden empfohlen.
Werden zunächst nur die Gefahrenhinweiskarten erarbeitet, ist von der Immissionsschutzbehörde ein umfassendes Handlungskonzept zu erarbeiten, welches ein generelles Konsultationserfordernis der Immissionsschutzbehörden bei raumbedeutsamen Veränderungen in einem bestimmten Umkreis gefährlicher Anlagen vorsieht, unabhängig davon, ob es sich um Planungen oder Genehmigungen handelt. Die Immissionsschutzbehörden sollen bereits heutzutage bei der Aufstellung von Plänen beteiligt werden, falls ihr Aufgabengebiet betroffen ist. In der Praxis geschieht dies jedoch bei Einzelgenehmigungen nur selten. Im Rahmen des Konsultationserfordernisses müssen die Immissionsschutzbehörden dafür Sorge tragen, dass Raumnutzungskonflikten vorgebeugt wird und bestimmte empfindliche Nutzungen räumlich nicht mit Gebieten hoher Gefahrenpotenziale zusammenfallen. In bereits in eine höhere Gefahrstufe eingestuften Räumen dürfen keine empfindlichen Einrichtungen geplant oder genehmigt werden, es sei denn die Gefahren werden durch geeignete Maßnahmen verringert. Gefährliche Anlagen dürfen nicht an einem Standort angesiedelt werden, dessen Umgebung exponierte Schutzgüter aufweist, die kein zusätzliches Gefahrenpotential zulassen. Bei der immissionsschutzrechtlichen Festlegung dieser Maßnahmen sind die Ziele und Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung zu beachten.
Gefahrenhinweiskarten, Empfindlichkeitskarten und die Risikokarten führen zu einer räumlichen Differenzierung, welche sich an den vorliegenden Risikobelastungen und der Risikoempfindlichkeit der jeweiligen Nutzung orientiert. Daraus können in der Stadt- und Regionalplanung Maßnahmen zur Störfallvorsorge abgeleitet werden. Stadt- und regionalplanerische Instrumente werden eingesetzt, um künftige Konflikte planerisch zu vermeiden. Nicht zu vernachlässigen ist die Entschärfung bereits bestehender Konflikte.
Die Regionalplanung hat im Hinblick auf die nach § 1 (2) Nr. 6 ROG in allen Teilräumen herzustellenden gleichwertigen Lebensbedingungen eine großräumige Risikosteuerung zu betreiben. Es ist Aufgabe der Regionalplanung, vor dem Hintergrund des spezifischen Schadenpotentials eines Raumes gemeindeübergreifend zu klären, welche Standorte für die Ansiedlung einer gefährlichen Anlage geeignet sind. Dabei profitiert die Regionalplanung von der letzten Ausbaustufe des Risikoinformationssystems, den Risikokarten.
Auf der Grundlage der in den Risikokarten ermittelten gesamträumlichen Risikosituation werden unterschiedliche Risikoraumtypen gebildet. Die Regionalplanung bezeichnet daraufhin Raumtypen,
in denen zusätzliche Risiken noch tragbar sind oder deren Risikobelastungspotential erschöpft ist und daher keine Erhöhung der Risikobelastung erfolgen darf oder deren Risikobelastung bereits zu hoch ist und reduziert werden muss.
Diese Einteilung bedarf einer politischen Einigung über Bewertungsgrundlagen und der Festlegung geeigneter Risikogrenzwerte. Im Rahmen der regionalplanerischen Risikosteuerung gibt es die Möglichkeit, Strategien der Konzentration oder der Dezentralisation zu verfolgen: Wird die Risikobelastung auf bestimmte Gebiete konzentriert, werden andere Räume geschont. Die Dezentralisation strebt dagegen eine gleichmäßige Risikobelastung auf niedrigem Niveau an. Da einige Räume für Industriestandorte besser geeignet sind als andere und um einen bestmöglichen Ausgleich zwischen der Risikobelastung und dem Nutzen der Technik herbeizuführen, sollte eine Strategie der dezentralen Konzentration verfolgt werden. Die Risikogrenzwerte werden in verschiedenen Regionen unter- schiedlich hoch angesetzt, sodass einige Räume vor technischen Risiken verschont werden, aber andere Räume nicht unzumutbar hoch belastet werden.
Für die abgegrenzten Risikoraumkategorien sind nach einer abschließenden Abwägung regionalplanerische Ziele festzulegen, welche bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten sind. In der ersten Kategorie sind noch freie Risikokapazitäten vorhanden, hier können also grundsätzlich neue Risiken angesiedelt werden. Die zweite Raumkategorie erlaubt neue Risiken nur, wenn die gesamte Risikobelastung nicht erhöht wird. Unter der Voraussetzung, dass an anderer Stelle derselben Region Risiken reduziert werden, ist also auch hier eine Ansiedlung möglich. Grundsätzlich sollte hier jedoch eine Reduzierung der Risikobelastung stattfinden. Der dritte Risikoraumtyp erlaubt grundsätzlich keine zusätzlichen Risiken. Da das akzeptable Risikomaß schon überschritten ist, hat die Risikominderung hier absoluten Vorrang. Eine Risikominderung ist sowohl durch eine Reduzierung der exponierten Schutzgüter als auch durch die Stilllegung gefährlicher Anlagen möglich. Welche Maßnahmen letztendlich getroffen werden, ist im Einzelfall zu entscheiden. Als Ziele der Raumordnung sind erforderliche Maßnahmen dieser Risikoräume über die Anpassungsverpflichtung der Bauleitplanung mittelfristig realisierbar.
Da die Attraktivität als Wirtschaftsstandort von einem geeigneten Flächenangebot für Industrieanlagen abhängt und die Zahl geeigneter Standorte aufgrund zunehmender Nutzungskonkurrenzen ohne eine planerische Sicherung abnehmen wird, sind noch vorhandene Standorte, insbesondere in Risikoräumen der ersten Kategorie, zu sichern. Als Ergänzung zu den Risikoraumkategorien, welche in erster Linie dem Schutz vor Risiken in bestimmten Räumen dienen, werden daher geeignete Standorte für gefährliche Anlagen durch die Ausweisung von Vorranggebieten gesichert, soweit räumlich und sachlich abschließend abgewogene Zielaussagen möglich sind. Standorte, die für gefährliche Nutzungen geeignet sind, eine abschließende Entscheidung jedoch noch nicht möglich oder erwünscht ist, werden als Vorbehaltsgebiete ausgewiesen. Für ausgewiesene Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für gefährliche Anlagen ist vorzusehen, dass sie gleichzeitig die Wirkung von Eignungsgebieten haben, damit gefährliche Anlagen an anderer Stelle des Planungsraumes ausgeschlossen sind.
Die Sicherung geeigneter Standorte für gefährliche Anlagen bzw. industrielle Großvorhaben stellt durch die hohe Konkretisierung einen immensen Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit dar. Da geeignete Standorte seltene oder einmalige Standortqualitäten aufweisen, wie die Voraussetzung einer nicht zu hohen Risikovorbelastung, ist die Sicherung und Freihaltung genau dieser Flächen aus Sicht der Raumordnung dringend erforderlich. Dieses überörtliche Interesse begründet und rechtfertigt die landes- oder regionalplanerische Einschränkung der kommunalen Planungshoheit.
Die kommunale Ebene hat die im Rahmen der Regionalplanung gewünschte räumliche Entwicklung zu konkretisieren. Dabei hat sie zum einen die Aufgabe, auf kleinräumiger Ebene Raumnutzungskonflikte zu vermeiden, zum anderen hat sie so weit wie möglich bereits bestehende Konflikte zu entflechten. Dafür stehen ihr die bauleitplanerischen Instrumente des Flächennutzungsplans und Bebauungsplans zur Verfügung. Die rahmensetzenden Vorgaben der Flächennutzungsplanung können nur eingeschränkt und unbestimmt die erwünschte zukünftige Nutzung festsetzen. Auf Ebene der Bebauungspläne ist die grundsätzliche Entscheidung über die bauliche Nutzung eines Gebietes bereits getroffen worden. Hier geht es darum, das Schadenspotenzial für einzelne bauliche Vorhaben zu verringern.
Da durch die Gefahrenhinweiskarten genaue Informationen bezüglich der möglichen räumlichen Wirkungen durch Störfälle vorliegen, kann die Bauleitplanung gezielte Nutzungsrestriktionen veranlassen. Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die nun vorliegenden Informationen über bestehende Gefahrenpotentiale in ihren Abwägungsentscheidungen über Flächenausweisungen und Festsetzungen zu berücksichtigen. Die immissionsbezogenen Festsetzungsmöglichkeiten der Bebauungspläne wurden ergänzt und sind nun geeignet, bestimmte Nutzungen einander so zuzuordnen, dass nicht nur schädliche Umwelteinwirkungen, sondern auch Auswirkungen von Störfällen so weit wie möglich vermieden werden können. Auf Grundlage der Gefahrenhinweiskarten werden in Bereichen mit hohen individuellen Risiken freizuhaltende Schutzflächen festgesetzt. Industrie- und Gewerbegebiete werden nicht nur nach den von Betrieben herrührenden Immissionen im Normalbetrieb, sondern explizit nach der Gefährlichkeit der Anlagen gegliedert.
Die Risikokarten werden als Belange der Störfallvorsorge Teil der regionalplanerischen Zielsetzung. Regionalplanerische Ziele müssen in den Bauleitplänen umgesetzt werden, was bedeutet, dass die Ziele bei der Aufstellung neuer Pläne zu beachten sind und bestehende, nicht konforme Pläne entsprechend angepasst werden müssen. Industrie- und Gewerbeflächen dürfen dann nur noch unter Beachtung der jeweiligen räumlichen Risikobelastung festgesetzt werden – ggfs, mit der Vorgabe geeigneter Nutzungsbeschränkungen. In einer schutzgutreichen Umgebung sind gefährliche Anlagen generell nicht- genehmigungsfähig.
Eine Erhöhung des Risikos kann jedoch nicht nur durch die Ansiedlung neuer Anlagen entstehen, sondern auch durch die Ansiedlung empfindlicher Nutzungen in der Nachbarschaft einer bestehenden Anlage. Aufgabe der Bauleitplanung ist es daher auch, die Empfindlichkeit geplanter Baugebiete unter dem Aspekt der vorliegenden Risikobelastung zu prüfen. Das betrifft vor allem empfindliche Nutzungen wie Wohnbaugebiete oder personalintensive Betriebe ohne nennenswertes eigenes Gefahrenpotential. In den regionalplanerisch festgelegten Risikoräumen der dritten Kategorie ist keine Erhöhung des Risikos erlaubt, weder durch die Ansiedlung empfindlicher Nutzungen im potenziellen Einwirkungsbereich gefährlicher Anlagen, noch umgekehrt.
In Gebieten der dritten Risikokategorie ist die Risikobelastung bereits so hoch, dass eine Risikominderung notwendig ist. Eine Risikominderung ist sowohl durch die Stilllegung gefährlicher Anlagen als auch durch die Reduzierung der exponierten Schutzgüter möglich. Daher muss die Raumplanung sich in diesen Gebieten auch der Aufgabe stellen, bestehende Nutzungen mit hohem Schaden- oder Schädigungspotential durch Beschränkung, Verlagerung oder Beendigung rückzubauen. Rechtskräftig genehmigte, bestehende bauliche Nutzungen genießen Bestandsschutz. Das gilt sowohl für Industrieanlagen als auch für Nutzungen, die ein Schadenpotential darstellen. Die Verlagerung oder Beendigung einer Nutzung aus einem gefährdeten Bereich muss daher der Erfüllung eines besonderen öffentlichen Interesses dienen. Durch die fachplanerische oder regionalplanerischer Bezeichnung von Räumen, in denen eine Risikominderung zu erfolgen hat, ist ein solches Interesse gegeben.
Für die Beurteilung des Erfordernisses einer Stilllegung gefährlicher Anlagen oder zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen der Betreiber sind vor allem die Immissionsschutzbehörden zuständig. Wenn weder die Sicherheitstechnik einer Anlage so weit verbessert werden kann, dass die Risikobelastung auf ein akzeptables Niveau sinkt, noch ihre Stilllegung möglich ist, hat die Stadtplanung dafür zu sorgen, dass in der Umgebung der gefährlichen Anlage das Schadenpotenzial verringert wird. Das Baugesetzbuch bietet einige instrumentelle Möglichkeiten zum Rückbau gefährdeter Flächen im Siedlungsbereich. Planerische Instrumente zur Verminderung des Schadenpotenzials sind:
Planaufstellung oder Planänderung, Maßnahmen zur Sicherung der Planung (§§ 14 ff. BauGB), Durchführung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen (§§ 136ff BauGB) und Rückbau- und Entsiegelungsgebot (§ 179 BauGB).
Da bestehende bauliche Nutzungen Bestandsschutz genießen, sind nahezu alle Eingriffe mit dem Ziel der Freimachung gefährdeter Flächen entschädigungspflichtig oder mit sonstigen finanziellen Aufwendungen der öffentlichen Hand verbunden.
Durch die Anpassungspflicht der Bauleitplanung an die Regionalplanung wird durch die Zielsetzung zur Störfallvorsorge in einigen Gebieten eine Änderung der bestehenden Bauleitpläne notwendig sein. Dadurch werden Nutzungsmöglichkeiten von Grundstücken verändert, die nach § 39 BauGB entschädigungspflichtig sind. Da die Planänderung aufgrund des Anpassungsgebotes der Bauleitplanung an überörtliche Planungen erfolgt, ist aber nicht die Gemeinde, sondern das Land entschädigungspflichtig.
In nicht beplanten Bereichen sind die Gefahrenhinweiskarten im Rahmen der Baugenehmigungen beachtungspflichtig. Während der ersten Ausbaustufe des Risikoinformationssystems ist bei der Genehmigung von Vorhaben in einem bestimmten Umkreis um gefährliche Anlagen die zuständige Immissionsschutzbehörde zu beteiligen. Diese hat dann darüber zu befinden, ob die Genehmigung erteilt werden kann. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung ist das Prinzip, dass empfindliche Nutzungen räumlich nicht mit Gebieten hoher Gefahrenpotenziale zusammenfallen dürfen.
Da verbindliche, standortbezogene raumordnerische Ziele in der Abwägung ein hohes Gewicht erlangen können, können konkrete, regionalplanerische Ziele die Zulassung von Einzelvorhaben verhindern. Die Risikokarten werden in einem hinreichend konkreten Maßstab aufgestellt, damit sie als städtebauliche Belange ein hohes Gewicht bei der Abwägung erlangen und einen entscheidenden Einfluss auf die Zulässigkeit von Vorhaben ausüben können. Durch die positive Konzentration gefährlicher Anlagen auf die als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete gesicherten Flächen schließt die Regionalplanung sonstige Standorte für die Ansiedlung aus. Gefährliche Anlagen dürfen also ausschließlich auf Flächen angesiedelt werden, die als Vorrang- oder Vorbehaltsgebiete ausgewiesen sind. Hier genießen die Belange ihrer Ansiedlung aber besondere Priorität.
Maßnahmen der Stadt- und Regionalplanung können zu einer umfassenden Störfallvorsorge beitragen. Um die Möglichkeiten der Störfallvorsorge in der Stadt- und Regionalplanung entscheidend zu verbessern, sind Änderungen bzw. Ergänzungen in einigen rechtlichen Regelungswerken notwendig. Es ist aber nicht erforderlich, grundlegend neue Instrumente, Verfahren oder Institutionen einzuführen.
Bei schon bestehenden Konfliktsituationen können Instrumente der Stadt- und Regionalplanung nur sehr langfristig eine Verbesserung der Situation bewirken, da bestehende Nutzungen Bestandsschutz genießen. In erster Linie ist künftig das Entstehen weiterer Raumnutzungskonflikte zu vermeiden. Daher ist sowohl ein vorausschauender, planerischer Umgang mit Risiken gefragt als auch Möglichkeiten, bereits bestehende Konfliktsituationen zu entschärfen. Eine vollkommen gleichmäßige und gerechte Risikoverteilung in allen Teilräumen kann nicht realisiert werden. Es wird auch künftig mehr und weniger stark belastete Gebiete geben, da sich einige Regionen besser für die Ansiedlung gefährlicher Anlagen eignen als andere.
An erster Stelle ist die Verhinderung von Störfällen durch technische Maßnahmen zu gewährleisten. Raumplanerische Maßnahmen können das „traditionelle“ Risikomanagement nicht ersetzen, sondern sind als Ergänzung zu den vorsorgenden technischen Maßnahmen als eine zusätzliche Gewährleisttung der Sicherheit anzusehen. Dabei besteht Koordinationsbedarf zwischen den technisch orientieren Sicherheitsmaßnahmen der Betreiber und vorsorgenden Maßnahmen der Raumplanung. Ein umfassendes Risikomanagement muss alle Bereiche der Risikosteuerung und der Katastrophenbewältigung koordinieren.
Im Gegensatz zum Umgang mit Naturrisiken, wie der Hochwasservorsorge, hat sich die Raumplanung mit technischen Risiken bisher kaum auseinandergesetzt. Daher besteht noch erheblicher Forschungsbedarf in vielen Teilgebieten, der in Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen erarbeitet werden muss. Die Implementierung eines Risikoinformationssystems in der Stadt- und Regionalplanung erfordert insbesondere die Entwicklung von Maßstäben zur Bewertung von Risiken.

Eignung der Planungsinstanzen
Maßstab | B-Plan: 1:500 bis 1:1 000 FNP: 1:5 000 bis 1:10 000 | 1:50 000 bis 1:100 000 | 1:25 000 bis 1:100 000 | 1:50 000, 1: 25 000 oder genauer |
Verbindlichkeit | B-Plan: Rechtsverbindlich Parzellenscharfe Festsetzungen FNP: Behördenverbindlich Wirkungen von erheblicher Reichweite | Behördenverbindlich Anpassungspflicht der Bauleitplanung und Fachplanungen Vorranggebiete: Beachtenspflicht Vorbehaltsgebiete: Berücksichtigungspflicht | Planungen: Berücksichtigungspflicht Genehmigungen: Behördenverbindlich Beachtenspflicht | |
Zustände Behörde und fachliche Kompetenz | Kommune Stadtplanungsamt Fachlich ungeeignet | Mittelbehörde: In NRW Bezirksregierung Für Regionalplanung zuständige Dezernate 61 und 62 Kompetenz zur Risikoermittlung fehlt | Mittelbehörde: Bezirksregierung Für die Belange des immissionsschutzes zuständiges Dezernat 56 Kompetenz zur räumlichen Risikosteuerung fehlt |